Karl Kautsky

Karl Marx’
Oekonomische Lehren


II. Abschnitt
Der Mehrwerth

Zehntes Kapitel
Maschinerie und große Industrie


1. Die Entwicklung der Maschinerie

Die Theilung der Arbeit in der Manufaktur führte zwar zu einer Modifizirung der handwerksmäßigen Arbeit, hob dieselbe aber nicht auf. Die Handwerksgeschicklichkeit bleibt im Großen und Ganzen die Grundlage der Manufaktur und ermöglicht dem, wenn auch einseitig geübten Theilarbeiter noch eine gewisse Selbständigkeit gegenüber dem Kapitalisten. Er kann nicht von heut auf morgen ersetzt werden, während seine Leistung zum Fortgange des ganzen Betriebes unentbehrlich ist, wie wir am Beispiel von der Nadelfabrikation gesehen. und die Arbeiter sind sich dieses Vortheils so gut bewußt, das sie alles daran setzen, der Manufaktur diesen handwerksmäßigen Charakter durch möglichste Aufrechterhaltung der Handwerksgewohnheiten, z. B. im Lehrlingswesen &c., zu erhalten.

Man kann dieses Bestreben noch heute in einer ganzen Reihe von Industrien beobachten, die bis jetzt manufakturmäßig betrieben wurden. Hier liegt auch das Geheimniß vieler Erfolge der Gewerkschaftsbewegung.

Des Einen Freud ist des Andern Leid. „Durch die ganze Manufakturperiode,“ schreibt Marx, „läuft daher die Klage über den Disziplinmangel der Arbeiter. Und hätten wir nicht die Zeugnisse gleichzeitiger Schriftsteller, die einfachen Thatsachen, das es vom 16. Jahrhundert bis zur Epoche der großen Industrie dem Kapital mißlingt, sich der ganzen disponiblen Arbeitszeit der Manufakturarbeiter zu bemächtigen, das die Manufakturen kurzlebig sind und mit der Ein- oder Auswanderung der Arbeiter ihren Sitz in dem einen Land verlassen und in dem anderen aufschlagen, würden Bibliotheken sprechen.“ Man begreift daher den Schmerzensruf, den der anonyme Verfasser eines im Jahre 1770 erschienenen Pamphlets ausstößt: „Arbeiter sollten sich nie für unabhängig von ihren Vorgesetzten halten ... Ordnung muß auf die eine oder die andere Weise gestiftet werden.“

Und Ordnung wurde gestiftet. Die Manufaktur selbst erzeugte die Vorbedingung dazu. sie rief die hierarchisch gegliederte Werkstatt zur Produktion komplizirterer Arbeitsinstrumente ins Leben, und „das Produkt der manufakturmäßigen Theilung der Arbeit produzirte seinerseits – Maschinen.“ Die Maschine aber giebt der Herrschaft der handwerkmäßigen Thätigkeit den Gnadenstoß.

Wodurch unterscheidet sich die Maschine vom Handwerksinstrument, wodurch verwandelt sich das Arbeitsmittel aus einem Werkzeug in eine Maschine? Dadurch, das ein mechanischer Apparat, der nur in die entsprechende Bewegung versetzt zu werden braucht, „mit seinen Werkzeugen dieselben Operationen verrichtet, welche früher der Arbeiter mit ähnlichen Werkzeugen verrichtete.“ Ob die Triebkraft nun vom Menschen ausgeht oder selbst wieder von einer Maschine, ändert am Wesen der Sache nichts. Es ist das festzuhalten gegenüber der irrthümlichen Auffassung, als ob die Maschine sich dadurch vom Werkzeug unterscheide, das sie von einer vom Menschen verschiedenen Naturkraft, wie Thier, Wasser, Wind u. s. w., in Bewegung gesetzt wird. Die Anwendung solcher Bewegungskräfte ist viel, viel älter als die Maschinenproduktion, wir brauchen nur an das Ziehen des Pfluges durch Ochsen oder Pferde zu erinnern. Thiere, Wind, Wasserkraft &c. sind bekanntlich schon sehr früh von den Menschen als motorische (Bewegungs-) Kräfte angewendet worden, beim Drehen der Mühlen, beim Betrieb von Pumpwerken &c., ohne eine Revolution der Produktionsweise zu bewirken; selbst die Dampfmaschine, wie sie Ende des 17. Jahrhunderts erfunden wurde, rief noch keine industrielle Revolution hervor. Wohl aber war dies der Fall, als die erste bedeutende Werkzeugmaschine, die „Spinnmaschine,“ erfunden wurde. Nichts abgeschmackter als das Märchen von der Entdeckung der Dampfkraft durch zufällige Beobachtung eines siedenden Theetopfes. Das Kraftvermögen des Wasserdampfes ist wahrscheinlich schon vor 2.000 Jahren den Griechen bekannt gewesen, aber sie wußten nichts damit anzufangen, später benutzte man es zu allerhand mechanischen Spielereien. Die Erfindung der Dampfmaschine aber ist das Produkt einer wirklichen, zielbewußten geistigen Anstrengung, gestützt auf frühere Versuche, und war erst möglich, als die Manufaktur die technischen Voraussetzungen, namentlich auch eine genügende Anzahl geschickter mechanischer Arbeiter zu ihrer Herstellung geliefert hatte. Und sie war fernerhin erst möglich, als das Bedürfniß auch das Interesse an neuen bewegenden Kräften geweckt hatte. [1] Das aber war der Fall, als die Arbeitsmaschine erfunden war.

Sie bedurfte zu ihrer Ausnutzung einer kräftigeren, regelmäßiger funktionirenden Triebkraft als der bis dahin vorhandenen. Der Mensch ist ein sehr unvollkommenes Werkzeug für kontinuirliche (ununterbrochene) und gleichförmige Bewegung und obendrein zu schwach; das stärkere Pferd ist nicht nur sehr kostspielig und nur in beschränktem Umfange in der Fabrik verwendbar, sondern besitzt auch die scheußliche Eigenschaft, zuweilen seinen eigenen Kopf zu haben; der Wind ist zu unstät und unkontrolirbar, und auch die Wasserkraft, die schon während der Manufakturperiode stark angewendet ward, genügte nicht mehr, da sie nicht beliebig erhöht werden konnte, in gewissen Jahreszeiten gleichfalls wiederholt versagte und vor Allem an den Ort gebunden war. Erst als James Watt, nach vielen Anstrengungen, seine zweite sog. doppelt wirkende Dampfmaschine erfunden hatte, nachdem er in dem „höchst ausgedehnten“ industriellen Etablissement seines Kompagnons Mathias Boulton „sowohl die technischen Kräfte als die Geldmittel“ (s. Buch der Erfindungen) gefunden, deren er zur Ausführung seiner Pläne bedurfte, erst da war der Motor gefunden, der „seine Bewegungskraft selbst erzeugt aus der Verspeisung von Kohlen und Wasser, dessen Kraftpotenz ganz unter menschlicher Kontrole steht, der mobil (der Ortsveränderung fähig) und ein Mittel der Lokomotion (der Fortbewegung), städtisch und nicht gleich dem Wasserrad ländlich, die Konzentration der Produktion in Städten erlaubt, statt sie, wie das Wasserrad, über das Land zu zerstreuen, universell (allgemein) in seiner technologischen Anwendung.“ (Marx) Und nun wirkt natürlich die vervollkommnete bewegende Kraft ihrerseits zurück auf die immer weitere Entwicklung der Arbeitsmaschine.

„Alle entwickelte Maschinerie besteht aus drei wesentlich verschiedenen Theilen: der Bewegungsmaschine, dem Transmissionsmechanismus, endlich der Werkzeugmaschine oder Arbeitsmaschine.“ Die Bewegungsmaschine als Triebkraft des ganzen Mechanismus haben wir eben betrachtet. Der Transmissions(Uebertragungs-)mechanismus, der sich zusammensetzt aus Schwungrädern, Treibwellen, Zahnrädern, Kreiselrädern, Schäften, Schuüren, Riemen, Zwischengeschirr und Vorgelege der verschiedensten Art, regelt die Bewegung, verwandelt ihre Form je nach Erforderniß, z. B. aus einer gradlinigen in eine kreisförmige, vertheilt und überträgt sie auf die Werkzeugmaschinerie. „Beide Theile des Mechanismus sind nur vorhanden, um der Werkzeugmaschine die Bewegung mitzutheilen, wodurch sie den Arbeitsgegenstand anpackt und zweckgemäß verändert.“

Die Werkzeugmaschine ist es, von der, wie schon bemerkt, die industrielle Revolution im 18. Jahrhundert ausgeht, wie sie auch heute noch da den Ausgangspunkt bildet, wo ein bisheriger Handwerks- oder Manufakturbetrieb in Maschinenbetrieb übergeht. Sie ist zunächst entweder eine mehr oder minder veränderte mechanische Ausgabe des alten Handwerksinstruments, wie bei dem mechanischen Webstuhl, oder die an ihrem Gerüst angebrachten Organe sind alte Bekannte, wie Spindeln bei der Spinnmaschine, Nadeln beim Strumpfwirkerstuhl, Messer bei der Zerhackmaschine u. s. w. Aber die Anzahl der Werkzeuge, welche dieselbe Werkzeugmaschine gleichzeitig in Thätigkeit setzt, ist „von vornherein frei von der Schranke, wodurch das Handwerkszeug eines Arbeiters beengt wird.“

Da eine Bewegungsmaschine vermittels zweckmäßiger Einrichtung („Verästelung in besondere Ausläufe“) des Transmissionsmechanismus eine ganze Anzahl von Arbeitsmaschinen gleichzeitig in Bewegung setzen kann, so sinkt dadurch die einzelne Arbeitsmaschine zu einem bloßen Element der maschinenmäßigen Produktion herab. Wo ein und dieselbe Arbeitsmaschine das ganze Machwerk verfertigt, wie z. B. beim mechanischen Webstuhl, da erscheint in der auf Maschinenbetrieb gegründeten Werkstatt, d. h. in der Fabrik, jedesmal die einfache Kooperation wieder, indem eine Anzahl gleichartiger Arbeitsmaschinen, vom Arbeiter kann hier zunächst abgesehen werden, in demselben Raume gleichzeitig mit- und nebeneinander wirken. Jedoch existirt hier eine technische Einheit. Ein Pulsschlag, ein und dieselbe Bewegungsmaschine setzt sie gleichmäßig in Gang. sie sind nur noch Organe desselben Bewegungsmechanismus.

Wo aber der Arbeitsgegenstand eine zusammenhängende Reihe verschiedener Stufenprozesse durchläuft, die von einer Kette verschiedenartiger, aber einander ergänzender Werkzeugmaschinen ausgeführt worden, wo also die der Manufaktur eigenthümliche Kooperation durch Theilung der Arbeit wiedererscheint, aber als Ineinandergreifen von Theilarbeitsmaschinen, erst da tritt an die stelle der einzelnen selbständigen Maschine ein eigentliches Maschinensystem. Jede Theilmaschine liefert der zunächst folgenden ihr Rohmaterial, und, ähnlich wie in der Manufaktur die Kooperation der Theilarbeiter, so erheischt in dem gegliederten Maschinensystem die beständige Beschäftigung der Theilmaschinen durch einander ein bestimmtes Verhältnis zwischen ihrer Anzahl, ihrem Umfang und ihrer Geschwindigkeit. Diese kombinirte Arbeitsmaschinerie ist um so vollkommener, je kontinuirlicher ihr Gesammtprozeß, das heißt, mit je weniger Unterbrechung das Rohmaterial von seiner ersten zu seiner letzten Form übergeht, je mehr also statt der Menschenhand der Mechanismus selbst es von einer Produktionsstufe in die andere führt. Verrichtet sie alle zur Bearbeitung des Rohstoffes nöthigen Bewegungen ohne menschliche Beihilfe, so das sie nur menschlicher Nachhilfe bedarf, so haben wir ein automatisches System der Maschinerie. Das auch dieses noch beständiger Ausarbeitung im Detail fähig ist, zeigt der Apparat, der die Spinnmaschine von selbst stillsetzt, sobald ein einzelner Faden reißt. Als ein Beispiel „sowohl der Kontinuität der Produktion als der Durchführung des automatischen Prinzips“ kann, sagt Marx, „die moderne Papierfabrik gelten.“

Wie die von Watt erfundene Dampfmaschine, so waren auch die anderen ersten Erfindungen auf dem Gebiet des Maschinenwesens nur ausführbar, weil die Manufakturperiode eine beträchtliche Menge geschickter mechanischer Arbeiter geliefert hatte, Theilarbeiter der Manufakturen, daneben auch selbständige Handwerker, welche im Stande waren, Maschinen fertig zu stellen. Die ersten Maschinen wurden von Handwerkern oder in Manufakturen erzeugt.

Aber so lange die Maschinen dem persönlichen Geschick und der persönlichen Kraft von Arbeitern, die noch halbe Künstler waren, ihre Existenz dankten, waren sie nicht nur sehr theuer – ein Punkt, für den der Kapitalist stets ein merkwürdig gutes Verständnis besitzt – die Ausdehnung ihrer Anwendung, also die Entwicklung der Großindustrie, blieb solange auch abhängig von der Vermehrung der Maschinenbauer, deren Geschäft lange Zeit zur Erlernung bedurfte, deren Zahl sich daher nicht sprungweis vermehren ließ.

Aber auch in technischer Beziehung gerieth die große Industrie, sobald sie eine gewisse Höhe der Entwicklung erklommen, in Widerspruch mit ihrer handwerks- und manufakturmäßigen Unterlage. Jeder Fortschritt, die Ausreckung des Umfanges der Maschinen, ihre Befreiung von dem sie ursprünglich beherrschenden handwerksmäßigen Modell, die Verwendung von geeigneterem, aber schwerer zu bewältigendem Material, z. B. Eisen statt Holz, stieß auf die größten Schwierigkeiten, die zu überwinden selbst dem in der Manufaktur durchgeführten System der Arbeitstheilung nicht gelang. „Maschinen z. B. wie die moderne Druckerpresse, der moderne Dampfwebstuhl und die moderne Kardirmaschine, konnten nicht von der Manufaktur geliefert werden.“

Auf der anderen Seite zieht die Umwälzung in dem einen Industriezweig die Umwälzung in einer Reihe mit ihr in Zusammenhang stehender Industriezweige nach sich. Die Maschinenspinnerei macht Maschinenweberei nöthig, und beide zusammen eine mechanisch-chemische Revolution in Bleicherei, Druckerei und Färberei. Dann aber erforderte die Revolution der Produktionsweise in Industrie und Landwirthschaft eine Umwälzung der Verkehrs- und Transportmittel. Die große Industrie mit ihrer fieberhaften Geschwindigkeit der Produktion muß ihre Rohstoffe schnell beziehen, ihre Produkte schnell und in großen Mengen auf die Märkte werfen können, sie muß in der Lage sein, große Arbeitermassen nach ihren Bedürfnissen heranziehen und abstoßen zu können &c. Daher Umwälzung im Schiffbau, Ersetzung des Segelschiffes durch das Dampfschiff, des Landfuhrwerkes durch Eisenbahnen, der Eilboten durch den Telegraphen. „Die furchtbaren Eisenmassen aber, die jetzt zu schmieden, zu schweißen, zu schneiden, zu bohren und zu formen waren, erforderten ihrerseits zyklopische (riesenhafte) Maschinen, deren Schöpfung der manufakturmäßige Maschinenbau versagte.“

So mußte sich die große Industrie ihre eigene, ihrem Wesen angepaßte Unterlage schaffen, und zwar dadurch, das sie sich der Maschine bemächtigte, um durch sie Maschinen zu produziren. „Erst durch die Werkzeugmaschinen hat die Technik die Riesenaufgabe überwältigen können, welche der Maschinenbau ihr stellte.“ (Buch der Erfindungen) Dazu war aber nothwendig, die für die einzelnen Maschinentheile nöthigen streng geometrischen Formen, wie Linie, Ebene, Kreis, Zylinder, Kegel und Kugel maschinenmäßig zu produziren. Und auch dieses Problem wurde gelöst, als Henry Maudsley im ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts den Drehbankschlitten („slide rest“) erfunden hatte, der bald automatisch gemacht und von der Drechselbank auf andere Konstruktionsmaschinen übertragen wurde. Dank dieser mechanischen Erfindung gelang es, die geometrischen Formen der einzelnen Maschinentheile „mit einem Grad von Leichtigkeit, Genauigkeit und Raschheit zu produziren, den keine gehäufte Erfahunng der Hand des geschicktesten Arbeiters verleihen konnte.“ [2]

Ueber die Großartigkeit der zum Maschinenbau angewandten Maschinerie ist es nicht nöthig, viele Worte zu verlieren. Wer hätte nicht von den Riesenwerken unserer Maschinenfabriken gehört, von jenen gewaltigen Dampfhämmern, die, über 100 Zentner schwer, spielend einen Granitblock pulverisiren, gleichzeitig aber fähig sind, die leisesten, bis auf die geringsten Differenzen genau bemessenen Schläge auszuführen u. s. w.? Und jeder Tag berichtet uns von neuen Fortschritten des Maschinensystems, von neuer Ausdehnung seines Gebietes.

In der Manufaktur war die Theilung der Arbeit noch vorwiegend subjektiv, der Einzelprozeß war der Person des Arbeiters angepaßt, im Maschinensystem besitzt die große Industrie einen ganz objektiven Produktionsorganismus, der dem Arbeiter fertig gegenübersteht und dem daher dieser sich anzupassen hat. Die Kooperation, die Verdrängung des vereinzelten Arbeiters durch den vergesellschafteten, ist nicht mehr zufällig, sondern „durch die Natur des Arbeitsmittels diktirte technische Nothwendigkeit.“
 

2. Werthabgabe der Maschinerie an das Produkt

Gleich dem einfachen Werkzeug gehört die Maschine zum konstanten Kapital. Sie schafft keinen Werth, sondern giebt nur ihren eigenen Werth an das Produkt ab, im einzelnen Fall den Werth dessen, was sie durch ihre Abnützung verliert.

Die Maschinerie geht in den Arbeitsprozeß ganz, in den Verwerthungsprozeß immer nur theilweise ein. Dasselbe findet auch beim Werkzeug statt, doch ist die Differenz zwischen dem ursprünglichen Gesammtwerth und dem an das Produkt abgegebenen Werththeil bei der Maschine weit größer als beim Werkzeug, denn erstens lebt sie länger als das Werkzeug, da sie aus dauerhafterem Material errichtet ist, zweitens ermöglicht sie, in Folge ihrer Regelung durch streng wissenschaftliche Gesetze, größere Ersparniß im Verschleiß ihrer Bestandtheile und im Konsum von Hilfsstoffen, Oel, Kohlen u. s. w., und endlich ist ihr Produktionsfeld unverhältnismäßig größer als das des Werkzeugs.

Bei gegebener Differenz zwischen dem Werth der Maschinerie und dem auf ihr Tagesprodukt übertragenen Werththeil, hängt der Grad, worin dieser Werththeil das Produkt vertheuert, von dem Umfange des Produkts ab. In einem 1858 gehaltenen Vortrag schätzte ein Herr Baynes aus Blackburn, das „jede wirkliche mechanische Pferdekraft [3] 450 selfacting (selbstthätige) Mulespindeln treibt, oder 200 Drosselspindeln oder 15 Webstühle für 40zölliges Gewebe“ &c. somit vertheilen sich die täglichen Kosten einer Dampfpferdekraft und die Abnutzung der von ihr in Bewegung gesetzten Maschinerie im ersten Fall über das Tagesprodukt von 450 Mulespindeln, im zweiten von 200 Drosselspindeln, im dritten von 15 mechanischen Webstühlen; der Werththeil, der so auf ein Loth Garn oder eine Elle Gewebe übertragen wird, ist ein überaus winziger.

Bei gegebenem Wirkungskreis der Arbeitsmaschine, d. h. der Anzahl ihrer Werkzeuge oder, wo es sich, wie beim Dampfhammer, um Kraft handelt, dem Umfange ihrer Kraft, hängt die Produktenmasse von der Geschwindigkeit ab, womit die Maschine operirt.

Die Größe des Werththeils, den die Maschinerie an das Produkt abgiebt, hängt, bei gegebenem Maß der Werthübertragung, von ihrer eigenen Werthgröße ab. Je weniger Arbeit sie selbst kostet, um so weniger Werth setzt sie dem Produkt zu. Kostet ihre Produktion so viel Arbeit, als ihre Anwendung erspart, so findet bloßer Platzwechsel von Arbeit statt, aber keine Vermehrung der Produktivität der Arbeit. Die Produktivität der Maschine mißt sich an dem Grad, worin sie menschliche Arbeitskraft erspart. Es steht daher durchaus nicht im Widerspruch mit dem Prinzip der Maschinenproduktion, das im Allgemeinen, im Vergleich mit handwerks- oder manufakturmäßig erzeugten Waaren, beim Maschinenprodukt der dem Arbeitsmittel geschuldete Wetthbestandtheil relativ, d. h. im Verhältniß zum Gesammtwerth des Produktes zunimmt, indes er absolut sinkt.

Vom Standpunkt der Verwohlfeilerung des Produktes ist die Grenze für den Gebrauch der Maschinerie darin gegeben, das ihre eigene Produktion weniger Arbeit kostet als ihre Anwendung Arbeit ersetzt. Nun zahlt aber, wie wir früher gesehen, das Kapital nicht die angewandte Arbeit, sondern blos den Werth der angewandten Arbeitskraft, es ist also für dasselbe der Maschinengebrauch begrenzt durch die Differenz zwischen dem Werth der Maschine und dem Gesammtwerth der von ihr während ihrer Dauer ersetzten Arbeitskraft, bezw., da der wirkliche Lohn des Arbeiters bald unter den Werth seiner Arbeitskraft sinkt, bald über ihn steigt, in den verschiedenen Ländern, in verschiedenen Epochen und in verschiedenen Arbeitszweigen verschieden ist, durch die Differenz zwischen dem Preis der Maschinerie und dem Preis der von ihr zu ersetzenden Arbeitskraft. Nur diese Differenz ist für den Kapitalisten bestimmend, nur sie drückt auf ihn mit dem Zwangsmittel der Konkurrenz, und daher kommt es, das heute mitunter Maschinen, die sich in einem Lande profitabel erweisen, in einem anderen nicht zur Anwendung kommen. In Amerika hat man Maschinen zum Steinklopfen erfunden, in der allen Welt wendet man sie nicht an, weil hier der Proletarier, der diese Arbeit verrichtet, einen so geringen Theil seiner Arbeit bezahlt erhält, das Maschinen die Produktion für den Kapitalisten vertheuern würden.

Niedrige Löhne sind geradezu ein Hinderniß für die Einführung von Maschinen, also auch von diesem Standpunkt aus ein Nachtheil für die gesellschaftliche Entwicklung.

Erst in einer Gesellschaft, die den Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit aufgehoben, fände das Maschinenwesen Spielraum zur vollen Entfaltung.
 

3. Die nächsten Wirkungen des maschinenmäßigen
Betriebes auf die Arbeiter

„Sofern die Maschine Muskelkraft entbehrlich macht, wird sie zum Mittel, Arbeiter ohne Muskelkraft oder von unreifer Körperentwicklung, aber größerer Geschmeidigkeit der Glieder anzuwenden. Das gewaltige Ersatzmittel von Arbeit und Arbeitern verwandelt sich sofort in ein Mittel, die Zahl der Lohnarbeiter zu vermehren durch Einrollirung aller Mitglieder der Arbeiterfamilie, ohne Unterschied von Geschlecht und Alter, unter die unmittelbare Botmäßigkeit des Kapitals.“ Nicht nur an die Stelle des Kinderspiels, sondern auch der freien Arbeit im häuslichen Kreis für die Familie selbst, tritt die Zwangsarbeit für den Kapitalisten. „Weiber- und Kinderarbeit war das erste Wort der kapitalistischen Anwendung der Maschinerie!“

Die Rückwirkung davon sollte in wirthschaftlicher, sozialer und sittlicher Beziehung gleich verhängnisvoll für die Arbeiterklasse werden.

Bis dahin war der Werth der Arbeitskraft bestimmt durch die zur Erhaltung nicht nur des individuellen erwachsenen Arbeiters, sondern der ganzen Arbeiterfamilie, der er als Ernährer vorstand, nöthige Arbeitszeit. Nun aber, da Frau und Kinder auch auf den Arbeitsmarkt gezogen wurden, Gelegenheit bekamen, mit zu verdienen, vertheilte sich mit der Zeit der Werth der Arbeitskraft des Mannes über seine ganze Familie. Und dieser Bewegung des Werthes der Arbeitskraft paßt sich wunderbar schnell an die entsprechende Bewegung ihres Preises, d. h. des Arbeitslohnes. Statt des Vaters muß allmälig die ganze Familie, um bestehen zu können, für Lohn arbeiten, und so nicht nur Arbeit, sondern auch Mehrarbeit für das Kapital liefern. Die Maschine vermehrt auf diese Weise nicht nur das Ausbeutungsmaterial, sondern erhöht auch den Grad der Ausbeutung.

Eine gewisse nominelle Mehreinnahme der Arbeiterfamilie ist dabei übrigens nicht ausgeschlossen. Wenn statt des Vaters nun Vater, Mutter und zwei Kinder arbeiten, so ist der Gesammtlohn in den meisten Fällen höher, als früher der Lohn des Vaters allein. Aber die Kosten des Unterhalts haben sich ebenfalls erhöht. Die Maschine bedeutet größere Wirthschaftlichkeit in der Fabrik, aber die Maschinenindustrie macht der Wirthschaftlichkeit im Hause des Arbeiters ein Ende. Die Fabrikarbeiterin kann nicht zugleich Hausfrau sein. Ersparnis und Zweckmäßigkeit in Vernutzung der Lebensmittel werden unmöglich.

Früher hatte der Arbeiter seine eigene Arbeitskraft verkauft, über welche er als wenigstens formell freie Person verfügte. Jetzt wird er Sklavenhändler und verkauft Weib und Kind an die Fabrik. Wenn der kapitalistische Pharisäer in der Oeffentlichkeit über diese „Bestialität“ zetert, so vergißt er, das er selbst es ist, der sie geschaffen hat, sie ausbeutet und unter dem schönen Titel „Freiheit der Arbeit“ verewigen möchte. Der Bestialität der Arbeitereltern aber steht die große Thatsache gegenüber, das die Beschränkung der Frauen- und Kinderarbeit in den englischen Fabriken dem Kapital von den erwachsenen männlichen Arbeitern ab erobert wurde.

Marx bringt zahlreiche Belege für die verkümmernde Wirkung der Fabrikarbeit der Frauen und Kinder. Wir verweisen auf diese und führen hier einen aus neuerer Zeit an, aus dem Buche von Singer: Untersuchungen über die sozialen Zustände in den Fabrikbezirken des nordöstlichen Böhmen (Leipzig 1885). Die Daten dieses Buches ermöglichen uns eine Vergleichung der mittleren Kindersterblichkeit in einem Lande, das von der Großindustrie so gut wie gar nichts weiß, Norwegen, mit der in Distrikten, in denen die Großindustrie hochentwickelt ist, ohne bis zur Zeit der Abfassung des Buches durch eine Arbeiterschutzgesetzgebung eingeschränkt worden zu sein. Wir meinen das nordöstliche Böhmen.

In Norwegen kamen (1866-1874) auf zehntausend Lebend-Geborene beiderlei Geschlechts im Alter bis zu 1 Jahr 1.063 Sterbefälle. Dagegen zählte man in folgenden hochindustriellen Bezirken auf je zehntausend Lebend-Geborene Sterbefälle:

in      

 

im ersten
Lebensjahr

Hohenelbe

3.026

Gablonz

3.104

Braunau

3.286

Trautenau

3.475

Reichenberg,
Umgebung

3.805

Friedland

4.130

Die Säuglings-Sterblichkeit in den Fabrikdistrikten war also eine drei- bis viermal so große wie in dem in der „Kultur“ zurückgebliebenen Norwegen! Die große Sterblichkeit in den ersteren darf nicht mit den Malthusianem auf übergroße Fruchtbarkeit der Bevölkerung zurückgeführt werden. Die Geburtenziffer ist vielmehr eine auffallend geringe. In den von Singer untersuchten Bezirken kommen auf 1.000 Bewohner jährlich nicht ganz 35 Geburten, in Deutschland fast 42, in Gesammt-Oesterreich über 40.

Neben der leiblichen und moralischen Verkümmerung züchtete die Verwandlung unreifer Menschen in bloße Maschinen zur Fabrizirung von Mehrwerth auch eine „intellektuelle Verödung, sehr zu unterscheiden von jener naturwüchsigen Unwissenheit, welche den Geist in Brache legt, ohne Verderb seiner Entwicklungsfähigkeit, seiner natürlichen Fruchtbarkeit selbst.“

Aber eine „segensreiche“ Wirkung hat das von der Maschinerie bewirkte Heranziehen von Kindern und Weibern zum kombinirten Arbeitspersonal doch: es hilft endlich den Widerstand brecheu, den der männliche Arbeiter in der Manufaktur der Despotie des Kapitals noch entgegensetzte. –

Was ist der Zweck der Maschinerie, weshalb führt der Kapitalist Maschinen ein? Um die Mühe seiner Arbeiter zu erleichtern? Keineswegs. Die Maschinerie hat den Zweck, durch Erhöhung der Produktivkraft der Arbeit Waaren zu verwohlfeilern und den Theil des Arbeitstages, den der Arbeiter zur Produktion des Werthes seiner Arbeitskraft braucht, zu verkürzen zu Gunsten des Theiles, während dessen er Mehrwerth schafft.

Nun haben wir aber gesehen, das die Maschinerie um so produktiver ist, je geringer der Theil ihres eigenen Werthes, den sie an eine bestimmte Produktenmenge abgiebt. Und dieser Theil ist um so geringer, je größer die Produktenmasse, welche sie erzeugt, die Produktenmasse aber ist um so größer, je länger die Periode dauert, während deren die Maschine in Thätigkeit ist. Ist es nun dem Kapitalisten gleichgiltig, ob sich diese „Arbeitsperiode“ seiner Maschinerie etwa auf 15 Jahre bei täglich 8 stunden Thätigkeit oder auf 7½ Jahre bei täglich 16 stunden Thätigkeit vertheilt? Mathematisch genommen ist die Benutzungszeit in beiden Fällen die gleiche. Aber unser Kapitalist rechnet anders.

Er sagt sich erstens: In 7½ Jahren bei täglich 16 stunden Betrieb setzt die Maschine dem Gesammtprodukt nicht mehr Werth zu als in 15 Jahren bei täglich 8 Stunden, dagegen reproduzirt sie im ersteren Falle ihren Werth doppelt so schnell als im zweiten und versetzt mich in die angenehme Lage, in 7½ Jahren ebensoviel Mehrarbeit einzustreichen als sonst in 15 – abgesehen von anderen Vortheilen, welche die Verlängerung des Arbeitstages mit sich bringt.

Ferner: Meine Maschine nutzt sich nicht blos ab beim Gebrauch, sondern auch wenn sie stille steht und daher dem Einfluß der Elemente ausgesetzt ist. Rastet sie, so rostet sie. Diese letztere Abnutzung ist reiner Verlust, den ich vermeiden kann, je mehr ich die Zeit des Stillstandes abkürze.

Weiter: In unserer Zeit der fortgesetzten technischen Umwälzungen muß ich täglich gewärtig sein, das meine Maschine durch irgend eine wohlfeiler hergestellte oder technisch verbesserte Konkurrentin entwerthet wird. Je schneller ich sie daher ihren Werth wieder einbringen lasse, um so geringer ist die Gefahr dieser Fatalität.

Beiläufig, diese Gefahr ist am größten bei der ersten Einführung der Maschinerie in irgend einen Produktionszweig; hier folgen die neuen Methoden schlag auf schlag. Daher macht sich auch dann das Bestreben nach Verlängerung des Arbeitstages am stärksten geltend.

Unser Kapitalist fährt fort: Meine Maschinen, meine Gebäude &c. repräsentiren ein Kapital von so und so viel tausend Mark. Stehen erstere still, so liegt mein ganzes Kapital nutzlos da. Je länger sie daher in Thätigkeit sind, um so besser verwerthe ich nicht nur sie, sondern auch den in Baulichkeiten &c. angelegten Kapitaltheil.

Zu diesen Erwägungen des Kapitalisten gesellt sich ein Beweggrund, der ihm allerdings ebensowenig, wie seinem gelehrten Anwalt, dem politischen Oekonomen, zum Bewußtsein kommt, nichtsdestoweniger aber von großer Wirkung ist. Der Kapitalist schafft seine Maschinen an, um Arbeitslohn (variables Kapital) zu sparen, damit künftig ein Arbeiter in einer Stunde ebenso viel Waare herstelle, als bisher in drei oder vier. Die Maschine erhöht die Produktivität der Arbeit und vermag dadurch die Mehrarbeit auf Kosten der nothwendigen Arbeit auszudehnen, also die Rate des Mehrwerths zu erhöhen. Aber sie kann dies Resultat nur hervorbringen durch Verminderung der Zahl der von einem gegebenen Kapital angewandten Arbeiter. Der Maschinenbetrieb verwandelt einen Theil des Kapitals, der früher variabel war, d. h. sich in lebenbige Arbeitskraft umsetzte, in Maschinerie, d. h. in konstantes Kapital.

Wir wissen aber, das die Masse des Mehrwerths bestimmt wird, erstens durch die Rate des Mehrwerths und zweitens durch die Anzahl der beschäftigten Arbeiter. Die Einführung der Maschinerie in der kapitalistischen Großindustrie sucht den ersteren Faktor der Masse des Mehrwerths zu erhöhen durch Verminderung des zweiten. Es liegt also in der Anwendung der Maschinerie zur Produktion von Mehrwerth ein innerer Widerspruch. Dieser Gegensatz treibt das Kapital dazu, die verhältnismäßige Abnahme der Anzahl der ausgebeuteten Arbeiter dadurch auszugleichen, das es, nicht zufrieden mit der Zunahme der relativen Mehrarbeit, auch die absolute Mehrarbeit zu steigern und den Arbeitstag so weit als möglich zu verlängern sucht.

Die kapitalistische Anwendung der Maschinerie schafft also eine Reihe neuer, mächtiger Beweggründe zur maßlosen Verlängerung des Arbeitstages. sie vermehrt aber auch die Möglichkeit seiner Verlängerung. Da die Maschine ununterbrochen fortzulaufen vermag, so ist das Kapital bei seinem Bestreben, den Arbeitstag auszudehnen, nur durch die Schranken gebunden, die ihm die natürliche Ermüdung des menschlichen Gehilfen bei der Maschine, d. h. des Arbeiters, und dessen Widerstand setzen. Den letzteren bricht es sowohl durch Hineinziehen des füg- und biegsameren Weiber- und Kinderelements in die Produktion, als auch durch Schaffung einer „überflüssigen“ Arbeiterbevölkerung, bestehend aus den durch die Maschine freigesetzten Arbeitern. Auf diese Art wirft die Maschine alle sittlichen und natürlichen Schranken des Arbeitstages über den Haufen, wird sie, trotzdem sie das „gewaltige Mittel zur Verkürzung der Arbeitszeit,“ zum unfehlbaren Mittel, alle Lebenszeit des Arbeiters und seiner Familie in disponible Arbeitszeit für die Verwerthung des Arbeiters zu verwandeln.

Marx schließt den Abschnitt, in dem er dies konstatirt, mit folgenden Worten:

„Wenn,“ träumte Aristoteles, der größte Denker des Alterthums, „wenn jedes Werkzeug auf Geheiß, oder auch vorausahnend, das ihm zukommende Werk vernichten könnte, wie des Dädalus Kunstwerke sich von selbst bewegten, oder die Dreifüße des Hephästos aus eigenem Antrieb an die heilige Arbeit gingen, wenn so die Weberschiffe von selbst webten, so bedürfte es weder für den Werkmeister der Gehilfen, noch für die Herren der Sklaven.“ Und Antiparos, ein griechischer Dichter aus der Zeit des Cicero, begrüßte die Erfindung der Wassermühle zum Mahlen des Getreides, diese Elementarform aller produktiven Maschinerie, als Befreierin der Sklavinnen und Herstellerin des goldenen Zeitalters. „Die Heiden, ja die Heiden!“ sie begriffen, wie der gescheidte Bastiat entdeckt hat, und schon vor ihm der noch klügere MacCulloch, nichts von politischer Oekonomie und Christenthum. Sie begriffen unter Anderem nicht, das die Maschine das probateste Mittel zur Verlängerung des Arbeitstages ist. Sie entschuldigten etwa die Sklaverei des Einen als Mittel zur vollen menschlichen Entwicklung des Andern. Aber Sklaverei der Massen predigen, um einige rohe oder halbgebildete Parvenus zu „eminent spinners (hervorragenden Spinnern), „extensive sausage makers“ (großen Wurstfabrikanten) und „influentia1 shoe black dea1ers“ (einflußreichen Stiefelwichshändlern) zu machen, dazu fehlte ihnen das spezifisch christliche Organ.


Je mehr das Maschinenwesen und mit ihm eine eigene Klasse von erfahrenen Maschinenarbeitern sich entwickeln, um so mehr nimmt auch die Geschwindigkeit und damit die Anstrengung, die Intensivität der Arbeit naturwüchsig zu. Diese gesteigerte Intensivität der Arbeit ist jedoch nur möglich, solange der Arbeitstag nicht über eine gewisse Grenze ausgedehnt wird, geradeso wie auf einer gewissen Stufe der Entwicklung eine Steigerung der Intensivität der Arbeit nur möglich ist bei einer entsprechenden Verkürzung des Arbeitstages. Wo es sich um eine tagaus tagein regelmäßig zu wiederholende Arbeit handelt, diktirt die Natur gebieterisch ihr: Bis hierher und nicht weiter.

In der ersten Zeit der Fabrikindustrie gingen in England Verlängerung des Arbeitstages und wachsende Intensivität der Fabrikarbeit Hand in Hand. Sobald aber durch die von der empörten Arbeiterklasse erzwungene gesetzliche Beschränkung des Arbeitstages dem Kapital jede Möglichkeit abgeschnitten war, auf dem ersteren Wege gesteigerte Produktion von Mehrwerth zu erzielen, verlegte es sich mit aller Kraft darauf, das gewünschte Resultat durch beschleunigte Entwicklung des Maschinensystems und größere Oekonomie im Produktionsprozeß zu erlangen. Bestand bisher die Produktionsmethode des relativen Mehrwerths im Allgemeinen darin, durch gesteigerte Produktivkraft der Arbeit den Arbeiter zu befähigen, mit derselben Arbeitsausgabe in derselben Zeit mehr zu produziren, so heißt es nun, durch vergrößerte Arbeitsausgabe in derselben Zeit ein größeres Arbeitsquantum zu erlangen. Die Verkürzung des Arbeitstages führt für den Arbeiter zur erhöhten Anspannung der Arbeitskraft, zur „dichteren Ausfüllung der Poren der Arbeitszeit,“ d. h. zur größeren „Kondensation der Arbeit.“ Er muß in einer Stunde des zehnstündigen Arbeitstages mehr arbeiten als früher in einer Stunde des zwölfstündigen Arbeitstages. Eine größere Masse Arbeit wird in eine gegebene Zeitperiode zusammengepreßt.

Wir haben die beiden Wege bereits genannt, vermittelst deren dieses Resultat erzielt werden kann: größere Oekonomie im Arbeitsprozeß und beschleunigte Entwicklung des Maschinenwesens. Im ersteren Falle sorgt das Kapital durch die Methode der Lohnzahlung (namentlich durch den Stücklohn, auf den wir später noch zurückkommen) dafür, das der Arbeiter in der kürzeren Arbeitszeit mehr Arbeitskraft flüssig macht als vorher. Es wird die Regelmäßigkeit, Gleichförmigkeit, Ordnung, Energie der Arbeit erhöht. Selbst da, wo dem Kapital nicht das zweite Mittel zur Verfügung stand, nämlich durch erhöhte Geschwindigkeit des Umlaufes der treibenden oder Ausdehnung des Umfanges der zu überwachenden Maschine, dem Arbeiter mehr Arbeit abzupressen, selbst da sind in dieser Beziehung Resultate erzielt worden, welche alle vorher geltend gemachten Zweifel Lügen strafen. Fast bei jeder Verkürzung der Arbeitszeit erklären die Fabrikanten, die Arbeit werde in ihren Etablissements so sorgfältig überwacht, die Aufmerksamkeit ihrer Arbeiter sei so angespannt, das es Unsinn sei, von einer Steigerung derselben ein erhebliches Resultat zu erwarten; und kaum das sie durchgeführt, müssen dieselben Fabrikanten zugestehen, das ihre Arbeiter in der kürzeren Zeit nicht nur ebensoviel, sondern zuweilen noch mehr Arbeit verrichten als vorher in der längeren selbst bei unveränderten Arbeitsmitteln. Ebenso steht es mit der Vervollkommnung der Maschinerie. So oft noch erklärt worden, man sei jetzt an der Grenze des auf lange Zeit Erreichbaren angelangt, ebenso oft wurde diese Grenze nach kurzer Zeit überschritten.

So stark ist die Intensivizirung der Arbeiter unter einem verkürzten Arbeitstag, das die englischen Fabrikinspektoren, obwohl sie „die günstigen Resultate der Fabrikgesetze von 1844 und 1850 unermüdlich lobpreisen,“ doch in den sechziger Jahren zugestanden, das die Verkürzung des Arbeitstages bereits eine die Gesundheit der Arbeiter zerstörende Intensivität der Arbeit hervorgerufen habe.

Diejenigen, welche glauben, die Einführung eines Normalarbeitstages werde die Harmonie zwischen Kapital und Arbeit herstellen, sind in einem großen Irrthum begriffen.

„Es unterliegt nicht dem geringsten Zweifel,“ sagt Marx, „das die Tendenz des Kapitals, sobald ihm Verlängerung des Arbeitstages ein für allemal durch das Gesetz abgeschnitten ist, sich durch systematische Steigerung des Intensitätsgrades der Arbeit gütlich zu thun und jede Verbesserung der Maschinerie in ein Mittel zur Aussaugung größerer Arbeitskraft zu verkehren, bald wieder zu einem Wendepunkt treiben muß, wo abermalige Abnahme der Arbeitsstunden unvermeidlich wird.“

Wo der zehnstündige Normalarbeitstag eingeführt wird, machen die eben gekennzeichneten Bemühungen der Fabrikanten in nicht allzulanger Zeit den achtstündigen Arbeitstag nothwendig.

Dies spricht in unseren Augen nicht gegen, sondern für den Normalarbeitstag. Wie jede wahrhafte soziale Reform treibt er über sich selbst hinaus, ist ein Element der Weiterentwicklung, nicht der Versumpfung der Gesellschaft.
 

4. Die Maschine als „Erzieherin“ des Arbeiters

Wir haben bisher von Wirkungen der Einführung der Maschinerie gesprochen, die in erster Linie ökonomischer Natur sind; beschäftigen wir uns nun auch mit den direkt moralischen Wirkungen der Maschinerie auf die Arbeiter.

Vergleichen wir das Ganze einer modernen, mit Maschinen betriebenen Produktionsanstalt, d. h. einer Fabrik, mit einem manufaktur- oder handwerksmäßigen Betriebe, so fällt uns sofort ins Auge, das während in Manufaktur und Handwerk der Arbeiter sich des Werkzeugs bedient, in der Fabrik er es ist, der der Maschine dient; er ist das „lebendige Anhängsel“ eines unabhängig von ihm existirenden todten Mechanismus. Der „Philosoph“ oder, wie Marx ihn nennt, der Pindar des Maschinenwesens, Dr. Andrew Ure, nennt die moderne Fabrik einen „ungeheuren Automaten, zusammengesetzt aus zahllosen mechanischen und selbstbewußten Organen, die im Einverständniß und ohne Unterbrechung wirken, um einen und denselben Gegenstand zu produziren, so das alle diese Organe einer Bewegungskraft untergeordnet sind, die sich von selbst bewegt.“ An anderer stelle spricht er von den Unterthanen der „wohlthätigen Macht des Dampfes.“ Hinter dieser „wohlthätigen Macht“ steht natürlich ihr Anwender, der Kapitalist, der wohlthätig ist nur für sich selbst.

In jeder Fabrik finden wir neben der Masse der Arbeiter an der Werkzeugmaschine und deren Handlangern ein der Zahl nach unbedeutendes Personal, dem die Kontrole und Instandhaltung der gesammten Maschinerie obliegt. Diese theils wissenschaftlich (Ingenieure), theils handwerksmäßig (Mechaniker, Schreiner &c.) ausgebildete Arbeiterklasse steht außerhalb des Kreises der Fabrikarbeiter und kommt daher hier nicht für uns in Betracht. Auch von den Handlangern, deren Dienste wegen ihrer Einfachheit meist leicht durch Maschinen ersetzt werden können (was sich überall da gezeigt hat, wo durch Fabrikgesetze die billigsten dieser Handlanger, die Kinder, der Fabrik entzogen wurden), oder doch raschen Wechsel der mit dieser Plackerei belasteten Personen gestatten, haben wir hier abzusehen. Es handelt sich um den eigentlichen Fabrikarbeiter, den Arbeiter an der Werkzeugmaschine.

In die Werkzeugmaschine ist mit dem früheren Werkzeug des Arbeiters (Nadel, Spindel, Meisel) auch seine besondere Geschicklichkeit in der Führung desselben übergegangen. Er braucht nur noch eine Geschicklichkeit, nämlich die, seine eigene Bewegung der gleichförmig ununterbrochenen der Maschine anzupassen. Diese Geschicklichkeit wird am schnellsten im jugendlichen Alter erworben. Der Arbeiter muß früh anfangen, der Fabrikant ist nicht mehr auf eine ausschließlich zu Maschinenarbeiten herangezogene Arbeiterkategorie angewiesen, sondern findet stets in der heranwachsenden Arbeiterjugend schnell einzuschießenden Ersatz.

Proudhon bezeichnet in seiner Philosophie des Elends die Maschine als einen „Protest des Genius der Industrie gegen die zerstückelte und menschenmörderische Arbeit,“ die „Wiederherstellung des Arbeiters.“ Thatsächlich wirft allerdings die Maschinerie das alte System der Theilung der Arbeit mit seinen technischen Voraussetzungen über den Haufen, trotzdem finden wir dieselbe in der Fabrik fortgesetzt, und zwar in noch entwürdigenderer Form. Der Arbeiter führt freilich nicht mehr sein Lebenlang ein Theilwerkzeug, dafür aber wird, im Interesse gesteigerter Ausbeutung, die Maschinerie dazu mißbraucht, ihn von Kindesbeinen an in den Theil einer Theilmaschine zu verwandeln, und so wird seine hilflose Abhängigkeit vom Fabrikganzen, mit andern Worten, vom Kapitalisten, vollendet. Seine Arbeit wird allen geistigen Inhalts entkleidet, sie ist nur noch ein mechanisches, nervenzerrüttendes Abrackern. Seine spezielle Geschicklichkeit wird zum winzigen Nebending gegenüber der Wissenschaft, den ungeheuren Naturkräften und der gesellschaftlichen Massenarbeit, die im Maschinensystem verkörpert sind. Und wie er sich dem automatischen Gang der Maschinerie willenlos zu unterwerfen hat, so damit zugleich der vom Fabrikbesitzer verhängten Disziplin überhaupt.

Welches immer die Form der Gesellschaftsorganisation sein mag, stets wird dies Zusammenarbeiten auf großartiger Stufenleiter und die Anwendung gemeinsamer Arbeitsmittel, insbesondere der Maschinerie, eine Regelung des Arbeitsprozesses erfordern, die ihn von der Laune des einzelnen Mitwirkenden unabhängig macht. Will man nicht auf die Vortheile der maschinellen Produktion verzichten, so ist die Einführung einer Disziplin, der sich alle zu unterwerfen haben, unerläßlich. Aber Disziplin und Disziplin ist zweierlei. In einem freien Gemeinwesen, wo sie alle trifft, drückt sie keinen; zum Vortheil Einzelner zwangsweise auferlegt, heißt sie Sklaverei, wird sie als drückendes Joch nur mit äußerstem Widerwillen ertragen, wenn jeder Widerstand sich als fruchtlos erwies. Es erforderte daher harte Kämpfe, bis es gelang, den Widerstand der Arbeiter gegen die Zwangsarbeit zu brechen, zu der sie die Maschine verurtheilt. Ure hebt in dem schon erwähnten Buch hervor, das Wyatt lange vor Arkwright die tünstlichen Spinnfinger erfunden hatte, das aber die Hauptschwierigkeit nicht so sehr in der Erfindung eines selbstthätigen Mechanismus bestand, als in der Erfindung und Durchführung eines den Bedürfnissen des automatischen Systems entsprechenden Disziplinarkodex! Darum einen Lorbeerkranz auf das Haupt des „edlen“ Barbiers Arkwright, der dieses Unternehmen, „würdig eines Herkules,“ zu Stande brachte.

Der Disziplinarkodex, zu deutsch Fabrikordnung, des modernen Kapitalisten weiß nichts von dem dem Bourgeois so theuren konstitutionellen System der „Theilung der Gewalten,“ noch von dem ihm noch theuereren Repräsentativsystem, sondern er ist der Ausdruck der absoluten Alleinherrschaft des Unternehmers über seine Arbeiter. „An die stelle der Peitsche des Sklaventreibers,“ sagt Marx, „tritt das Strafbuch des Aufsehers. Alle Strafen lösen sich natürlich auf in Geldstrafen und Lohnabzüge, und der gesetzgeberische Scharfsinn der Fabrik-Lykurge macht ihnen die Verletzung ihrer Gesetze womöglich noch einträglicher als deren Befolgung.“ So wird der Trotz und das Selbstbewußtsein des Arbeiters gebrochen. Dabei ist er infolge unablässiger einseitiger Muskelthätigkeit körperlich verkrüppelt, durch die schlechte Fabrikluft, den betäubenden Lärm während der Arbeit herabgekommen – das ist die edle erzieherische Wirkung der Maschinerie.

Wir sprachen soeben von dem Widerstand der Arbeiter gegen die Einführung der Maschinerie. Dabei ist jedoch das Gefühl, das die Maschine der Freiheit des Arbeiters den Todesstoß giebt, mehr instinktiv maßgebend; in erster Reihe gilt dieser Widerstand der Maschine als einem Mittel zur Ueberflüssigmachung menschlicher Arbeit. Von diesem Gesichtspunkte aus wurde sogar die Bandmühle, die zuerst Mitte des 16. Jahrhunderts in Danzig erfunden worden sein soll, vom dortigen Stadtrath unterdrückt, und ebenso später in Bayern, in Köln, und 1685 durch kaiserliches Edikt für ganz Deutschland verboten. Die Revolten der englischen Arbeiter gegen die Einführung von Maschinen dauern bis in dieses Jahrhundert hinein, und die gleiche Erscheinung wiederholt sich auch in andern Ländern. In Frankreich kamen sie noch in den dreißiger Jahren vor, in Deutschland noch 1848.

Es ist sehr billig, über diese brutale Art, sich dem größten Fortschritt der Neuzeit entgegen zu stemmen, pharisäerhaft zu lamentiren, aber Thatsache ist, das die Maschine überall zunächst als Feindin des Arbeiters auftritt, dazu bestimmt, ihn zu verdrängen. Während der Manufakturperiode trat an der Theilung der Arbeit und der Kooperation in den Werkstätten mehr die positive Seite hervor, das sie beschäftigte Arbeiter produktiver machen, die Maschine aber tritt sofort als Konkurrentin des Arbeiters auf. Für die durch sie verdrängten Arbeiter soll es ein großer Trost sein, das ihre Leiden theils nur „vorübergehend“ sind, theils das die Maschine nur allmälig sich eines ganzen Produktionsfeldes bemächtigt und so Umfang und Intensivität ihrer vernichtenden Wirkung gebrochen werde. „Der eine Trost,“ antwortet Marx darauf, „schlägt den andern.“ Im letzteren Falle produzirt sie in der mit ihr konkurrirenden Arbeiterschicht chronisches Elend, wo aber der Uebergang rasch ist, wirkt sie massenhaft und akut. „Die Weltgeschichte bietet kein entsetzlicheres Schauspiel als den allmäligen, über Dezennien verschleppten, endlich 1838 besiegten Untergang der englischen Baumwollenweber. Viele von ihnen starben den Hungertod, viele vegetirten lange mit ihren Familien mit 2½d (20 Pfg.) täglich. Akut dagegen wirkte die englische Baumwollmaschinerie auf Ostindien, dessen Generalgouverneur 1834/35 konstatirte: „Das Elend findet kaum eine Parallele in der Geschichte des Handels. Die Knochen der Baumwollweber bleichen die Ebenen von Indien.“ Allerdings, setzt Marx mit bitterem Sarkasmus hinzu, sofern diese Weber das Zeitliche segneten, bereitete ihnen die Maschine nur „zeitliche Mißstände.“ Das Arbeitsmittel erschlägt den Arbeiter. Das zeigt sich am handgreiflichsten, wo neu eingeführte Maschinerie mit überliefertem Handwerks- oder Manufakturbetrieb konkurrirt. Aber innerhalb der großen Industrie wirkt fortgesetzte Verbesserung der Maschinerie auf das gleiche Resultat hin. Marx führt für diesen Satz aus den Berichten der englischen Fabrikinspektoren eine Fülle von Belegen an, auf die wir jedoch hier nicht näher einzugehen brauchen, da die Thatsache gar nicht geleugnet werden kann.

Kommen wir vielmehr noch einmal von der Maschine als Konkurrentin, zur Maschine als „Erzieherin“ des Arbeiters. Die vielen „Untugenden,“ zu denen die Arbeiterklasse nach Ansicht ihrer kapitalistischen Freunde erwiesenermaßen hinneigt, – es seien hier nur Unbotmäßigkeit, Faulheit und Völlerei genannt – haben keinen wirksameren Gegner als die Maschine. sie ist das machtvollste Kampfmittel des Kapitals gegen die Arbeiter, wenn sie sich seiner Autokratie widersetzen, wenn sie nicht zufrieden sind mit den Löhnen, die es ihnen bewilligt, mit der Arbeitszeit, die es ihnen auferlegt, wenn sie in Form von Strikes &c. zu rebelliren wagen. „Man könnte,“ sagt Marx, „eine ganze Geschichte der Erfindungen seit 1830 schreiben, die blos als Kriegsmittel des Kapitals wider Arbeiteremeuten ins Leben traten.“ Da aber jede weitere Anwendung der „Hilfsquellen der Wissenschaft“ in der Industrie, d. h. die Entwicklung der Maschinerie, ein wünschenswerther Fortschritt ist, so scheint es, als ob den Arbeitern jene Untugenden speziell zu dem Zweck verliehen seien, unfreiwillige Förderer des Fortschritts zu bilden. Und so sehen wir, wie sich in der kapitalistischen Welt alle Dinge schließlich zum Besten wenden, selbst die Laster der Arbeiter.
 

5. Die Maschine und der Arbeitsmarkt

Die Maschine verdrängt Arbeiter, das ist eine Thatsache, die sich nicht leugnen läßt, die aber für Diejenigen sehr unangenehm ist, welche in der bestehenden Produktionsweise die beste aller Welten sehen. Daher wurden zahlreiche Versuche unternommen, die unangenehme Thatsache zu vertuschen.

So behauptete z. B. eine Reihe von Nationalökonomen, das alle Maschinerie, die Arbeiter verdrängt, stets nothwendigerweise ein entsprechendes Kapital zur Beschäftigung dieser Arbeiter freisetzt. Dieses Kapital sollen die Lebensmittel sein, welche die Arbeiter verzehrt hätten, wenn sie in Arbeit geblieben wären! Die Lebensmittel, heißt es, werden durch die Entlassung der Arbeiter freigesetzt und haben das Bedürfnis, eine Beschäftigung für diese hervorzurufen, um von ihnen konsumirt zu werden.

Die Lebensmittel, die der Arbeiter zu seinem Konsum kauft, treten ihm jedoch in Wirklichkeit nicht als Kapital, sondern als einfache Waaren gegenüber. Was ihm als Kapital gegenübertritt, ist das Geld, wogegen er seine Arbeitskraft verkauft. Dieses Geld wird durch die Einführung der Maschinerie nicht freigesetzt; es dient vielmehr zu deren Anschaffung und wird so festgesetzt. Die Einführung der Maschinen setzt nicht das ganze variable Kapital frei, das zur Entlohnung der Arbeiter diente, die sie verdrängt, sondern verwandelt es mindestens zum Theil in konstantes Kapital. Einführung neuer Maschinerie heißt daher, bei gleichbleibender Höhe des angewandten Kapitals, Vermehrung des konstanten, Verminderung des variablen Kapitals.

Ein Beispiel möge das veranschaulichen.

Ein Kapitalist wendet ein Kapital von 200.000 Mark an, davon dienen 100.000 Mark als variables Kapital. Er beschäftigt 500 Arbeiter. Er führt eine Maschinerie ein, die es ermöglicht, dasselbe Produkt statt mit 500 mit 200 Arbeitern zu erzeugen. Die Maschine kostet 50.000 Mark.

Früher wendete der Kapitalist 100 000 Mark variables und ebensoviel konstantes Kapital an. Jetzt wendet er 150 000 Mark konstantes und nur 40 000 Mark variables Kapital an. Nur 10 000 Mark sind freigesetzt worden, die aber nicht zur Beschäftigung von 300 Arbeitern, sondern – wenn unter gleichen Umständen, wie die größere Summe angewandt – von kaum 10 Arbeitern dienen werden. Denn von den 10.000 Mark müssen ja rund 8.000 Mark für Anschaffung von Maschinen &c. angelegt werden, und nur rund 2.000 Mark bleiben frei für variables Kapital.

Man sieht, es ist kein entsprechendes Kapital freigesetzt worden.

Die Theorie, das die Maschine mit den Arbeitern auch das entsprechende Kapital freisetzt, ist von Marx als gänzlich unbegründet nachgewiesen worden. Die einzige Möglichkeit, den fatalen Nachweis abzuschwächen, besteht darin, das man Marx eine ebenso unbegründete Behauptung in den Mund legt.

So stießen wir einmal in einer Abhandlung, in der Marx „wissenschaftlich“ abgethan wird, auf folgenden Passus:

Die Maschine ersetzt ihm (Marx) einfach Arbeit, während sie doch auch Gelegenheit zur Mehrarbeit geben kann und thatsächlich schon oft gegeben hat. Hierbei braucht auch nicht nothwendig durch die Mehrproduktion die Arbeit in einem andern Gebiet der Erde freigesetzt und damit überzählig geworden zu sein, wie dies in sozialistischen Blättern später häufig mit aller Bestimmtheit behauptet worden ist. Die Mehrproduktion kann schon leicht dadurch Verwendung finden, das die gesammte Produktivkraft, und damit auch die Befähigung, den Verbrauch auszudehnen, gestiegen ist.“ (Professor Dr. I. Lehr in der Vierteljahresschrift für Volkswirthschaft, 23. Jahrgang, 2. Bd., S. 114.)

Professor Julius Wolf läßt in einem Werke, das von Fälschungen und Entstellungen der Marxschen Lehren strotzt, Marx sogar behaupten, „das, wenn das Gesammtkapital im Lande wächst, bestenfalls etwa die gleiche Arbeiterbevölkerung wie früher Beschäftigung finden könne, eben weil immer mehr der Menschen durch die Maschine ersetzt werden.“ (Sozialismus und kapitalistische Gesellschaftsordnung, Stuttgart 1892, S. 258)

In Wirklichkeit sind Marx Behauptungen, wie die ihm hier untergeschobenen, nie eingefallen. Weit entfernt, das ihm „die Maschine einfach Arbeit ersetzt,“ hat Marx vielmehr systematisch und gründlich, wie unseres Wissens Keiner vor ihm, die Umstände entwickelt, unter denen sie „Gelegenheit zur Mehrarbeit geben kann und thatsächlich oft gegeben hat.“ Es steht dies zu der Behauptung, das die Maschine Arbeiter verdrängt, in keinem Widerspruch.

Marx behauptet, das die Maschine die Zahl der beschäftigten Arbeiter im Verhältniß zum angewandten Kapital verringert, das mit der Entwicklung des Maschinenwesens das variable Kapital verhältnißmäßig abnimmt, das konstante Kapital wächst. Das variable Kapital, die Zahl der beschäftigten Arbeiter in einem Arbeitszweig, kann aber trotz Einführung, Vermehrung oder Verbesserung von Maschinen gleichzeitig wachsen, wenn das angewandte Gesammtkapital hinreichend zunimmt. [4] Wenn die Zahl der beschäftigten Arbeiter in solchem Fall nicht abnimmt, ist dies jedoch nicht der Freisetzung von Kapital durch die Maschine, sondern dem Zufluß neuen Zuschußkapitals zuzuschreiben. Das Bestreben der Maschine, Arbeiter außer Arbeit zu setzen, wird dadurch gehemmt und zeitweise überwunden, aber nicht aufgehoben; es macht sich wieder offenkundig geltend und die relative Abnahme der Zahl der Arbeiter wird zu einer absoluten, sobald der Zufluß neuen Zuschußkapitals sich verlangsamt und unter ein gewisses Maß sinkt.

Nehmen wir zur Veranschaulichung unser obiges Beispiel wieder vor. Wir hatten ein Kapital von 200.000 Mark, davon 100.000 Mark variables Kapital, die zur Anwendung von 500 Arbeitern dienten. Die Einführung einer neuen Maschine erhöhte den Betrag des konstanten Kapitals auf 158.000 Mark, senkte den Betrag des variablen auf 42.000, die Zahl der beschäftigten Arbeiter auf 210. Aber nehmen wir nun an, das gleichzeitig dem Unternehmen 400.000 Mark neues Kapital zufließen; es wird entsprechend erweitert; in diesem Fall steigt die Zahl der beschäftigten Arbeiter auf 630, um 130 mehr, als vorher. Wäre die Maschine nicht eingeführt worden, so hätte die Verdreifachung des Kapitals freilich auch eine Verdreifachung der Arbeiterzahl, von 500 auf 1.500 bewirkt.

Aber wenn die Maschine auch stets eine relative, mitunter eine absolute Verminderung der Arbeiterzahl in dem Arbeitszweig bewirkt, in dem sie eingeführt wird, so kann sie doch gleichzeitig eine Vermehrung der Arbeiterzahl in andern Arbeitszweigen hervorrufen, auf die der eine Zweig einwirkt.

Die Maschine macht eine neue Arbeiterart nothwendig, die Maschinenbauer.

Die Einführung der Maschine in einem Industriezweig bewirkt die Vermehrung der Gesammtmasse der von diesem erzeugten Produkte. Diese bedingt wieder eine entsprechende Vermehrung des Rohmaterials, und also, unter sonst gleichen Umständen, eine Vermehrung der Zahl der bei dessen Produktion beschäftigten Arbeiter. Wenn eine Maschine eingeführt wird, die 1.000 Ellen Garn, vielleicht mit weniger Arbeitern, eben so schnell spinnt, als früher 100 Ellen Garn gesponnen wurden, so wird vielleicht die Zahl der Spinner abnehmen, gleichzeitig aber die der Arbeiter in den Baumwollplantagen wachsen. Die Entwicklung der Spinnmaschinen in England war der Hauptgrund der Vermehrung der Zahl der Negersklaven in den Vereinigten Staaten.

Wird das Garn billiger, so kann der Weber (wir nehmen an, das er noch ein Handweber) ohne größere Auslagen für Rohmaterial mehr produziren, sein Einkommen wächst, mehr Menschen wenden sich der Weberei zu. „Ergreift die Maschinerie Vor- oder Zwischenstufen, welche ein Arbeitsgegenstand bis zu seiner letzten Form zu durchlaufen hat, so vermehrt sich mit dem Arbeitsmaterial die Arbeitsnachfrage in den noch haudwerks- oder manufakturmäßig betriebenen Gewerken, worin das Maschinenfabrikat eingeht.“

Mit der Entwicklung des Maschinenwesens wächst der Mehrwerth und die Produktenmasse, in der er sich darstellt. Damit steigt der Luxus der Kapitalistenklasse und ihrer Anhängsel. Es wächst die Nachfrage nach Luxusarbeitern, Dienstboten, Lakaien u. s. w. 1861 kamen in England auf die Textilindustrie 642.607 Personen, auf die dienende Klasse 1.208.648 Personen.

Neben diesen Faktoren, welche bewirken, das die Einführung der Maschinerie eine Vermehrung der Nachfrage nach Arbeit im Gefolge hat, nennt Marx noch einen: die Entstehung neuer Arbeitsfelder, wie Gasanstalten, Eisenbahnen u. s. w.

Man vergleiche mit diesen Ergebnissen der Marx'schen Darlegungen das, was die Herren Professoren Marx in den Mund legen, von ihrer eigenen Gelehrsamkeit ganz abgesehen.

Freilich, wenn Marx untersuchte, in welcher Weise die Einführung der Maschinerie eine Vermehrung der Nachfrage nach Arbeit zur Folge haben kann, so that er das nicht, um die Leiden wegzuspintisiren, welche das Fabriksystem für die arbeitende Bevölkerung mit sich bringt. Die Fabrik zerstört dem Arbeiter die Familie, raubt ihm die Jugend, vermehrt seine Arbeit und nimmt ihr jeglichen Inhalt, ruinirt ihn körperlich und geistig und macht ihn zum willenlosen Werkzeug des Kapitalisten – und die bürgerlichen Oekonomen glauben, die kapitalistische Anwendung der Maschinerie glänzend verherrlicht zu haben, wenn sie nachweisen, das mit ihr die Zahl der Lohnarbeiter in den Fabriken wächst!

Als ob dieses Wachsthum nicht ein Wachsthum des Elends wäre! Und neben dem Elend der Arbeit wächst das Elend der Arbeitslosigkeit.

Das variable Kapital kann mit dem Fortschritt des Maschinenwesens absolut wachsen, aber es muß es nicht nothwendigerweise; in verschiedenen Zweigen der Großindustrie ist bereits zu verschiedenen Zeiten neben einer Vermehrung des konstanten Kapitals eine absolute Verminderung des variablen, eine Abnahme der Zahl der beschäftigten Arbeiter konstatirt worden. (Wir geben einige diesbezügliche Thatsachen im dritten Abschnitt im Kapitel über die Uebervölkerung.) Es ist hier ganz abgesehen von der Arbeitslosigkeit und dem Elend, welches die Konkurrenz der Großindustrie in entsprechenden Arbeitszweigen mit Handbetrieb im In- und Ausland hervorruft. Man erinnere sich an das im vorigen Paragraphen über die Handweber in England und Ostindien Gesagte, die zu Hunderttausenden verhungerten, indes gleichzeitig die Zahl der englischen Maschinenweber um einige Tausende stieg. Die Vulgärökonomen, die dem Arbeiter weiß machen wollen, das die Maschine neue Beschäftigung für die freigesetzten Arbeiter schafft, sahen diese Tausende neuer Arbeiter, schwiegen aber klüglich von den Hunderttausenden freigesetzten.

Selbst wenn gleichzeitig mit der Freisetzung der Arbeiter in einem Arbeitszweig eine Vermehrung der Arbeitsnachfrage in andern Industriezweigen eintritt, so liegt darin nur ein schlechter Trost für den Beschäftigungslosen. Kann ein Arbeiter, der sein Leben lang in einem bestimmten Arbeitszweig thätig gewesen, von heute auf morgen in einen andern überspringen?

Neben der Bewegung auf dem Arbeitsmarkt, welche durch die stete Verschiebung im Verhältnis des konstanten zum variablen Kapital zu Ungunsten des letzteren vor sich geht, entwickelt sich mit der Großindustrie eine andere eigenthümliche, die erstere kreuzende Wirkung auf den Arbeitsmarkt.

Sobald die der großen Industrie entsprechenden allgemeinen Produktionsbedingungen hergestellt sind, sobald Maschinenproduktion, Kohlen- und Eisengewinnung, das Transportwesen u. dergl. eine gewisse Höhe der Entwicklung erlangt haben, ist diese Betriebsweise einer unglaublich raschen Ausdehnung fähig, die nur am Rohmaterial und dem Absatzmarkt Schranken findet. Daher das stete Drängen und Hasten nach dem Aufschließen neuer Märkte, die neue Rohstoffe liefern und neue Käufer für die Fabrikate. Jeder wesentlichen Erweiterung des Marktes folgt eine Periode fieberhafter Produktion, bis der Markt überfüllt ist, worauf eine Periode der Versumpfung eintritt. „Das Leben der Industrie verwandelt sich in eine Reihenfolge von Perioden mittlerer Lebendigkeit, Prosperität, Ueberproduktion, Krise und Stagnation.“ Für den Arbeiter bedeutet dieser Kreislauf das beständige Schwanken zwischen Ueberarbeit und Arbeitslosigkeit, völlige Unsicherheit der Beschäftigung und der Lohnhöhe, überhaupt der ganzen Lebenlage.

Diese Bewegung verschlingt sich mit der durch den technischen Fortschritt bewirkten, der relativen, oft auch absoluten Abnahme des variablen Kapitals. Bald wirken sie einander entgegen – in der Zeit der Prosperität, wo der technische Fortschritt dafür sorgt, das den Arbeitern die Bäume nicht in den Himmel wachsen; bald wirken sie vereint in derselben Richtung, in der Zeit der Krise, wo gleichzeitig mit der Arbeitslosigkeit die Konkurrenzjagd am zügellosesten, das Drängen nach Herabsetzung der Preise am wildesten, welche Herabsetzung theils durch Einführung neuer arbeitssparenden Maschinen, theils durch Verlängerung der Arbeitszeit, theils durch Herabdrückung des Arbeitslohnes bewirkt wird; stets aber auf Kosten des Arbeiters.
 

6. Die Maschine als revolutionärer Agent

Wenn man einem der Harmonieapostel eine Schilderung des kapitalistischen Fabriksystems vorhält und ihn fragt, ob er noch glaube, das wir in der besten aller Welten leben, dann sucht er sich gerne um die Beantwortung dieser Frage dadurch herumzudrücken, das er erklärt: Ja, wir leben noch in einem Uebergangszustand. Die kapitalistische Großindustrie konnte ihre Segnungen noch nicht voll entfalten, weil sie noch durch mittelalterlichen Schutt in ihrer Entwicklung gehemmt ist. Aber man vergleiche nur die Lage der Arbeiter in den Fabriken mit der von Arbeitern in entsprechenden hausindustriellen oder handwerksmäßigen Betrieben, und man wird finden, daß die ersteren viel besser daran sind, als letztere, das also die Großindustrie die Lage der Arbeiter wesentlich gehoben, nicht verschlechtert hat. So der Harmonieapostel.

Es ist unläugbar, das, wo der großindustrielle Betrieb Platz gegriffen, in den überlieferten Hausindustrien, Handwerken und Manufakturen die Arbeiter in noch viel erbärmlicheren Verhältnissen leben, als in den Fabriken. Ob dies für die kapitalistische Großindustrie spricht? Wir glauben kaum. Die Thatsache erklärt sich einfach daraus, das das Fabriksystem in den Gewerbszweigen, in denen es sich einnistet, nicht nur die Lage der Arbeiter verschlechtert, die in die Fabriken gezogen werden, sondern auch die der Arbeiter, die fortfahren, außerhalb der Fabriken zu arbeiten, und zwar die der letzteren noch mehr, als die der ersteren. Der „Fortschritt,“ der durch die kapitalistische Großindustrie hervorgerufen wird, besteht darin, daß sie mit allen den Qualen und Entbehrungen, die sie den Fabrikarbeitern auferlegt, doppelt und dreifach den Arbeiter in Hausindustrie, Handwerk und Manufaktur heimsucht.

„Die Ausbeutung wohlfeiler und unreifer Arbeitskräfte wird in der modernen Manufaktur schamloser, als in der eigentlichen Fabrik, weil die hier existirende technische Grundlage, Ersatz der Muskelkraft durch Maschinen und Leichtigkeit der Arbeit, dort großentheils wegfällt, zugleich der weibliche oder noch unreife Körper den Einflüssen giftiger Substanzen u. s. w. aufs Gewissenloseste preisgegeben wird. Sie wird in der sogenannten Hausarbeit schamloser, als in der Manufaktur, weil die Widerstandsfähigkeit der Arbeiter mit ihrer Zersplitterung abnimmt, eine ganze Reihe räuberischer Parasiten sich zwischen den eigentlichen „Arbeitgeber“ und den Arbeiter drängt, die Hausarbeit überall mit Maschinen – oder wenigstens Manufakturbetrieb in demselben Produktionszweig kämpft, die Armuth dem Arbeiter die nöthigsten Arbeitsbedingungen, Raum, Licht, Ventilation u. s. w. raubt, die Unregelmäßigkeit der Beschäftigung wächst, und endlich in diesen letzten Zufluchtsstätten der durch die große Industrie und Agrikultur „überzählig“ Gemachten die Arbeiterkonkurrenz nothwendig ihr Maximum erreicht. Die durch den Maschinenbetrieb erst systematisch ausgebildete Oekonomisirung der Produktionsmittel, von vornherein zugleich rücksichtsloseste Verschwendung der Arbeitskraft und Raub an den normalen Voraussetzungen der Arbeitsfunktion, kehrt jetzt diese ihm antagonistische und menschenmörderische Seite um so mehr heraus, je weniger in einem Industriezweig die gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit und die technische Grundlage kombinirter Arbeitsprozesse entwickelt sind.“

Was ein Mensch erdulden kann, ohne auf der Stelle erliegen zu müssen, haben die Arbeiter in der Hausindustrie zu dulden. In dem Bestreben, an Wohlfeilheit mit der Maschine zu konkurriren, setzen sie ihre Ansprüche an Nahrung, Kleidung, Licht, Luft, Ruhe, immer weiter herunter, bis sie ein Niveau erreichen, wie es die furchtbarste Phantasie nicht tiefer ersinnen konnte. Marx berichtet von Spitzenschulen, in denen Kinder von zwei Jahren verwendet wurden. In der englischen Strohflechterei arbeiteten Kinder von drei Jahren an, mitunter bis Mitternacht, in engen Räumen, in denen manchmal nur 12–17 Kubikfuß auf die Person kamen. Diese Zahlen, sagte Kommissär White vor der Kommission zur Untersuchung der Kinderarbeit, „repräsentirten weniger Raum als die Hälfte von dem, den ein Kind einnehmen würde, wenn verpackt in eine Schachtel von drei Fuß nach allen Dimensionen!“

Wie viel aber auch die Natur des Menschen aushalten kann, ohne augenblicklich zu erliegen, es giebt doch Grenzen, unter die sie nicht hinabsteigen kann. Ist diese erreicht, dann schlägt für die Hausarbeit die Stunde des raschen Untergangs in Folge der Einführung von Maschinerie; die Hausarbeiter haben entweder andere Beschäftigung zu finden, oder sie verhungern rascher, als bis dahin. Aehnliches gilt vom überlieferten Handwerk und der Manufaktur.

Der Uebergang von der Manufaktur zur Großindustrie wird beschleunigt durch Einführung von Fabrikgesetzen. Die Hausindustrie verliert sofort ihren Boden, sobald sie gesetzlichen Einschränkungen unterworfen ist. Nur die unbeschränkte weitestgehende Ausbeutung der Arbeitskraft von Frauen und Kindern vermag noch ihr Dasein zu fristen.

Wirkt die Maschine so völlig umwälzend auf allen Gebieten der Industrie, deren sie sich bemächtigt, so ist sie fast noch revolutionärer, wenn sie die Landwirthschaft ergreift. Hier macht sie in der Regel Arbeiter nicht blos relativ, sondern auch absolut überzählig – ausgenommen die Fälle, in denen gleichzeitig eine sehr starke Zunahme der in Anbau genommenen Bodenfläche stattfindet, wie dies zum Beispiel in den Vereinigten Staaten der Fall gewesen ist.

Den Bauer bedroht dort, wo die Maschine in die Landwirthschaft eindringt, dasselbe Geschick, wie die überlieferten Handbetriebe der Industrie. Mit ihm fällt das festeste Bollwerk der alten Gesellschaft. Die auf dem flachen Lande „überzählig“ gemachten Bauern und Lohnarbeiter strömen in die Städte. Die großen Städte wachsen enorm an, indes das flache Land entvölkert. Die Zusammendrängung der ungeheuren Menschenmassen in den Städten erzeugt physisches Siechthum der industriellen Arbeiter. Die Vereinsamung des flachen Landes vermindert die geistige Anregung der Landarbeiter, zerstört ihr geistiges Leben, bricht ihre Widerstandskraft gegenüber dem Kapital. Mit den großen Städten wächst die Verschwendung der Bodenfruchtbarkeit, indem die dem Boden in den Nahrungsmitteln entnommenen Bestandtheile ihm nicht wieder zurückgegeben werden, und in der Form von Extrementen und Abfällen die Städte verpesten, statt das Land zu düngen. Mit der Anwendung der modernen Technologie auf die Landwirthschaft wachsen aber auch die Mittel, dem Boden die höchsten Erträge abzugewinnen. Immer mehr wird ihm genommen, immer weniger zurückgegeben. So entwickelt die kapitalistische Anwendung der Maschinerie gleichzeitig mit dem Raubbau an der menschlichen Arbeitskraft den am Grund und Boden. Sie verwüstet die Erde und läßt den Arbeiter körperlich und geistig verkommen.

Aber gleichzeitig entwickelt sie die Keime einer neuen und höheren Kultur, und die Triebkräfte, welche dieser zum Durchbruch verhelfen werden. Marx sah im Elend nicht nur das Elend, sondern auch die Keime der besseren Zukunft, die es in seinem Schooße birgt. Er verurtheilt nicht das Fabriksystem, er klagt es nicht an, sondern er will es begreifen. Er moralisirt nicht, sondern er forscht. Und er selbst macht uns dabei auf seinem Vorgänger aufmerksam, der zuerst die revolutionäre Seite des modernen Fabriksystems erkannte, auf Robert Owen.

Die Großindustrie hat furchtbares Elend geschaffen, wie noch keine Produktionsweise vor ihr. Aber das Elend der Massen ist kein stagnirendes. Wir finden heute nicht den stehenden Sumpf von Elend, in dem die Gesellschaft langsam und unmerklich versinkt, wie etwa die römische Gesellschaft in der Kaiserzeit. Die moderne Produktionsweise gleicht eher einem Wirbelstrom, der alle schichten der Gesellschaft aufwühlt und durcheinandermengt und in ständiger Bewegung hält. Alle überkommenen Produktionsverhältnisse werden vernichtet, und damit die überkommenen Vorurtheile. Aber die neuen Produktionsverhältnisse, die an ihre Stelle treten, sind selbst keine beständigen, sondern stetem Wechsel unterworfen. Eine Erfindung, eine Arbeitsmethode jagt die andere, Kapitalmassen und Arbeitermassen werden unaufhörlich aus einem Produktionszweig in den andern, von einem Land ins andere geschleudert, alle Festigkeit der Verhältnisse und aller Glaube an deren Festigkeit schwindet. Die konservativen Elemente werden beseitigt, der Bauer in die großen Städte gedrängt, in denen heute die geschichtliche Bewegungskraft konzentrirt ist, und wo er hilft, die Wucht der Bewegung zu vermehren, statt sie zu hemmen. Weib und Kind werden in die Fabrik gezogen, das konservative Element der bürgerlichen Familienform aufgelöst, aus der erhaltenden und bewahrenden Hausfrau wird die erwerbende, ums Dasein ringende Lohnarbeiterin.

Und in dieser völligen Auflösung des Alten, die vor unseren Augen vor sich geht, zeigen sich bereits Keime des Neuen.

Die zunehmende Verblödung der Arbeiterjugend infolge der übertrieben langen einseitigen Arbeit hat in allen Industriestaaten dazu gezwungen, in der einen oder der anderen Form, den Elementarunterricht als Zwangsbedingung der Arbeit zu erklären. Man hat seitdem gefunden, das die Fabrikkinder nicht nur ebensogut, sondern eher besser und leichter lernen, als regelmäßige Tagesschüler. „Die Sache ist sehr einfach,“ meint ein Fabrikinspektor. „Diejenigen, die sich nur einen halben Tag in der Schule aufhalten, sind stets frisch und fast immer fähig und willig, Unterricht zu empfangen. Das System halber Arbeit und halber Schule macht jede der beiden Beschäftigungen zur Ausruhung und Erholung von der anderen und folglich viel angemessener für das Kind, als die ununterbrochene Fortdauer einer von beiden.“ Marx fügt hinzu: „Aus dem Fabriksystem, wie man im Detail bei Robert Owen verfolgen kann, entsproß der Keim der Erziehung der Zukunft, welche für alle Kinder über einem gewissen Alter produktive Arbeit mit Unterricht und Gymnastik verbinden wird, nicht nur als eine Methode zur Steigerung der gesellschaftlichen Produktion, sondern als die einzige Methode zur Produktion vollseitig entwickelter Menschen.“

An diese pädagogische Umwälzung wird sich eine weitere anschließen müssen. Die weitgetriebene Arbeitstheilung in der Gesellschaft in getrennte Berufe und Spezialfächer, die bereits der Periode des Handwerks eigenthümlich, und die Arbeitstheilung innerhalb der einzelnen Betriebe, die sich in der Manufakturperiode dazu gesellt, hatten höchst ungünstige Folgen für die arbeitenden Individuen. Die Produktionsbedingungen entwickelten sich langsam, verknöcherten mitunter förmlich; der ganze Mensch wurde so zeitlebens an eine gewisse Theiloperation gefesselt, in der er ungeheure Geschicklichkeit erlangte, indes er gleichzeitig einseitig verkrüppelte und jener harmonischen Entwicklung verlustig ging, die noch dem klassischen Alterthum seine ideale Schönheit verlieh.

Die Maschine beseitigt in den Zweigen, die sie ergreift, die Nothwendigkeit langjähriger anhaltender Uebung für den Arbeiter, um ihn zu produktiven Leistungen in seinem bestimmten Fache zu befähigen. Sie macht es aber auch unmöglich, das der Mensch sein Leben lang an eine bestimmte Theiloperation gefesselt werde, da sie die Produktionsbedingungen beständig umwälzt, den Arbeiter aus einem Arbeitszweig herausreißt und ihn in einen anderen hineinstößt.

Aber welche Leiden bringt nicht diese stete Bewegung heute hervor, wo beständig hunderttausende von Proletariern eine arbeitslose Reservearmee bilden, begierig, jede Beschäftigung zu ergreifen, die man ihnen zuweist! Und wie gering ist heutzutage die Fähigkeit, sich den verschiedensten Thätigkeiten anzupassen, bei den Lohnarbeitern, deren Körper und Geist in der Jugend gleich verkrüppelt werden, denen die Einsicht in die verschiedenen mechanischen und technischen Vorgänge mangelt, mit denen die moderne Großproduktion ihre Wirkungen erzielt, und denen die Elastizität fehlt, sich diesen verschiedenen Vorgängen anzupassen. Und schließlich, wenn der Arbeiter in der Großindustrie auch nicht mit Nothwendigkeit sein Leben lang an eine bestimmte Detailfunktion gefesselt ist, so doch tagaus, tagein, Monate, ja Jahre lang, mit der Unterbrechung von Arbeitslosigkeit und Hunger.

Wie ganz anders, wenn die verschiedenen Detailfunktionen einander täglich, ja stündlich ablösten, so das sie nicht ermüden und verdummen, sondern anregen und erheitern würden; wenn die korrumpirende Arbeitslosigkeit verschwände und die technischen Umwälzungen nicht auf Kosten der Arbeiter vor sich gingen!

Unter den vielen Vorbedingungen dieser Aenderung ist auch eine pädagogische. Die Arbeiterklasse muß wissenschaftliche Einsicht in den Gang der Produktionsmethode, sie muß praktische Fertigkeit in der Handhabung der verschiedensten Produktionsinstrumente erhalten. Es wird das heute schon in Lehrlingsschulen und ähnlichen Anstalten versucht, aber in höchst ungenügender Weise. „Wenn die Fabrikgesetzgebung als erste, dem Kapital nothdürftig abgerungene Konzession nur Elementarunterricht mit fabrikmäßiger Arbeit verbindet, unterliegt es keinem Zweifel, das die unvermeidliche Eroberung der politischen Gewalt durch die Arbeiterklasse auch dem technologischen Unterricht, theoretisch und praktisch, seinen Platz in den Arbeiterschulen erobern wird.“ –

Welche Umwälzungen birgt endlich die moderne Großindustrie in Bezug auf die Familie in sich! Sie löst heute schon für die Lohnarbeiter die überkommene Form der Familie auf. Nicht nur das Verhältniß zwischen Mann und Weib, sondern auch das zwischen Eltern und Kindern ist durch das System der industriellen Frauen- und Kinderarbeit ein anderes geworden. Die Eltern werden vielfach aus Schützern und Ernährern Ausbeuter der Kinder. Wir haben oben der armen Kinder in der englischen Strohflechterei gedacht, die von drei Jahren an unter den elendesten Verhältnissen oft bis Mitternacht arbeiten mußten.

„Die elenden, verkommenen Eltern“ dieser kleinen Strohflechter, sagt Marx, „sinnen nur darauf, aus den Kindern so viel als möglich herauszuschlagen. Aufgewachsen, fragen die Kinder natürlich keinen Deut nach den Eltern und verlassen sie.“

„Es ist jedoch nicht der Mißbrauch der elterlichen Gewalt,“ sagt Marx an anderer Stelle, „der die direkte oder indirekte Ausbeutung unreifer Arbeitskräfte durch das Kapital schuf, sondern es ist umgekehrt die kapitalistische Ausbeutungsweise, welche die elterliche Gewalt, durch Aufhebung der ihr entsprechenden ökonomischen Grundlage, zu einem Mißbrauch gemacht hat. So furchtbar und ekelhaft min die Auflösung des alten Familienlebens innerhalb des kapitalistischen Systems erscheint, so schafft nichts desto weniger die große Industrie mit der entscheidenden Rolle, die sie den Weibern, jungen Personen und Kindern beiderlei Geschlechts in gesellschaftlich organisirten Produktionsprozessen jenseits der Sphäre des Hauswesens zuweist, die neue ökonomische Grundlage für eine höhere Form der Familie und des Verhältnisses beider Geschlechter. Es ist natürlich ebenso albern, die christlich-germanische Form der Familie für absolut zu halten, als die altrömische Form oder die altgriechische oder die orientalische, die übrigens untereinander eine geschichtliche Entwicklungsreihe bilden. Ebenso leuchtet ein, das die Zusammensetzung des kombinirten Arbeitspersonals aus Individuen beiderlei Geschlechts und der verschiedensten Altersstufen, obgleich in ihrer naturwüchsig brutalen kapitalistischen Form, wo der Arbeiter für den Produktionsprozeß, nicht der Produktionsprozeß für den Arbeiter da ist, Pestquelle des Verderbs und der Sklaverei, unter entsprechenden Verhältnissen umgekehrt zur Quelle humaner Entwicklung umschlagen muß.“

Nachdem uns Marx diese Ausblicke in die Zukunft eröffnet, dürfen wir wohl versöhnt dem System der Maschinerie und Großindustrie gegenüberstehen. So unermeßlich auch die Leiden sind, die es auf die arbeitenden Klassen wälzt, so sind sie wenigstens nicht vergeblich. Wir wissen, das auf dem Felde der Arbeit, das mit Millionen von Proletarierleichen gedüngt worden, eine neue Saat aufsprießen wird, eine höhere Gesellschaftsform. Die Maschinenproduktion bildet die Grundlage, auf der ein neues Geschlecht erstehen wird, fern von der einseitigen Beschränktheit des Handwerks und der Manufaktur, nicht der Sklave der Natur, wie der Mensch des urwüchsigen Kommunismus nicht geistige und körperliche Kraft und Schönheit mit der Unterdrückung rechtloser Sklavenheerden erkaufend, wie das klassische Alterthum; ein Geschlecht, harmonisch entwickelt, lebensfreudig und genußfähig, Herr der Erde und der Naturkräfte, alle Mitglieder des Gemeinwesens in brüderlicher Gleichheit umfassend.


Fußnoten

1. Goethe beantwortet die Frage: „Was ist Erfinden?“ mit den treffenden Worten: „Der Abschluß des Gesuchten.“

2. The Industry of Nations, London 1855, 2. Bd., S. 239. Aus demselben zitirt Marx folgenden Satz über die Erfindung des „slide rest“:

„Einfach und äußerlich unbedeutend, wie dieser Zusatz zur Drehbank erscheinen mag, ist es nach unserer Meinung nicht zu viel gesagt, wenn wir behaupten, das sein Einfluß auf Verbesserung und Ausdehnung des Maschinenwesens ebenso groß war, als der durch Watt's Verbesserung der Dampfmaschine bewirkte.“

3. Hiezu bemerkt Engels, der Herausgeber der 3. und 4. Auflage des Kapital, in einer Note: „Eine ‚Pferdekraft‘ ist gleich der Kraft von 83.000 Fußpfunden in der Minute, d. h. der Kraft, die 83.000 Pfund in der Minute um 1 Fuß (englisch) hebt oder 1 Pfund um 33.000 Fuß. Dies ist die oben gemeinte Pferdekraft.“

4. Das Wachsthum der Produktion setzt natürlich auch eine entsprechende Ausdehnung des Absatzmarktes voraus. Dieser höchst wichtige Faktor kann jedoch hier noch nicht näher betrachtet werden.


Zuletzt aktualisiert am 14.1.2011