Karl Kautsky

Die Befreiung der Nationen


Vorwort


Die Erörterungen der Kriegsziele haben mich angeregt, eine zusammenfassende Darstellung und theoretische Begründung der Friedensbedingungen auszuarbeiten, die nach meiner Auffassung von der internationalen Sozialdemokratie anzustreben sind.

Den ersten Teil dieser Schrift lege ich hier dem Publikum vor. Es erschien mir untunlich, mit der Veröffentlichung zu warten, bis ich die ganze Arbeit zum Abschluß gebracht habe. Niemals spielte das Unberechenbare eine größere Rolle im gesellschaftlichen Leben als eben jetzt. Der Abfassung oder dem Erscheinen der folgenden Teile können sich unüberwindliche, von mir nicht vorausgesehene Hindernisse in den Weg stellen.

Der vorliegende erste Teil bildet für sich ein abgeschlossenes Ganzes. Er behandelt die grundsätzlichen Erwägungen, die für uns in der Nationalitätenfrage in Betracht kommen.

Der zweite Teil der Schrift soll die Anwendung dieser Grundsätze auf bestimmte konkrete Fälle bringen, die heute im Vordergrund der Diskussion stehen – Serbien, Belgien, Elsaß, Böhmen usw.

Der dritte Teil endlich soll die Forderungen behandeln, die der Kampf gegen den Imperialismus und das Wettrüsten erheischt.

Ich werde mich bemühen, diese beiden Teile möglichst rasch fertig zu stellen. Aber nichts würde mich mehr beglücken, als wenn ein Friede der Verständigung, ein Friede auf der Grundlage des Satzes aufgebaut: „Leben und leben lassen“, so rasch zustande käme, daß die Fortsetzungen des vorliegenden Heftes gegenstandslos und überflüssig würden.

Berlin, Anfang Juni,
vor der Abreise nach Stockholm

K. Kautsky


Zuletzt aktualisiert am 3. Mai 2019