Alexandra Kollontai

Die Situation der Frau in der
gesellschaftlichen Entwicklung

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10. Vorlesung

Die Frauenarbeit heute und morgen


Wir beendeten unsere letzte Vorlesung mit einem Überblick über die revolutionären Veränderungen im Alltag der sowjetrussischen Frauen und Familien. Wir schließen also unsere Vorlesungsreihe mit einer Bestandsaufnahme ab, die nicht nur für das russische, sondern auch für das internationale Proletariat wichtig ist. Da das Proletariat bei der Durchführung der Revolution auf seine eigene Kraft angewiesen ist, stellt sich für uns die Frage, auf welchen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ebenen die Frauenarbeit besonders produktiv sein kann.

Seitdem alle russischen Staatsbürger ohne Rücksicht auf ihr Geschlecht, gesellschaftlich produktive Arbeit verrichten müssen, hat die Befreiung der Frau rasche Fortschritte gemacht. Dieser Prozess erfasste jedoch hauptsächlich das städtische Industrieproletariat, während er an der ländlichen Bevölkerung nahezu spurlos vorübergegangen ist. Die Lage der Bäuerinnen hat sich im Kern nicht wesentlich geändert, denn auf dem Lande herrscht nach wie vor die private Familienwirtschaft vor. Die Bäuerin ist noch immer die Hilfskraft des Bauern. Außerdem spielt in der Landwirtschaft im Gegensatz zur Maschinenwelt der Industrie die menschliche Muskelkraft noch immer eine unvergleichlich wichtige Rolle. Trotzdem hat sich natürlich auch das Leben auf dem Dorfe verändert. Es gibt heute bereits acht Millionen mehr Bäuerinnen als Bauern. Auf dem Lande leben also bereits acht Millionen Frauen, die ökonomisch nicht mehr von Männern abhängig sind. Diese Frauen haben ihre Männer entweder im imperialistischen Weltkrieg oder im Bürgerkrieg verloren; oder ihre Ehemänner sind noch immer Soldaten der Roten Armee. Für diese selbständigen Bäuerinnen hat sich natürlich das Leben auf dem Lande verändert. Ihr Status innerhalb der Dorfgemeinschaft brachte den Frauen mehr Gleichberechtigung. Außerdem zwingt die allgemeine Arbeitspflicht die örtlichen Gebiets- und Dorfverwaltungen, den besonderen Status der Kriegerwitwen zur Kenntnis zu nehmen. Die Sicherstellung des Saatgutes und der Naturalsteuern ist nur durch die Mitarbeit der Frauen zu verwirklichen. Durch den Bürgerkrieg wurden also unsere „Bauernweibchen“ gezwungen, ihre hundertjährige Beobachterposition endlich aufzugeben. Besonders in der Ukraine, im Don-Gebiet und am Kuban haben die Frauen aktiv am Bürgerkrieg teilgenommen, und zwar auf beiden Seiten. Ähnlich wie während der französischen Revolution die Bäuerinnen in der Bretagne und der Normandie aktiv am Girondistenaufstand teilgenommen hatten, unterstützten viele Bäuerinnen in der Ukraine die führenden Batjuschkas. Seitdem aber die örtlichen Sowjets die Frauen sozial und politisch unterstützen, sympathisieren viele der Bäuerinnen mit der Sowjetmacht. Seit kurzem organisiert die Kommunistische Partei in allen Gouvernements für die Arbeiterinnen und Bäuerinnen Delegiertenkonferenzen und Kongresse. Die Frauenabteilungen der Partei richten außerdem auf dem Lande Schulungszirkel für die Bäuerinnen ein, in denen das notwendige Wissen vermittelt wird, das den Bäuerinnen helfen soll, den Alltag zu meistern. Wir wollen hier nur über zwei Entwicklungstendenzen sprechen, die beweisen, dass die Bäuerinnen nicht nur über ihr bisheriges Leben nachdenken, sondern auch begreifen, dass seit der Oktoberrevolution auch die Bedingungen für ihre persönliche Emanzipation gegeben sind. Zum einen zeigt das die zunehmende Anziehungskraft der großen Städte, in denen den Bäuerinnen zahlreiche Ausbildungsmöglichkeiten angeboten werden. Alleine unter den 402 Studentinnen und Studenten der Swerdlow-Universität, die an diesem Ausbildungskurs teilnehmen, sind 58 Bäuerinnen. In den von den örtlichen Sowjets eingerichteten lokalen Parteischulen ist der Anteil der Frauen an den Kursen noch höher. An den verschiedenen Arbeiterfakultäten sind zehn bis fünfzehn Prozent der Studentinnen und Studenten Bäuerinnen. Zum anderen fällt die wachsende Anzahl der Bäuerinnen auf, die in den Arbeiter- und Bauernräten mitarbeiten oder in die Provinz- und Gouvernementsräte gewählt werden. Denn wir hatten in den ersten Jahren nach der Oktoberrevolution überhaupt keine Bäuerinnen, sondern nur Arbeiterinnen in den Räten. Heute dagegen beteiligen sich an den örtlichen Räten bereits mehr Bäuerinnen als Arbeiterinnen. Allerdings arbeitet bis zum heutigen Tag noch keine einzige Bäuerin im Allrussischen Sowjetkongress mit.

Die Bäuerinnen in den örtlichen Räten haben häufig sehr verantwortliche Positionen inne und organisieren gewissenhaft die Verwaltung der Dorfgemeinde. Viele Bäuerinnen arbeiten aber auch in den Institutionen der Arbeiter- und Bauerninspektionen mit. Überall dort, wo die Kommunistische Partei in der Bevölkerung noch keine politische Massenaufklärung entfaltet hat, sind die Bäuerinnen bereits heute wesentlich zuverlässigere Anhängerinnen des Kommunismus als die Bauern. Das ist auch leicht verständlich, denn der Bauer ist gleichzeitig Herr im Hause und alleiniger Besitzer des Hofes. Der Bauer verteidigt natürlich diese Tradition, die alle Mitglieder des Hofes, einschließlich der Bäuerin, dazu verpflichtet, sich dem Willen des Hausherrn bedingungslos unterzuordnen. Da der Bauer nicht davon ausgehen kann, dass die veränderten Lebensformen seine Stellung in der Familie stärken oder absichern, steht er dem Kommunismus abwartend oder sogar feindlich gegenüber. Für die Bäuerin dagegen ist die Einrichtung von landwirtschaftlichen Genossenschaften, einer dörflichen Molkerei und anderen kollektiven Einrichtungen äußerst begrüßenswert, ganz abgesehen von der Veränderung ihres Alltags durch Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindergarten, öffentliche Bäckerei und Wäscherei. Diese Einrichtungen erleichtern den Bäuerinnen das Alltagsleben. Das ist auch die Erklärung dafür, warum die Bäuerinnen die Ziele des Kommunismus wesentlich besser begreifen als die Bauern: Die konkrete Verbesserung ihres Lebens macht sie zu begeisterten Anhängerinnen des Kommunismus auf dem Lande.

Vor der Oktoberrevolution gab es auf dem Lande so gut wie überhaupt keine Ehescheidung. Manchmal ließ der Mann zwar seine Frau im Stich; dass aber eine Bäuerin ihren Ehemann verließ, kam alle Jahrhunderte nur einmal vor und erregte in der Dorfgemeinschaft ein ungeheures Aufsehen. Seitdem aber die Ehescheidung durch das Dekret von 1917 wesentlich erleichtert wurde, ist es besonders bei der jüngeren Generation auf dem Lande gar nicht mehr so ungewöhnlich, dass sich ein Ehepaar scheiden lässt. Diese Tatsache zeigt deutlich, dass auch auf dem Lande das scheinbar unerschütterliche Fundament der Institution Familie ins Wanken geraten ist. Wenn heute eine Bäuerin ihren Mann verlässt, so löst sie durch diesen Schritt keine große Unruhe mehr in der Dorfgemeinschaft aus. Je mehr die Bäuerin innerhalb der kommunistischen Landwirtschaft selbständige Arbeit ausführt, als gewähltes Mitglied im örtlichen Sowjet mitarbeitet und sich an den gemeinsamen Arbeitseinsätzen beteiligt, desto einfacher wird es für sie auch sein, die traditionelle Vorstellung von der Minderwertigkeit der Frau zu überwinden. Auf diese Weise wird die Emanzipation der Frau auf dem Lande vorangetrieben. Hinzu kommt noch, dass durch die Mechanisierung der Landwirtschaft, die geplante Elektrifizierung und die Einrichtung von landwirtschaftlichen Kooperativen diese Entwicklung beschleunigt wird. Wenn diese Technisierung erst einmal ein bestimmtes Niveau erreicht haben wird, werden auch auf dem flachen Lande Bedingungen entstanden sein, die eine allgemeine Revolutionierung der Lebensformen und die endgültige Emanzipation der Frau ermöglichen. Die Revolutionierung der Lebensformen wird zwar zur Zeit durch die Kursänderung in der Wirtschaftspolitik ernsthaft gefährdet, und dadurch verzögert sich wiederum die Befreiung der Frauen und die Entwicklung neuer Formen des Verhältnisses der Geschlechter zueinander, die auf gegenseitiger Achtung und Zuneigung aufbauen und nicht, wie bisher üblich, auf wirtschaftlicher Berechnung. Aber gerade deshalb ist es heute, wo die Keime der neuen Gesellschaft noch jung und kraftvoll sind und ihr Wachstum von den feindlichen Elementen noch nicht ernsthaft aufgehalten werden kann, besonders notwendig, die bisherigen Veränderungen der Lebensformen und Gewohnheiten zu dokumentieren, so wie sie sich in den ersten Revolutionsjahren – und zwar wegen des engagierten Einsatzes der kommunistischen Aktivisten – abgezeichnet haben. Eine Bestandsaufnahme dieser Erfahrungen und eine Analyse dieser neuen Lebensformen wird für die Zukunft von uns allen von allergrößten Nutzen sein. Eine derartige Aufarbeitung der objektiven Bedingungen des heutigen Entwicklungsprozesses würde nämlich dem internationalen Proletariat unsere aktuellen Erfahrungen – und zwar in einer verständlichen Sprache – zur Verfügung stellen. Durch eine solche Arbeit könnten wir den Genossinnen und Genossen im Ausland helfen, jenes Werk zu vollenden, das die Arbeiter und Arbeiterinnen in Russland begonnen haben. Auch wenn wir uns selbst im Augenblick in einer düsteren und unerfreulichen Periode allgemeiner Stagnation befinden, so haben wir doch bereits mit dem, was wir seit der Oktoberrevolution im Jahre 1917 vollbracht haben, in der Geschichte der Menschheit und natürlich auch besonders in der Geschichte der Frau eine unauslöschliche Spur hinterlassen. Solange die augenblickliche Pause beim Aufbau der neuen Lebensformen anhält, sollte es die Aufgabe unserer revolutionären Frauenabteilung sein, eine vollständige Bestandsaufnahme über die erfolgreichen Veränderungen der Gewohnheiten und des Bewusstseins zu erarbeiten und diese Erfahrungen an breite Schichten der Bevölkerung weiterzugeben. Denn nur so können die Massen ein eben so hohes Bewusstseinsniveau erreichen, wie es die führende Schicht des Proletariats schon heute besitzt. Daneben müssen die Frauenabteilungen durch eine entsprechende Propagandaarbeit den Arbeiterinnen in allen anderen Ländern der Welt unsere praktischen Erfahrungen vermitteln, um so in ihren Herzen die feste Überzeugung zu wecken, dass die tatsächliche Verwirklichung der Befreiung der Frau in der Übergangsphase zum Kommunismus verwirklicht werden kann. Denn es ist eine Tatsache, dass die russische Revolution das Fundament für die Befreiung der Frau nicht nur in der Theorie sondern auch in der Praxis geschaffen hat. Darüber hinaus hat die Sowjetmacht – als erste Regierung überhaupt – Mutter und Kind unter ihren besonderen Schutz gestellt. Wir haben außerdem Bedingungen geschaffen, die es uns ermöglichen, die Prostitution – die zu den skandalösesten Erscheinungen der bürgerlichen Gesellschaft gehört – zu beseitigen. Die bisherige Familienform mit ihren aus der Zeit der Leibeigenschaft herrührenden charakteristischen Zügen wurde in unserer Räterepublik durch eine freiere, gesündere und flexiblere Form der Ehe ersetzt. Die große russische Revolution ist die Befreierin unserer Frauen, und wir dürfen auf keinen Fall vergessen, dass für die Verwirklichung der Revolution der Einsatz der Arbeiterinnen und Bäuerinnen genauso wichtig gewesen ist wie das Engagement unserer Arbeiter und Bauern. Denn die Arbeiterinnen und Bäuerinnen haben nicht nur bei der Auslösung der Revolution eine wichtige Rolle gespielt – ich möchte in diesem Zusammenhang nur an ihren historischen Auftritt am internationalen Tag der Arbeiterinnen, dem 23. Februar 1917, erinnern –, sondern sie haben auch während all der schweren Bürgerkriegsjahre aktiv am revolutionären Prozess teilgenommen. Doch alle diese Tatsachen kennt ihr ja längst, denn sie sind schon heute ein Teil der Geschichte der proletarischen Frauenbewegung und der Geschichte unserer Partei. Ich möchte aber trotzdem noch einmal betonen, dass es keinen gesellschaftlichen Bereich gibt, in dem unsere Arbeiterinnen und Bäuerinnen nicht seit der allerersten Stunde der Revolution aktiv mitgekämpft hätten. Die Liste der Namen von Frauen in unseren Geschichtsbüchern für die kommenden Generationen, in denen ihr mutiger Kampf für Sowjetrussland geschildert wird, ist beachtlich. So finden wir schon während der Kerenski-Periode die Namen von Arbeiterinnen und Bäuerinnen in den Mitgliederverzeichnissen der ersten Räte. Sowjetrussland ist auch das erste Land der Welt, in dem Frauen in die Regierung gewählt wurden: denn bereits im ersten Monat nach der Eroberung der Macht durch die Arbeiter und Bauern saß eine Frau als Volkskommissarin für soziale Fürsorge in der Sowjetregierung. In der Ukraine bekleidete ebenfalls eine Frau, die Genossin Majorowa, bis zum Herbst 1921 ein entsprechendes Amt, und auf der Provinzebene gibt es in allen wichtigen Ressorts zahlreiche Kommissarinnen, oft Arbeiterinnen oder Bäuerinnen, die direkt aus der Produktion gekommen sind. Wir wollen hier nur beispielhaft die Namen der Genossinnen Klimowa, Nikolajewa, Tjerhysjewa, Kalygina und Ikrjanistowa nennen. Nur in der Glut des revolutionären Kampfes, in der Schmiede des Kommunismus, konnte diese Generation sowjetischer Arbeiterinnen so schnell entstehen. Denn ohne die aktive Mitarbeit und das engagierte Mitdenken unserer Arbeiterinnen und Bäuerinnen wäre die Sowjetmacht überhaupt nicht imstande gewesen, auch nur einen Bruchteil jener Initiativen zu verwirklichen, die von der Avantgarde des Proletariats geplant gewesen sind. Wären nämlich die durch den revolutionären Prozess aktivierten Arbeiterinnen und Bäuerinnen den kämpfenden Arbeitern und Bauern nicht zu Hilfe gekommen, dann wäre es in dem allgemeinen Bürgerkriegschaos vollkommen unmöglich gewesen, unsere heutigen Institutionen aufzubauen und arbeitsfähig zu erhalten. Spätere Geschichtswissenschaftler werden bei ihren Studien diese Tatsache als einen für unsere Revolution in Russland typischen Charakterzug hervorheben, durch den sich unsere Revolution von der französischen Revolution der Jahre 1789 bis 1795 wesentlich unterscheidet. Auf dem Ersten Allrussischen Arbeiterinnen- und Bäuerinnen-Kongress im November 1918 zeigte sich bereits eindeutig, dass die Revolution bei den Frauen eine starke Unterstützung gefunden hatte. Die Idee, einen solchen Kongress einzuberufen, war in den Frauenabteilungen der Partei nur knapp einen Monat vorher, also im September, entstanden, und eine Gruppe von ungefähr fünfzehn Genossinnen begann seinerzeit mit den Kongressvorbereitungen. Obwohl diese äußerst mangelhaft sein mussten, war das Echo unter den werktätigen Frauen sehr groß, und 1.147 Delegierte kamen aus allen Gegenden Russlands angereist. Diese Tatsache ist ein besonders eindrucksvoller Beweis für meine These, dass der revolutionäre Prozess die Frauen in Russland aus ihrem jahrhundertelang währenden Dornröschenschlummer aufgeweckt hat. Um aber festzustellen, welch wesentliche Rolle die Frau in diesem Prozess gespielt hat, würde es schon genügen, nur ein einzelnes Detail dieses Prozesses zu untersuchen. Solch ein besonders typisches Beispiel ist die aktive Teilnahme der Arbeiterinnen und Bäuerinnen an der militärischen Verteidigung der Revolution. Denn dieses Engagement lag tatsächlich außerhalb des traditionellen Lebensbereiches der Frau, und einige Menschen werden auch noch heute die Meinung vertreten, dass Frauen sich eigentlich nicht für derartige Aktivitäten eignen. Das Klassenbewusstsein dieser Arbeiterinnen und Bäuerinnen war jedoch schon so weit entwickelt, dass sie sich aktiv an der Unterstützung der Roten Armee beteiligten, und so kämpften bereits während der Oktoberrevolution, Frauen in den Reihen der Revolutionäre. Sie organisierten Feldküchen, Sanitätsabteilungen und Kurierdienste. Das revolutionäre Russland demonstrierte seine neue Einstellung gegenüber den Frauen, indem es weibliche Arbeitskräfte für die Landesverteidigung einsetzte. Das Bürgertum dagegen hat schon immer die Auffassung vertreten, dass es die Rolle der Frau sei, den häuslichen Herd zu hüten, während der Mann von Natur aus dazu berufen sei, diesen Herd, oder drücken wir es einmal lieber weniger poetisch aus, den Staat, zu verteidigen. Denn das sogenannte Kriegshandwerk ist in der bürgerlichen Vorstellungswelt reine Männersache. Frauen in die Reihen der Soldaten aufzunehmen, war für das Bürgertum eine äußerst unnatürliche Vorstellung, denn eine solche Entwicklung hätte ja die Grundpfeiler der bürgerlichen Familie untergraben – und damit auch die des Privateigentums und des bürgerlichen Klassenstaates. Der Arbeiterstaat vertritt in dieser Frage eine ganz andere Auffassung, da in der Bürgerkriegsperiode die gesellschaftlich nützliche Arbeit unlösbar mit der Pflicht, den Sowjetstaat zu verteidigen, verbunden war. Der kommunistische Staat benötigt für die Entfaltung der Produktivkräfte die Mitarbeit aller erwachsenen Bürger. Deshalb können die Kommunisten auch nicht auf die Mitarbeit der Frauen verzichten. Der Verteidigungskampf des Proletariats gegen die Diktatur der Bourgeoisie erfordert auch den Einsatz der Arbeiterinnen und Bäuerinnen in der Armee und Marine. Die Mobilisierung der Arbeiterinnen und Bäuerinnen für den Kriegsdienst war aber nicht nur ein mehr oder weniger zufälliges Resultat militärischer Überlegungen, wie im Falle der bürgerlichen Regierungen während des imperialistischen Weltkrieges, sie war vielmehr das Resultat des Existenzkampfes der Arbeiterklasse. Denn je mehr Werktätige für militärische Aufgaben mobilisiert wurden, desto erfolgreicher konnte die Arbeiter- und Bauernarmee die Revolution verteidigen. Und die Rote Armee war auf die aktive Mitarbeit der Arbeiterinnen und Bäuerinnen angewiesen. Nur so konnten wir den Sieg an der Front sicherstellen. Dieser Sieg war aber auch gleichzeitig eine notwendige Voraussetzung für die allseitige Befreiung der Frau und eine Garantie für jene Rechte, die in der Oktoberrevolution für unsere Frauen erkämpft worden sind. Deshalb wäre es auch ganz falsch, den Einsatz der Arbeiterinnen und Bäuerinnen an der Front nur unter Leistungskriterien zu betrachten, denn wir müssen ebenso bedenken, welche langfristigen Auswirkungen diese Mobilisierung der Frauen für deren Bewusstsein hat. Denn ebenso wie die Oktoberrevolution das Fundament für die Beseitigung der traditionellen Ungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern geschaffen hat, so wurden auch durch die Beteiligung der Frauen an den beiden wichtigen Fronten – der Arbeitsfront und der Roten Front – die letzten Vorurteile gegenüber den Frauen beseitigt. Unsere Auffassung, dass die Frau ein vollwertiges Mitglied der menschlichen Gesellschaft ist, wurde nicht zuletzt auch durch die Mitarbeit unserer Frauen in der Roten Armee prinzipiell bestätigt. Das Bild von der Frau als einem Anhängsel des Mannes ist deshalb auch – ebenso wie die Institution des Privateigentums und der Diktatur der Bourgeoisie – auf dem besten Wege, auf dem Müllhaufen der Geschichte zu landen.

Kommunistinnen standen oft als Agitatorinnen an der militärischen Front, und sie arbeiteten in den revolutionären Komitees der verschiedenen Formationen der Roten Armee. Die Arbeiterinnen und Bäuerinnen bekleideten in der Roten Armee also vorwiegend politische Positionen. Diese politischen Aufgaben – als Rotarmistinnen und als Rote Schwestern – wurden in den Jahren 1919 und 1920 von über 6.000 Arbeiterinnen und Bäuerinnen an der Front ausgeübt. In der Roten Armee übernahmen Frauen auch Kurierdienste und arbeiteten als Sekretärinnen in den militärischen Verwaltungsstellen. Teilweise kämpften die Frauen aber auch in den Reihen der Rotarmisten direkt an der Front. Diese Fälle waren jedoch Ausnahmen und nicht die Regel. An unseren Lehrgängen für Offiziere nehmen zur Zeit eine große Anzahl von Studentinnen teil, und eine Frau studiert sogar auf der Generalstabsakademie. Allein im Jahre 1920 beteiligten sich insgesamt 5.000 Arbeiterinnen und Bäuerinnen an solchen Schulungskursen der Roten Armee. Keine einzige Mobilisierungskampagne für die Rote Armee fand ohne die Mitarbeit von Arbeiterinnen und Bäuerinnen statt. Frauen gingen außerdem in die Militärkrankenhäuser und pflegten kranke und verwundete Rotarmisten, sie sammelten Kleider für die Truppe und halfen im Kampf gegen die Deserteure. Seit der Oktoberrevolution ist bei uns keine Mobilisierung mehr ohne Beteiligung der Arbeiterinnen und Bäuerinnen durchgeführt worden. Unsere Aufrufe an das Proletariat die Revolution zu verteidigen, weckte in den Herzen der Arbeiterinnen und Bäuerinnen glühende Begeisterung – vor allem bei den Industriearbeiterinnen in den großen industriellen Ballungsgebieten. Aufgrund ihres Klassenbewusstseins ahnten diese Arbeiterinnen, dass es eine dialektische Verknüpfung zwischen der allgemeinen Befreiung der Frau und unserem militärischen Sieg an der Front gab. Besonders in den kritischen Perioden des Bürgerkrieges, als tatsächlich sämtliche Errungenschaften der Revolution gefährdet waren, leisteten die werktätigen Frauen durch ihren aktiven und massenhaften Einsatz einen wichtigen Beitrag zur Verteidigung des revolutionären Räterussland. Die Angriffe der Weißen Armee auf das Don-Gebiet und Lgansk im Jahre 1919, die militärische Bedrohung von Petersburg durch die weißgardistischen Truppen der Generäle Denikin und Judenitsch im Jahre 1920 sind Beispiele für diese kritischen Perioden. In der Nähe der ukrainischen Industriestadt Lugansk gelang es nur mit Hilfe der aktiv in den Kampf eingreifenden Arbeiterinnen und Arbeiter die Angriffe der weißen Banditen abzuwehren. Historisch bedeutend ist die Resolution der Arbeiterinnen aus Tula, die von ihnen verabschiedet wurde, als General Denikin die Industriestadt angriff: „Nach Moskau kommt Denikin nur über unsere Leichen.“ So lautete ihr Wahlspruch. Sie kämpften an der Front, hoben Schützengräben aus und waren für den Nachrichtendienst verantwortlich. Die Rolle der Arbeiterinnen bei der militärischen Verteidigung von Petersburg gegen die angreifenden Truppen des Generals Judenitsch ist ja allgemein bekannt. Tausende von Industriearbeiterinnen kämpften in Maschinengewehrabteilungen, im Nachrichten- und Kundschafterdienst. Unter Selbstaufopferung hoben diese Frauen im bitterkalten Herbstwetter Schützengräben aus und legten um die Stadt ein Netz von Stacheldrahtverhauen Mit der Waffe in der Hand bewachten Frauen die zahlreichen Straßensperren und hinderten Deserteure an der Fahnenflucht. Wenn diese Weichlinge von bewaffneten Frauen angehalten wurden, die selbst bereit waren, auf ihrem Posten zu kämpfen und notfalls zu sterben, waren sie moralisch ganz einfach gezwungen, schamerfüllt auf ihre Posten zurückzukehren. Bei der militärischen Verteidigung der russischen Sowjetrepublik haben die Frauen eine moralisch bedeutende, wenn auch militärisch untergeordnete Rolle gespielt. In anderen Bereichen unserer Sowjetrepublik haben die Frauen Avantgardeleistungen vollbracht. Wir wollen es der zukünftigen Geschichtsschreibung überlassen, darüber zu entscheiden, welche praktischen Lösungen auf sozialem Gebiet und besonders bei der Organisierung des staatlichen Mutterschutzes wir der Initiative unserer Arbeiterinnen und Bäuerinnen zu verdanken haben. Trotz des allgemeinen wirtschaftlichen Chaos und der Tatsache, dass die Arbeiterklasse noch nicht über einen eigenen Verwaltungsapparat verfügte, war die Sowjetregierung in der Lage, diese Sozialarbeit auf breiter Ebene in Gang zu setzen. Das wäre allerdings nicht möglich gewesen, wenn unsere Frauen dieser Frage gegenüber negativ eingestellt gewesen wären und unsere Bemühungen sabotiert hätten. Es ist bezeichnend, dass wir die besten Ergebnisse in unserer Zusammenarbeit mit den Arbeiterinnen und Bäuerinnen auf den Gebieten zu verzeichnen hatten, die direkt mit der Befreiung der Frau zusammenhängen.

Das heißt jedoch keineswegs, dass nicht auch viele Frauen in anderen Sektoren der Gesellschaft aktiv mitarbeiten: im Schulwesen, in den Sowjets, in den Volkskommissariaten, im Obersten Volkswirtschaftsrat und in zahlreichen anderen Stellen der staatlichen Verwaltung. In der unmittelbaren Periode nach der Oktoberrevolution interessierte sich aber die Mehrheit unsrer Arbeiterinnen und Bäuerinnen in erster Linie für solche Aufgaben, die ihren bisherigen Erfahrungen am nächsten standen, und die sie auch am leichtesten lösen konnten – und dies war natürlich auch das Problem der Mutterschaft. Die Frauen wurden für die Mitarbeit an den sozialen Einrichtungen für den Mutterschutz, der Erwachsenenerziehung und den öffentlichen Volkskantinen am erfolgreichsten mobilisiert. Im Gegensatz dazu erklärten sich nur sehr wenige Frauen bereit, in den Wohnungsämtern mitzuarbeiten. Unsere werktätigen Frauen hatten ganz offenkundig nicht begriffen, dass die Lösung der Wohnungsfrage für die praktische Befreiung der Frau genauso wichtig ist wie die Einrichtung von öffentlichen Volkskantinen. Die speziellen Kommissionen für Agitation und Propaganda bei den Frauen, die den heutigen Frauenabteilungen in der Partei entsprachen, hatten sich damals weitgehend darauf beschränkt, die Arbeiterinnen und Bäuerinnen für bestimmte Bereiche unserer Gesellschaft zu mobilisieren zu versuchen, denn die Mitarbeiterinnen in diesen Kommissionen vertraten die Auffassung, man müsse damit beginnen, die kollektive Frauenarbeit auf den Gebieten zu entwickeln, die den Frauen schon vertraut sind. Erst später gingen wir dann auch dazu über, die Frauen für die Aufbauarbeiten in anderen Bereichen zu mobilisieren. Aber bereits in den ersten Tagen nach der Oktoberrevolution engagierte sich die Mehrheit der Frauen für Veränderungen der Lebens- und Familienformen. Denn die Beendigung ihres Daseins als Dienstmagd beschleunigte ihren Befreiungsprozess und wurde engagiert und begeistert begrüßt. Die Sowjetrepublik verdankt diesen Frauen, dass das kühne und umfassende Programm für alle Sektoren der Gesellschaft nicht gescheitert ist. Es entstand eine natürlich Arbeitsteilung. Die werktätigen Frauen arbeiteten vorwiegend in den gesellschaftlichen Sektoren, die ihnen traditionell nahestanden und mit deren Problemstellungen sie vertraut waren: So z. B. dem Problem der Mutterschaft oder dem der allgemeinen Hausarbeiten, die zu verrichten die Frauen seit Jahrhunderten erzogen worden sind. Auf diesen Gebieten waren die Frauen nicht nur Hilfskräfte der Männer, sondern ergriffen häufig selbst die Initiative. Aber in anderen Sektoren des Staatsapparates dominierten nach wie vor die Männer, und dort nahmen die Frauen in der Regel nur recht unbedeutende Positionen ein, wenn es natürlich auch einige Ausnahmen gab. Diese Arbeitsteilung fraktionierte jedoch das Proletariat nicht nach Geschlechtern, sondern führte im Gegenteil zu einer ganz normalen und tragfähigen Konsolidierung der Initiativen in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen. Diese Entwicklung bedeutet für uns nun aber keineswegs, dass Frauen unfähig sind, Aufgaben außerhalb des Sozial- und Bildungssektors zu lösen. Ganz im Gegenteil. Wir wissen ja, welch außerordentlich wichtige Rolle die Arbeiterinnen und Bäuerinnen im revolutionären Prozess und bei den wirtschaftlichen Wiederaufbauarbeiten spielen. Denn ohne die aktive Mitarbeit der werktätigen Frauen wäre unser Kampf gegen die Konterrevolution und die Spekulation weit weniger erfolgreich verlaufen. Ist es denn nicht so, dass z. B. durch die unbezahlbare Mitarbeit unserer Arbeiterinnen und Bäuerinnen im Kampf die Epidemien die Aufgaben im Gesundheitssektor überhaupt erst gelöst werden konnten? Es ist auch schon oft betont worden, das die verschiedenen Kampagnen im ökonomischen und sozialen Bereich nur deshalb erfolgreich waren, weil die Mehrheit der Arbeiterinnen und Bäuerinnen – oft durch freiwillige und wochenlange Arbeitseinsätze – sich an diesen Kampagnen beteiligt hat. Dennoch bleibt die Tatsache bestehen, dass bei der Entwicklung neuer Lebensformen und eines veränderten Bewusstseins in der jetzigen Periode die Frauen aufgrund ihrer Erfahrungen spontan bei der Lösung solcher Fragen mitarbeiten, die für sie unmittelbar am wichtigsten sind und die gleichzeitig auch das Kollektiv stärken. Unsere eigenen Erfahrungen seit der Oktoberrevolution beweisen, dass diese Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern, wie sie aufgrund der geschichtlichen Erfahrungen des gesamten Proletariats und des gesunden Menschenverstandes zustande gekommen sind, richtig war. Denn gerade weil die Frauen auf den Gebieten mitarbeiteten, mit deren Problemen sie besonders vertraut waren – die öffentlichen Volkskantinen, die staatlichen Mütter- und Säuglingseinrichtungen – konnten sie ihre Arbeitskraft bei der Lösung der dringendsten Wiederaufbauarbeiten erfolgreich einbringen und haben so der gesamten Sowjetrepublik geholfen. In der jetzigen Phase der Diktatur des Proletariats können sich die Proletarierinnen noch weniger als früher für die abstrakten Prinzipien des Feminismus, also für die abstrakte Gleichberechtigung der Frau, engagieren. Eine vernünftige Planung in Sowjetrussland muss gerade im Gegenteil die seelischen und körperlichen Eigenschaften der Frauen berücksichtigen und die unterschiedlichen Arbeitsaufgaben zwischen den Geschlechtern so aufteilen, dass die Planung den gemeinsamen Zielen des Kollektivs am besten dient. Denn unsere Arbeiterinnen und Bäuerinnen können in der Periode der Diktatur des Proletariats nicht für die Gleichberechtigung als solche kämpfen, sondern müssen dafür eintreten, dass die weibliche Arbeitskraft zweckmäßig eingesetzt wird und dass der Mutterschutz garantiert wird.

Die Genossinnen und Genossen aus anderen Ländern müssen aus den Erfahrungen der russischen Revolution lernen. Wenn das Proletariat nach seiner Machtübernahme damit beginnt, neue Lebensformen zu entwickeln, dann benötigt es nicht nur proletarische Experten, die über die entsprechenden Spezialkenntnisse in den verschiedenen Produktionsbereichen und im Militärwesen verfügen, sondern auch Frauen, die wissen, wie man neue kommunistische Lebensformen entwickelt, wie man Säuglings-, Kleinkinderheime und öffentliche Volkskantinen plant und organisiert, etc. Frauen, die also wissen, wie man das Zusammenleben der Menschen neu ordnen kann und die die besten Formen kollektiver Einrichtungen kennen. Denn das Proletariat kann ohne die aktive Mitarbeit der Frauen keine neuen Lebensformen entwickeln; und eben deshalb ist auch die Erziehung der Frauen im kommunistischen Geiste eine wesentliche Aufgabe für das internationale Proletariat. Aber deshalb kann auch die Frauenarbeit nicht ausschließlich Angelegenheit der Proletarierinnen sein. In Sowjetrussland erleben wir zur Zeit eine verschärfte Periode des Klassenkampfes. Heute stehen keine bescheidenen Reformvorschläge auf der Tagesordnung, sondern eine umfassende Revolutionierung der Volkswirtschaft und des Bewusstseins. Aus diesem Grunde ist auch die Frage eines sinnvollen und geplanten Einsatzes der Arbeitskraft unserer Frauen in der gesellschaftlichen Arbeit und beim Wiederaufbau der Industrie eine der wichtigsten politischen Fragen. Die Feinde des Proletariats wissen dies ganz genau, und es hat schon seine guten Gründe, wenn sich die verschiedenen bürgerlichen Regierungen plötzlich gegenüber den Frauen so zuvorkommend verhalten und an die Frauen Almosen – in Form der politischen Gleichberechtigung und eines reformierten Eherechts – verteilen. Durch diese Politik wollen sie die Unzufriedenheit der Frauen und deren gefährliche Kritik an den bestehenden Verhältnissen abdämpfen. Als Antwort auf dieses Vorgehen müssen wir Kommunisten unsere internationale Frauenarbeit verstärken, und das Internationale Frauensekretariat der Kommunistischen Internationale hat sich dieser Frage auch bereits angenommen. In unsrer Arbeit müssen wir davon ausgehen, dass das Proletariat beiderlei Geschlechts gemeinsame Interessen hat; daher müssen wir die Solidarität und die allgemeinen Ziele der Arbeiterbewegung bei dieser Arbeit betonen, gleichzeitig aber auch die Sonderstellung der Frau, die sich aus ihrer sozialen Rolle als Mutter ergibt, berücksichtigen. Der Arbeiterstaat muss also die Arbeitskraft der Frauen so einsetzen, dass sie ihre Fähigkeiten in Bereichen entfalten können, die ihren Erfahrungen am besten entsprechen, und der Arbeiterstaat darf nie vergessen, dass die Frau eben nicht nur eine Arbeitskraft ist, sondern dass sie auch eine gesellschaftliche Funktion als Mutter zu erfüllen hat. Denn die Frauen arbeiten Seite an Seite mit den Männern und schenken der Gesellschaft darüber hinaus noch neue Mitbürger und Arbeitskräfte. Deshalb ist der Arbeiterstaat auch verpflichtet, für die Frauen besonders zu sorgen. In der Phase der Diktatur des Proletariats ist es nicht unsere Aufgabe, eine völlige Gleichheit zwischen den Geschlechtern zu erreichen, sondern den vernünftigen Einsatz der weiblichen Arbeitskraft sicherzustellen und ein entsprechendes System staatlicher Mutterschutzeinrichtungen einzurichten.

Im kapitalistischen System, das auf der Institution des Privateigentums aufbaut, das mit dem Privatkonsum der Kleinfamilie unlösbar verbunden ist, ist die Frau zur unproduktiven Arbeit im Familienhaushalt verurteilt. Auch wenn die bürgerlichen Regierungen in den kapitalistischen Ländern sich gegenwärtig dazu bereiterklären, den Frauen eine formal-juristische Gleichberechtigung und andere Almosen zuzugestehen, so ist ihre Befreiung doch nicht möglich. Denn das Beispiel der Sowjetrepublik zeigt, dass nur durch eine grundsätzliche Änderung der Rolle der Frau im Produktionsprozess und damit einhergehend auch in allen übrigen gesellschaftlichen Bereichen ein Fundament für die Befreiung der Frau geschaffen werden kann.

Mit diesen Ausführungen beschließen wir nun unsere Vorlesungsreihe. Ich hoffe, dass euch während der vierzehn Vorlesungen klar geworden ist, dass Stellung und Rechte der Frau in der Gesellschaft von ihrer Funktion in der Produktion bestimmt werden. Aus diesem Grunde kann im Kapitalismus auch die Frauenfrage nicht gelöst werden. In der Sowjetrepublik wird die Frauenfrage gelöst werden, weil alle arbeitsfähigen, erwachsenen Frauen gesellschaftlich nützliche Arbeit leisten und am Aufbau einer kommunistischen Volkswirtschaft und der Entwicklung neuer Lebensformen mitarbeiten. Ihr, die ihr mit den Frauen in Russland zusammenarbeitet, müsst euch über folgendes im Klaren sein: Mögen auch heute noch Arbeiterinnen und Bäuerinnen als sogenannte Alte oder Leibeigene eine bittere Existenz führen, es gibt für sie einen Ausweg aus dieser Situation. Denn je mehr Energie wir für die Entwicklung neuer Produktions- und Lebensformen aufbringen, desto schneller werden sich die Frauen von den Fesseln der seit Jahrhunderten währenden Sklaverei befreien. Die Oktoberrevolution in Russland bietet unseren werktätigen Frauen eine wirkliche Chance für ihre Befreiung. Ob die Frauen sie verwirklichen, hängt jetzt tatsächlich nur noch von ihrem eigenen Willen und ihren Fähigkeiten ab. Sie müssen selbst erkennen was zu tun ist. Das Fundament für ihre Befreiung ist gelegt. Der Weg ist eindeutig bezeichnet. Was jetzt noch zu tun bleibt? Aufbauen. Aufbauen. Aufbauen. Durch die Diktatur des Privateigentums ist die Frau Jahrhunderte lang versklavt worden. Durch die Diktatur des Proletariats wurde die Frau befreit.


Zuletzt aktualisiert am 27. Juni 2020