Antonio Labriola

 

Zum Gedächtnis
des
Kommunistischen Manifestes

 

Teil I

In drei Jahren werden wir unser Jubiläum feiern können. Das denkwürdige Datum, an dem das Manifest der Kommunistischen Partei veröffentlicht wurde (Februar 1848), erinnert an unseren ersten und unanfechtbaren Eintritt in die Geschichte. Auf dies Datum beziehen sich alle unsere abwägenden Urteile über die Fortschritte, die das Proletariat seit fünfzig Jahren gemacht hat. Dies Datum bezeichnet den Anfang der neuen Aera. Sie beginnt und erhebt sich, oder besser entbindet sich aus der gegenwärtigen Aera und entwickelt sich in geheimer und innerlicher Bildung, also notwendig und unausweichbar, wie immer ihre Wandlungen, die sich heute nicht vorhersehen lassen, aufeinander folgen mögen.

Alle diejenigen unter ans, denen es am Herzen liegt ober einfach ein Bedürfnis ist, die vollkommene Erkenntnis ihres eigenen Werkes zu besitzen, müssen sich die Ursachen und die treibenden Kräfte vergegenwärtigen, die einst die Entstehungsgeschichte des Manifestes bestimmt haben, die Umstände, unter denen es erschienen ist, am Vorabend der Revolution, die von Paris bis Wien, von Palermo bis Berlin ausbrach. Auf diese Weise nur werden wir in der gegenwärtigen sozialen Form die sich entfaltende Tendenz zum Sozialismus finden und folglich durch seinen gegenwärtigen Daseinsgrund die vermutete Notwendigkeit seines Triumphes begründen können.

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Liegt hier nicht in der Tat der Nerv des Manifestes, sein Wesen und sein eigentlicher Charakter?

Man würde sicherlich einen falschen Weg einschlagen, wenn man als seinen wesentlichen Teil die Maßregeln betrachten wollte, die am Schlüsse des zweiten Kapitels angeraten und vorgeschlagen werden, für den Fall einer erfolgreichen proletarischen Revolution, oder die politisch orientierenden Fingerzeige, die man im vierten Kapitel über andere revolutionäre Parteien der damaligen Zeit findet. Obgleich diese Fingerzeige und Ratschläge erwogen zu werden verdienten, im Augenblick und unter den Umständen, wo sie formuliert und gegeben wurden, und obgleich sie sehr wichtig sind für ein genaues Urteil über die politische Aktion der deutschen Kommunisten in der revolutionären Periode von 1848 bis 1850, so bilden sie für uns fortan Schuldigkeit getan und tut sie noch als lebendige Kritik und literarische Geißel. Aber in den Ländern, wo diese Formen schon theoretisch und praktisch überwunden worden sind, wie in Deutschland und Oesterreich, oder nur noch bei einzelnen als individuelle Meinung überleben, wie in Frankreich und England, ohne von den anderen Nationen zu sprechen, hat das Manifest unter diesem Gesichtspunkt seine Rolle vollendet. Es registriert dann nur gleichsam zum Gedächtnis das, woran man nicht mehr zu denken braucht, nachdem die politische Aktion des Proletariats gegeben ist und sich in ihrem regelmäßig aufsteigenden Fortschritt abrollt.

Dies war genau die vorweggenommene Geistesdisposition derer, die es geschrieben haben. Durch die Kraft ihres Gedankens und auf einige Proben von Erfahrung hin hatten sie die Ereignisse überflügelt, und sie begnügten sich, die Ausschaltung und die Verurteilung dessen festzustellen, was sie überschritten hatten. Der kritische Kommunismus – das ist sein wahrer Name, und keiner trifft mehr auf diese Lehre zu – gab sich nicht dazu her, mit den Feudalen die alte Welt zurück zu ersehnen, um aus dem Gegensatze zu ihr die gegenwärtige Gesellschaft zu kritisieren: – er hatte nur die Zukunft im Auge. Er verband sich nicht mehr mit den Kleinbürgern in dem Wunsche zu retten, was nicht gerettet werden kann: – wie zum Beispiel das kleine Eigentum oder das ruhige Leben der kleinen Leute, das die schwindelerregende Aktion des modernen Staats, als notwendigen und natürlichen Organs der gegenwärtigen Gesellschaft, zerstört und umwälzt, weil er durch seine unaufhörlichen Revolutionen die Notwendigkeit anderer, neuer und tieferer Revolutionen in sich und mit sich führt. Er übersetzte ebensowenig die reellen Gegensätze der materiellen Interessen, die sich im Leben jedes Tages zeigen, in übernatürliche Grillen, in eine krankhafte Sentimentalität oder in eine religiöse Betrachtung: – er setzte im Gegenteile diese Kontraste in ihrer ganzen prosaischen Wirklichkeit auseinander. Er baute nicht die Gesellschaft der Zukunft nach einem Plane auf, der in jedem seiner Teile harmonisch entworfen war. Er hatte kein Wort des Lobes oder der Entzückung, der Anbetung oder der Klage für die beiden Göttinnen der philosophischen Mythologie: die Gerechtigkeit und die Gleichheit, diese beiden Göttinnen, die sich so traurig in der täglichen Praxis ausnehmen, wenn man sieht, daß sich die Geschichte so vieler Jahrhunderte den unschicklichen Zeitvertreib macht, fast immer ihren unfehlbaren Zumutungen zu widersprechen. Ja sogar, obgleich diese Kommunisten auf beweiskräftige Tatsachen hin den Proletariern die Mission zuschrieben, die Totengräber der Bourgeoisie zu sein, huldigten sie dieser Bourgeoisie als der Urheberin einer Gesellschaftsform, die nach außen und nach innen ein wichtiges Stadium des Fortschrittes darstellt und allein den Schauplatz der neuen Kämpfe schaffen kann, die dem Proletariat schon einen glücklichen Erfolg versprechen. Man schrieb niemals eine so grandiose Leichenrede. In diesen Lobsprüchen an die Adresse der Bourgeoisie liegt ein gewisser tragischer Humor; einige haben sie dithyrambisch gefunden.

So unanfechtbar die ablehnenden Definitionen der anderen, damals landläufigen und seitdem bis auf den heutigen Tag oft wieder erschienenen Arten des Sozialismus sind, in der Sache, in der Form und in dem nicht mehr eine Gesamtheit von praktischen Gesichtspunkten, für oder gegen die wir uns bei jedem Ereignis entscheiden müssen. Die politischen Parteien, die sich seit der Internationalen in den verschiedenen Ländern aufgetan haben, im Namen des Proletariats und mit ihm als unumwundener Grundlage, haben stets die gebieterische Notwendigkeit empfunden und empfinden sie noch, im Maße wie sie entstehen und sich entwickeln, ihr Programm und ihre Taktik den immer verschiedenen und vielfältigen Umständen anzupassen. Aber keine dieser Parteien steht die Diktatur des Proletariats so nahe, daß sie das Bedürfnis, den Wunsch oder nur die Versuchung empfindet, von neuem die im Manifeste vorgeschlagenen Maßregeln zu prüfen und über sie zu entscheiden. In Wirklichkeit gibt es an historischen Erfahrungen nur die, welche die Geschichte selbst macht; man kann sie so wenig voraussehen, wie sie sich nach überlegtem Vorsatz oder auf Befehl vollziehen. Das ist im Augenblick der Kommune eingetreten. Sie war, ist und bleibt bis heute die einzige annähernde, obgleich – da sie jählings ausbrach und von kurzer Dauer war – verworrene Erfahrung, die wir von der Aktion des Proletariats haben, sobald es zum Herrn der politischen Macht geworden ist. Diese Erfahrung war zudem weder gewollt noch gesucht, sondern durch die Umstände aufgezwungen; sie wurde heroisch durchgeführt und ist heute für uns eine heilsame Lehre geworden. Da, wo die sozialistische Bewegung erst in ihren Anfängen ist, kann es vorkommen, daß sie sich aus Mangel an persönlicher und unmittelbarer Erfahrung – wie es in Italien häufig ist – auf die Autorität eines Textes wie auf eine Vorschrift beruft, aber das ist im Grunde ohne jede Wichtigkeit.

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Man darf nach meiner Ansicht den Nerv, das Wesen, den entscheidenden Charakter des Manifestes auch nicht in dem suchen, was es über andere Formen des Sozialismus sagt, von denen es unter dem Namen Literatur spricht. Das ganze dritte Kapitel kann ohne Zweifel dazu dienen, durch Ausschließung und Entgegensetzung, durch kurze aber kräftige und starke Charakteristiken die Unterschiede klarzustellen, die tatsächlich bestehen zwischen dem Kommunismus, der heute gewöhnlich wissenschaftlich genannt wird – ein oft unbesonnen gebrauchter Ausdruck – das heißt, zwischen dem Kommunismus, der zum Gegenstande das Proletariat und zur Aufgabe die proletarische Revolution hat, und den anderen Formen des Sozialismus: dem reaktionären, dem bürgerlichen, dem halbbürgerlichen, dem kleinbürgerlichen, dem utopistischen usw. Alle diese Formen, mit einer Ausnahme [1], sind wieder erschienen und haben sich mehr als einmal erneuert, sie erscheinen selbst heute wieder und erneuern Sich in den Ländern, wo die moderne proletarische Bewegung eben entsteht. In diesen Ländern und unter solchen Umständen hat das Manifest seine Zwecke, den sie sich setzen, so beanspruchen sie doch nicht, die wirkliche Geschichte des Sozialismus zu geben, und geben sie auch nicht. Dem, der diese Geschichte schreiben will, liefern sie weder den Aufriß, noch die Richtfähnchen. Die Geschichte beruht in der Tat nicht auf der Unterscheidung des Wahren und des Falschen, des Gerechten und des Ungerechten und noch weniger auf dem mehr abstrakten Gegensatze des Möglichen und des Wirklichen: wie wenn die Dinge auf der einen Seite waren und auf der anderen Seite ihre Schatten und ihre Reflexe in den Ideen hatten. Die Geschichte ist ganz aus einem Stück, und sie beruht auf dem Bildungs- und Umbildungsprozeß der Gesellschaft; das heißt, sie vollzieht sich auf eine objektive Art, unabhängig von unserer Billigung oder Mißbilligung. Die Geschichte ist eine Dynamit besonderer Art, um mit den Positivisten zu sprechen, die so lecker nach derartigen Ausdrücken sind, aber sich oft an das neue Wort klammern, das sie losgelassen haben. Die verschiedenen Formen sozialistischen Denkens und Handelns, die im Laufe der Jahrhunderte erschienen und verschwunden sind, so verschieden in ihren Ursachen, ihrem Aussehen und ihren Wirkungen, müssen alle studiert und erläutert werden durch die besonderen und verwickelten Verhältnisse des sozialen Lebens, unter denen sie entstanden sind. Indem man sie in der Nähe studiert, bemerkt man, daß sie kein einziges Ganzes ununterbrochenen Fortschrittes bilden, und daß ihre Reihe mehrmals unterbrochen worden ist durch den Wechsel des sozialen Komplexes und das Verschwinden und den Bruch der Ueberlieferung. Erst von der großen Revolution ab gibt es eine gewisse Einheit in der Entwicklung des Sozialismus, die klarer seit dem Jahre 1830 hervortritt, seitdem die Bourgeoisie in Frankreich und England endgültig das politische Ruder ergriff, und die endlich anschaulich und sozusagen handgreiflich seit der Internationalen wird. Auf diesem Wege erscheint das Manifest als ein großer Meilenstein, der eine doppelte Inschrift trägt: auf der einen Seite den Wiegendruck der neuen Lehre, die seitdem die Runde um die Welt gemacht hat, auf der anderen Seite die Orientierung über die Formen, die es ausschloß, jedoch ohne deren Geschichte zu schreiben. [2]

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Der Nerv, das Wesen, der entscheidende Charakter dieses Werkes sind ganz in der neuen Geschichtsauffassung enthalten, die es beseelt und zum Teil in ihm auseinandergesetzt und entwickelt wird. Dank dieser Auffassung hörte der Kommunismus auf, eine Hoffnung, eine Sehnsucht, eine Erinnerung, eine Vermutung, ein Ausweg zu sein und fand zum ersten Male seinen angemessenen Ausdruck in dem Bewußtsein seiner Notwendigkeit, das heißt in dem Bewußtsein, daß er das Ende oder die Lösung der gegenwärtigen Klassenkämpfe sei. Diese Kämpfe haben nach Ort und Zeit gewechselt, und an ihnen hat sich die Geschichte entwickelt, aber sie gehen in unseren Tagen alle auf den einen Kampf zurück, zwischen der kapitalistischen Bourgeoisie und den Arbeitern, die unvermeidlich proletarisiert werden. Das Manifest hat die Entstehungsgeschichte dieses Kampfes geschildert, es bestimmt den Rhythmus seiner Entwicklung und sagt sein endgültiges Ergebnis voraus.

Auf diese Geschichtsauffassung führt sie ganze Lehre des wissenschaftlichen Kommunismus zurück. Von diesem Augenblick an haben die theoretischen Gegner des Sozialismus nicht mehr über die abstrakte Möglichkeit der demokratischen Sozialisation der Produktionsmittel zu diskutieren [3]: wie wenn es möglich wäre, in dieser Frage sein Urteil auf Folgerungen zu stützen, die sich auf die allgemeinen und gemeinsamen Anlagen der angeblichen menschlichen Natur gründen. Es handelt sich fortan darum, in dem Laufe der menschlichen Dinge eine Notwendigkeit, die über unsere Sympathie und unseren subjektiven Beifall hinausgeht, anzuerkennen oder nicht anzuerkennen. Ist die Gesellschaft in den zivilisatorisch vorgeschrittensten Ländern so organisiert, daß sie zum Kommunismus übergehen wird durch die Gesetze, die ihre eigene Zukunft bestimmen, sobald ihre gegenwärtige ökonomische Struktur und die Reibungen gegeben sind, die notwendig in ihrem eigenen Schoße entstehen und die sie schließlich zerbrechen und auflösen werden? Das ist der Gegenstand aller Diskussionen seit dem Erscheinen dieser Theorie. Und daher ergibt sich auch die Taktik, die sich der Aktion der sozialistischen Parteien aufzwingt, mögen sie nur aus Proletariern zusammengesetzt sein oder mögen sie in ihren Reihen Leute zahlen, die aus anderen Klassen hervorgegangen sind und sich als Freiwillige dem Heere der Arbeiterklasse anschließen.

Insofern nehmen wir gern den Beinamen wissenschaftlich an, wenn man uns dadurch nicht mit den Positivisten zusammen werfen will, mitunter lästigen Gästen, die sich aus der „Wissenschaft“ ein Monopol machen. Wir suchen nicht wie Advokaten oder Sophisten einen Satz von abstrakter Geltung zu behaupten, und wir strengen uns nicht an, die Vernunft unserer Zwecke zu beweisen. Wir suchen nichts anderes als den theoretischen Ausdruck und die praktische Auslegung der gegebenen Größen, wie sie uns die Prüfung der Entwicklung bietet, die sich unter uns und um ums vollzieht, die ganz in den tatsächlichen Beziehungen des sozialen Lebens enthalten ist, dessen Subjekt und Objekt, dessen Ursache und Zweck wir sind. Unsere Zwecke sind vernünftig, nicht weil sie sich auf Gründe der räsonnierenden Vernunft stützen, sondern weil sie sich aus dem fachlichen Studium der Dinge ergeben, das will sagen, aus der Deutung ihrer Entwicklung, die kein Ergebnis unserer Wahl ist oder sein kann, sondern im Gegenteil über unseren individuellen Willen triumphiert und ihm sich unterwirft.

Keines der früheren oder späteren Werke, die von den Verfassern des Manifestes selbst herausgegeben worden sind und wissenschaftlich eine viel beträchtlichere Bedeutung haben, kann das Manifest ersetzen und hat dieselbe spezifische Wirkungskraft. Es gibt uns in seiner klassischen Einfachheit den wahrhaftigen Aufdruck dieser Situation: das moderne Proletariat ist, setzt sich, wächst und entwickelt sich in der zeitgenössischen Geschichte als das konkrete Subjekt, als die positive Kraft, deren notwendig revolutionäre Aktion im Kommunismus ihr notwendiges Ziel finden muß. Deshalb bildet dies Werk, indem es seiner Vorhersage eine theoretische Grundlage gibt und sie in bündigen, kurzen, lebendigen Formeln ausdrückt, eine Sammlung, ja mehr, eine unerschöpfliche Mine an Gedankenkeimen, die der Leser befruchten und unendlich vervielfältigen kann; es bewahrt die ganze echte und ursprüngliche Kraft der Sache, die eben geboren ist und sich noch nicht von dem erzeugenden Erdreich gelöst hat. Diese Bemerkung richtet sich vor allem an diejenigen, die als Heuchler einer gelehrten Unwissenheit, wenn es anders nicht Prahler, Quacksalber oder liebenswürdige Dilettanten sind, der Lehre des kritischen Kommunismus Vorläufer, Beschützer, Verbündete und Meister jeder Art geben, ohne Achtung vor dem gefunden Menschenverstand und der gewöhnlichsten Zeitrechnung. Entweder leiten sie unsere materialistische Geschichtsauffassung in die Theorie der allgemeinen Entwicklung zurück, die bei vielen nur eine neue Metapher einer neuen Metaphysik ist, oder sie suchen in dieser Lehre eine Abzweigung des Darwinismus, der nur unter einem gewissen Gesichtspunkt und in einem sehr weiten Sinne eine ähnliche Theorie ist, oder sie haben die Liebenswürdigkeit, uns mit dem Bündnis oder der Protektion der positivistischen Philosophie zu beschenken, die von Comte, dem entarteten und reaktionären Schüler des genialen Saint-Simon, bis zu Spencer, der Quintessenz der anarchistischen Spießbürgerei, reicht; mit anderen Worten, sie wollen uns unsere erklärtesten Gegner zu Verbündeten geben.

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Seinem Ursprunge verdankt dies Werk seine keimfähige Kraft, seine klassische Stärke und die Möglichkeit, auf so wenigen Seiten so viele Reihen und Gruppen an Gedanken zusammenzufassen. [4]

Es ist das Werk zweier Deutschen, aber es ist, weder in der Form noch im Gehalt, der Ausdruck einer persönlichen Meinung. Man findet darin weder die Flüche, noch die Sorgen, noch die grollenden Ausbrüche, die allen politischen Flüchtlingen geläufig sind, und allen denen, die freiwillig ihr Vaterland verlassen hatten, um anderswo eine freiere Luft zu atmen. Man findet darin ebensowenig die unmittelbare Widerspiegelung ihrer vaterländischen Zustände, die damals politisch kläglich waren und, ökonomisch und sozial, nur auf einzelnen Landstrecken mit England und Frankreich verglichen werden konnten. Sie legten vielmehr den philosophischen Gedanken hinein, der allein ihr Vaterland auf die Höhe der zeitgenössischen Geschichte gehoben und darauf erhalten hatte; den philosophischen Gedanken, der genau mit ihnen die wichtige Umbildung erfuhr, die dem schon von Feuerbach erneuerten Materialismus erlaubte, sich mit der Dialektik zu verbinden und so die Bewegung der Geschichte in ihren geheimsten Ursachen zu erfassen und zu verstehen; in den Ursachen, die bis dahin nicht erforscht worden waren, wegen ihrer Verborgenheit und der Schwierigkeit, sie zu beobachten! Sie waren alle beide Kommunisten und Revolutionäre, aber sie waren es weder aus Instinkt, noch aus treibender Leidenschaft; sie hatten eine ganz neue Kritik der ökonomischen Wissenschaft ausgearbeitet, und sie hatten die historische Bedeutung und Verkettung der proletarischen Bewegung auf beiden Seiten des Kanals verstanden, in England und in Frankreich, bevor sie berufen wurden, in dem Manifeste dem Bunde der Kommunisten Prinzip und Programm zu geben. Dieser Bund hatte seinen Sitz in London und zahlreiche Verzweigungen auf dem Kontinent; er hatte ein eigenes Leben und eine eigene Entwicklung hinter sich.

Engels hatte schon einen kritischen Aufsatz veröffentlicht, worin er unter Verzicht auf einseitige und subjektive Verbesserungen zum ersten Male objektiv die Kritik der politischen Oekonomie aus den inneren Widersprüchen hervorgehen ließ, die den Begriffen und Grundsätzen der Oekonomie selbst anhängen, und er war berühmt geworden durch die Veröffentlichung eines Buches über die Lage der englischen Arbeiter, des ersten Versuchs, die Bewegungen der arbeitenden Klasse darzustellen als hervorgegangen aus dem Spiele der Produktivkräfte und der Produktionsmittel selbst. Marx hatte sich in einigen Jahren als radikaler Publizist in Deutschland, in Paris und in Brüssel bekannt gemacht; er hatte die ersten Elemente der materialistischen Geschichtsauffassung erfaßt; er hatte in theoretisch siegreicher Kritik die Hypothesen und Schlußfolgerungen der Proudhonschen Lehre widerlegt und die erste genaue Erklärung vom Ursprünge des Mehrwertes gegeben als Folge des Kaufs und Gebrauchs der Arbeitskraft, das heißt, den ersten Keim der Gedanken, die später, in ihrem Zusammenhange und in ihren Einzelheiten, in seinem Kapital aufgezeigt und auseinandergesetzt worden sind. Alle beide standen mit den Revolutionären der verschiedenen europäischen Länder, namentlich Frankreichs, Belgiens und Englands, in Verbindung; ihr Manifest war nicht die Auseinandersetzung ihrer persönlichen Meinung, sondern die Lehre einer Partei, deren Geist, Zweck und Tätigkeit schon die Internationale der Arbeiter bildeten.

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Hier sind die Anfänge des modernen Sozialismus. Wir finden hier die Linie, die ihn von dem ganzen Reste trennt.

Der Bund der Kommunisten war aus dem Bunde der Gerechten hervorgegangen; dieser hatte sich seinerseits, durch ein klares Bewußtsein seiner proletarischen Zwecke, stufenweise aus der ganzen Gattung der Flüchtlinge, der Verbannten gebildet. Als Typus, der im Keime die Form aller sonstigen sozialistischen und proletarischen Bewegungen in sich trug, hatte er die verschiedenen Phasen der Verschwörung und des Gleichheitssozialismus durchlaufen. Er wurde metaphysisch mit Grün und utopistisch mit Weitling. Mit seinem Hauptsitz in London, hatte er sich für die chartistische Bewegung interessiert und einigen Einfluß auf sie gehabt; diese Bewegung zeigte durch ihren ungeordneten Charakter, da sie weder die Frucht einer vorher überlegten Erfahrung, noch die Tat einer Verschwörung oder einer Sekte war, wie peinlich und schwierig es sei, die Partei der proletarischen Politik zu bilden. Die sozialistische Tendenz offenbarte sich im Chartismus erst, als die Bewegung nahe an ihrem Ende stand und tatsächlich endete (unvergeßlich sind Jones und Harney). Der Bund der Kommunisten witterte überall die Revolution, sowohl weil die Sache in der Luft lag, als auch weil sein Instinkt und seine Lernmethode ihn dahin drängten. Während die Revolution tatsächlich aufbrach, bewaffnete er sich, dank der neuen Lehre des Manifestes, mit einem Werkzeuge der Erkenntnis, das zugleich eine Waffe des Kampfes war. In der Tat schon international durch die Art und die verschiedene Herkunft seiner Mitglieder, und mehr noch durch den Instinkt und die Neigung aller, nahm er seinen Platz in der allgemeinen Bewegung des politischen Lebens, als der genaue und klare Vorläufer alles dessen, was man nicht ein einfaches Datum äußerlicher Zeitrechnung verstehen muß, sondern ein Anzeichen der Entwicklung, die sich in der Gesellschaft durch deren innerliche Umbildung vollzieht.

Eine lange Unterbrechung, von 1852 bis 1864, eine Periode der politischen Reaktion, in der zugleich die alten sozialistischen Schulen verschwanden, sich zerstreuten oder aufgerieben wurden, trennt die Internationale des Arbeiterbildungsvereins in London von der Internationalen, die im eigentlichen Sinne so genannt wird, die von 1864 bis 1873 daran arbeitete, den Kampf des europäischen und des amerikanischen Proletariats einheitlich zu gestalten. Die Aktion des Proletariats hatte andere Unterbrechungen, vornehmlich in Frankreich und mit Ausnahme Deutschlands, seit der Auflösung der Internationalen glorreichen Angedenkens bis zu der neuen Internationalen, die heute durch andere Mittel lebt und sich in anderen Formen entwickelt, beides angepaßt der Situation, in der wir leben, und gestützt auf eine reifere Erfahrung. Aber ebenso wie die Ueberlebenden derer, die im Dezember 1847 die neue Lehre erörterten und annahmen, auf der öffentlichen Bühne in der großen Internationalen wieder erschienen sind und seitdem, von neuem, in der neuen Internationalen, so ist auch das Manifest nach und nach wieder erschienen und hat die Runde um die Welt gemacht, in allen Sprachen der zivilisierten Länder, was es sich bei seinem ersten Erscheinen vorgenommen hatte, aber nicht hatte ausführen können.

Hier ist unser wahrer Ausgangspunkt; hier waren unsere wahren Vorgänger. Sie marschierten vor allen anderen zur günstigen Stunde, mit schnellem, aber sicherem Schritt, auf dem Wege, den wir ebenso durchlaufen. müssen und auch wirklich durchlaufen. Es ist unpassend, unsere Vorläufer diejenigen zu nennen, die Wegen gefolgt sind, die man später hat verlassen müssen, oder diejenigen, die, um ohne Gleichnis zu sprechen, Lehren gebildet oder Bewegungen begonnen haben, die sich ohne Zweifel erklären lassen durch die Zeitläufte und die Umstände, worin sie entstanden, aber die seitdem durch die Lehre des kritischen Kommunismus, durch die Theorie der proletarischen Revolution überholt worden sind. Nicht, als ob diese Lehren und Versuche zufällige, unnütze und überflüssige Erscheinungen gewesen wären! Es gibt nichts Unvernünftiges in dem historischen Laufe der Dinge, weil nichts ohne Gründe geschieht und weil es folglich nichts Ueberflüssiges gibt. Wir können selbst auch heute nicht zum völligen Verständnis des kritischen Kommunismus gelangen, ohne im Kopfe durch jene Lehren zurückzuschreiten, indem wir verfolgen, wie sie entstanden und verschwunden sind. In der Tat sind sie nicht nur vergangen, sie sind innerlich überwunden worden, sowohl durch den Wechsel in den Lebensbedingungen der Gesellschaft, als auch durch die genauere Kenntnis der Gesetze, auf denen ihre Bildung und ihre Entwicklung beruhen.

Der Augenblick, wo sie in die Vergangenheit schwanden, das heißt der Augenblick, wo sie innerlich überwunden wurden, ist eben der Augenblick, wo das Manifest erschien. Als erste Geburtsurkunde des modernen Sozialismus, die nur die allgemeinsten und am leichtesten verständlichen Züge der Lehre gibt, trägt diese Schrift die Spuren des historischen Gebiets an sich, worin sie geboren ist, Frankreichs, Englands und Deutschlands. Ihr Fortpflanzungs- und Verbreitungsgebiet ist seitdem immer weiter geworden, und es ist fortan so weit, wie die zivilisierte Welt. In allen Ländern, in denen sich die Tendenz zum Kommunismus durchgerungen hat, mitten durch die verschieden ausschauenden, aber jeden Tag klareren Antagonismen zwischen der Bourgeoisie und dem Proletariat, hat sich die erste Entwicklung ganz oder zum Teil mehrere Male wiederholt. Die proletarischen Parteien, die sich nach und nach gebildet haben, sind von neuem durch die Bildungsbahnen gegangen, die von den Vorläufern gebrochen worden waren, aber diese Entwicklung hat sich, von Land zu Land und von Jahr zu Jahr, immer schneller vollzogen, wegen der größeren Klarheit und der kraftvoll drängenden Notwendigkeit der Antagonismen, und auch weil es leichter ist, eine Lehre und eine Leitung anzunehmen, als die eine wie die andere zum ersten Male zu schaffen. Unsere Mitarbeiter von vor fünfzig Jahren waren auch unter diesem Gesichtspunkt wahrhaft international, weil sie dem Proletariat der verschiedenen Nationen durch ihr Beispiel den allgemeinen Gang der Arbeit vorzeichneten, die vollbracht werden muß.

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Aber die vollkommene theoretische Kenntnis des Sozialismus besteht heute, wie sonst und wie es immer sein wird, in der Erkenntnis seiner historischen Notwendigkeit, das heißt in dem Bewußtsein der Art, wie er entstanden ist. Seine Entstehungsgeschichte spiegelt sich, wie in einem beschränkten Beobachtungsfelde und einem gedrängten Beispiel, genau in der Bildung des Manifestes wieder. Es sollte eine Kriegswaffe sein, und so trägt es selbst äußerlich nicht die Spuren seines Ursprungs; es enthält mehr substantielle Erklärungen, als Beweisführungen. Die Beweisführung ist ganz in dem Imperativ der Notwendigkeit enthalten. Allein man kann diese Bildung noch einmal machen, und sie wiederholen heißt wahrhaft die Lehre des Manifestes verstehen.

Es gibt eine Untersuchung, die auf abstraktem Wege die Teile eines Organismus trennt und sie in so viele Elemente zerstört, als zur Einheit des Ganzen zusammenlaufen, aber es gibt eine andere Untersuchung, und diese allein gestattet, die Geschichte zu verstehen, welche die Elemente nur scheidet und trennt, um in ihnen die objektive Notwendigkeit ihres Zusammenwirkens zum Endergebnis wieder zu finden.

Gegenwärtig ist es eine geläufige Meinung, daß der moderne Sozialismus ein normales und also unvermeidliches Erzeugnis der Geschichte sei. Seine politische Aktion, die in der Zukunft aufgeschoben und verzögert, aber niemals mehr völlig erstickt werden kann, begann mit der Internationalen. Das Manifest ging ihr nichtsdestoweniger voran. Seine Lehre ist vor allem in dem Licht enthalten, das es auf die proletarische Bewegung wirft, die sonst unabhängig von jeder Lehre geboren ist und sich entwickelt. Es ist auch mehr als dies Licht. Der kritische Kommunismus entsteht erst in dem Augenblick, wo die proletarische Bewegung nicht nur ein Ergebnis der sozialen Verhältnisse ist, sondern wo sie schon Kraft genug hat, zu erkennen, daß diese Verhältnisse sich ändern lassen, sowie die Mittel dieser Aenderung zu ahnen, und in welchem Sinne sie erfolgen kann. Es genügte nicht, daß der Sozialismus ein Ergebnis der Geschichte war, sondern man mußte obendrein die inneren Ursachen dieser Tatsache erkennen und wohin seine ganze Tätigkeit führte. Die Bekräftigung, daß die Arbeiterklasse, als notwendiges Ergebnis der modernen Gesellschaft, die Mission hat, auf die Bourgeoisie zu folgen, als Produktivkraft einer neuen sozialen Ordnung, in der die Klassengegensätze notwendig verschwinden werden, macht aus dem Manifest einen charakteristischen Augenblick des allgemeinen Geschichtsverlaufs. Es ist eine Enthüllung, aber nicht im Sinne einer dunklen Offenbarung oder eines tausendjährigen Reiches. Es ist die wissenschaftliche und überlegte Enthüllung des Weges, den unsere bürgerliche Gesellschaft durchläuft.

Das Manifest gibt uns so die innere Geschichte seines Ursprungs und rechtfertigt damit seine Lehre, indem es zugleich ihre besondere Wirkung und ihre wunderbare Wirksamkeit erklärt. Ohne uns in Einzelheiten zu verlieren, geben wir hier die Reihen und Gruppen von Elementen, die, in dieser lebendigen und sorgfältigen Zusammenfügung, den Keim zur ganzen späteren Entwicklung des wissenschaftlichen Sozialismus enthalten.

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Den nächsten, anschaulichen und unmittelbaren Stoff boten Frankreich und England, die schon nach 1830 eine Arbeiterbewegung gehabt hatten. Sie glich bald, und bald unterschied sie sich von den anderen revolutionären Bewegungen; sie ging von der instinktiven Empörung bis zu den praktischen Zwecken politischer Parteien (z.B. dem Chartismus und der Sozialdemokratie); aus ihr entstanden verschiedene zeitliche und vergängliche Formen des Kommunismus und des Halbkommunismus, wie man damals den Sozialismus nannte.

Um in diesen Bewegungen nicht nur die flüchtige Erscheinung vorübergehender Unruhen, sondern die neue gesellschaftliche Tatsache zu erkennen, bedurfte man einer Theorie, die sie erklärte, einer Theorie, die weder eine einfache Ergänzung der demokratischen Ueberlieferung, noch die subjektive Verbesserung der nunmehr erkannten Uebelstände wäre, die (ich aus der Oekonomie der Konkurrenz ergeben, was damals viele ausschließlich beschäftigte. Diese neue Theorie würde das persönliche Werk von Marx und Engels: sie übertrugen den Gedanken des historischen Werdens durch die Entwicklung von Gegensätzen, aus der abstrakten Form, die Hegels Dialektik schon in den allgemeinsten Zügen beschrieben hatte, auf die konkrete Erklärung des Klassenkampfes, und in dieser historischen Bewegung, in der man den Uebergang einer Gedankenform zu einer anderen zu sehen geglaubt hatte, sahen sie zum ersten Male den Uebergang einer Form der sozialen Anatomie zu einer anderen, das heißt einer ökonomischen Produktionsweise zu einer anderen.

Diese historische Auffassung gab dem Bedürfnis der neuen sozialen Revolution, die sich mehr oder weniger in dem instinktiven Bewußtsein des Proletariats und seinen freiwillig-leidenschaftlichen Bewegungen aussprach, eine theoretische Form, und indem sie die innere Notwendigkeit der Revolution anerkannte, änderte sie zugleich ihren Plan. Was die Verschwörersekten als Sache der persönlichen Wahl, als eine beliebige Konstruktion aufgefaßt hatten, wurde eine einfache Entwicklung, die man fördern, aufrechterhalten und unterstützen kann. Die Revolution wurde der Gegenstand einer Politik, deren Bedingungen durch die verwickelte Lage der Gesellschaft gegeben werden; sie wurde also ein Ziel, das die Arbeiterklasse durch wechselnde Kampf- und Organisationsmittel erreichen muß, die sich die alte Taktik der Revolten noch nicht vorgestellt hatte. Dem ist aber so, weil das Proletariat keine Nebensache, kein Hilfsmittel, kein Auswuchs, kein Uebel ist, das man aus der gegenwärtigen Gesellschaft entfernen kann, sondern weil es deren Grundlage, wesentliche Bedingung, unvermeidliche Wirkung und an seinem Teil die Ursache ist, welche die Gesellschaft selbst erhält und stützt. Es kann sich also nur emanzipieren, indem es die ganze Welt emanzipiert, daß heißt indem es die Produktionsweise vollständig umwälzt.

Ebenso wie der Bund der Gerechten zum Bunde der Kommunisten geworden war, indem er sich seit der Revolution von Barbes und Blanqui (1839) von der symbolischen Form der Verschwörung befreite und allmählich die Mittel der politischen Aktion und Propaganda annahm, ebenso gab die neue Doktrin, die der Bund annahm und zur Seinigen machte, endgültig die Verschwörerpläne preis und faßte als das objektive Ergebnis einer Entwicklung auf, worin die Verschwörer das Ergebnis eines vorher überlegten Planes oder die Wirkung ihres Heldenmutes zu sehen glaubten.

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Da beginnt eine neue aufsteigende Linie in der Ordnung der Dinge und eine andere Verknüpfung von Gedanken und Plänen.

Der Verschwörerkommunismus, der Blanquismus von ehedem, führt uns über Buonarotti und auch über Bazard und die Carbonari bis zur Verschwörung Babeufs zurück, eines wahren Helden von antiker Tragik, der gegen das Schicksal anrennt, weil es zwischen seinem Ziel und der ökonomischen Lage der Zeit noch keine Verbindung gab, der noch kein Proletariat mit breitem Klassenbewußtsein auf den politischen Schauplatz stellen konnte. Von Babeuf und einigen weniger bekannten Elementen der jakobinischen Periode gelangt man zu dem anschaulichen Morelly, zu dem originellen und wankelmütigen Mably und, wenn man will, zu dem chaotischen Testament des Pfarrers Meslier, einer instinktiven und heftigen Rebellion des gesunden Menschenverstandes gegen die grausame Unterdrückung des unglücklichen Bauern.

Diese Vorläufer des heftig protestierenden Verschwörersozialismus waren alle Gleichheitsapostel; so auch waren es die meisten Verschwörer. Ausgehend von einem sonderbaren, aber unvermeidlichen Irrtum, nahmen sie zur Waffe des Kampfes dieselbe Doktrin der Gleichheit – sie umgekehrt auslegend und verallgemeinernd –, die, als Naturrecht gleichzeitig mit der ökonomischen Theorie entwickelt, ein Werkzeug in den Händen der Bourgeoisie geworden war. Die Bourgeoisie eroberte damit allmählich ihre gegenwärtige Stellung, um aus der Gesellschaft des Vorrechts die Gesellschaft des Liberalismus, des Freihandels und des bürgerlichen Rechts zu machen. [5] Auf die unmittelbare Schlußfolgerung hin, die im Grunbe eine reine Illusion war, daß nämlich alle Menschen, da sie gleich von Natur seien, auch gleich in ihren Genüssen sein müßten, glaubte man, daß der Appell an die Vernunft alle Elemente der überzeugenden Propaganda enthielte, und daß man nur augenblicklich, schnell und gewaltsam die äußeren Werkzeuge der politischen Macht erobern müsse, um das einzige Mittel zu besitzen, das die Widerstrebenden zur Raison bringen könne.

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Aber woher kommen alle diese Ungleichheiten und wie halten sie sich aufrecht, die im Lichte einer gleich einfachen und einfältigen Gerechtigkeit so unvernünftig erscheinen? Das Manifest verwarf bündig das Prinzip der Gleichheit, das in einer so naiven und plumpen Weise verstanden wurde. Indem es die Vernichtung der Klassen in der zukünftigen Form der kollektiven Produktionsweise als unvermeidlich verkündete, setzte es uns zugleich den Daseinsgrund, die Geburt und die Entwicklung dieser Klassen selbst auseinander, die keine Ausnahme und keine Schmälerung eines abstrakten Prinzips, sondern die geschichtliche Entwicklung selbst sind.

Ebenso wie das moderne Proletariat die Bourgeoisie voraussetzt, ebenso kann die Bourgeoisie nicht leben ohne das moderne Proletariat. Das eine wie die andere sind das Ergebnis einer Bildungsprozesses, der ganz und gar auf der neuen Weise beruht, die für das Leben notwendigen Dinge zu produzieren, das will sagen auf der ökonomischen Produktionsweise. Die bürgerliche Gesellschaft ist aus der feudalen und zünftlerischen Gesellschaft hervorgegangen; sie ist daraus hervorgegangen durch Kampf und Revolution, um sich der Produktionsmittel und Produktionswerkzeuge zu bemächtigen, die alle darauf hinauslaufen, das Kapital zu bilden, zu entwickeln und zu vervielfältigen. Beschreibt man den Ursprung und die Fortschritte der Bourgeoisie in ihren verschiedenen Phasen, setzt man ihre Erfolge in der kolossalen Entwicklung der Technik und in der Eroberung des Weltmarktes auseinander, zeigt man die politischen Umbildungen auf, die diesen Eroberungen gefolgt sind und ihr Ausdruck, ihre Verteidigungsmittel und ihr Ergebnis sind, so schreibt man zugleich die Geschichte des Proletariats. Das Proletariat gehört in seiner gegenwärtigen Lage zur Epoche der bürgerlichen Gesellschaft, und es hat gehabt, es hat und es wird auch so viele Phasen haben, wie diese Gesellschaft selbst bis zu ihrer Erschöpfung hat. Der Gegensatz von Reichen und von Armen, von Genußmenschen und von Unglücklichen, von Unterdrückern und von Unterdrückten, ist nichts Zufälliges, das leicht beiseite gesetzt werden kann, so wie es sich die Enthusiasten der Gerechtigkeit gedacht hatten. Noch mehr, es ist eine notwendige Wechselbeziehung, sobald einmal das leitende Prinzip der gegenwärtigen Produktionsweise gegeben ist, das aus dem Arbeitslohn eine Notwendigkeit macht. Diese Notwendigkeit ist doppelt. Das Kapital kann sich der Produktion erst bemächtigen, indem es proletarisiert, und es kann nur dauernd leben, Früchte tragen, sich anhäufen, vervielfältigen und umbilden, wenn es die ablohnt, die es proletarisiert hat. Die Proletarier ihrerseits können nur leben und sich fortpflanzen, indem sie sich als Arbeitskraft verkaufen, deren Anwendung dem Belieben, dem gnädigen Befinden der Besitzer des Kapitals überlassen ist. Die Harmonie zwischen Kapital und Arbeit besteht ganz und gar darin, daß die Arbeit die lebendige Kraft ist, mit der die Proletarier beständig die in dem Kapital aufgehäufte Arbeit bewegen und wachsend reproduzieren. Dies Band ist das Ergebnis einer Entwicklung, die das ganze innere Wesen der modernen Geschichte enthält; es gibt den Schlüssel, um den eigentlichen Grund des neuen Klassenkampfes zu verstehen, dessen Ausdruck der kommunistische Gedanke ist, und es ist so beschaffen, daß kein sentimentaler Protest, kein Argument der Gerechtigkeit es auflösen und entknoten kann.

Aus diesen Gründen, die ich hier so einfach wie möglich auseinandergesetzt habe, blieb der Gleichheitskommunismus besiegt. Seine praktische Ohnmacht fiel zusammen mit seiner theoretischen Unfähigkeit, sich die Gründe der Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten klar zu machen, die er, mutig oder unbesonnen, mit einem Zuge ausschalten oder zerstören wollte.

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Die Geschichte zu verstehen, würde fortan die Hauptaufgabe der kommunistischen Theoretiker. Weshalb sollte man noch der harten Wirklichkeit der Geschichte ein geschmeicheltes Ideal gegenüberstellen? Der Kommunismus ist nicht zu allen Zeiten und an allen Orten der natürliche und notwendige Zustand des menschlichen Lebens gewesen, und der ganze Lauf der historischen Bildung kann nicht als eine Reche von Entgleisungen und Verirrungen betrachtet werden. Durch spartanische Einfügung oder christliche Ergebung gelangt man nicht zum Kommunismus und kehrt nicht zu ihm zurück. Er kann, mehr noch, er muß und wird aus der Auflösung unserer kapitalistischen Gesellschaft erwachsen. Aber diese Auflösung kann ihr weder künstlich eingepfropft, noch von außen auferlegt werden. Sie wird sich durch ihr eigenes Gewicht auflösen, würde Macchiavel sagen. Sie wird als Prokuktionsweise verschwinden, die aus sich und in sich selbst die beständige und fortschreitende Empörung der Produktivkräfte gegen die (juridischen und politischen) Produktionsverhältnisse erzeugt, und sie lebt nur, um durch die Konkurrenz, welche die Krisen erzeugt, und durch die schwindelerregende Ausdehnung ihrer Aktionsphäre die inneren Bedingungen ihres unvermeidlichen Todes zu verstärken. Der Tod einer sozialen Form wurde, wie das in einem anderen Zweige der Wissenschaft für den natürlichen Tod gilt, ein Lebensgesetz.

Das Manifest hat kein Bild der zukünftigen Gesellschaft entworfen, und dies war auch nicht seine Absicht. Es hat gezeigt, wie die gegenwärtige Gesellschaft sich durch die fortschreitende Dynamik ihrer Kräfte auflösen wird. Um das verständlich zu machen, war es vor allem nötig, die Entwicklung der Bourgeoisie auseinanderzusetzen, und das geschah in schnellen Zügen, als ein Muster von Geschichtsphilosophie, das berichtigt, entfaltet, vervollständigt, aber nicht verbessert werden kann. [6]

Saint-Simon und Fourier fanden sich gerechtfertigt, obgleich man weder ihre Ideen, noch den allgemeinen Gang ihrer Entwicklungen aufnahm. Ideologen alle beide, hatten sie durch ihre genialen Blicke die liberale Periode überschritten, die innerhalb ihres Gesichtskreises die große Revolution zum Gesichtspunkt hatte. Saint-Simon setzte in seiner Geschichtsuntersuchung an die Stelle des Rechts die Oekonomie und an die Stelle der Politik die soziale Physik, und trotz vieler idealistischen und positiven Unsicherheiten entdeckte er beinahe die Entstehungsgeschichte des dritten Standes. Fourier, unbewandert in den Einzelheiten, die noch unbekannt waren oder von ihm vernachlässigt wurden, entwarf mit der Ueppigkeit seines ungeschulten Geistes eine lange Kette von historischen Perioden, die undeutlich unterschieden wurden durch gewisse Eigentümlichkeiten in dem leitenden Prinzip der Produktions- und Distributionsweise. Er unternahm dann, eine Gesellschaft zu bilden, in der die gegenwärtigen Gegensätze verschwunden sein sollten. Von allen diesen Gegensätzen entdeckte er durch einen Geistesblitz und studierte er vornehmlich „den fehlerhaften Kreis der Produktion“; er begegnete sich darin, ohne es zu wissen, mit Sismondi, der zur selben Zeit, aber in anderen Absichten und aus anderen Wegen, indem er die Krisen studierte und die Uebelstände der großen Industrie und der zügellosen Konkurrenz anklagte, das Scheitern der ökonomischen Wissenschaft ankündigte, die sich kaum erst aufgetan hatte. Von der heiteren Höhe seiner harmonischen Zukunftswelt betrachtete Fourier mit einer heiteren Mißachtung das Elend der Zivilisierten und schrieb kaltblütig die Satire der Geschichte. Als Ideologen kannten Saint-Simon und Fourier nicht den rauhen Kampf, den das Proletariat führen muß, bevor es mit der Ausbeutung und den Klaffengegensätzen aufräumen kann, und aus dem persönlichen Bedürfnis, zu Ende zu kommen, wurde der eine Projektenmacher und der andere Utopist. [7] Aber ahnend erkannten sie einige von den leitenden Gedanken einer Gesellschaft ohne Klassengegensätze. Saint-Simon erfaßte klar die technische Verwaltung der Gesellschaft, worin die Herrschaft des Menschen über den Menschen verschwinden sollte, und Fourier erriet, mutmaßte und prophezeite, neben den Ausschweifungen seiner wuchernden Einbildungskraft, eine große Zahl wichtiger Ausblicke in die Psychologie und Pädagogie jener zukünftigen Gesellschaft, in der, nach dem Ausdruck des Manifestes, die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.

Der Saint-Simonismus war schon verschwunden, als das Manifest erschien. Dagegen blühte der Fourierismus in Frankreich, jedoch seiner Natur nach nicht als Partei, sondern als Schule. Als diese Schule im Jahre 1848 ihre Utopie auf gesetzlichem Wege zu verwirklichen versuchte, waren die Pariser Proletarier schon in den Junitagen durch die Bourgeoisie geschlagen worden, die sich durch diesen Sieg einen Herrn schuf: es war ein Erzabenteurer, dessen Herrschaft zwanzig Jahre dauerte.

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Nicht im Namen einer Schule, sondern als das Versprechen, die Drohung und der Wille einer Partei stellte sich die neue Lehre des kritischen Kommunismus dar. Seine Verfasser und seine Anhänger zehrten nicht von der utopischen Einrichtung der Zukunft, aber ihr Geist war von der Erfahrung und der Notwendigkeit der Gegenwart durchdrungen. Sie verbanden sich mit den Proletariern, die ihr noch von keiner Erfahrung gekräftigter Instinkt in Paris und England dazu antrieb, die Herrschaft der Bourgeoisie mit einer Schnelligkeit zu stürzen, die von keiner überlegten Taktik geleitet wurde. Die Kommunisten verbreiteten in Deutschland die revolutionären Ideen; sie verteidigten die Juniopfer und hatten in der Neuen Rheinischen Zeitung ein politisches Organ, dessen Artikel, sowie sie von Zeit zu Zeit nach so vielen Jahren wieder erschienen sind, noch heute als klassisch gelten. [8] Nachdem einmal die historische Situation verschwunden war, die im Jahre 1848 das Proletariat in den Vordergrund gedrängt hatte, fand die Lehre des Manifestes weder einen Boden, noch einen Bezirk zur Ausbreitung. Sehr viele Jahre waren nötig, ehe es sich von neuem verbreitete, und zwar, weil sehr viele Jahre nötig waren, ehe das Proletariat, auf anderen Wegen und in anderen Formen, wieder als politische Macht auf der Bühne erscheinen, aus dieser Lehre sein geistiges Organ machen und in ihm seine Selbstverständigung finden konnte.

Aber an dem Tage, wo die Lehre erschien, kritisierte sie im voraus den landläufigen Sozialismus, der vom Staatsstreiche bis zur Internationalen – die übrigens in ihrem kurzen Lebenslaufe nicht die Zeit hatte, ihn zu besiegen und auszuschalten – in Europa und besonders in Frankreich blühte. Dieser vulgäre Sozialismus nährte sich, wenn nicht an noch weniger zusammenhängendem und noch weniger geordnetem Material, an den Lehren und namentlich an den Paradoxen Proudhons, der schon theoretisch von Marx besiegt worden war, aber praktisch erst während der Kommune besiegt wurde, als seine Schüler, durch eine heilsame Lektion der Tatsachen selbst, das Gegenteil von dem zu tun gezwungen wurden, was sie und ihr Meister gelehrt hatten.

Seit ihrem Erscheinen war diese neue kommunistische Lehre die verhüllte Kritik aller Formen von Staatssozialismus, von Louis Blanc bis Lassalle. Der Staatssozialismus, obgleich er mit revolutionären Tendenzen gemischt war, konzentrierte sich damals in dem hohlen Trugbilde des Rechts auf Arbeit. Es ist eine hinterlistige Formel, wenn sie eine Forderung an eine Regierung enthält, würde diese Regierung selbst von revolutionären Bourgeois gebildet. Es ist eine ökonomische Absurdität, wenn man damit die Arbeitslosigkeit unterdrücken will, welche die Schwankungen der Löhne, will sagen die Bedingungen der Konkurrenz beeinflußt. Es kann ein politisches Mittel sein, wenn es einen Ausweg bietet, eine ungeordnete Masse nicht organisierter Proletarier zu beruhigen. Das ist sehr einleuchtend für jeden, der klar erkennt, wie eine siegreiche Revolution des Proletariats verlaufen muß: sie kann nur enden mit der Sozialisation der Produktionsmittel durch ihre Besitzergreifung, das heißt: sie kann nur enden in der ökonomischen Gesellschaftsform, in der es weder Waren noch Arbeitslohn gibt, in der das Recht auf Arbeit und die Pflicht zu arbeiten in eins zusammenfließen, in die gemeinsame Notwendigkeit: Arbeit für alle.

Die Luftspiegelung des Rechtes auf Arbeit endete in der Tragödie des Juni. Die parlamentarische Erörterung, deren Gegenstand es später wurde, war nur eine Parodie. Lamartine, dieser weinerliche Redner, dieser große Mann aus zweiter Hand, hatte das letzte oder das vorletzte seiner berühmten Worte verkündet: „Die Katastrophen sind die Erfahrung der Völker“, und das genügte für die Ironie der Geschichte.

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Wenn das Manifest, in seiner Kürze und mit seinem Stile, der sich der einschmeichelnden Rhetorik des Glaubens und Vertrauens so fern hält, so viele und viele Dinge umfaßte, zahlreiche Gedanken zum ersten Male in ein System brachte und Keime sammelte, die einer großen Entwicklung fähig waren, so war es doch nicht, und wollte auch nicht das Gesetzbuch des Sozialismus oder der Katechismus des kritischen Kommunismus oder das Vademecum der proletarischen Revolution sein. Wir können die „Quintessenzen“ dem berühmten Herrn Schäffle überlassen, dem wir auch gern die famose Phrase überlassen: Die soziale Frage ist eine Magenfrage. Der Magen des Herrn Schäffle hat lange Jahre eine ziemlich hübsche Rolle in der Welt gespielt, zum großen Vorteile der sozialistischen Dilettanten und zum Glück der Polizeibüttel. Der kritische Kommunismus begann eben erst mit dem Manifeste; er drängte nach seiner Entwicklung, und er hat sich tatsächlich entwickelt.

Die Gesamtheit der Lehren, die man mit dem Namen des Marxismus zu bezeichnen pflegt, ist erst in den Jahren 1860 bis 1870 zur Reife gelangt. Es ist weit von dem Schriftchen Kapital und Lohnarbeit, worin man zum ersten Male in genauen Ausdrücken erfährt, wie man aus dem Kauf und der Anwendung der Ware Arbeit ein Produkt über die Produktionskosten hinaus erhält, was den Knoten der Frage vom Mehrwert bildet; es ist weit von da bis zu den ausführlichen, verschlungenen und umfassenden Entwicklungen des Kapitals. Dies Buch erschöpft die Entstehungsgeschichte der bürgerlichen Geschichtsperiode in ihrer ganzen inneren ökonomischen Struktur, und es überschreitet geistig diese Periode, weil es ihren Gang, ihre besonderen Gesetze und die Gegensätze erklärt, die sie auf organischem Wege hervorbringt, um von ihnen auf organischem Wege aufgelöst zu werden.

Es ist auch weit von der proletarischen Bewegung, die im Jahre 1848 unterlag, bis zu der gegenwärtigen proletarischen Bewegung, die mitten durch große Schwierigkeiten, nach ihrem Wiedererscheinen auf der politischen Bühne, sich beständig und mit wohlerwogener Langsamkeit entwickelt hat. Bis vor einigen Jahren wurde dieser Vorwärtsmarsch des Proletariats nur in Deutschland beobachtet und bewundert; die Sozialdemokratie ist dort normal wie auf ihrem eigenen Boden gewachsen (seit dem Arbeitertage in Nürnberg im Jahre 1868 bis auf unsere Tage). Aber seitdem hat sich dieselbe Erscheinung, unter verschiedenen Formen, in anderen Ländern gezeigt.

Ist nun bei dieser breiten Entwicklung des Marxismus und bei diesem Wachstum der proletarischen Bewegung in den geregelten Formen der politischen Aktion, ist da nun, wie einige behaupten, der kriegerische Charakter verändert worden, den die ursprüngliche Form des kritischen Kommunismus besaß? Gibt es da einen Uebergang von der Revolution zu der sogenannten Evolution? Hat sich da der revolutionäre Geist den Forderungen des Reformismus unterworfen?

Diese Einwürfe und Ueberlegungen sind entstanden und entstehen fortwährend bei den begeistertsten und leidenschaftlichsten Sozialisten und auch bei den Gegnern des Sozialismus, die ein Interesse daran haben, die vereinzelten Mißerfolge, Hindernisse und Störungen zu verallgemeinern, um damit zu bekräftigen, daß der Kommunismus keine Zukunft habe.

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Wer die gegenwärtige proletarische Bewegung und ihren mannigfaltigen und verwickelten Lauf mit dem Eindruck vergleicht, den das Manifest hinterlaßt, wenn man es liest, ohne sich sonst unterrichtet zu haben, der kann leicht glauben, daß es ein zu jugendliches und frühreifes Element in der zuversichtlichen Kühnheit dieser Kommunisten von vor fünfzig Jahren gegeben habe. Es klingt in ihrem Ton wie ein Schlachtruf und wie das Echo der schwingenden Beredsamkeit, die einige der chartistischen Redner besaßen: ein neues 93 wird angekündigt, das keinem neuen Thermidor den Platz räumen werde.

Und der Thermidor hat sich erneuert, und mehrere Male seitdem, unter verschiedenen, mehr oder minder enthüllten oder verschleierten Formen, mögen seine Urheber nun, seit 1848, französische Erzradikale sein oder italienische Expatrioten, oder deutsche Bureaukraten, Anbeter des Gottes Staat und in der Praxis ausgezeichnete Diener des Gottes Geld, oder englische Parlamentarier, abgerichtet in den Kunstgriffen der Kunst zu regieren, oder selbst Polizeibüttel unter der Masse von Anarchisten. Viele Leute glauben, daß der Stern des Thermidor nicht mehr vom Himmel der Geschichte verschwinden werde, oder um prosaischer zu sprechen, daß der Liberalismus, will sagen, eine Gesellschaft, worin die Menschen nur vor dem Gesetze gleich sind, die äußerste Grenze der menschlichen Entwicklung bilde, jenseits deren es nur eine Rückentwicklung gebe. Das ist die Meinung aller derer, die in der fortschreitenden Ausdehnung der bürgerlichen Gesellschaftsform über die ganze Welt Grund und Zweck jedes Fortschrittes sehen. Mögen sie Optimisten oder Pessimisten sein, für sie sind hier dem menschlichen Geschlechte die Säulen des Herkules gesetzt. Oft wirkt dieses Gefühl, in seiner pessimistischen Form, unbewußt auf einige von denen, die mit den anderen Deklassierten die Reihen des Anarchismus vergrößern helfen.

Es gibt dann andere, die weiter gehen, und die objektiven Unwahrscheinlichkeiten dessen erwägen, was der kritische Kommunismus darlegt. Die Behauptung des Manifestes, daß die Zurückführung der Klassenkämpfe auf einen einzigen die Notwendigkeit der proletarischen Revolution in sich trage, wäre innerlich falsch. Diese Lehre wäre ohne Halt, weil sie eine theoretische Schlußfolgerung und eine praktische Taktik aus der Voraussicht einer Tatsache ziehen wolle, die nach diesen Gegnern ein rein theoretischer Punkt sein würde, den man ins Unendliche verrücken und verschieben könne. Der angeblich unvermeidliche Zusammenstoß zwischen den Produktivkräften und der Produktionsweise würde sich niemals verwirklichen können, weil er sich, nach jenen, auf unzählige besondere Reibungen beschränke, weil er sich vervielfältige mit den einzelnen Zusammenstößen der ökonomischen Konkurrenz und weil er Anstößen und Hindernissen in den Auskunftsmitteln und den Gewaltsamkeiten der Regierungskunst begegne. Mit anderen Worten, die gegenwärtige Gesellschaft würde, statt sich zu zerbrechen und aufzulösen, beständig die Uebel ausgleichen, die sie erzeuge. Jede proletarische Bewegung würde, wenn sie nicht, wie im Juni 1848 und im Mai 1871, durch Gewalt unterdrückt werde, an langsamer Erschöpfung sterben, wie der Chartismus, der im Trade Unionismus geendet habe, dem Paradepferde dieser Beweisführung, der Ehre und dem Ruhm der vulgären Oekonomisten und Soziologen. Jede moderne proletarische Bewegung wäre meteorgleich und nicht organisch, sie wäre eine Verwirrung und nicht eine Umwicklung, und nach diesen Kritikern würden wir, sehr gegen unseren Willen, noch Utopisten bleiben.

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Die historische Voraussicht, die man in der Lehre des Manifestes findet und die der kritische Kommunismus seitdem durch eine eingehende und umfassende Untersuchung der gegenwärtigen Welt entwickelt hat, trägt sicherlich, infolge der Umstände, unter denen sie entstand, ein kriegerisches Gesicht und hat eine sehr lebhafte Form. Aber so wenig wie heute enthielt sie, sei es eine gegebene Zeitrechnung, sei es ein verfrühtes Gemälde einer sozialen Organisation, wie die alten Offenbarungen und Weissagungen.

Der heldenmütige Fra Dolcino war nicht gekommen, um von neuem einen Kriegsruf auszustoßen. Man feierte nicht von neuem in Münster die Auferstehung des Königreichs Jerusalem. Es gab weder Taboriten, noch Millenarier mehr, Fourier war nicht mehr da, um jahrelang zur bestimmten Stunde in seiner Wohnung den Kandidaten der Humanität zu künstlichen Mitteln den Keim einer neuen Organisation schaffen wollte, um den Menschen wieder herzustellen, wie es Bellers, Owen, Cabet wollten, und die Fourieristen in Texas, deren Unternehmen das Grab des Utopismus wurde. Es gab keine Sekte mehr, die sich schamhaft und furchtsam aus der Welt zurückzog, um im geschlossenen Zirkel die vollkommene Idee des gemeinschaftlichen Lebens zu pflegen, wie die sozialistischen Kolonien Amerikas. Im Gegenteil, in der Lehre des kritischen Kommunismus entdeckt die ganze Gesellschaft, in einem Augenblick ihrer allgemeinen Entwicklung, die Ursache ihres verhängnisvollen Marsches und an einer hervorspringenden Kurve klärt sie sich selbst auf, um die Gesetze ihrer Bewegung zu verkünden. Die Voraussicht des Manifestes bezog sich nicht auf die Zeitrechnung, sie war keine Verheißung und keine Weissagung, sondern sie sah die organische Umbildung der Gesellschaft voraus.

Unterhalb der lärmenden Leidenschaften, die sich im täglichen Streite der Meinungen entladen, über die sichtlichen Willenskundgebungen hinaus, die den historischen Stoff bilden, jenseits des juridischen und politischen Apparats unserer bürgerlichen Gesellschaft, sehr fern den Richtungen, die Kunst und Religion dem Leben geben, beharrt, ändert sich und bildet sich um der elementare Bau der Gesellschaft, der den ganzen Rest aufrecht erhält. Das anatomische Studium dieses unterirdischen Baues ist die Oekonomie. Und wenn die menschliche Gesellschaft zu mehreren Malen, zum Teil oder von Grund aus, ihre äußere sichtbarste Form oder ihre ideologischen, religiösen, künstlerischen etc. Kundgebungen geändert hat, so muß man vor allem Grund und Ursache dieser Aenderungen, der einigen, von denen die Historiker erzählen, in den Umwandlungen finden, die sich verborgener und auf den ersten Blick weniger sichtbar in der ökonomischen Entwicklung jenes Baues vollziehen. Man muß die Unterschiede studieren, die es zwischen den verschiedenen Produktionsweisen gibt, wenn es sich darum handelt, die eigentlichen Geschichtsperioden klar zu unterscheiden. Handelt es sich darum, die Aufeinanderfolge dieser Formen zu erklären, den Ersatz der einen durch die andere, so muß man studieren, weshalb die verschwindende Form erlischt und untergeht. Endlich wenn man die historische Tatsache in ihrer Bestimmtheit und Greifbarkeit verstehen will, so muß man die Reibungen und Kontraste studieren, wie sie aus den verschiedenen Strömungen entstehen (das will sagen, den Klassen, ihren Unterabteilungen und ihren Durchkreuzungen), die eine gegebene Gesellschaft kennzeichnen.

Wenn das Manifest erklärte, daß die ganze bisherige Geschichte nur die Geschichte von Klassenkämpfen gewesen und daß sie die Ursache aller Revolutionen wie auch aller Reaktionen seien, so vollbrachte es zwei Dinge zu gleicher Zeit: es gab dem Kommunismus die Elemente einer neuen Lehre und den Kommunisten den leitenden Faden, um in den verwickelten Ereignissen des politischen Lebens die Bedingungen der ökonomischen Bewegung zu erkennen, die sich dahinter vollzog.

In den letzten fünfzig Jahren ist die allgemeine Voraussicht einer neuen historischen Lehre, für die Sozialisten die schwierige Kunst geworden, in jedem Falle zu verstehen, was zu tun angezeigt ist, weil diese neue Aera durch sich selbst in beständiger Bewegung ist. Der Kommunismus ist eine Kunst geworden, weil die Proletarier eine politische Partei geworden sind oder doch auf dem Sprunge stehen, es zu werden. Der revolutionäre Geist verkörpert sich heute in der proletarischen Organisation. Die gewünschte Verbindung der Kommunisten und der Proletarier ist fortan eine vollendete Tatsache. Die letzten fünfzig Jahre sind der immer stärkere Beweis für die immer wachsende Empörung ber Produktivkräfte gegen die Produktionsweise

Wir „Utopisten“ haben keine andere Antwort, als diese Lektion der Tatsachen, denen zu bieten, die noch von meteorgleichen Unruhen sprechen und von diesen Unruhen hoffen, das sie allmählich alle verschwinden und sich auflösen würden in die Ruhe unserer endgültigen Zivilisationsperiode. Und diese Lektion genügt!

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Elf Jahre nach der Veröffentlichung des Manifestes faßte Marx in einer genauen und klaren Form die leitenden Gedanken der materialistischen Geschichtsauffassung zusammen, in der Vorrede eines Buches, das seinem Kapital voranging.

„Die erste Arbeit, unternommen zur Lösung der Zweifel, die mich bestürmten, war eine kritische Revision der Hegelschen Rechtsphilosophie, eine Arbeit, von der die Einleitung in den 1844 herausgegebenen Deutsch-Französischen Jahrbüchern erschien. Meine Untersuchung mündete in dem Ergebnis, daß Rechtsverhältnisse wie Staatsformen weder aus sich selbst zu begreifen sind, noch aus der sogenannten allgemeinen Entwicklung des menschlichen Geistes, sondern vielmehr in den materiellen Lebensverhältnissen wurzeln, deren Gesamtheit Hegel, nach dem Vorgänge der Engländer und Franzosen des 18. Jahrhunderts, unter dem Namen „bürgerliche Gesellschaft“ zusammenfaßt, daß aber die Anatomie der bürgerlichen Gesellschaft in der politischen Oekonomie zu finden sei. Die Erforschung der letzteren, die ich in Paris begann, setzte ich fort zu Brüssel, wohin ich infolge eines Ausweisungsbefehls des Herrn Guizot übergewandert war. Das allgemeine Resultat, das sich mir ergab und einmal gewonnen, meinen Studien zum Leitfaden diente, kann kurz so formuliert werden: In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Produktionsverhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Ueberbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt. Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen, oder was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein. Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Ueberbau langsamer oder rascher um. In der Betrachtung solcher Umwälzungen muß man stets unterscheiden zwischen der materiellen, naturwissenschaftlich treu zu konstatierenden Umwälzung in den ökonomischen Produktionsbedingungen und den juristischen, politischen, religiösen, zünftlerischen oder philosophischen, kurz ideologischen Formen, worin sich die Menschen dieses Konflikts bewußt werden und ihn ausfechten. So wenig man das, was ein Individuum ist, nach dem beurteilt, was es sich selbst dünkt, ebensowenig kann man eine solche Umwälzungsepoche aus ihrem Bewußtsein beurteilen, sondern muß vielmehr dies Bewußtsein aus den Widersprüchen des materiellen Lebens, aus dem vorhandenen Konflikt zwischen gesellschaftlichen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen erklären. Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoße der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind. Daher stellt sich die Menschheit immer nur Aufgaben, die sie lösen kann, denn genauer betrachtet, wird sich stets finden, daß die Aufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Lösung schon vorhanden oder wenigstens im Prozeß ihres Werdens begriffen sind. In großen Umrissen können asiatische, antike, feudale und moderne bürgerliche Produktionsweisen als progressive Epochen der ökonomischen Gesellschaftsformation bezeichnet werden. Die bürgerlichen Produktionsverhältnisse sind die letzte antagonistische Form des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, antagonistisch nicht im Sinne von individuellem Antagonismus, sondern eines aus den gesellschaftlichen Lebensbedingungen der Individuen hervorwachsenden Antagonismus, aber die im Schoße der bürgerlichen Gesellschaft sich entwickelnden Produktivkräfte schaffen zugleich die materiellen Bedingungen zur Lösung dieses Antagonismus. Mit dieser Gesellschaftsformation schließt daher die Vorgeschichte der menschlichen Gesellschaft ab.“

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Als Marx so schrieb, war er seit einigen Jahren von dem politischen Kampfplatze zurückgetreten, und er trat erst später wieder ein, mit der Internationalen. Die Reaktion hatte in Italien, in Oesterreich, in Ungarn, in Deutschland über die patriotische, liberale oder demokratische Revolution triumphiert. Die Bourgeoisie hatte an ihrem Teile die Proletarier in Frankreich und in England besiegt. Die Bedingungen, die für die demokratische und proletarische Bewegung unerläßlich waren, verschwanden ganz und gar. Die Kommunisten des Manifestes, ein gewiß wenig zahlreiches Bataillon, das sich an der Revolution und an allen volkstümlichen Handlungen der Empörung und des Widerstandes gegen die Reaktion beteiligt hatte, sahen ihre Tätigkeit durch den denkwürdigen Kölner Prozeß zerbrochen. Die Ueberlebenden der Bewegung versuchten in London wieder zu beginnen, aber bald trennten sich Marx und Engels und andere von den Revolutionären um jeden Preis und zogen sich aus der Bewegung zurück. Die Krisis war vorüber und es folgte eine lange Zeit der Ruhe. Ein Zeugnis dafür gab das langsame Verschwinden des Chartismus, der proletarischen Bewegung desjenigen Landes, das die Wirbelsäule des kapitalistischen Systems war. Für den Augenblick hatte die Geschichte den Illusionen der Revolutionäre abgesagt.

Bevor sich Marx fast ausschließlich daran gab, die schon entdeckten Elemente zur Kritik der Oekonomie in langer Anstrengung zu reifen, beleuchtete er in mehreren Arbeiten die Geschichte der revolutionären Periode von 1848 bis 1850, und besonders die Klassenkämpfe in Frankreich; er zeigte darin auf, daß, wenn die Revolution in ihren gegenwärtigen Formen nicht ans Ziel gelangt sei, deshalb die revolutionäre Theorie der Geschichte noch nicht verleugnet wäre. Die in dem Manifest gegebenen Fingerzeige fanden darin ihre völlige Entwicklung.

Später war die Schrift über den 18. Brumaire des Louis Bonaparte der erste Versuch, die neue Geschichtsauffassung auf eine Reihe zeitlich genau begrenzter Tatsachen anzuwenden. Es ist sehr schwierig, von der augenscheinlichen auf die reelle Bewegung, zurückzugehen, um ihr inneres Band zu entdecken. Es sind in der Tat große Schwierigkeiten zu überwinden, um von den leidenschaftlichen, rednerischen, parlamentarischen, agitatorischen und anderen Tatsachen zu dem inneren sozialen Räderwerk zu gelangen und in diesem die verschiedenen Interessen der Großbürger und der Kleinbürger, der Bauern, der Handwerker, der Arbeiter, der Priester und der Soldaten, der Bankiers, der Wucherer und der Kanaille zu entdecken; alle diese Interessen handeln bewußt oder unbewußt, indem sie sich auflehnen, sich ausschalten, sich vereinen und sich auflösen in das mißtönende Leben der Zivilisierten.

Die Krisis war vorüber, und gerade in denjenigen Ländern, von denen als seinem historischen Gebiete der kritische Kommunismus ausgegangen war. Alles, was die kritischen Kommunisten tun konnten, war die Arbeit, die Reaktion in ihren verborgenen ökonomischen Ursachen zu verstehen; für den Augenblick war das Verständnis der Reaktion die Fortsetzung des revolutionären Werkes. Das Gleiche geschah, unter anderen Bedingungen und in anderen Formen, zwanzig Jahre später, als Marx, im Namen der Internationalen, in seiner Schrift über den Bürgerkrieg in Frankreich eine Verteidigung der Kommune schrieb, die zugleich ihre objektive Kritik war.

Die heroische Entsagung, womit Marx nach dem Jahre 1850 das politische Leben verließ, bekundete sich noch einmal, als er sich nach dem Haager Kongreß im Jahre 1872 von der Internationalen zurückzog. Diese beiden Tatsachen haben ihren Wert für den Biographen von Marx, weil sie ihm gestatten, dessen persönlichen Charakter zu durchdringen; bei Marx war in der Tat Gedanke, Politik und Temperament nur eins. Aber auf der anderen Seite haben diese Tatsachen eine weit größere Bedeutung für uns. Der kritische Kommunismus fabriziert keine Revolutionen, er bereitet keine Insurrektion vor, er bewaffnet keine Revolten. Er verschmilzt sich mit der proletarischen Bewegung, aber er sieht und unterstützt diese Bewegung in voller Erkenntnis des Bandes, das sie mit der Gesamtheit aller Verhältnisse des sozialen Lebens verknüpft, verknüpfen kann und verknüpfen muß. Er ist mit einem Worte kein Seminar, worin man den Generalstab der proletarischen Revolution schult: er ist einzig das Bewußtsein dieser Revolution und vor allem das Bewußtsein ihrer Schwierigkeiten.

 

 

Fußnoten

1. Ich spreche von der Form, die das Manifest ironisch als wahren oder deutschen Sozialismus kennzeichnet. Dieser Paragraph, der für alle die unverständlich ist, die nicht in der deutschen Philosophie der damaligen Zeit sehr bewandert sind, namentlich in gewissen ihrer stark entarteten Tendenzen, ist in der spanischen Uebersetzung mit Recht weggelassen worden.

2. Die Vorlesungen, die ich seit mehreren, seit acht Jahren schon, an der Universität über den Ursprung des modernen Sozialismus oder über die allgemeine Geschichte des Sozialismus oder über die materialistische Geschichtsuntersuchung halte, haben mir erlaubt, mich zum Herrn dieser ganzen Literatur zu machen, ihre Perspektiven zu entwerfen und sie systematisch zu ordnen. Die Sache ist schon an sich schwierig, aber sie ist es noch mehr in Italien, wo es keine Ueberlieferungen sozialistischer Schulen gibt und wo die Partei so jung ist, daß sie nicht als Beispiel für Bildung und Entwicklung dienen kann. – Diese Abhandlung wiederholt keine meiner Vorlesungen. Die Vorlesungen wiederholen so wenig die Bücher, aus denen sie entstehen, wie man Bücher schreibt, indem man Vorlesungen veröffentlicht

3. Es ist besser, von demokratischer Sozialisation der Produktionsmittel zu sprechen, als vom Gemeineigentum, weil dieses einen gewissen theoretischen Irrtum einschließt. Erstens insofern, als es an sie Stelle der wirklichen ökonomischen Tatsache einen juristischen Ausdruck setzt und dann, weil es, in dem Geiste mancher, mit der Vermehrung der Monopole, mit der wachsenden Verstaatlichung der öffentlichen Dienste oder mit all den anderen Phantasmagorien des immer wieder auftauchenden Staatssozialismus zusammenfließt dessen ganze Wirkung darin besteht, die ökonomischen Mittel zur Unterdrückung in den Händen der Unterdrückerklasse zu vermehren.

4. 25 Seiten in Oktav in der Originalausgabe (London, Februar 1848), die ich der großen Liebenswürdigkeit von Engels verdanke. Ich muß hier im Vorbeigehen bemerken, daß ich der Versuchung widerstanden habe, bibliographische Noten, Verweisungen, Zitate zu geben, denn ich würde dann vielmehr eine gelehrte Arbeit oder ein Buch, als einen einfachen Essai geschrieben haben. Hoffentlich glaubt mir der Leser aufs Wort: ich kann jede Anspielung, jeden Fingerzeig, jeden hineinspielenden Gedanken dieses ganzen Essais auf Quellen stützen.

5. In der letzten Jahren haben viele Juristen in der Umarbeitung des bürgerlichen Rechts ein praktisches Mittel zu finden geglaubt, um die Lage des Proletariats zu verbessern. Aber warum haben sie nicht vom Papste verlangt, an die Spitze der Freidenker zu treten? Am drolligsten ist jener italienische Autor, der sich mit dem Klassenkampfe beschäftigt und neben dem Gesetzbuche, das die Rechte des Kapitals begründet, ein anderes Gesetzbuch verlangt, das sie Rechte der Arbeit verbürge.

6. Diese Entfaltung ist in dem Kapital von Marx gegeben worden, das als eine Art von Geschichtsphilosophie betrachtet werden kann.

7.Ich stimme mit Anton Menger fast darin überein, daß Saint-Simon tatsächlich kein Utopist war, wie Fourier und Owen, die klassischen und typischen Utopisten.

8. Einige Monate habe ich ein vollständiges Exemplar der Neuen Rheinischen Zeitung zur Verfügung gehabt. Der Eindruck dieser Lektüre übersteigt jede Erwartung. Es ist wünschenswert, daß diese sehr selten gewordene Zeitung vollständig wieder gedruckt wird oder die wichtigsten Korrespondenzen und Artikel veröffentlicht werden. (Der Wunsch Labriolas ist inzwischen in seinem zweiten Teil erfüllt. Siehe Aus dem literarischien Nachlaß von Marx, Engels und Lassalle, 3. Band. – F.M.)

 


Zuletzt aktualisiert am 22.3.2004