Paul Lafargue

 

Das Geld [L’argent]
von Zola

 

II. Das Geld [L’argent]

L’argent kann als Gegenstück und Ergänzung zu Pot-bouille [*Der häusliche Herd, auch: Ein feines Haus]“ betrachtet werden, d.h. zu dem Roman, in welchem Zola mit unerbitterlicher Schärfe und Rücksichtlosigkeit die Verhältnisse des Kleinbürgertums schildert. Waren seinerzeit die charakteristischen Eigenschaften des Kleinbürgertums eine regelrechte, streng geordnete, stille Lebensführung, hausbackene Rechtschaffenheit und zopfige Philisterhaftigkeit gewesen, die den Künstlern früherer Epochen die Vorlagen zu komischen Typen lieferte, so tritt es uns in der Neuzeit, so tritt es uns in Pot-bouille als durch und durch versumpft und korrumpiert entgegen. Der Faktor, der diesen Umschwung in der Physiognomie der Kleinbourgeois bewirkt hat, ist nicht etwa der Durst nach Gold, sondern das zwingende, drückende Bedürfnis nach Geld; ist keineswegs das Jagen nach Freuden und Genüssen, vielmehr der Kampf um eine elende, kümmerliche, sorgenschwere Existenz. Der Kleinbürger muß rechnen und knausern, ehe er seiner Frau ein Band, seinem Kind ein Spielzeug kaufen kann, bei Todesstrafe ist er gezwungen, an Hellern und Pfennigen zu sparen.

In seinem Roman L’argent entführt uns Zola in eine andere Welt, die sich im totalen Gegensatz zu den kleinbürgerlichen Kreisen befindet, in eine Welt, in der man nicht nach Pfennigen, sondern nach Tausendmarkscheinen rechnet. Hier sehen wir das flüssig und beweglich gewordene Gold in eiligeren, rascheren, tosenderen Wellen dahinströmen als in den goldhaltigen Gewässern Perus; hier ist das Gold zum Ziel und Zweck allen Lebens, alles Dichtens und Trachtens geworden. Und nicht mehr zur Sicherung der eigenen Existenz, auch nicht zu Deckung der Existenz der Familie, nicht mehr um eine Antwort auf die uralte Frage: „Was werden wir essen, was werden wir trinken, womit werden wir uns kleiden?“ zu geben, wird ihm nachgejagt. Und nicht mit Rücksicht auf irgendein Bedürfnis müht und quält man sich in diesen Kreisen, sondern lediglich, um Millionen auf Millionen zu häufen, aus Liebe zum Gold, um des Goldes willen. Der jüdische Millionär Gundermann [58], dessen Gestalt Zola im L’argent zeichnet, kennt keinerlei Bedürfnisse. Ein fideler Studiosus, den uns Balzac in seinen Werken vorführt, und der ebenso arm an Geld wie reich an Geist ist, tröstet sich in seiner Geldnot mit der philosophischen Erwägung, daß weder Napoleon noch der reichste Mann der Welt zweimal täglich zu Mittag speisen oder mehr Liebschaften haben können, als ein Student der Medizin. Gundermann kann nicht einmal mehr ein Mittagmahl täglich zu sich nehmen, und die Frauen existieren für ihn nicht. Sein zerrütteter Magen verträgt nur Milch, und wenn er einmal schlemmen will, dann genießt er den Saft einiger Trauben; sein Herz schläft nur für die Hausse und Baisse der Börsenpapiere. [59]

Aber die Liebe zum Gold, die die Gestalten der von Zola geschilderten Welt charakterisiert, ist keineswegs die Liebe zum metallenen, festen Gold, zum Gold, das gleißt und scheint, die Augen durch seinen sonnengleich strahlenden Glanz, die Ohren durch seinen harmonischen Klang erfreut und besticht. Grandet [60], der von Balzac gezeichnete Geizige, liebt das Gold zärtlich wegen seiner physischen Eigenschaften, wegen seiner Farbe, wegen seines Klanges. Er häuft die funkelnden Goldstücke an sicheren Orten auf, er läßt sie spielend durch seine Finger gleiten, es gewährt ihm ein unvergleichliches Entzücken, mit seinen Händen in dem Schatz zu wühlen, ihn zu befühlen und zu betasten. [61] Er spricht von seinem Gold mit den Schmeichelworten, den berauschenden, hinreißenden Reden eines liebesglühenden Dichters: „Wohlan, hole meinen Liebling, mein Herzkäferchen herbei“, sagt er zu seiner Tochter.

Du solltest mir die Augen küssen, weil ich dich in die verborgenen Kräfte und Geheimnisse vom Leben und vom Tod der Taler einweihe. Wirklich, die Taler leben und rühren sich, wie Menschen: sie kommen und gehen, arbeiten in ihrem Schweiß, bringen was hervor. [62]

Stundenlang ergötzt er sich an dem Anblick der zu Häufchen geschlichteten Louisdor, deren schillernder Glanz in förmlich hynotisiert, so daß er ausfruft: „Das erwärmt mich!“ [63]

Die Börsianer kennen nicht mehr das Gold, „diese der Sonne geraubte Träne“, durch ihre Hände gleiten nur Stücke Papier, die sie mit fieberhaften Bewegungen zerknittern und zerknüllen. Für sie ist das Vermögen nicht ein sichtbares, greifbares, faßbares Etwas, sondern eine Reihe abstrakter Zahlen, metaphysischer Werte. Wenn von Gasaktien, Eisenbahnaktien, Bergbauaktien die Rede ist, so schwebt ihnen nicht das Bild ungeheurer, glockenähnlicher Gasometer vor, die das aus der Kohle gewonnen flüchtige Gas aufnehmen und gefangen halten. Mit ihrem geistigen Auge sehen sie nicht die dampfenden Lokomotiven, endlose Schienenstränge, unterirdische Schächte und Karren voller Kohlen, vor ihren Blicken tanzt vielmehr bloß der abstrakte Preis der Papierfetzen, Aktien genannt, hin und her, die für die Börsianer körperlose, sozusagen unirdische Werte sind. Für ihn persönlich ist es absolut gleichgültig, ob die Dinge, die sie repräsentieren, wirklich existieren oder nicht.

Nicht „das Geld“, sondern „die Börse“ hätte Zola seinen Roman betiteln sollen, denn er entrollt uns ein Gemälde der Kreise, die durch das Börsenspiel in beständiger, fieberhafter Spannung und Aufregung gehalten, bis ins innerste Mark erschüttert und zerrüttet werden. Das Geld schließt in seinen Kreislauf alle Vorgänge und Erscheinungen der kapitalistsichen Gesellschaft ein. Gegen einige wenige Franc verkauft sich der Arbeiter für einen Tag, eine Woche, ein Monat, er liefert Frau und Kind dem Kapitalisten aus und verurteilt sie zur Zwangsarbeit in der Fabrik. Um des Geldes willen fälschen die Schienenfabrikanten die Stempel des Staates und bringen durch geflickte Schienen das Leben von Tausenden von Reisenden in Gefahr. Um des Geldes willen nutzte der Präsident Grévy [64] seinen politischen Einfluß, seine Stellung als höchster Beamter und Würdenträger des französischen Staates zu schmutzigem Schacher aus. Für das Geld verliert der Offizier sein Leben in der Schanze, bleibt der Kassier ehrlich, schreiben Dichter und Schriftsteller. Die kapitalistische Entwicklung hat die Menschheit auf ein so niedriges Niveau hinuntergedrückt, daß sie nur noch ein Motiv kennt und kennen kann: das Geld. Das Geld ist der große Motor, das Alpha und Omega aller menschlichen Handlungen geworden. „Das Geld“, sagte Balzac, „ist die ‚ultima ratio mundi [der letzte Ausweg der Welt]‘“. [65] Zola hat nie daran gedacht, die von dem allmächtigen Geld erzeugten Tugenden und Laster in ihrer Gesamtheit in den Rahmen seines Romans zu stellen. [66]

Alle Gestalten seiner neuesten Schöpfung drehen sich um die Finanzspekulation, die Börse ist das Schlachtfeld, auf welchem sie auf Leben und Tod kämpfen. Die Börse ist jedoch nicht die Zauberwerkstatt, in der die Reichtümer geschaffen werden, sie stellt vielmehr eine Räuberhöhle dar, in der die Finanzmänner mit Aufbietung von List, Falschheit, Lug und Trug die Beute teilen: die Millionen und Milliarden, die auf den Äckern, in den Bergwerken, Fabriken und Werkstätten der ganzen Welt geschaffen worden sind. Die Börsenjobber, die in ihren Geldschränken und Brieftaschen ganze Berge von Produkten zentralisiert haben, haben in ihrem Leben nie auch nur das geringste produziert. Ihre geistige Arbeit beschränkt sich ausschließlich darauf, hinterlistige Fallen und Netze auszulegen, in denen sich die Millionen fangen sollen, die irgendwo und von irgendjemand – es kümmert die Messieurs verteufelt wenig wo und von wem – erzeugt worden sind.

Saccard, der Held des Romans Zolas personifiziert diese Welt. In dem Augenblick, wo er in den Roman eingeführt wird, besitzt er nicht einen Sou, seine Bekannten begegnen ihm kalt, oder stellen sich, als ob sie ihn gar nicht bemerkten; er ist ein ruinierter Mann und in dieser Sphäre sucht man Freundschaft vergebens. Und während er noch mit allgemeiner Verachtung behandelt wird, arbeitet er sich plötzlich aus seinem Elend empor steht als Triumphator dar, der von den selben Leuten angebetet und beweihräuchert wird, die ihm kurz vorher verächtlich den Rücken drehten und aus dem Weg gingen. Der Grund für diesen schnellen Umschwung? Saccard steht an der Spitze einer vom Glück begünstigten, äußerst erfolgreichen Finanzspekulation, deren Aktien steigen und trotz der berechtigsten Befürchtungen, trotz der Intrigen und des Verrates seiner Kumpane, trotz der schlau ausgeklügelten Kombinationen seiner Konkurrenten weiter und weiter zu fabelhafter Höhe steigen. Saccard ist nicht der Vater der Idee, auf der die Spekulation basiert; genausowenig ist er der Orgnisator des administrativen Mechanismus des Unternehmens: Ein Ingenieur von anspruchslosem, mystischen Charakter, der unter diese Bande von Spitzbuben geraten ist, hat alles ausgeklügelt, alles organisiert. Saccard ist nichts als der „Gründer“, der Mann, der die Zauberformel kennt, die den Beutel der Aktionäre öffnet, der Mann, der die wunderbare Kunst versteht, sie in Gimpel zu verwandeln, die ihr klingendes, vollgewichtiges Gold gegen Papierfetzen eintauschen, obwohl es ihnen teurer ist als ihre Ehre, als Frau und Kind und Schoßhund.

Dem Roman Zolas liegen tatsächliche Begebenheiten und Fakten zugrunde, die von ihm dichterisch gestaltet worden sind: Die Geschichte der [*Banque l’]Union générale [67], der von den Messieurs Bontoux [68] und Feder geleiteten Finanzgesellschaft, die Frankreich, Österreich, Serbien und Rumänien durch die Gründung von Banken, Bergwerken, Eisenbahnen und Fabriken auszubeuten suchte. Die Union générale war einige Zeit lang die durch den päpstlichen Segen kanonisierte, wunderwirkende Sparkasse, die den guten Katholiken Zinsen von so fabelhafter Höhe zahlte, wie sie nicht einmal der stockjüdische Wucherer erpressen hätte können. Sie sollte die Bank des Papstes und aller Katholiken werden und ihr Krach [*1882] – einer der riesigsten, die man bis jetzt erlebt hat – erschütterte die Finanzwelt und zog weiteste Kreise in Mitleidenschaft.

Saccard ist ein geriebener, mit allen Salben geschmierter Administrator schwindelhafter Unternehmungen. Er weiß ganz genau, daß eine Finanzspekulation nicht in den Hände von rechtschaffenen und sachkundigen Männern gedeiht, wohl aber in denen von durchtriebenen Lumpen, die an der Börse eine einflußreiche Rolle spielen, oder die mittels ihres auf alten Adel hindeutenden Namens, ihres Abgeordnetensitzes oder auch nur eines Ordens den Dummköpfen imponieren, denen anstelle des Hornes ein gespickter Geldsack zuteil geworden ist. Und dieser Erkenntnis entsprechend wählte er das Personal aus, das der Verwaltung des von ihm gegründeten Schwindelunternehmens angehört. Saccard weiß außerdem, daß, wenn bei dem Geschäft ein Profit abfallen soll, die Reklametrommel geschlagen werden muß.

Man hätte nun erwarten sollen, daß Zola, der für eine ultrarealistischen Schriftsteller gehalten werden will und sich in den abstoßendsten, widerlichsten pathologischen Schilderungen gefällt, daß Zola, der, die Faust herausfordernd in die Seite gestemmt, ohne jedes Bedenken die schmutzigesten Ausdrücke gebraucht, auch den Mut besessen haben müßte, hinsichtlich der Reklame für betrügerische Finanzoperationen und der Rolle, die die Presse dabei spielt, die ganze, volle, ungeschminkte, ihm wohlbekannte Wahrheit zu enthüllen.

Aber der Mut hat ihm gefehlt – im L’argent wie im Germinal. In dem zuerst genannten Roman hat er die Presse geschont, dieses „Magazin von Gift“, wie Balzac [69] sich ausdrückte. Er hat nicht den Mut besessen zu zeigen, wie die gesamte Bourgeoispresse der Hochfinanz verkauft ist, wie sie, einer Prostituierten gleich, deren Gunst durch Bitten und Drohungen zu erschleichen sucht. Maupassant ist der einzige moderne Schriftsteller, der in seinem Roman Bel-ami [70] gewagt hat, ein Zipfelchen des Schleiers zu lüften, der die Schmach und Schande der Pariser Bourgeoispresse zudeckt. [71] Zola hat wohl die Gestalt eines Journalisten gezeichnet, der, durch Auschweifungen und Schulden zugrunde gerichtet, auf Bestellung Artikel schreibt, in denen er heute weiß schwarz und morgen schwarz weiß sein läßt, und dafür mit moralischen Fußtritten behandelt wird. Aber dieser Journalist gehört der schriftstellerischen Bohême an, er besitzt weder Ansehen, noch Einfluß, seine Gesinnungslumperei scheint inmitten der Wohlanständigkeit des bürgerlichen Journalismus eine vereinzelte Ausnahme zu sein. [72] Wenn Zola die tiefe Korruption der Presse mit Stillschweigen übergeht, so geschieht diese keineswegs aus Unkenntnis der Verhältnisse. Er kennt die Presse sehr gut, denn er ist selbst Journalist gewesen und steht noch in beständiger Beziehung zum Journalismus. Gerade jene gesellschaftliche Sphäre, die er aus persönlicher Beobachtung und Erfahrung kennt, über welche er positive, naturgetreue Dokumente besitzen muß, ist diejenige, die er naturgetreu zu zeichnen fürchtet. Denn Zola, der wie alle seiner werten Kollegen von der Feder ein Krämer ist, will die Journalisten schonen, die durch die Reklame den größeren oder kleineren Absatz seiner Bücher beeinflussen können. Zuerst das Geschäft, dann, wenn es geht, die Kunst. Deshalb hat er sich gehütet zu zeigen, wie die respektabelsten und respektiertesten, die vornehmsten wie die langweiligsten Blätter ihre ersten Seiten den Größen der Finanz zur Verfügung stellen, damit diese die Bourgeois betrügen und bestehlen, deren Leiborgane die entsprechenden Zeitungen sind. [73] Dagegen wiederholt er mit Behagen zweimal einen Streich, der, falls er tatsächlich vorgekommen sein soll, eher einen Witz als eine Reklame darstellt. [74] Nichts ist würdevoller und moralischer als die Prospekte von Spekulanten; diese Herren könnten den Jesuiten Unterricht im Jesuitentum geben.

An der Börse kämpfen die katholische Bank Saccards und die israelitische Bank Gundermanns – der Name ist ein Pseudonym für Rothschild – miteinander um die Herrschaft. Ruhig auf seinen Gipfel zurückgezogen, voller Vertrauen auf die wundertätige Kraft seiner Millionen – der Sieg stellt sich stets auf die Seite der größeren Bataillone, sagte schon Turenne [75] – läßt der kalte, gleichmütige Jude den nervösen und fieberhaft erregten Christen sich in einer Spekulation nach der anderen aufreiben, wodurch die Aktien der Banque Universelle von einem Anfangskurs von 500 Franc zu der schwindelnden Höhe von 3.000 Franc hinaufgetrieben werden. Als Saccard von diesem Phyrrussieg erschöpft ist, wirft plötzlich Gundermann seine Millionen auf den Börsenmarkt und schmettert seinen Konkurrenten runiniert zu Boden. Vom dem Gipfel des Glücks wird dieser mit einem Schlag ins Gefängnis geworfen, und wiederum verlassen und verraten ihn alle, die er bereichert hat. Saccard ist geschlagen, aber nicht niedergeschlagen. In seiner Zelle in der Conciergerie schmiedet er neuen Pläne zu neuen Unternehmungen und Spekulationen. Er träumt von dem Besitz großer Reichtümer und sieht sich im Geist schon als Herr und Beherrscher der Börse, durch dessen Hände Hunderte von Millionen fließen.

In der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts haben mehrfach erbitterte Kämpfe zwischen dem Haus Rothschild und Banken stattgefunden, die den Rothschilds den Krieg erklärten, ihm die Herrschaft über den Geldmarkt streitig zu machen suchten. In den ersten Jahren der Regierung Napoleon III. repräsentierte der durch die Negoziation [76] der Staatsanleihen reich gewordene Rothschild den alte Stil der Spekulation: Er ließ sich nur in sichere Finanzoperationen ein und spekulierte ausschließlich mit Millionen, die im als Eigentümer gehörten oder für die sein Bankhaus haftete. Aber die von den Theorie Saint Simons [77] erfüllten Pereire drängten die Spekulation in andere, neue Bahnen. Da sie selbst kein persönliches Vermögen besaßen, so ließen sie sich vom Publikum die Kapitalien liefern, die sie brauchten, und da sie mit dem Geld fremder Leute spekulierten, keinerlei Gefahr persönlicher Verluste bestand – sie besaßen ja nichts, was sie verlieren konnten – so stürzten sie sich Hals über Kopf in die gewagtesten finanziellen Abenteuer. Aus dieser Zeit datiert das Spekulationsfieber, das die französische Nation in ständiger Aufregung hält. Die Spekulanten der neuen Schule versuchten Rothschild auszuplündern, dieser richtete jedoch nacheinander alle von ihnen zugrunde, Pereire, Mirès, Philippart, Bontoux. Der alte Jude besaß so unendliches Vertrauen in seinen endgültigen Sieg, daß von ihm erzählt wird, er habe den Schreibtisch leer stehen lassen, an dem sein furchtbarster Gegner, Pereire, gearbeitet hatte, solange er in seinem Bankhaus Angestellter gewesen war, und auf eine Bemerkung kühl geantwortet: „Er wird schon seinen Platz wieder einnehmen“.

Die von Rothschild besiegten waren Neuerer auf dem Gebiet der Finanzspekulation. Die Idee und Kombinationen und die Methoden der Geldbeschaffung, die sie einführten, haben die Geschäftswelt und die Börse völlig revolutioniert. Sie zentralisierten in ihne Händen die Ersparnisse der bürgerlichen Kreise und der breiten Volksschichten, um sie dann in riesigen Strömen der Industrie und dem Handel zuzuführen. Der Ruf nach „Assoziation der kleinen Kapitalien“ ist eine von Saint Simon entlehnte Formel [78], deren Verwirklichung eine Notwendigkeit für die ökonomische Entwicklung geworden war. Die Eisenbahnen und die Vorrichtungen [79] mder modernen Produktion sind so riesenhafte Anlagen, daß ihre Schaffung, respektive Anschaffung mittels der vom einzelnen aufgehäuften Kapitalien ein Ding der Unmöglichkeit ist. Man bedurfte zu diesem Zweck der Kapitalien der Masse, die zusammengeworfen, zu Riesenkapitalien zusammengeschweißt werden mußten. Die Pereire und Mirès haben sich dieser Aufgabe unterzogen. Sie dürfen sich eines größeren Wunders als der Auferweckung des Lazarus [80] rühmen, sie haben Kleinbürger und Bauern zu bewegen gewußt, sich von ihrem lieben, teuren Geld zu trennen, es ihnen anzuvertrauen. So wurde es ihnen möglich, die Kapitalien zu liefern, die die junge, sich rasch entwickelnde Großindustrie benötigte. Die Pereire und Mirès haben die industrielle und kommerzielle Entwicklung mächtig gefördert, welche in die Zeit des Empire fiel, aber sie haben vor allem und ganz gegen ihren Willen für die Expansion des Hauses Rothschild gearbeitet, das sie, nachdem es ihr Aufkommen, ihren Erfolg eine Zeitlang ruhig mitangesehen hatte, stürzte und sich der von ihnen geschaffenen finanziellen und industriellen Organismen bemächtigte.

Zola ist mit der Geschichte der Pariser Finanz- und Börsenwelt nicht vertraut. [81] Als richtiger Reporter hat er sich damit begnügt, einige Stunden an der Börse zuzubringen, sich über die Lokalitäten zu unterrichten und die Plaudereien etlicher Börsianer zu notieren, die über die Geschichte der Börse, ihre eigene Geschichte ebensowenig wußten wie er selbst, denn da diese Geschichte das Steigen und Fallen der Papiere nicht beeinflußt, interessiert sie diese Herrschaften herzlich wenig. In Zolas Augen ist der Kampf zwischen Saccard und Gundermann lediglich ein Duell zwischen dem katholischen und dem jüdischen Spekulationskapital. [82] Aber die Pereire und Mirès waren ebenso gute Juden, wie die Salomons [83] und Nathans [84] der Familie Rothschild; die Pereire und Mirès klagten die Rothschilds an, die Juden des Nordens, die „Askenazim“ zu repräsentieren, während sie selbst die Ehre beanspruchten, die Juden des Südens, die „Sephardim“ zu repräsentieren, die sich ihrer Ansicht nach durch großherzige und weniger gemeine Ideen auszeichnen.

Dieser Krieg gegen das Haus Rothschild, das allen Stürmen getrotzt hat, das siegreicher und mächtiger aus der Revolution 1848 hervorgegangen ist, die doch seinen Sturz beabsichtigt hatte; das allen seinen vom dem Empire und den Opportunisten beschützten und begünstigten Feinden die Stirn geboten und sie alle geschlagen hat; dieser Krieg und der Kampf zwischen der alten und neuen Spekulation und ihren Vertretern hätte dem Roman als Hintergrund dienen und ihm vielleicht eine epische Größe verleihen können.

Es ist schwer, die Börsianer und ihre Schwindeleien interessant erscheinten zu lassen. Zola hat es jedoch verstanden, den ihm vorliegenden undankbaren Stoff dramatisch zu beleben. Betrachtet man die Schwierigkeiten, die überwunden wurden, die Fülle von Details, die geschickte Anordnung, die kräftige Entwicklung der Charaktäre, von denen mehrere ausgezeichnet beobachtet sind, dann muß man gestehen, daß L’argent das Werk eines „maître“ ist. Die Einführung ist höchst wirksam. Zola hat mit dem ersten Kapitel des Romans diesmal keine Schülerarbeit vorgelegt, er hat auch nicht, wie in La terre ein Gemälde kopiert, er hat vielmehr ein packendes Bild nach der Natur gezeichnet.

Der Leser wird von der ersten Seite an mitten in das Leben und Treiben der Börsianer eingeführt. Zola versetzt ihn in das Café, in welche die Jobber frühstücken und warten, bis die geweihte Stunde schlägt, in der sie das goldene Kalb anbeten können, er versetzt ihn mitten in das Tohuwabohu der Spekulanten, die dort essen, trinken, rauchen, kommen und gehen, sich gegenseitig grüßen, einander laut zurufen oder mit leiser Stimme Meinungen, Eindrücke und Gedanken über den einzigen, sie interessierenden Gegenstand, über die einzige, sie leidenschaftlich bewegende Frage austauschen: über den Kurs der Börsenpapiere und über die politischen Ereignisse, diesen Kurs beeinflussen könnten. Und von dieser lärmenden Welt, in der sich jeder in seinen Berechnungen und Kombinationen isoliert, in seinem Egoismus abkapselt, hebt sich in kräftigen Zügen die Gestalt des ruhelosen und verachteten Saccards ab, der in seinem Hirn den Plan einer neuen, großen Spekulation wälzt und vorbereitet, ja sogar Personen vormerkt, deren er sich dabei bedienen und die ihm nützlich sein könnten. Obwohl er ein ruinierte Mann ist, ohne Kredit und ohne Protektion, obwohl ihn sein Bruder, der Minister, dadurch loswerden möchte, daß er ihm die Stelle eines Unterpräfekten in der Provinz verschafft, entwirft er mutig den Plan, Paris zu erobern.

* * *

Zola ist von dem Wunsch beseelt gewesen, dem Leser eine Vorstellung von den sonderbaren, eigenartigen Gestalten zu geben, die sich auf der Börse wie Besessene gebärden und heiser schreien, und denen man in der näheren Umgebung auf Schritt und Tritt begegnet. Sein Roman bietet uns eine reiche Fülle scharf gezeichneter Silhouetten aus dieser Welt. Busch und Méchain, mit ihren Taschen voller Papiere, repräsentieren den Typus des Spekulanten der Gosse, die Aktien zusammengekrachter Finanzgesellschaften, schlechte Schuldverschreibungen, unbezahlte Wechsel und dergleichen zusammenkaufen, all diese wertlosen Papiere klassifizieren und katalogisieren und dann geduldig vier, fünf, ja zehn Jahre eine Gelegenheit abwarten, sie mit Profit wieder abzusetzen, der so winzig ist, daß sich die von diesen Aasgeiern [85] des kommerziellen und finanziellen Schlachtfeldes aufgewendete Zeit, Kraft und Mühe nicht bezahlt macht. Neben dem Börsengebäude und innerhalb des Zaunes, der den mit verkümmerten Kastanien bepflanzten Platz einschließt, auf dem sich der Tempel des goldenen Kalbes erhebt, gibt es eine andere Börse, die die Börse der „Naßfüßler [des piedshumides]“ genannt wird. Diese sonderbare Bezeichnung ist ihr zuteil geworden, weil sie unter offenem Himmel abgehalten wird, so daß den sie besuchenden Personen dasselbe passierte, was vor dem Bau der überdachten Markthallen Käufern und Verkäufern auf dem Wochenmarkt widerfahren konnte. Die „Naßfüßler“ sind Individuen, von denen man nicht immer weiß, woher sie kommen, und deren Vergangenheit meist nicht makellos und rein zu sein pflegt. Mit abgeschabten, schlecht sitzenden Paletots, rot gewordenen, schmierigen Hüten und abgelaufenen Schuhen bekleidet, die sich an Regentagen mit mehr Wasser ansaufen als ihre Besitzer, schachern sie mit entwerteten Aktien, die von 1.000 und 500 Franc auf 50, ja auf 5 Centimes gefallen sind, wie die Stars der Finanz mit Staatsschulden, Eisenbahnaktien, Aktien von Unternehmungen, die fette Dividenden ausschütten, spekulieren und schwindeln. Die „Naßfüßler“ verkaufen die von verkrachten Aktiengesellschaften ausgegebenen Wertpapiere an naive Seelen, die entgegen aller Wahrscheinlichkeit auf deren Steigen hoffen. Öfter noch setzten sie aber ihre Aktien an Schwindler ab, welche in den Besitz eines fiktiven Kapitals gelangen wollen, um damit die Eltern einer Erbin, deren Mitgift sie heiraten wollen, zu blenden oder um sich der Strenge des Gesetzes zu entziehen und einen betrügerischen Bankrott zu verbergen. Im zuletzt genannten Fall spielen sie sich selbst als unschuldige Spekulationsopfer auf: Wenn sie im Augenblick ihres unfreiwilligen Rechnungsabschlusses nicht einen Sou zur Befriedigung der Gläubiger in der Kasse haben, so ist dies, wie die vorhandenen Aktien beweisen, die sie à 500 Franc gekauft haben, und die jetzt nicht mehr als 5 Centimes wert sind, lediglich die Schuld mißglückter Finanzunternehmungen. In L’argent vermißt man die Schilderung dieser so hochinteressanten und ungemein charakteristischen Spekulation übelster Sorte, die sozusagen die Kehrseite der eigentlichen Börse darstellt. Wir können das nur aufrichtig bedauern, denn die „Börse der Naßfüler“ ist eine blutige Satire auf die Börse der Könige des Goldes: Zola hat eben keine satirische Ader. [86]

Die episodischen Gestalten des Romans sind zahlreich und bemerkenswert. Dejoie ist der Typus des ehrlichen Arbeiters, der jahrelang spart, um Sou für Sou eine Migift für seine Tochter zusammenzutragen. [87] Nachdem er von Saccard eine kleine Anstellung erhalten hat, schafft er mit größter Hingebung für ihn, opfert sich für ihn auf und bleibt ihm auch dann treu, als alle der gefallenen Größe den Rücken kehren und der Krach der Bank seine eigenen Ersparnisse, die Früchte eines ganzen Lebens der Mühe und Arbeit, verschlingt. – Die Gräfin von Beauvillers, die ihre Ahnen bis auf die Kreuzfahrer zurückführt, lebt unter den härtesten Entbehrungen und ist ebenso arm an Blut wie an Geld. Sie vertraut Saccard die letzten Reste ihres Vermögens, die Mitgift ihrer Tochter, an, und setzt in die Spekulation ihre letzte Hoffnung, das Wappen ihrer Ahnen frisch vergolden zu können. – Maugendre repräsentiert den vom Geschäft zurückgezogenen Kleinbürger, der in bescheidenem Wohlstand lebt, alle kleinbürgerlichen Tugenden und eine große Dosis alltäglicher, trivialer Lebensklugheit besitzt, das Volk der Börsenjobber haßt, das Spiel verabscheut, sich aber nichtsdestotrotz einfangen läßt und von Saccard bis aufs Hemd ausgezogen wird. – Die hochadelige und hochnäsige Baronin Sandorff, die Gemahlin eines Gesandten, wird von den stählernen Armen der Spekulation erfaßt, aus denen es kein Entrinnen gibt. Um ihre Verluste beim Börsenspiel decken zu können, verkauft sie sich an einen hohen Justizbeamten, der auf dem Weg ist Minister zu werden. Daraufhin wird sie Geliebte Saccards, um von ihm nützliche Hinweise für die Spekulation zu erhalten und sicher spielen zu können. Schließlich verrät sie auch ihn, durchstöbert während seines Schlafes seine Taschen [88], und eilt zu Gundermann, um ihm das erschlichene Geheimnis mitzuteilen. Sie hofft auf eine anständige Belohnung, denn der Jude hat ihr, falls sie ihm nützlich sein sollte, einen guten Rat versprochen. Und dieser gute Rat läßt nicht auf sich warten:

Hören Sie mir gut zu, sagt ihr Gundermann, Spekulieren Sie nicht, spekulieren Sie niemals. Das macht Sie häßlich. Eine Frau, die spekuliert, ist einfach abscheulich. [89]

Diese Worte sind die ganze Belohnung, die ihr dafür zuteil wird, daß sie den Sturz ihres Geliebten herbeigeführt hat. Um für das Börsenspiel, das sie mit Leidenschaft betreibt, nützliche Auskünfte zu erhalten, fällt sie tiefer und immer tiefer, und wird schließlich die Geliebte Jantrous, des verkommenen, verlumpten Börsenjournalisten, der sie, die hochadelige und hochnäsige Baronin Sandorff wie eine gewöhnliche kleine Hure ohrfeigt und schlägt. – Der Hauptmann Chave spielt mit der Vorsicht eines klugen Taktikers an der Börse, um seine Pension aufzubessern und den lasterhaften Neigungen eines alten, geilen Bocks nachgehen zu können. – Die Gestalt Maximes, Saccards ältestem Sohn, ist ein äußerst gelungener Typus des Mannes „fin de siècle“. Seiner Erscheinung nach ist er kokett und herausgeputzt, wie eine verschwenderische Prostituierte. Obwohl er erst 26 Jahre alt ist, hat ihn das Leben doch bereits erschöpft, er ist egoistisch und ehrgeizig, sobald es sich um Dritte handelt, hingegen scheut er keine Ausgaben, sobald es um seine eigene werte Person geht. Er ist ein langweiliger Mensch, der zusieht und beobachtet, wie er langweilig dahinlebt und der in dieser Beobachtung seine einzige Beschäftigung findet. Er beurteilt seinen Vater sehr gut und richtig:

Sehen sie, sagt er zu Frau Caroline, man muß Papa verstehen. Er ist bei Gott nicht schlimmer als die anderen, Nur kommen für ihn seine Kinder, seine Frauen, kurz die gesamte Umgebung erst nach dem Geld [...]. Oh, verstehen wir uns recht. Er liebt das Geld nicht wie in Geiziger, dem nur daran liegt, einen großen Haufen davon zu besitzen und ihn in seinem Keller zu verstecken. Nein, er will überall Geld hervorlocken, Geld aus jeder Quelle schöpfen, um zu sehen, wie es in Strömen ihm zufließt, um all der Genüsse, all des Luxus, all der Vergnügungen, all der Macht willen, die ihm der Besitz des Goldes verschaffen kann [...] Was wollen Sie, das liegt schon schon in seinem Blut. Er würde uns verkaufen, Sie, mich, jede beliebige Person, vorausgesetzt, daß es einen Markt gäbe, auf dem er uns absetzen könnte. Und bei all dem ist er ein höherer Mann, denn er ist wahrhaftig ein Dichter der Million: Das Geld übt einen so mächtigen Zauber auf ihn aus, daß es ihn wahnsinnig, daß es ihn zum Schuft macht, aber zu einem höchst großartigen Schuft.

Ich übergehe eine ganze Reihe interessanter Gestalten, da ich hier unmöglich den Roman Seite für Seite verfolgen und analysieren kann. Alle Figuren sind ausnahmslos voller Leben und Aktivität, und Zola hat sie in geschickter Weise mit der Haupthandlung, Saccards Spekulation, verknüpft. L’argent ist ein solide gefügter Roman.

In dem Roman begegnen wir neben dem Helden Saccard einer kraftvollen und ruhigen Frauengestalt, Caroline. Sie lebt inmitten der sie umgeben Welt von Schuften und Schwindlern, wie die Lilie auf dem Misthaufen wächst, ohne etwas von ihrer ursprünglichen Reinheit einzubüßen. Die Hingebung, die sie jedem, der sich ihr nähert, entgegenbringt, bewahrt sie vor dem Schicksal, durch die Berührung mit ihrer unsauberen Umgebung selbst beschmutzt und besudelt zu werden. Sie ist ihrem Bruder, dem Ingenieur Hamelin, einem mystischen Gelehrten, der große Unternehmungen auszuklügeln versteht, aber einen Finanzmann benötigt, der sie umsetzt, eine treue Pflegerin und eine verständige Gefährtin gewesen. Sie ist die kluge Ratgeberin, die gute Hauswirtin Saccards, mit dem sie wie in einer Ehe zusammenlebt, und den sie wegen seines Feuers, seiner Energie, seines Organisationstalents bewundert, dessen moralische Schwächen, vor allem aber den Hang, sich in jeder Beziehung hinreißen zu lassen, sie jedoch fürchtet. [90] Dabei ist sie weder langweilig noch dumm und hebt sich dadurch sehr vorteilhaft von der Mehrzahl der guten und tugendhaften Charaktäre aus, die in den Romanen, besonders denen unseres Autors, allgemein mit diesen Eigenschaften behaftet erscheinen. Zola hat übrigens nicht verabsäumt, seinem L’argent in der Person des jungen Ehepaars Jordan zwei dieser Gestalten einzufügen, und er hat es verstanden, sie also so unbedeutend und albern als nur irgendwie möglich hinzustellen. Der Mann ist natürlich ein tugendhafter Romancier, der, ohne irgendwie Ekel oder Widerwillen zu empfinden, für Saccards Zeitung schreibt. Man bezahlt ihn dafür und das genügt seinen tugendhaften Ansprüchen. Als sich Geldmangel bemerkbar macht, erklärt er seiner Frau, die von einer polizeiwidrigen Naivität ist:

Ja, laß nur, es wird schon gutgehen! Du kommst mit mir nach Hause, nicht wahr? Wir machen es uns nett, und für morgen früh kaufen wir uns einen sauren Hering an der Ecke der Rue de Clichy, wo ich wundervolle gesehen habe. Heute abend haben wir Kartoffeln und Speck. [91]

Dieser wundervolle saure Hering und die in Speck geschmorten Kartoffel! Was will man mehr an Realismus und dokumentarischen Details verlangen!

Die im Geld geschilderte Welt ist alles andere als schön, aber trotzdem kann man gegen Zola nicht den gegen Balzac geschleuderten Vorwurf erheben, daß er „das Häßliche noch häßlicher gemacht habe“. Die Wirklichkeit ist noch bei weitem abstoßender als alle Schilderungen, die Zola bisher entworfen hat, mit ihrem überflüssigen Schweinereien und ihren Geschmacklosigkeiten. Die Häßlichkeit der Wirklichkeit stellt auch die häßlichsten Gemälde noch in den Schatten. War es der Wunsch, für die Akademie akzeptabel zu sein, war es die spezielle Natur des behandelten Themas, die den Verfasser beeinflußt hat, kurz das Geld enthält keine jener höchst unnötigen Schweinereien, die Zola sonst mit Behagen in seine Romane einflicht. Die Szene, in der der Generalstaatsanwalt Delcambre seine Geliebte, die Baronin Sandorff, in flagranter Untreue mit Saccard ertappt, ist wohl gewagt, aber sie ist lebensnah, und mit wenigen Strichen skizziert war sie unerläßlich, um den Charakter der drei Personen scharf und klar zu umreißen. [92] – Balzac und Zola haben nicht versucht, die Wiedergabe des Häßlichen, das sich in der Wirklichkeit findet, zu vermeiden, aber Balzac gefällt sich geradezu in unnötigen, breiten Schilderungen ekelhafter, abstoßender Dinge, und gerade diese Schilderungen zählen zu den Umständen, denen er den Erfolg seiner Romane verdankt. Allerdings bleiben sie in dieser Hinsicht noch hinter den Schriften Henri Monniers zurück, der, um die ganze Scheußlichkeit der Wirklichkeit wiederzugeben, sich nicht der Form des Romans bedienen konnte, sondern der sehr kurzer, dialogischer Szenen. Dem Leser könnte nämlich glatt übel werden, wenn seine Schilderung der Wirklichkeit sich zu sehr ausdehnen würde.

Was man jedoch Zola zum Vorwurf machen kann und darf, ist der Umstand, daß er das, was er für die Wirklichkeit ausgibt, ohne Esprit, ohne Satire und Humor darstellt. Er schreibt langweilig. Er ist kein Schriftsteller, der sich an seinem Werk berauscht, vielmehr ein gewissenhafter Arbeiter, der eine Aufgabe erledigt, die ihn nicht besonders interessiert.

Lachen und heiterer Spott erheitern nie die Seiten der Romane Zolas. Und doch lacht der zivilisierte Mensch, auch wenn er in der Fäulnis und im Schmerz vegetiert. Mag die menschliche Dummheit auch noch so unermeßlich sein, so entfährt doch selbst dem Munde des größten Dummkopfes ab und zu raketengleich ein witziges Wort, das Geist verrät. Die Welt der Worte besteht aus einem bunten Gemisch von Individuuen, die aus allen gesellschaftlichen Klassen, aus allen Winkeln der Erde kommen. Unter ihnen befinden sich geistreiche Leute, Skeptiker – abergläubische Skeptiker – die listiger sind als Füchse, die sich mit Humor aus jeder schlimmen Situation zu ziehen wissen, und für die man die so treffende Bezeichnung „débrouillards [*Schlaukopf]“ [93] erfunden hat. Zola kennt diese Leute nicht, und er, der doch überaus dokumentarisch sein will, bedient sich nicht einmal des vielsagenden Wortes „debrouillard“.

Unter diesen Leuten begegnet man oft äußerst gebildeten und geistig bedeutenden Persönlichkeiten, die allerdings ihr verlottertes Leben – dem oft auch ein verlottertes Äußeres entspricht – auf ein sehr niederes moralisches Niveau stellt. Aus ihren Reihen rekrutieren sich die Schriftsteller, die über die Börse und für die Börse schreiben. Man braucht bloß die Börsenberichte, die Finanzzeitschriften zu lesen, um ihren Schwung und ihr Talent kennen und schätzen zu lernen; sie verstehen es, ihren Gegenstand zu beleben, sogar poetisch zu verklären. Wie bereits Charles Fourier [94] bemerkte, ist die Börsensprache poetisch und ungemein bilderreich, sie stempelt die Spekulationspapiere zu lebenden Wesen, die alle Empfindungen nachfühlen, die das Schwanken des Kurses in der Seele des Börsianers wachruft. Die Börsenpapiere sind empfindlicher als Mimosen. Sobald das kleinste Wölkchen sich zeigt, werden sie gedrückt, flau, geben nach, ziehen sich zurück, verschwinden bestürzt und fallen ab, bei dem ersten freundlichen Sonnenstrahl zeigen sie sich fest, halten sie stand, nehmen sie den Kampf auf, schnellen sie in die Höhe, um den Siegespreis zu erlangen.

Zola hat von alledem nichts bemerkt und seine Gestalten sind langweilig. [95]

* * *

Das Philosophieren ist eine Eigentümlichkeit des Menschen und ein Genuß für den Geist. Der Schriftsteller, der nicht philosophiert, ist nur ein Handwerker. Der Naturalismus, der auf dem Gebiet der Literatur dasselbe ist, wie der Impressionismus auf dem Gebiet der Malerei [96], brandmarkt Refelexionen und Generalisationen. Seiner Theorie nach muß sich der Schriftsteller vollkommen passiv verhalten, er muß einen Eindruck aufnehmen und wiedergeben, er darf nicht über diese Aufgabe hinausgehen, er darf nicht die Ursache einer Erscheinung, eines Vorganges analysieren, er darf nicht die Wirkung eines Vorganges andeuten. Sein Ideal ist es, einer photographischen Platte zu gleichen. Diese rein mechanische Metheode der künstlerischen Wiedergabe des Lebens ist ungemein leicht; sie erfordert keinerlei Vorstudien und nur einen geringen Aufwand bei der geistigen Mühe. Aber wenn das Gehirn, das die Rolle der photographischen Platte spielt, nicht sehr empfänglich und vielseitig ist, so läuft man Gefahr, nur ein unvollständiges, unvollkommenes Bild zu erhalten, das von der Wirklichkeit weiter entfernt ist, als das Gemälde, das die zügelloseste Fantasie von ihr entwirft. Die Methode beweist nichts als die geringe geistige Begabung der naturalistischen Schriftsteller.

Balzac philosophiert bei allem und über alles: Er ging damit manchmal sogar zu weit, pfropfte seinen Werken allgemeinen Betrachtungen ein und machte sie dadurch schwerfällig. Er war ein tiefer Denker und übertrug seinen Geist und seine Gedankenfülle auf seine Gestalten. Sein Roman Peau de Chagrin [Das Chagrinleder], der nicht einmal zu seinen besten Werken zählt, enthält ein tolles Gespräch zwischen Journalisten, Politikern, Künstlerinnen und Kurtisanen, in dem er tiefschürfendere Gedanken über die Gesellschaft, Sitten und Politik niedergelegt hat, als man in unserer ganzen modernen Presse findet. Zola philosophiert gewöhnlich wenig. In L’argent legt er ausnahmsweise zwei Personen, Saccard und Sigismond Busch [97] allgemeine Betrachtungen in den Mund – der Stoff zwang in dazu -, aber weder der eine, noch der andere vermögen uns mit ihrer Philosophie zu imponieren.

Saccard ist kein gewöhnlicher Mensch. Er hat ein äußerst bewegtes Leben geführt und alle seine Wechselfälle kennengelernt. Er hat viele Menschen und Dinge gesehen, die verschiedenartigsten Situationen durchgestanden, abwechselnd ist er reich und arm gewesen. Er hat die gegensätzlichsten Gefühle erlebt, den Rausch des Kampfes und des Sieges, die augenblickliche Mutlosigkeit der Niederlage, den Stachel des zur Ohnmacht verurteilten Ehrgeizes. Er ist vergöttert und verachtet worden. Sein Hirn muß also eine Fülle von Beobachtungen und Betrachtungen bergen, sein Herz vor Verachtung und Sarkasmen für die Menschheit überfließen.

Sigismond Busch ist ein denkender, durch Krankheit überreizter Kopf, der sich an der gelehrten und scharfsinnigen Theorie von Karl Marx gebildet hat, wie uns Zola versichert. Man sollte daher voraussetzen, daß er eine gründliche Kenntnis der Finanzverhältnisse und des ökonomischen Systems der kapitalistischen Gesellschaft, daß er eine Übersicht über den Entwicklungsvorgang der Gesellschaften und die soziale Umgestaltung besitzt, die heute zur Notwendigkeit geworden ist. Er und Saccard hätten sich nach dem ganzen Aufbau des Romans vorzüglich für die Rolle der Denker geeignet; Saccard müßte die moderne Gesellschaft vom kapitalistischen, Busch hingegen vom sozialistischen Standpunkt betrachten. Wir hören hingegen statt tiefschürfender Gedanken von beiden nur ganz seichtes Zeug. Und das, was Saccard schwätzt, läßt Zola zu allem Überdruß noch verschieden Male von Frau Caroline wiederholen, die doch seinen eigenen Worten nach eine Frau war,

die eine umfassende Bildung besaß [98], und die früher ihre Zeit darauf verschwendet hatte, sich mit Feuereifer in der weiten Welt umzusehen und in den Streitigkeiten der Philosophen Partei zu ergreifen. [99]

Sich bemühen, die Welt zu verstehen, bedeutet also in Zolas Augen seine Zeit verschwenden! Der Schriftsteller sieht nicht, daß er mit einer derartigen Auffassung die Unwissenheit über die Wissenschaft stellt, der Dummheit den Vorrang über den Verstand einräumt.

Saccard spricht viel und lange, es entspricht dies nicht nur seinem Temperament als Südfranzose, sondern es gehört auch zu den Eigentümlichkeiten Zolas, daß er den Monolog dem Dialog vorzieht. Saccard liebt es manchmal, sich in Axiomen zu äußern, so sagt er, als es sich um das Gelingen eines Unternehmens handelt, in der Art einer Sentenz: „Jedes Gerücht ist gut, solange es Gerücht bleibt“. Er ist dafür, das Publikum zu amüsieren und rät Jantrou, in seine Börsenberichte „ein paar Witze“ [100] einzuflechten. Zola hätte die geistige Plattheit seiner Börsianer dadurch interessanter machen können, daß er ihnen die in ihren Kreisen landläufigen Regeln und Ideen in den Mund legt. Die Plattheit wäre dann zu ihrer charakteristischen Eigenschaft geworden und der Leser hätte ein richtige Urteil über die Intelligenz der Kapitalisten erhalten. Daran denkt er nicht. Saccard entwickelt nur eine Theorie, die des Spiels, der Spekulation:

Die Hoffnung auf einen tüchtigen Profit, eine Lotterie, die die Einlagen verzehnfacht, wenn sie sie nicht verschlingt,

ist es, was die Begehrlichkeit des Bourgeois entflammt und bewirkt, daß er sich von seinem geliebten Geld trennt, es den kleinen Schwindlern und Schuften der Finanzwelt anvertraut. Wie ohne Lust keine Kinder gezeugt werden würde, so wäre es ohne die Spekulation und von ihr entfachten menschlichen Leidenschaften, die den Menschen gefangennehmen und beherrschen, unmöglich gewesen, die Riesenkapitalien zusammenzuschweißen, deren die ökonomische und mit ihr die kulturelle Entwicklung bedurfte. Das Geld, dieser Unrat, wird zum Dünger, dem die Blüten der Zivilisation entsprießen; wenn das Geld dafür alles korrumpiert, so läßt es dafür das Laster fein duften – die Kokotten [101] und ihre Freunde sind die wohlriechendsten Geschöpfe der Welt. Das Geld erlaubt außerdem guten Seelen, wie der Fürstin d’Oviedo, deren Mann sich durch die schamlosesten Spekulationen bereichert hat, Wohltaten auszuteilen, arme, elende Kinder in prächtigen Asylen unterzubringen und mit Hemden und Süßigkeiten zu beschenken. [102] Dies sind – kurz zusammengefaßt – die tiefschürfenden Gedanken, die der Held in des Romans von Zola äußert, Gedanken, in deren Wiederholung sich Frau Caroline gefällt, und die Zola selbst voller Wohlbehagen mehrmals wiederkäut, um die Ideenarmut seines Werkes recht handgreiflich zu dokumentieren.

Sigismound Busch ist noch redseliger als Saccard, kann also noch mehr Unsinn quasseln und läßt es daran nicht fehlen. Zola wollte freilich in ihm einen außerordentlichen Menschen schildern:

Außer Französisch, seiner Muttersprache, heißt es von ihm, sprach er Deutsch, Englisch und Russisch.

Für den Franzosen, der nur eine Sprache, seine Muttersprache kennt, ist man nämlich bereits ein außergewöhnlicher Mensch, sobald man mehrere Sprache versteht.

„1849,“ wird weiter gesagt, „hatte er in Köln Karl Marx kennen und war der beliebteste Redakteur an seiner Neuen Rheinischen Zeitung geworden. Von dem Augenblick an stand seine Religion fest; er verkündete voll glühenden Glaubens den Sozialismus, denn er hatte sich mit Leib und Seele der Idee einer nahe bevorstehenden sozialen Erhebung verschrieben, den Armen und Erniedrigten das Glück bringen sollte“. [103]

Sigismond Busch war in regelmäßiger Korrespondenz mit seinem Lehrer geblieben, dessen Werke, vor allem Das Kapital“, das er als seine Bibel bezeichnete, er mit leidenschaftliche Eifer studiert. Nebenbei sei hier ein ganz amüsanter Bock, den Zola geschossen hat, erwähnt. Um besonders dokumentarisch zu sein, versichert er dem Leser, daß Das Kapital in gotischen Lettern gedruckt ist – sämtliche vier deutschen Ausgaben weisen lateinische Lettern auf. [104]

Sigismond Busch, Marx’ Schüler, hat offenbar Das Kapital ebensowenig gelesen hat, als es Zola aufgeschlagen hat. Sollte er es jedoch entgegen allem Anschein gelesen haben, so hat er aus der Lektüre nur einen äußerst geringen Nutzen gezogen. Wohl äußert er einige Ideen über die Zentralisation des Nationalreichtums und die Rolle der Börsenspekulanten,

die die Masse des Volkes expropriieren, und wenn ihr euch vollgestopft habt, brauchen wir unsererseits nur noch euch zu expropriieren. [105]

Wohl spricht er davon, daß das Geld aufhören wird, als Vermittler der Verteilung der Produkte zu dienen, wie dies schon heutzutage im Familienleben der Fall ist. Aber heute sind das bereits sozialistische Gemeinplätze, die seit zehn Jahren so abgedroschen worden sind, daß sie ihren Weg selbst in den harten Schädel der Philister gefunden haben und sogar von den Anarchisten wiederholt werden.

Aber diese Ideen sind doch wenigstens vernünftig; deshalb genügen sie in Zolas Augen nicht, um Sigismond Busch zum Sozialisten zu stempeln. Er hält es für notwendig, diesen angeblichen Schüler von Marx die Irrtümer Proudhons wiederholen zu lassen, die Marx doch gerade bekämpft hat: Dieser eifrige Leser des Kapital erblickt wie Proudhon den Vorboten des Verschwindens des Geldes aus dem Wirtschaftsleben der Nationen im Sinken des Zinssatzes, einem Umstand, der doch im Gegenteil beweist, daß sich das Geld stetig vermehrt. Dieser wissenschaftliche Sozialist ist voller Widersprüche, von denen sein Vater Zola keine Ahnung hat. Er erklärt, wie Marx und Engels unwiderleglich nachgewiesen haben, daß die gegenwärtige [106] Gesellschaft in ihrem Schoß die materiellen und geistigen Elemente für den Aufbau der kommunistischen Gesellschaft der Zukunft erzeugt. Gleichzeitig bringt er seine Nächte damit zu und reibt seine Kräfte damit auf, auszutüfteln, wie die künftige Gesellschaft organisiert ist, wie sie funktionieren muß. Er quält sich damit ab, im menschlichen Herzen die Triebkraft zu entdecken, die den indiviuellen Egoismus ersetzen wird, den die Konkurrenz, dieser Motor des Fortschrittes in der kapitalistischen Gesellschaft erzeugt und aufs Höchste entfaltet hat.

Busch ist ein eingefleischter Idealist, der keine Ahnung davon hat, daß Marx als Schüler Hegels [107] von dem ewigen Verwandlungsprozeß der sogenannten unwandelbaren Prinzipien überzeugt war, daß er über seinen Lehrer hinausging und nachwies, wie die Entstehung und Veränderung dieser Prinzipien im menschlichen Hirn in innigster Weise mit der Entwicklung der ökonomischen Verhältnisse verknüpft ist. Busch hingegen läßt nur die Gerechtigkeit, die einem im Leben zustehenden und ihm zurückeroberten Rechte als die unwandelbaren Prinzipien gelten, auf denen die neue soziale Organisation beruht.

Karl Marx nacheifernd, mit dem er in beständigem Briefwechsel stand,

verbrachte er seine Tage damit, diese Ordnung zu studieren, unaufhörlich die Gesellschaft von morgen auf dem Papier zu verändern und zu verbessern, riesige Bogen mit Zahlen zu bedecken und der Grundlage der Wissenschaft das komplizierte Grüst für das universelle Glück zu bauen. [108]

Kurz: Busch ist ein unklarer, verworrener Kopf, der zu phalansterischen und ikarischen Utopien [109] der Zeit vor 1848 zurückgreift, Zola hingegen stellt ihn als wissenschaftlichen Denker, als den Lieblingsschüler Marx’ hin, also eines Gelehrten, der der festen Überzeugung war, daß man einen sozialen Organismus ebensowenig wie ein Tier nach Belieben schaffen könne, daß hingegen die ökonomischen Verhältnisse die ihnen entsprechenden sozialen Formen erzeugen und entwickeln. Zola scheint in der Einbildung zu leben, Marx sei ein Erfinder von Romanen gewesen. Der „Sozialist“ Sigismond Busch verunstaltet Zolas Roman, er ist das Produkt einer unklaren Fantasterei.

Ein Werk wie L’argent, da sich hoch über das Niveau der gewöhnlichen Roman erhebt und sich kühn an die Aufgaben einer Darstellung und Analyse sozialer Phänomene heranwagt, sollte eine bestimmte Auffassung der Gesellschaft bieten. Es enthält nichts davon.

L’argent wird sich nicht des gleichen Erfolges wie Nana und L’assomoir erfreuen können, denn das Werk weist Vorzüge auf, die nur die Aufmerksamkeit jener Leser fesseln werden, die die Börsenwelt kennenlernen wollen. Umso schlimmer für das breite Publikum, wenn es diesen Roman nicht nach seinem wahren Wert zu schätzen versteht.

* * *

Heutzutage wird soviel von einer Wiedergeburt der Literatur gesprochen, daß jeder, der sich einfallen läßt, Romane oder Gedichte zu schreiben, sich in naiver Weise einbildet, eine neue Richtung, eine besondere Schule zu gründen. Dazu darf man wohl folgende Frage aufwerfen:

In einem folgenden Artikel werde ich versuchen, diese Frage zu beantworten. [111]

 

 

Anmerkungen

58. * Vorbild dieser Figur ist der Bankier James Rothschild (1792-1868), der die Geschäfte des Hauses in Paris leitete.

59. * Schilderung in Zola: Das Geld, 21ff., 134ff., 315ff.

60. * Figur aus Blazacs Roman Eugenie Grandet (Paris 1834).

61. * Honorè de Balzac: Eugenie Grandet, Hamburg 1952, 15

62. * Ebenda, 207 (Œuvres complètes, 5, 323).

63. * Ebenda, 242 (Œuvres complètes, 5, 344)

64. * Jules Grévy (1807-1891) war u.a. 1871-1873 Präsident der Nationalversammlung, 1876 Kammerpräsident und – nach dem Rücktritt des Staatspräsidenten Mac-Mahon 1879 der erste entschieden republikanische Präsident Frankreichs. 1887 mußte er wegen eines Finanzskandals zurücktreten.

65. * Le Père Goriot; in: Œuvres complètes, 9, 367 – Der Ausspruch Pulver und Kugeln sind im Krieg „ultima razo de reyes [das letzte Wort der Könige]“ stammt aus Calderons Stück In diesem Leben ist alles wahr und alles Lüge (1644); Ludwig XIV. wählte für seine Geschütze ab etwa 1650 die Aufschrift „ultima ratio regnum“, Friedrich der Große folgte ab 1742 mit der Kanonen-Inschrift „ultima ratio regis“.

66. * Lafargue stellte die in diesem Absatz niedergeschrieben Gedankengänge auch in der Satire Die Religion des Kapitals (London 1890 [Reprint: Wien 1992]) dar.

67. * Bei Zola heißt die Firma „Banque Universelle“.

68. * Paul Eugène Bontoux (1820-1904), Finanzspekulant.

69. * Illusions perdues; in: Œuvres complètes, 8, 257.

70. In Bel-ami (1885) schildert der Schriftsteller Guy de Maupassant (1850-1893) die Karriere des Journalisten George Duroy; er schuf damit den Archtyp des aalgatten und mit keinerlei Skrupeln ausgestatteten Parvenus.

71. Erst unlängst haben Portalis (*Édouard [1845-1918]), der Chefredakteur des XIXième siècle [Neunzehnten Jahrhunderts] eines angesehen Pariser Blattes, welches Abgeordnete und Stadträte zu seinen Mitarbeitern zählt, Marinoni (*Hippolyte [1823-1904]), der Administrator des Petit journal [Kleine Zeitung] und Charles Laurent, Stadtrat von Paris und Chefredakteur des Jour [Der Tag] ihre Schmutzwäsche vor dem Publikum gewaschen. In ihren Zeitungen und in Plakaten, die sowohl in Paris als auch in der Provinz affichiert wurden, bezeichneten sie sich gegenseitig als Gauner und Zuhälter, als käufliche Handlanger der Finanz. Der schamlos breitgetretene Schmutz erregte keinesfalls die Gemüter der übrigen Journalisten. Diese zitterten vielmehr bei dem Gedanken, in den Streit der drei rasenden Tollhäusler verwickelt zu werden, denn sie mußten dann fürchten, daß diese mit den gleichen Enthüllungen über sie selbst aufwarten würden. Das Petit journal, das aufgrund von Fakten bewies, daß Portalis von Secrétan, dem Administrator des Kupfersyndikates, mehrere hundertausend Francs erschwindelt und erpreßt hatte, verlangte seinen Ausschluß aus dem Journalistenverband. „Ich wette, daß sie das nicht tun werden“, war Portalis ganze Antwort, und trotz seiner Brandmarkung und Überführung gehört er nach wie vor der genannten noblen Bruderschaft an und verkehrt in intimster, kollegialer Weise mit den übrigen Pariser Journalisten. „Gleich und gleich gesellt sich gern“, heißt es im Sprichwort.

72. * Siehe dazu Zola: Das Geld, 170ff.

73. Im vergangenen Mai (*1890) sah sich die Regierung zu einer kleinen Konzession an die öffentliche Meinung gezwungen, und machte deshalb Anstalten, gegen die Administratoren des Panamaunternehmens, die den kleinen Sparern 1.500 Millionen Franc aus der Tasche gelockt hatten, die strafrechtliche Verfolgung einzuleiten. Der Abgeordnete Delahaye, der im Palais Bourbon die Compagnie angegriffen und behauptet hatte, sie könne nur über die Verwendung von 900 Millionen Franc Rechnung legen, die übrigen 600 Millionen müßten also verschleudert oder gestohlen worden sein – dieser Abgeordnete erklärte einem Reporter des Eclair [Blitz]: „Herr Ferdinand de Lesseps hat so geschickt das Parlament, die Presse und die Akademie zu seinen Mitschuldigen gemacht, daß er vor jeder gerichtlichen Verfolgung sicher ist. Niemand wird hingehen, um ihn am Kragen zu packen“. Lesseps hat eben jedermann gekauft, weshalb er auch „der große Franzose“ genannt wird. Nachdem es den Anschein gehabt hatte, er solle gerichtlich belangt werden, stellten die Gericht das Verfahren gegen ihn ein. Lesseps, seine Söhne und Helfershelfer genießen auch weiterhin im wohlverdienten Frieden die auf so mühselige und ehrenwerte Art erworbenen Millionen.

* Jules Delahaye (1851-1925), ein glühender Monarchist, zählte namentlich eine große Anzahl bestocherner Abgeordneter auf. Ferdinand de Lesseps (1805-1894) hatte 1859-1869 den Suezkanal errichtet. Lafargue hat sich in der Folge ausführlich in dem Artikel Der Panama-Skandal (in: Neue Zeit, XI/1 [1892-1893], 396ff.) mit seinen Betrügereien auseinandergesetzt.

74. Jantrou, der im Dienst der Finanz stehende Journalist, der im L’argent vorkommt, hatte „die Worte 'Kaufen Sie Universelle-Aktien' auf die verschwiegensten und heikelsten Körperstellen gefälliger Damen tätowieren lassen, um sie zu verbreiten“ (Zola: Das Geld, 370; ähnlich auf Seite 267).

75. * Henri de La Tour d’Auvergne Vicomte de Turenne (1611-1675) war französischer Marschall und Militärtheoretiker.

76. * Verkauf von Wertpapieren durch feste Übernahme dieser Wertpapiere durch eine Bank.

77. * Der Vertreter eines kritisch-utopischen Sozialismus Claude Henri de Ruvroy Comte de Saint Simon (1760-1825) propagierte die Aufhebung der Ausbeutung in einem von Banken zentralistisch organisierten Leistungssystem. Nicht wenige seiner Anhänger machten ihr Glück als Organisatoren des Kredit- und Bankwesens.

78. * Oder besser von den Saint-Simonisten entlehnt, da der Begriff „universelle Assoziation“ usw. bei Saint Simon nicht vorkommt (vgl. The doctrine of Saint-Simon, hrsgg. von George G. Iggers, Boston 1958, 58; über die Finanzgeschäfte der Saint-Simonisten siehe: ebenda, XXV).

79. * Im deutschen Text „Mechanismen“, vermutlich daher in diesem Zusammenhang unzutreffende Übersetzung des Begriffs „mechanisme“.

80. * Johannes 11, 1-44

81. * Lafargue hat darüber eine eigene Studie Die ökonomische Funktion der Börse – Ein Beitrag zur Wertheorie verfaßt (Neue Zeit, XV/1 [1896-97], 612ff., 645ff.).

82. * Zola: Das Geld, 129ff.

83. * Salomon Rothschild (1774-1855), Bankier, Bruder von Meyer Amschel Rothschild (1743-1812), Repräsentant der Familie in Wien.

84. * Nathan Rothschild (1777-1836), Bankier, Bruder von Meyer Amschel Rothschild (1743-1812), Repräsentant der Familie in Manchester.

85. * Im deutschen Text „Krähen“.

86. * Die „Naßfüßler“ werden in Zola: Das Geld, 41ff. nur kurz erwähnt.

87. * Siehe zum Folgenden ebenda, 184 ff.

88. * Zola: Das Geld, 468.

89. * Ebenda, 473.

90. * Ebenda, 91ff.

91. * Ebenda, 276

92. * Ebenda, 306ff.

93. * Im deutschen Text wird „débrouillards“ auf Französisch in den Text eingefügt und als Erklärung auf das Verb „débrouiller = entwirren, herauswickeln“ verwiesen.

94. * Charles Fourier (1772-1837), Vertreter des utopischen Sozialismus in Frankreich.

95. Paul Alexis ist ein gefährlicher Freund. Als man Zola vorwarf, daß er den Künstlern, die er in seinem Roman L’Œuvre [In der Werkstatt der Kunst] vorführt absolut keinen Geist verliehen habe, wollte Paul Alexis, der im Cri du peuple [*Ruf des Volkes] unter dem Pseudonym Prublot schrieb, die Ehre seine Ideals rächen und deshalb antwortete er: „Glaubt man wirklich, daß die Künstler und Schriftsteller so viel Geist und guten Humor besitzen? Man nehme zum Beispiel mich. Ich bin nicht oft amüsant und nicht alle Tage geistreich!“ Der Schüler erinnert an den „maître“.

96. * Über das Verhältnis Zolas zum Impressionismus siehe seine Schriften zur Kunst – Die Salons von 1866-1896 (Frankfurt 1988).

97. * Der Bruder des schon erwähnten „Spekulanten der Gosse“.

98. * An einer anderen Stelle nennt Zola Caroline eine „Gelehrte und Philosophin“ (Das Geld, 89).

99. * Ebenda, 237. Diese Übersetzung verwendet statt „verschwenden“, wie jetzt im Text eingebaut, entgegen dem französischen Original den Begriff „verwenden“.

100. * Ebenda, 267.

101. * Bezeichnung für die Kurtisanen der „Belle epoque“ (von franz. cocotte = Hühnchen).

102. * Zola: Das Geld, 70ff.

103. * Ebenda, 50

104. * Zola datiert auch Marx‘ Aufenthalt in Frankreich völlig falsch (vgl. Freville, 208).

105. * Ebenda, 55

106. * Im deutschen Text „gegenseitige“.

107. * Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) war der Repräsentant der klassischen deutschen idealistischen Philosophie.

108. * Zola: Das Geld, 53

109. * Charles Fourier wollte seine utopischen Gesellschaft nach dem Vorbild der römischen Schlachtordnung in „Phalanstères“ organsieren; der Frühsozialist Éugene Cabet (1788-1856) nannte seine kommunistische Utopie und die später von ihm in Amerika gegründete Kolonie „Ikarien“.

110. Zola selbst kann die Gattung nicht angegeben, der seine besten Romane (Germinal, La terre, Au bonheur des dames, Pot-bouille, L’argent) angehören. Die Bezeichnung als „naturalistische“, „realistische“, „experimentelle“ und „dokumentarische“ Romane, die er seinen Werken der Reihe nach beigelegt hat, sind nicht präzise genug und können ohne Unterschied auch auf Romane verwendet werden, die mit seinen nicht die geringste Ähnlichkeit haben.

111. * Dieser Artikel ist nie erschienen. Es ist fraglich, ob er jemals geschrieben wurde, da Lafargue die Muße zur Arbeit an L’argent einem Gefängnisaufenthalt in Sainte-Pélagie verdankte. Im Oktober 1891 zum Abgeordneten gewählt wurde er jedoch entlassen und stürzte sich in die tagespolitische Arbeit. Bei verschiedenen Veröffentlichungen (z.B. in Paul Lafargue: Vom Ursprung der Ideen – Ausgewählte Schriften, Dresden o.J., 172ff.) haben sich die Herausgeber(innen) beholfen, indem sie den letzten Satz des Textes kommentarlos gestrichen haben.

 


Zuletzt aktualisiert am 16.8.2004