(/14. Allgemeine Charakteristik der Polemik gegen Smith' Unterscheidung von produktiver und unproduktiver Arbeit/)

Die meisten Schriftsteller, die gegen Smith' produktive und unproduktive Arbeit angekaempft, betrachten die Konsumtion als notwendigen Stachel der Produktion, und daher sind ihnen selbst fuer den materiellem Reichtum die salaries, die von der Revenue leben, die unproduktiven Arbeiter, deren Ankauf nicht Reichtum produziert, sondern deren Ankauf selbst neue Konsumtion des Reichtums ist, ebenso produktiv als die produktiven Arbeiter, indem sie das field of material consumption388 erweitern und damit das field of production389. Dies war also groesstenteils Apologie vom buergerlichen oekonomischen Standpunkt, teils fuer die riches oisifs390 und die "travailleurs improductifs", deren Dienste sie konsumieren, teils fuer "des gouvernements forts"391, die grosse Ausgaben machen, fuer Vermehrung der Staatsschulden, fuer Pfruender in Kirche und Staat, Sinekuristen etc. Denn diese "travailleurs improductifs" -- deren Dienste unter den Ausgaben der riches oisifs figurieren -- haben alle das gemein, dass, wenn sie "des produits immateriels" produzieren, sie "des produits materiels" konsumieren, also Produkte der produktiven Arbeitcr.

Andre Oekonomen, wie Malthus, lassen die Unterscheidung zwischen travailleurs productifs und improductifs zu, beweisen aber dem capitaliste industriel, dass die letztern ihm ebenso notwendig, selbst zur Produktion des materiellen Reichtums, sind wie die erstern.

Es nuetzt hier nichts, weder die Phrase, dass Produktion und Konsumtion identisch oder dass die Konsumtion der Zweck aller Produktion oder dass Produktion die Voraussetzung aller Konsumtion ist. Was -- abgesehn von der Tendenz -- dem ganzen Streit zugrunde liegt, ist vielmehr das.

Die Konsumtion des Arbeiters im Durchschnitt nur gleich seinen Produktionskosten, nicht gleich seiner Produktion. Das ganze Surplus also produziert er fuer andre, und so ist dieser ganze Teil seiner Produktion Produktion fuer andre. Der industrielle Kapitalist ferner, der den Arbeiter zu dieser Ueberproduktion (d.h. Produktion ueber seine eignen Lebensbeduerfnisse hinaus) treibt und alle Mittel anspannt, um sie moeglichst zu steigern, diese relative Ueberproduktion im Gegensatz zur notwendigen Produktion zu steigern, eignet sich unmittelbar das Surplusprodukt an. Aber er als personifiziertes Kapital produziert der Produktion wegen, will die Bereicherung der Bereicherung wegen. Soweit er blosser Funktionaer des Kapitals, also Traeger der kapitalistischen Produktion ist, ist es ihm um den Tauschwert zu tun und dessen Vermehrung, nicht um den Gebrauchswert und die Vermehrung seiner Groesse. Es ist ihm um die Vermehrung des abstrakten Reichtums zu tun, steigende Aneignung fremder Arbeit. Er ist ganz von demselben absoluten Bereicherungstrieb beherrscht wie der Schatzbildner, nur dass er ihn nicht in der illusorischen Form der Bildung goldner und silberner Schaetze befriedigt, sondern in der Kapitalbildung, die wirkliche Produktion ist. Ist die Ueberproduktion des Arbeiters Produktion fuer andre, so die Produktion des normalen Kapitalisten, des industriellen Kapitalisten, wie er sein soll, Produktion um der Produktion willen. Je mehr sein Reichtum waechst, faellt er zwar hinter dies Ideal und wird selbst verschwenderisch, schon zur Schaustellung des Reichtums. Aber es ist stets geniessender Reichtum mit boesem Gewissen, mit dem Hinterhalt der Oekonomie und der Berechnung. Er bleibt trotz aller Verschwendung, wie der Schatzbildner, essentiellement392 geizig.

Wenn Sismondi sagt, dass die Entwicklung der Produktivkraefte der Arbeit den Arbeiter zu immer groesseren Genuessen befaehigt, dass aber diese Genuesse selbst, wenn sie ihm wuerden, ihn zur Arbeit (als Lohnarbeiter) disqualifizieren wuerden </Sismondi sagt:

"Durch den Fortschritt der Industrie und Wissenschaft kann jeder Arbeiter jeden Tag viel mehr produzieren, als zu seiner notwendigen Konsumtion erheischt ist. Aber zu gleicher Zeit, wo seine Arbeit den Reichtum produziert, wuerde der Reichtum, waere er berufen, ihn zu konsumieren, ihn zur Arbeit wenig geeignet machen." ("Nouv. Princ.", t. I, p. 85.)/>,

so ist es nicht minder richtig, dass der industrielle Kapitalist mehr oder minder zu seiner Funktion unfaehig wird, sobald er selbst den geniessenden Reichtum vorstellt, sobald er Akkumulation der Genuesse statt des Genusses der Akkumulation will.

Er ist also ebenfalls ein Produzent von Ueberproduktion, Produktion fuer andre. Dieser Ueberproduktion auf der einen Seite muss die Ueberkonsumtion auf der andern, der Produktion um der Produktion wegen, die Konsumtion um der Konsumtion wegen gegenuebertreten. Was der industrielle Kapitalist an Grundrentner, Staat, Staatsglaeubiger, Kirche usw., die bloss Revenue verzehren, abgeben muss, //408/ vermindert absolut seinen Reichtum, erhaelt aber seinen Bereicherungstrieb fluessig und erhaelt so seine kapitalistische Seele. Wuerden die Grundrentner, Geldrentner etc. ihre Revenue ebenfalls in produktiver statt in unproduktiver Arbeit verzehren, so waere der Zweck ganz verfehlt. Sie wuerden selbst industrielle Kapitalisten, statt die Funktion der Konsumtion als solche darzustellen. Wir werden ueber diesen Punkt spaeter eine hoechst komische Polemik zwischen einem Ricardian und einem Malthusianer besichtigen.393

Weil Produktion und Konsumtion unzertrennlich an sich sind, daraus folgt, dass, da sie faktisch im System der kapitalistischen Produktion getrennt sind, ihre Einheit sich durch ihren Gegensatz herstellt, dass, wenn A fuer B produzieren, B fuer A konsumieren muss. Wie man bei jedem einzelnen Kapitalisten findet, dass er pour sa part394 Verschwendung auf seiten derer will, die einmal copartners395 seiner Revenue sind, so beruht das ganze aeltre Merkantilsystem auf der Idee, dass eine Nation fuer sich selbst frugal sein, aber den Luxus fuer fremde geniessende Nationen produzieren muss. Es ist hier immer die Idee: Produktion fuer die Produktion auf der einen Seite, daher Konsumtion fremder Produktion auf der andren. Diese Idee des Merkantilsystems u.a. ausgedrueckt in Dr. Paley, "Moral Philosophy", vol. II, ch. XI396:

"Ein genuegsames und arbeitsames Volk verwendet seine Taetigkeit dazu, die Nachfrage einer reichen, dem Luxus ergebenen Nation zu befriedigen."

"Sie" (nos politiques397, Garnier etc.), sagt Destutt, "stellen als allgemeines Prinzip auf, dass die Konsumtion die Ursache der Produktion ist, dass es also gut sei, wenn sie stark ist. Sie behaupten, dass gerade dies einen grossen Unterschied zwischen der gesellschaftlichen und der privaten Oekonomie bewirke." (l.c. p. 249, 250.)

Gute Phrase noch:

"Die armen Nationen sind die, wo das Volk gut dran ist, und die reichen Nationen sind die, wo es gewoehnlich arm ist." (l.c. p. 231.)

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