(/6. Problem der Krisen (Einleitende Bemerkungen). Zerstoerung von Kapital durch Krisen/)

Die Surplusproduktion des konstanten Kapitals vorausgesetzt -- d.h. groessre Produktion als zum Ersatz des alten Kapitals, also auch zur Produktion der alten Quantitaet Lebensmittel noetig -- , hat die Surplusproduktion oder Akkumulation in den Sphaeren, die Maschinerie, Rohstoffe etc. verarbeiten, keine weitre Schwierigkeit. Ist die noetige Surplusarbeit vorhanden, so finden sie dann auf dem Markt alle Mittel zu neuer Kapitalbildung, zur Verwandlung ihres Surplusgelds in neues Kapital vor.

Aber der ganze Prozess der Akkumulation loest sich zunaechst in Surplusproduktion auf, die einerseits dem natuerlichen Wachstum der Bevoelkerung entspricht, anderseits eine immanente Basis zu den Erscheinungen bildet, die sich in den Krisen zeigen. Das Mass dieser Surplusproduktion ist das Kapital selbst, die vorhandne Stufenleiter der Produktionsbedingungen und der masslose Bereicherungs-, Kapitalisationstrieb der Kapitalisten, keineswegs die Konsumtion, die von vornherein gebrochen ist, da der groesste Teil der Bevoelkerung, die Arbeiterbevoelkerung, nur innerhalb sehr enger Grenzen ihre Konsumtion erweitern kann, anderseits im selben Masse, wie der Kapitalismus sich entwickelt, die Nachfrage nach Arbeit relativ abnimmt, obgleich sie absolut waechst. Es koemmt hinzu, dass die Ausgleichungen alle zufaellige und die Proportion in der Anwendung der Kapitalien in den besondren Sphaeren zwar durch einen bestaendigen Prozess sich ausgleicht, die Bestaendigkeit dieses Prozesses selbst aber ebensosehr die bestaendige Disproportion voraussezt, die er bestaendig, oft gewaltsam auszugleichen hat.

Wir haben hier bloss die Formen zu betrachten, die das Kapital in seinen verschiednen Fortentwicklungen durchmacht. Es sind also die reellen Verhaeltnisse nicht entwickelt, innerhalb deren der wirkliche Produktionsprozess vorgeht. Es wird immer unterstellt, dass die Ware zu ihrem Wert verkauft wird. Die Konkurrenz der Kapitalien wird nicht betrachtet, ebensowenig das Kreditwesen, ebensowenig die wirkliche Konstitution der Gesellschaft, die keineswegs bloss aus den Klassen der Arbeiter und industriellen Kapitalisten besteht, wo also Konsumenten und Produzenten nicht identisch, die erstere Kategorie (deren Revenuen zum Teil sekundaere, vom Profit und Salair abgeleitete, keine primitiven sind) der Konsumenten viel weiter ist als die zweite, und daher die Art, wie sie ihre Revenue spendet, und der Umfang der letztren sehr grosse Modifikationen im oekonomischen Haushalt und speziell im Zirkulations- und Reproduktionsprozesse des Kapitals hervorbringt. Indes, wie wir schon bei Betrachtung des Gelds52 fanden, sowohl soweit es ueberhaupt von der Naturalform der Ware verschiedne Form, als in seiner Form als Zahlungsmittel, dass es die Moeglichkeit von Krisen einschliesst, so ergibt sich das noch mehr bei der Betrachtung der allgemeinen Natur des Kapitals, ohne dass noch die weiteren realen Verhaeltnisse entwickelt, die alle Voraussetzungen des wirklichen Produktionsprozesses bilden.

//XIII-705/ Die von Ric(/ardo/) adoptierte (eigentlich (/James/) Mill gehoerige) Ansicht des faden Say (worauf wir bei Besprechung dieses Jammermenschen zurueckkommen), dass keine Ueberproduktion moeglich oder wenigstens no general glut of the market53, beruht auf dem Satz, dass Produkte gegen Produkte ausgetauscht werden54 oder, wie Mill es hatte, auf dem "metaphysischen Gleichgewicht der Verkaeufer und Kaeufer"55, (/was/) weiter entwickelt (/wurde zu/) der nur durch die Produktion selbst bestimmten Nachfrage oder auch der Identitaet von demand und offer56. Derselbe Satz auch in der namentlich von Ric(/ardol beliebten Form, dass any amount of capital57 in jedem Land kann be employed productively58.

"Say", sagt Ric(/ardo/), ch. XXI "Effects of Accumulation on profits and interest", "hat ... in durchaus zufriedenstellender Weise gezeigt, dass es keine Kapitalsumme gibt, die nicht in einem Lande verwendet werden kann, da die Nachfrage nur durch die Produktion beschraenkt wird. Niemand produziert, ausser mit der Absicht zu konsumieren oder zu verkaufen, und er verkauft niemals, ausser um eine andere Ware zu kaufen, die ihm entweder nuetzlich sein kann oder zur kuenftigen Produktion beizutragen vermag. Durch Produzieren wird er also notwendigerweise entweder Konsument seiner eigenen Ware oder Kaeufer und Konsument der Waren jemandes anderen. Man kann nicht annehmen, dass er fuer laengere Zeit ueber die Waren falsch unterrichtet sein wird, die er mit groesstem Vorteil produzieren kann, um das ins Auge gefasste Ziel zu erreichen, naemlich den Besitz anderer Waren. Es ist daher nicht wahrscheinlich, dass er dauernd" (es handelt sich hier ueberhaupt nicht um das ewige Leben) "eine Ware produzieren wird, fuer die es keine Nachfrage gibt." (p. 339, 340.)

Ricardo, der ueberall konsequent zu sein bestrebt, findet, dass seine Autoritaet Say ihm hier einen Possen spielt. Er bemerkt in einer Note zu der oben zitierten Stelle:

"Steht das Folgende voellig im Einklang mit Say's Prinzip? "In je groesserem Masse verfuegbare Kapitalien im Verhaeltnis zum Umfang ihrer Anlagemoeglichkeit ueberschuessig sind, desto mehr wird die Zinsrate fuer Kapitalausleihungen sinken." (Say, vol. II, p. 108.) Wenn Kapital beliebigen Umfangs in einem Land angelegt werden kann, wie kann man sagen, dass es im Vergleich mit den dafuer vorhandenen Anlagemoeglichkeiten ueberschuessig sei." (l.c. p. 340, Note.)

Da Ric(/ardo/) sich auf Say beruft, werden wir spaeter Says Saetze bei diesem Humbug selbst kritikieren.

Hier vorlaeufig nur: Bei der Reproduktion, ganz wie bei der accumulation of capital, handelt es sich nicht nur darum, dieselbe Masse Gebrauchswerte, aus denen das Kapital besteht, auf ihrer alten Stufenleiter oder auf einer erweiterten (bei der Akkumulation) zu ersetzen, sondern den Wert des vorgeschossnen Kapitals mit der gewoehnlichen Profitrate (Mehrwert) zu ersetzen. Sind also durch irgendeinen Umstand oder Kombination von Umstaenden die Marktpreise der Waren (aller oder der meisten, was ganz gleichgueltig ist) tief unter ihre Kostenpreise gefallen, so wird einerseits die Reproduktion des Kapitals moeglichst kontrahiert. Noch mehr aber stockt die Akkumulation. In der Form von Geld (Gold oder Noten) aufgehaeufte surplus value wuerde nur mit Verlust in Kapital verwandelt. Sie liegt daher brach als Schatz in den Banken oder auch in der Form von Kreditgeld, was gar nichts an der Sache selbst aendert. Dieselbe Stockung koennte aus umgekehrten Ursachen eintreten, wenn die realen Voraussetzungen der Reproduktion fehlten (wie bei Getreideteurung oder weil nicht genug konstantes Kapital in natura aufgehaeuft worden). Es tritt eine Stockung in der Reproduktion ein, darum in dem Fluss der Zirkulation. Kauf und Verkauf setzen sich gegeneinander fest, und unbeschaeftigtes Kapital erscheint in der Form von brachliegendem Geld. Dasselbe Phaenomen (und dies geht meist den Krisen vorher) kann eintreten, wenn die Produktion des Surpluskapitals sehr rasch vorgeht und seine Rueckverwandlung in produktives Kapital die Nachfrage nach allen Elementen desselben so steigert, dass die wirkliche Produktion nicht Schritt halten kann, daher die Preise aller Waren, die in die Bildung des Kapitals eingehn, steigen. In diesem Fall sinkt der Zinsfuss sehr, so sehr der Profit steigen mag, und dies Sinken des Zinsfusses fuehrt dann zu gewagtesten spekulativen Unternehmungen. Die Stockung der Reproduktion fuehrt zur Abnahme des variablen Kapitals, (/zum/) Fallen des Arbeitslohns und Fallen der angewandten Masse Arbeit. Diese ihrer seits reagiert von neuem auf die Preise und fuehrt neuen Fall derselben herbei.

Es ist nie zu vergessen, dass es sich bei der kapitalistischen Produktion nicht direkt um Gebrauchswert, sondern um Tauschwert handelt und speziell um Vermehrung des Surpluswerts. Dies ist das treibende Motiv der kapitalistischen Produktion, und es ist eine schoene Auffassung, die, um die Widersprueche der kapitalistischen Produktion wegzuraesonieren, von der Basis derselben abstrahiert und sie zu einer Produktion macht, die auf unmittelbare Konsumtion der Produzenten gerichtet ist.

Ferner: Da der Zirkulationsprozess des Kapitals kein Tagesleben fuehrt, sich vielmehr ueber laengere Epochen erstreckt, bevor die Rueckkehr des Kapitals zu sich stattfindet, da diese Epoche aber zusammenfaellt mit der Epoche, worin sich die Marktpreise //706/ zu den Kostenpreisen ausgleichen, da waehrend dieser Epoche grosse Umwaelzungen und changes im Markt vorgehn, da grosse changes in der Produktivitaet der Arbeit, daher auch im realen Wert der Waren vorgehn, so ist sehr klar, dass vom Ausgangspunkt -- dem vorausgesetzten Kapital -- bis zu seiner Rueckkehr nach einer dieser Epochen grosse Katastrophen stattfinden und Elemente der Krise sich anhaeufen und entwickeln muessen, die mit der armseligen Phrase, dass Produkte gegen Produkte sich austauschen, in keiner Weise beseitigt werden. Das Vergleichen des Werts in einer Epoche mit dem Wert derselben Waren in einer spaetren Epoche, was Herr Bailey59 fuer eine scholastische Einbildung haelt, bildet vielmehr das Grundprinzip des Zirkulationsprozesses des Kapitals.

Wenn von Zerstoerung von Kapital durch Krisen die Rede ist, so ist zweierlei zu unterscheiden.

Insofern der Reproduktionsprozess stockt, der Arbeitsprozess beschraenkt wird oder stellenweise ganz stillgesetzt, wird wirkliches Kapital vernichtet. Die Maschinerie, die nicht gebraucht wird, ist nicht Kapital. Die Arbeit, die nicht exploitiert wird, ist soviel (/wie/) verlorne Produktion. Rohmaterial, das unbenutzt daliegt, ist kein Kapital. Gebaeulichkeiten, die entweder unbenutzt bleiben (ebenso wie neugebaute Maschinerie) oder unvollendet bleiben, Waren, die verfaulen im Warenlager, alles dies ist Zerstoerung von Kapital. Alles das beschraenkt sich auf Stockung des Reproduktionsprozesses und darauf, dass die vorhandnen Produktionsbedingungen nicht wirklich als Produktionsbedingungen wirken, in Wirksamkeit gesetzt werden. Ihr Gebrauchswert und ihr Tauschwert geht dabei zum Teufel.

Zweitens aber meint Zerstoerung des Kapitals durch Krisen Depreziation von Wertmassen, die sie hindert, spaeter wieder ihren Reproduktionsprozess als Kapital auf derselben Stufenleiter zu erneuern. Es ist der ruinierende Fall der Warenpreise. Damit werden keine Gebrauchswerte zerstoert. Was der eine verliert, gewinnt der andre. Als Kapitalien wirkende Wertmassen werden verhindert, in derselben Hand sich als Kapital zu erneuern. Die alten Kapitalisten machen bankrutt. War der Wert ihrer Waren, aus deren Verkauf sie ihr Kapital reproduzieren, = 12000 l., wovon etwa 2000 l. Profit, und sinken sie zu 6000 l., so kann dieser Kapitalist weder seine kontrahierten Obligationen zahlen, noch, wenn er selbst keine haette, mit den 6000 l. das Geschaeft auf demselben Massstab wieder beginnen, da die Warenpreise wieder auf ihre Kostenpreise steigen. Es ist so Kapital fuer 6000 l. vernichtet, obgleich der Kaeufer dieser Waren, da er sie zu der Haelfte ihres Kostenpreises erstanden, bei wieder auflebendem Geschaeft sehr gut vorangehn und selbst profitiert haben kann. Ein grosser Teil des nominellen Kapitals der Gesellschaft, i.e. des Tauschwerts des existierenden Kapitals, ist ein fuer alle mal vernichtet, obgleich grade diese Vernichtung, da sie den Gebrauchswert nicht trifft, die neue Reproduktion sehr foerdern mag. Es ist dies zugleich Epoche, wo das monied interest60 auf Kosten des industrial interest61 sich bereichert. Was nun den Fall von bloss fiktivem Kapital, Staatspapieren, Aktien etc. betrifft -- so -- soweit er es nicht zum Bankrutt des Staats und der Aktiengesellschaft treibt, soweit dadurch nicht ueberhaupt die Reproduktion gehemmt wird, insofern dadurch der Kredit industrieller Kapitalisten, die solche Papiere halten, erschuettert wird --, ist es bloss Uebertragung des Reichtums von einer Hand in die andre und wird im ganzen guenstig auf die Reproduktion wirken, sofern die Parvenues, in deren Hand diese Aktien oder Papiere wohlfeil fallen, meist unternehmender sind als die alten Besitzer.

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