Paul Mattick


Über den Begriff des Staatsmonopolistischen Kapitalismus

(Mai 1973)


Aus: Links - Sozialistische Zeitung, Offenbach/M, Mai 1973, Nr. 33, S. 10-12.
Transkription/HTML-Markierung: Thomas Schmidt für das Marxists’ Internet Archive.



„Monopol“ und „Konkurrenz“

Bei dem Begriff staatsmonopolistischer Kapitalismus handelt es sich zunächst nur um eine korrekte Beschreibung des existierenden Gesellschaftszustandes. Der Kapitalismus ist mit Monopolen durchsetzt und wird zum großen Teil durch diese bestimmt. Der Staat, der die Gesellschaftsstruktur zu schützen hat, ist damit der Staat des monopolistischen Kapitals. Aber es handelt sich dabei nicht um eine vollständige gesellschaftliche Neuerscheinung, sondern um einen Zustand, der den Kapitalismus, wenn auch in weniger ausgeprägter Form, von jeher kennzeichnete. Nach Marx, der uns die beste Analyse des Kapitalismus gegeben hat, setzt die kapitalistische Konkurrenz selbst das Monopol voraus, nämlich das kapitalistische Monopol über die Produktionsmittel. Die sich daraus ergebenden antagonistischen Klassenverhältnisse bedürfen der Staatsgewalt, die zugleich die nationalen Interessen des Kapitals innerhalb der internationalen Konkurrenz vertritt. Ein reiner Konkurrenzkapitalismus existierte ohnehin nur in der Phantasie und den Modellen der bürgerlichen Ökonomie. Aber auch hier sprach man von natürlichen Monopolen und monopolistischen Preisen. Obwohl den Marktgesetzen nicht unterworfen, wären die Monopole doch außerstande, diese Gesetze wesentlich zu beeinträchtigen.

Erst spät, durch die Monopolisierung ganzer Industriezweige, sah sich auch die bürgerliche Ökonomie gezwungen, den Tatbestand der herrschenden, unvollkommenen oder monopolistischen Konkurrenz in ihre Theorien einzubeziehen und auf die monopolistischen Modifikationen des Marktes einzugehen.

Was für die bürgerliche Ökonomie eine theoretische Wendung darstellte, war in der Marxschen Kapitalanalyse eine der kapitalistischen Akkumulation von jeher innewohnende Entwicklungstendenz. Die Konkurrenz der Kapitale führt zu ihrer Konzentration und Zentralisation. Aus der Konkurrenz ergibt sich das Monopol, wie aus dem Monopol die monopolistische Konkurrenz. Auch der Staat spielte in der Marxschen Theorie stets eine größere Rolle, als es die bürgerliche Welt selbst wahrhaben wollte nicht nur als Unterdrückungsapparat, sondern auch als Wegbereiter und Stütze der kapitalistischen Expansion. So ist gegen den Begriff staatsmonopolistischer Kapitalismus nichts einzuwenden, obwohl er nicht mehr besagt als Kapitalismus schlechthin. Man kann allerdings verschiedene Entwicklungsstufen der Monopolisierung und der staatlichen Einwirkung auf die Wirtschaft unterscheiden. Die Entwicklung des Kapitalismus läßt sich so auch als seine Ausbildung zum staatsmonopolistischen Kapitalismus darstellen und die Frage aufwerfen, was sich daraus für die Gegenwart und die nächste Zukunft ergibt. Und dies ist der Punkt, wo die besondere Betonung des staatsmonopolistischen Charakters des gegenwärtigen Kapitalismus ihre Bedeutung gewinnt. Die kapitalistische Akkumulation hat nicht nur die Tendenz der fortschreitenden gesellschaftlichen Klassenscheidung in Arbeit und Kapital, sondern auch die der zunehmenden Konzentration und Zentralisation der Verfügungsgewalt über das sich vermehrende Kapital. „Ein Kapital schlägt viele tot“; was die Konzentration mittels der Konkurrenz nicht zu erreichen vermag, gelingt der bewußten Zentralisierung auf dem Wege der Vertrustung, Kartellierung und Monopolisierung. So befindet sich der Kapitalismus in dauernder Veränderung, auf der Basis der kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisse. Für Marx war der Verfall des Kapitalismus schon in seinem Aufstieg eingeschlossen. Dieselben gesellschaftlichen Verhältnisse, die seine Expansion ermöglichten, bestimmten auch seinen Niedergang. Die Akkumulation des Kapitals war ein von Krisen durchsetzter Prozeß.

Unter den Bedingungen eines entwickelten Kapitalismus, in dem die Arbeiterschaft die ausschlaggebende Klasse bildete, bot jede große Krise die Möglichkeit der sozialen Revolution. Sieht man jedoch von der Möglichkeit einer revolutionären Lösung der kapitalistischen Widersprüche ab, so ergibt sich aus der kapitalistischen Entwicklungstendenz, trotz und mittels aller Rückschläge in den Krisenperioden, die zunehmende Monopolisierung der nationalen Wirtschaft und die sich verschärfende internationale monopolistische Konkurrenz.

„Monopol“ und „Sozialismus“

Diese Entwicklung wurde oft für eine sich objektiv vollziehende Vorbereitung des Sozialismus angesehen. Mit dem Übergang von der Konkurrenz zum Monopol, den durch die Akkumulation, Konzentration und Zentralisation hervorgebrachten großen Kapitaleinheiten, wandelte sich kapitalistisches Privateigentum an den Produktionsmitteln in das kollektive Eigentum der Aktiengesellschaften und großen Konzerne um, in denen die Leitungen der Unternehmen nicht mehr mit deren Eigentümern zusammenfallen. Für Marx war

„dies die Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise selbst, und daher ein sich selbst aufhebender Widerspruch, der prima facie als bloßer Übergangspunkt zu einer neuen Produktionsform sich darstellt. Er stellt in gewissen Sphären das Monopol her und fordert damit die Staatseinmischung heraus. Er reproduziert eine neue Finanzaristokratie, eine neue Sorte Parasiten in Gestalt von Projektemachern, Gründern und bloß nominellen Direktoren; ein ganzes System des Schwindels und Betrugs mit Bezug auf Gründungen, Aktienausgabe und Aktienhandel. Es ist Privatproduktion ohne die Kontrolle des Privateigentums.“ (Das Kapital, Bd. 3, MEW 25, S. 454).

War dieser Zustand ein Ausdruck des sich vollziehenden kapitalistischen Verfalls, so schrieb ihm Friedrich Engels auch eine positive Seite zu, nämlich die der Kapitulation der planlosen kapitalistischen Produktion vor der planmäßigen Produktion der sozialistischen Gesellschaft. Seiner Ansicht nach handelt es sich hier um einen „Gegendruck der gewaltig anwachsenden Produktivkräfte gegen ihre Kapitaleigenschaft“ und um einen „steigenden Zwang zur Anerkennung ihrer gesellschaftlichen Natur, der die Kapitalistenklasse selbst nötigt, mehr und mehr, soweit dies innerhalb des Kapitalverhältnisses überhaupt möglich, sie als gesellschaftliche Produktivkräfte zu behandeln.“ Engels ist sich allerdings darüber klar, daß „weder die Verwandlung in Aktiengesellschaften noch die in Staatseigentum, die Kapitaleigenschaft der Produktivkräfte auflöst“. Bei den Aktiengesellschaften ist dies offensichtlich, und was den Staat anbetrifft:

„je mehr Produktivkräfte er in sein Eigentum übernimmt, desto mehr wird er wirklicher Gesamtkapitalist, desto mehr Staatsbürger beutet er aus. Die Arbeiter bleiben Lohnarbeiter, Proletarier. Das Kapitalverhältnis wird nicht aufgehoben, es wird vielmehr auf die Spitze getrieben. Aber auf der Spitze schlägt es um. Das Staatseigentum an den Produktivkräften ist nicht die Lösung des Konflikts, aber es birgt in sich das formelle Mittel, die Handhabe der Lösung“. Indem die kapitalistische Produktionsweise „auf Verwandlung der großen, vergesellschafteten Produktionsmittel in Staatseigentum drängt, zeigt sie selbst den Weg zur Vollziehung dieser Umwälzung.“ (Anti-Dühring, MEW 20, S. 260)

Ist die Monopolisierung und Verstaatlichung der Wirtschaft bei Engels noch ein von Krisen begleiteter Prozeß, so nehmen sie bei Hilferding einen die Krisen ausschaltenden Charakter an, womit das Problem des Sozialismus zu einem rein politischen wird. Obwohl! durch die fortschreitende Monopolisierung die Lasten aller nicht-kapitalistischen Klassen immer drückender würden, führe dieser Prozeß zuletzt doch zu einer kartellisierten, bewußt geregelten Produktion, die den weiterbestehenden gesellschaftlichen Antagonismus auf die Verteilung beschränkt. Was dann noch zu tun übrig bliebe, wäre die „bewußte Regelung der Wirtschaft nicht durch und zu Nutzen der Kapitalmagnaten, sondern durch und zu Nutzen der Gesamtheit der Gesellschaft.“ Die schon vergesellschaftete Funktion des Finanzkapitals — der Verbindung von Industrie- und Bankkapital —

„erleichtert die Überwindung des Kapitalismus außerordentlich. Sobald das Finanzkapital die wichtigsten Produktionszweige unter seine Kontrolle gebracht hat, genügt es, wenn die Gesellschaft durch ihr bewußtes Vollzugsorgan, den vom Proletariat eroberten Staat, sich des Finanzkapitals bemächtigt, um sofort die Verfügung über die wichtigsten Produktionszweige zu erhalten.“ (Das Finanzkapital, Frankfurt 1968, S. 502)

Für Hilferding hatte das Finanzkapital die notwendige Expropriation des Privatkapitals bereits vollzogen, so daß die Verstaatlichung nur den Schlußstrich unter die vom Kapital selbst besorgte Vergesellschaftung der Produktionsmittel setzte. Dieser Gedanke wurde auch von Lenin aufgegriffen. In seiften verschiedenen Arbeiten über den Imperialismus beschrieb er den um die Jahrhundertwende erreichten Stand des Kapitalismus als monopolistisch, parasitär, stagnierend und absterbend. Diese Entwicklungsstufe kennzeichnete sich durch die

„Ablösung der freien Konkurrenz durch den monopolistischen Kapitalismus, (und durch) die Entwicklung eines Apparates für die gesellschaftliche Regulierung des Produktionsprozesses und der Verteilung der Produkte durch die Banken und die Kapitalistenverbände“ (Werke, Bd. 24, S. 459).

Ohne auf Lenin's Imperialismus-Theorie näher einzugehen, sei doch bemerkt, daß für ihn der Imperialismus mit dem Finanzkapital zusammenfiel und die organisatorische Vorstufe des Sozialismus darstellte. Die zentralisierte Verfügungsgewalt über das gesellschaftliche Kapital durch das monopolistische Finanzkapital brauchte nur vom proletarischen Staat übernommen und der Gesamtheit dienend angewandt werden.

Diese, bis auf Engels zurückgehende, von Hilferding und Lenin (trotz anderweitiger Differenzen) geteilte Auffassung, daß der Monopolkapitalismus in diesem Sinn Wegbereiter der sozialistischen Gesellschaft sei, liegt in der falschen Annahme begründet, daß die mit der Kapitalkonzentration einhergehenden gesellschaftlichen Organisationsformen mit der Vergesellschaftung der Produktion identisch sind. So sprach man auch von der angeblich rationellen und planmäßigen Organisation des Einzelbetriebes gegenüber dem irrationellen und planlosen Ablauf der Gesamtwirtschaft, was Lenin veranlagte, sich die sozialistische Wirtschaft als eine vom Staat geleitete gigantische Fabrik vorzustellen. In Wirklichkeit ist der Einzelbetrieb so irrationell wie die Gesamtwirtschaft, es sei denn, daß man das kapitalistische Profitmotiv als ökonomisch-rationelles Prinzip der Produktion anerkennt. Die einzelnen Betriebe unterliegen dem Verwertungsgesetz des Kapitals genau so wie die Gesellschaft als Ganzes, sie funktionieren nur im Rahmen der allgemeinen oder monopolistischen Konkurrenz — ihre organisatorischen Formen werden hierdurch bestimmt.

„Staatskapitalismus“ und „Monopolkapitalismus“

Dem Profitmotiv folgend, organisieren auch die Monopole weiter nichts als sich selbst. Werden sie alle unter die zentrale Kontrolle des Staates gebracht, so kann der Staat dieses neue Kapitalverhältnis zwischen sich selbst und den Produzenten nur reproduzieren, es sei denn, daß die letzteren den Staat beseitigen. Die lange Existenz sogenannter sozialistischer Staaten hat den praktischen Nachweis geliefert, daß der Begriff Sozialismus hier nur der, aktuellen Staatskapitalismus oder „Staatssozialismus“ deckt. „Sozialismus“ kann als vollständig sozialisierter Kapitalismus definiert werden; in diesem Sinn stellt der Staatskapitalismus den „Sozialismus“ dar. Die Verstaatlichung des Kapitals beendet die Klassenherrschaft des Privatkapitals. Die „Vergesellschaftung“ der Produktionsmittel ist aber immer noch eine Verstaatlichung des Kapitals als Kapital. Deshalb besteht der Wettbewerb fort; er trägt die gesellschaftlichen Antagonismen des Kapitalismus in das staatskapitalistische System hinein. Wenn die private Kapitalakkumulation nun auch ausgeschlossen ist, wird die Ausbeutung von Menschen durch Menschen doch fortgesetzt, weil sowohl im Bereich der Produktion als auch in dem des Konsums ungleiche Verteilung herrscht. Das Lohnsystem bleibt bestehen; die Staatsbürokratie stellt die neue herrschende Klasse dar, deren Mitglieder das Kapital „personifizieren“. Lohnarbeit kennzeichnet das staatskapitalistische System ebenso wie das privatkapitalistische (vgl. P. M. Marx und Keynes, Frankfurt 1971, Kap. 20,21).

Dieser Staatskapitalismus kann tatsächlich, wenn auch nur auf revolutionären Wegen, aus dem Monopolkapitalismus hervorgehen und sozusagen die Monopolisierung zu ihrem logischen Ende bringen. Aber das komplette Monopol an den Produktionsmittel hebt nicht das Kapitalverhältnis auf, sondern befreit es von der Marktkonkurrenz, ohne damit die Konkurrenz selbst zu beseitigen. Abgesehen davon, daß sie auf internationaler Ebene ohnehin bestehen bleibt, wechselt sie auch innerhalb des Staatskapitalismus nur ihre Ausdrucksweise.

Angeregt durch die große Rolle des Staates in den Kriegswirtschaften des ersten Weltkrieges, hielt Lenin den Monopolkapitalismus, durch das ihm zugehörige imperialistische Imperativ, für einen staatsmonopolistischen Kapitalismus, in dem der Staat die Geschäfte der Monopole betreibt. Damit wäre der nächste Schritt in Richtung des Sozialismus in den kapitalistischen Ländern die Lösung des Staates von den Interessen der Monopole und seine Verwendung für die Interessen der Gesamtbevölkerung. Allerdings mußte Lenin zufolge der Staat der Monopolisten zertrümmert werden, um einem neuen proletarischen Staat Platz zu machen, dem tatsächlich an der Aufhebung der kapitalistischen Ausbeutung gelegen ist. Der staatsmonopolistische Kapitalismus hätte dem sozialistischen Staat zu weichen, ohne damit die staatlich-zentrale Verfügungsgewalt über die Gesamtwirtschaft preiszugeben.

Die Stoßrichtung gegen den „Staatsmonopolistischen Kapitalismus“ heute

Mit der Gleichsetzung von Staatskapitalismus und Sozialismus, als Übergang zu einem in die weite Ferne verlegten staatslosen Kommunismus betrachtet, versteht sich der Kampf für den Sozialismus als Kampf gegen den gegenwärtigen staatsmonopolistischen Kapitalismus. Dieser Kampf kann nur revolutionär geführt werden, da der staatsmonopolistische Kapitalismus nicht freiwillig abdanken wird. Setzt der Staatskapitalismus auch die Ausbeutung der Arbeiter fort, so vernichtet er doch die bestehende bürgerliche Klassenherrschaft. Aber die kommunistischen Parteien in den westlichen Ländern, die sich heute anscheinend gegen den staatsmonopolistischen Kapitalismus wenden, haben schon seit Jahrzehnten aufgehört, revolutionäre Bewegungen zu sein. Sie sind nicht mehr bereit, das eigene Programm revolutionär durchzusetzen, sondern führen einen Scheinkampf gegen den staatsmonopolistischen Kapitalismus, um sich innerhalb dieses Systems einzurichten und darin Einfluß zu gewinnen.

Damit ist nicht gesagt, daß diese Parteien dem eigenen Ziel untreu geworden sind. Wo sich die Gelegenheit bietet, werden sie ohne Zweifel versuchen, jede erforderliche anti-kapitalistische Bewegung in den Staatskapitalismus umzubiegen. Da solche Bewegungen noch nicht auf der Tagesordnung stehen, erschöpft sich die Tätigkeit in der Erringung' von Machtpositionen innerhalb der existierenden Gesellschaft. Ihr „Kampf“ gegen den staatsmonopolistischen Kapitalismus bleibt somit eine leere Propagandaformel, um die „Massen“ hinter sich zu bringen, die sich vorerst noch nicht gegen den Kapitalismus, sondern nur gegen seine „schlechten Seiten“ wenden.

Im Kapitalismus gibt es aber nur unvereinbare Klasseninteressen. Man kann deshalb die kapitalistisch eingestellten Gesellschaftsschichten, die der Monopolisierung zum Opfer fallen, nicht für den Sozialismus gewinnen, da er ihre besonderen gesellschaftlichen Positionen noch schneller und gründlicher vernichten würde als der Monopolkapitalismus. Man kann sie höchstens auf der Basis des Kapitalismus für eine Politik gewinnen, die ihre besonderen Interessen wahrzunehmen verspricht, d.h. für eine anti-sozialistische Politik. So verbirgt sich hinter der Parole des Kampfes gegen den staatsmonopolistischen Kapitalismus die Ankündigung einer, gegen den Sozialismus gerichteten, konterrevolutionären Politik.

Es läßt sich allerdings vorstellen, daß der sich verschärfende monopolistische Druck, der die Proletarisierung kleinbürgerlicher Schichten in sich einbezieht, einen Teil dieser Schichtungen überzeugt, daß ihre letzte Chance im Staatskapitalismus zu finden ist, der ihnen die, im Monopolkapitalismus schon versperrte Karriere wieder freilege. Ein Blick in die „sozialistischen Länder“ genügt, um diese Überzeugung zu rechtfertigen. Für die Arbeiter jedoch zeigt derselbe Blick ein anderes Bild. Sie haben keine Sehnsucht nach dieser Art von „Sozialismus“. Sie sehen deshalb in der kommunistischen Politik, dort wo sie eine gewisse Rolle spielt, wie z.B. in Frankreich und Italien, nicht den Willen zu einer revolutionären Umwälzung vom staatsmonopolistischen Kapitalismus zum Staatskapitalismus, sondern nur die politische Vertretung ihrer direkten Interessen innerhalb des gegebenen Gesellschaftssystems. Die Funktionen der kommunistischen Parteien sind hier reformistisch, nicht revolutionär; sie dienen damit letzten Endes der Erhaltung des staatsmonopolistischen Kapitalismus.

Aus dieser Situation heraus bedeutet der scheinbare Kampf gegen den staatsmonopolistischen Kapitalismus nur eine Verlegenheitsparole. Die kommunistischen Parteien sind seit langem nicht mehr gewillt, den Kapitalismus selbst anzugreifen, weder im nationalen noch im internationalen Rahmen, was sich aus dem „friedlichen Wettbewerb“ und den geschäftlichen Verbindungen der verschiedenen Gesellschaftssysteme ergibt. Im internationalen Rahmen dient der angebliche Kampf gegen den staatsmonopolistischen Kapitalismus den jeweiligen Bedürfnissen der imperialistischen Politik. Man richtet sich nicht gegen den imperialistischen Kapitalismus schlechthin, sondern gegen die (den Monopolen bestimmter Länder dienende) staatliche imperialistische Politik, die den eigenen nationalen oder imperialistischen Interessen widerspricht. Durch die Unterscheidung zwischen Kapitalismus und staatsmonopolistischem Kapitalismus lassen sich die Bündnisse wie die Feindseligkeiten zwischen den „sozialistischen“ und kapitalistischen Länder rechtfertigen und damit auch die Differenzen zwischen den „sozialistischen“ Ländern selbst. Mit anderen Worten, die eigene kapitalistische und damit imperialistische Politik versteckt sich hinter der Parole des Kampfes gegen den staatsmonopolistischen Kapitalismus, um die Arbeiter dafür einzuspannen. Da sich weiterhin — außer der Vertreibung der Monopole — nichts an dem bestehenden Produktionssystems zu ändern braucht, muß dieses bestehende System als für den Sozialismus genügend erachtet werden. Daraus ergibt sich die relative Interesselosigkeit im Hinblick auf die Krisengesetzlichkeit des gegenwärtigen Kapitalismus. Die Schuld an den ihm noch anhaftenden Schwierigkeiten und Ungerechtigkeiten wird dem Staat zugeschrieben, der die Interessen der Monopole zu den eigenen gemacht hat. Ein anderer Staat oder eine andere Regierung, nicht ein anderes ökonomisches System, ist damit erforderlich. Auch hier fallen die Ideen des gegenwärtigen Kapitalismus mit denen des Staatskapitalismus zusammen. Auch der staatsmonopolistische Kapitalismus bildet sich ein, die Krisengesetzlichkeit durch staatliche Eingriffe in den Wirtschaftsmechanismus beendet zu haben. Da diese Illusion bereits durch die widerspenstige Wirklichkeit an Überzeugungskraft verliert, stellt sich die „Opposition“ gegen den staatsmonopolistischen Kapitalismus als Forderung nach einer weitläufigeren und zuletzt völlig staatlichen Beherrschung der Wirtschaft dar, um weiteren Erschütterungen aus dem Wege zu gehen.

Der Staat soll auf politischen Wegen erreichen, was der kapitalistische Markt selbst nicht mehr zu erreichen vermag. Tatsächlich haben die staatlichen Wirtschaftseingriffe dauernd zugenommen. Die Konjunkturperioden wurden damit auf die staatliche Wirtschaftspolitik zurückgeführt und die Vorstellung erweckt, daß sich der Kapitalismus tatsächlich bewußt regulieren läßt.

Das war schon in sozialistischen Theorien vorweggenommen. So schrieb Hilferding z.B.:

„wenn die monopolistische Vereinigungen die Konkurrenz aufheben, so heben sie damit das einzige Mittel auf, wodurch sich ein objektives Preisgesetz verwirklichen kann. Der Preis hört auf, eine objektiv bestimmte Größe zu sein, er wird ein Rechenexempel derjenigen, die ihn mit Willen und Bewußtsein bestimmen.....Die Verwirklichung der Marxschen Konzentrationslehre, die monopolistische Vereinigung, scheint damit zur Aufhebung der Marxschen Werttheorie zu werden.“ (Das Finanzkapital, S. 313)

Es entging dem Verständnis Hilferdings, daß in der Marxschen Werttheorie nicht die Preise selbst, sondern nur das allgemeine Preisniveau und dessen Veränderungen vom Wertgesetz bestimmt werden. Die Konkurrenz tendiert zu einer durchschnittlichen Profitrate, die sich aus den Abweichungen der Preise von den Werten ergibt. Dadurch bilden sich Extraprofite oder Monopolpreise, und das während der ganzen kapitalistischen Entwicklung, die einen der Gründe für die beschleunigte Akkumulation bilden. Mit fortschreitender Monopolisierung reduzieren die Monopolpreise die Durchschnittsprofitrate der konkurrierendem Kapitale. Es handelt sich hier um Profite, die aus der Sphäre der Konkurrenz in die der Monopole transferiert werden. Mit dem Verschwinden der Konkurrenz verschwindet auch die Möglichkeit der Transferierung der Profite aus den konkurrierenden in den monopolistischen Sektor der Wirtschaft; die monopolistische Profitrate wird zur Durchschnittsprofitrate auf Basis des Wertgesetzes.

Die monopolistische Wirtschaft hebt das Wertgesetz nicht auf, sondern bestätigt es durch den Fall der Profit- und damit Akkumulationsrate auch des monopolistischen Kapitals und der damit verbundenen Notwendigkeit

staatlicher Wirtschaftseingriffe. Aber solche Eingriffe stoßen auf bestimmte Grenzen in den kapitalistischen Produktionsverhältnissen und sind nur als vorübergehende Möglichkeiten zu werten. Sind diese Möglichkeiten erschöpft, so setzt sich die kapitalistische Krisengesetzlichkeit von neuem durch und bietet wieder die Möglichkeit der revolutionären Überwindung des kapitalistischen Systems. So stellt der staatsmonopolistische Charakter des gegenwärtigen Kapitalismus dem Proletariat keine anderen Aufgaben als der Kapitalismus irgend einer anderen Prägung, nämlich die Abschaffung des Kapitalverhältnisses durch die Aufhebung der Lohnarbeit in der klassenlosen Gesellschaft.


Zuletzt aktualisiert am 26.1.2009