Karl Radek

 

Wege und Mittel im Kampfe gegen den Imperialismus

(1912)


Karl Radek, Wege und Mittel im Kampfe gegen den Imperialismus, Beilage zur Bremer Bürger-Zeitung, 1912.
Heruntergeladen als PDF-Datei von: Sozialistische Klassiker.
HTML-Markierung: HTML-Markierung: Einde O’Callaghan für das Marxists’ Internet Archive.


Die Diskussion in der Neuen Zeit über unsern Kampf gegen den Imperialismus hat schon zu einem Resultat geführt: sie hat das Bestehen zweier sich entgegengesetzter Auffassungen des Imperialismus und unseres Kampfes gegen ihn scharf hervorgehoben. Jetzt gilt es, den Charakter dieser Differenz, ihre Quellen und Folgen möglichst klar herauszuarbeiten, denn nur volle Klarheit über faktisch bestehende Meinungsunterschiede nimmt ihnen den Charakter unnötiger Reibereien und erlaubt, ihre Bedeutung für die Parteipraxis zu würdigen. Seiner Form nach eine Polemik gegen den Genossen Kautsky, ist der Artikel ein Versuch einer abgeschlossenen Darstellung des Standpunktes, der in der Frage des Kampfes gegen den Imperialismus von Pannekoek, Lensch und mir seit einigen Jahren verfochten wird. Wie es dem Charakter der ganzen Frage, ihren widerspruchsvollen Tendenzen, dann unseren individuellen Ausgangspunkten entspricht, bestehen auch zwischen meinen Ausführungen und denen der genannten Genossen in einzelnen Teilfragen Meinungsunterschiede, die zu vertuschen wir keine Ursache haben, da ihre Klärung unsere grundsätzliche Übereinstimmung nur festigen kann.
 

Zwei Methoden der Untersuchung des Imperialismus. Zwei Auffassungen des Imperialismus.

Kautsky hält das Wettrüsten für den Ausdruck einer Politik der besitzenden Klassen, die, obwohl in den Interessen sehr einflussvoller Schichten des Kapitals begründet, doch keine Lebensnotwendigkeit des Kapitalismus ist.

Faktoren – schreibt er auf S.106/07 der N.Z. 1912 –, die ein Lebenselement des kapitalistischen Produktionsprozesses sind, ohne die er nicht zu existieren vermag, können selbstverständlich nur mit ihm selbst beseitigt werden Aber es ist ein grobes Missverständnis, jede Erscheinung, die ein Ergebnis des kapitalistischen Produktionsprozesses ist, als sein Lebenselement zu betrachten, ohne das er nicht zu existieren vermag.

Die Gewinnung des Mehrwertes ist ein Lebenselement der kapitalistischen Produktionsweise. Es erzeugt das Streben nach Verlängerung des Arbeitstages. Dies aber ist keineswegs ein Lebenselement des Kapitalismus. Er kann auch, und noch besser, bei verkürzter Arbeitszeit gedeihen. Das Streben nach Vermehrung des Mehrwertes wird durch dessen Beschränkung bloß in andere Bahnen gelenkt. Je kürzer die Arbeitszeit, desto stärker zum Beispiel das Bestreben, menschliche Arbeitskraft durch Maschinen zu ersetzen.

So ist auch die stete Ausdehnung des Marktes eine Lebensnotwendigkeit für den Kapitalismus. Auf einer gewissen Höhe seiner Entwicklung erscheint als die bequemste Methode, sie zu erreichen, die Erwerbung von Kolonien oder Einflusssphären, was zum Wettrüsten führt. Wird aber diese Methode unterbunden, so bedeutet das nicht den Zusammenbruch, sondern nur die Notwendigkeit, andere Methoden seiner Expansion in Anwendung zu bringen.

Das Wettrüsten beruht oft auf ökonomischen Ursachen, aber nicht auf einer ökonomischen Notwendigkeit. Seine Einstellung ist nicht im geringsten eine ökonomische Unmöglichkeit.

Das ist die grundlegende Auffassung des Genossen Kautsky, und auf ihr baut er das Gebäude seiner Ausführungen.

Weil der Imperialismus nur eine der Methoden ist durch welche die Lebensnotwendigkeit des Kapitalismus verwirklicht wird, so ist nicht nur der Kampf gegen das Wettrüsten als den Ausfluss des Imperialismus, möglich, was niemand bestreitet, sondern die Abrüstung ist möglich. Da aber die Sozialdemokratie für alle Reformen einzutreten hat, die die Last der Arbeiterklasse erleichtern und die Bedingungen des Klassenkampfes bessern, so hat sie auch für die Abrüstung einzutreten. Um diese seine Stellung zu stärken, begnügt sich Kautsky nicht mit der Behauptung, „unsere Übereinstimmung mit den bürgerlichen Verfechtern der Abrüstung beruhe ... auf einer Gemeinsamkeit der Interessen der bürgerlichen Welt mit denen des Proletariats in dieser Frage“ –, was schon eine sehr tröstende Feststellung wäre im „neuen Zeitalter der Revolutionen“ –, sondern er schreibt (N.Z., XXIX, 2, S.101): Das Nächstliegende ist die Unterstützung und Verstärkung der gegen den Krieg und das Wettrüsten gerichteten Bewegung des Kleinbürgertums und der Bourgeoisie. Man darf diese Bewegung nicht unterschätzen. Sie entspringt ebenso realen Beweggründen wie die entgegengesetzte Bewegung, und wir haben alle Ursache, sie im Gegensatz zu der letzteren zu stärken ... Und wenn von bürgerlicher Seite Vorschläge zur Erhaltung des Friedens oder der Einschränkung der Rüstungen gemacht werden, die einigermaßen durchführbar sind, haben wir alle Ursache, sie zu fördern und die Regierungen zu zwingen, hierzu Stellung zu nehmen.

So Kautsky. Als ich vor einem Jahre in der Bremer Bürger-Zeitung vom 29. April herauszubekommen versuchte, wo in den kapitalistisch entwickelten Ländern denn die Bewegung des Kleinbürgertums und der Bourgeoisie gegen den Krieg und das Wettrüsten (wohl gemerkt: gegen das Wettrüsten) sich bemerkbar gemacht hätte, welche einigermaßen durchführbaren Vorschläge zur Einschränkung der Rüstungen von ihr gemacht worden wären, da herrschte Schweigen im Walde. In den heutigen Ausführungen Kautskys sucht man auch vergebens nach dem Beispiel irgend einer solchen Bewegung. Denn Kautsky verzeihe, dass wir seine Berufung (in der N.Z. vom 6. September) auf die „ansehnliche bürgerliche Abrüstungsbewegung“ in England, die von der englischen Regierung vertreten wird, und die „sicher“ auch in Frankreich bei der Regierung Gehör und Unterstützung findet, nicht ernst nehmen können. Nicht nur, weil die Zustimmung Frankreichs zu der angeblichen englischen „Abrüstungsbewegung“ ein nur dem Genossen Kautsky von der französischen Regierung verratenes Geheimnis darstellt, von dem kein anderer Sterblicher etwas zu hören bekam, sondern weil wie wir noch weiter zeigen werden – die englische Regierung weder für eine Abrüstung, noch für eine allgemeine Einschränkung der Rüstungen eintritt. Und das ist der Punkt, bei dem die Revision der Kautskyschen Auffassung des Imperialismus beginnen muss. Denn es ist klar, dass eine Auffassung, die keine einzige historische Tatsache aufzuweisen hat, auf die sie sich stützen könnte – und es gibt keine bürgerliche Bewegung gegen Krieg und Wettrüsten, hinter der irgend eine soziale Schicht steht – nichts anderes als eine blutleere Spekulation sein kann.

Stellt man sich den Kapitalismus abstrakt vor, auf Grund eines Schemas, das für alle Zeiten, von dem Beginn der kapitalistischen Warenproduktion bis zu den heutigen Tagen aufgestellt wird, so hat der Kapitalismus nur eine Lebensnotwendigkeit: die Produktion des Mehrwertes und seine Realisierung als Profit. Aber dieses allgemeine Schema genügt nicht einmal zur Darstellung der allgemeinen Gesetze des Kapitalismus, geschweige denn zu seinem Verständnis in den einzelnen Ländern und Perioden.

Untersucht man die Entwicklung des Kapitalismus in einzelnen Ländern oder seine internationale Entwicklung in einer konkreten Periode, in der eine weitergehende Änderung seiner Politik die Frage nach seinen Gesetzen auf wirft, so zeigt es sich, dass er neben seinen allgemeinen Lebensnotwendigkeiten solche von begrenzterer historischer Bedeutung besitzt, die aber ebenso wichtig wie die allgemeinen sind, weil doch die allgemeinen Lebensnotwendigkeiten des Kapitalismus sich nur in konkreten Formen durchsetzen können.

Aus Raumrücksichten muss ich davon absehen, das Gesagte mit Beispielen über die Lebensnotwendigkeiten der kapitalistischen Entwicklung in einzelnen Ländern zu illustrieren, deren Beachtung zum Beispiel die österreichische Sozialdemokratie zur Gegnerin der Forderung des böhmischen Staatsrechtes, die polnische zur Gegnerin der Forderung der Unabhängigkeit Polens gemacht hat, obwohl weder die eine noch die andere Forderung mit der so abstrakt von Kautsky formulierten einzigen Lebensnotwendigkeit des Kapitalismus kollidiert. Etwas länger muss ich verweilen bei der Frage von internationalen Lebensnotwendigkeiten des Kapitalismus, wie sie in einer historischen Situation seine Politik beherrschen, denn eine solche Frage stellt eben der jetzige Streitgegenstand, der Charakter des Imperialismus, dar.

Die Beweisführung Kautskys, nach der der Imperialismus eine der vielen Methoden ist, in denen sich der Ausbreitungsdrang des Kapitalismus durchsetzen kann, hat zwei Löcher: eines in der Vergangenheit des Kapitalismus, das zweite in seiner absehbaren Zukunft, deren Entwicklungslinien schon heute auf Grund von Tatsachen festzustellen sind. Was die Vergangenheit betrifft, so steht fest, dass der Kapitalismus Englands, Frankreichs, Deutschlands auf einer gewissen Stufe der Entwicklung angelangt, zur Kolonialgründung als der wichtigsten Form seiner Ausbreitung griff. Ich lasse die Frage beiseite, ob sie in jedem der drei Länder schon beim Beginn der Kolonialpolitik für das Kapital als Klasse gleich notwendig war, aber die Tatsache, dass das Kapital in allen diesen Ländern an ihr auch weiterhin festhält, obwohl sie die größten Gefahren für den Kapitalismus heraufbeschwört, müsste doch als Symptom dessen gelten, dass diese Politik einer historischen Lebensnotwendigkeit des Kapitalismus entspricht. Diese Lebensnotwendigkeit besteht in dem sich mit der kapitalistischen Entwicklung verschärfenden Gegensatz zwischen dem kapitalistischen Lohngesetz und der kapitalistischen Notwendigkeit der Produktionserweiterung, also auch der Marktvergrößerung. Denn möge das Lohngesetz alles andere als ehern und der Reallohn alles andere sein als um ein stabiles Niveau herumpendelnd, so bleibt es dennoch dabei, dass trotz der Widerstandskraft der organisierten Arbeiterklasse gegen die niederdrückenden Tendenzen des Kapitalismus die Produktivität der Arbeit viel schneller wächst als der Anteil der Arbeiterklasse an dem gesellschaftlichen Einkommen, wodurch – je größer die Arbeiterklasse im Vergleich zu den anderen sozialen Klassen wird – desto mehr auch die Notwendigkeit des Kapitalismus wächst, sich in nichtkapitalistischen Staaten durch Warenausfuhr auszubreiten. Diese historisch notwendige Entwicklung hat weitere Konsequenzen: die Notwendigkeit der Aufpfropfung der staatlichen Organisation in Ländern, die eine solche nicht besitzen, die Notwendigkeit des Kampfes gegen solche nichtkapitalistische Länder, die der Ausbreitung des Kapitalismus entgegentreten, schließlich die Notwendigkeit des Rüstens gegen solche kapitalistische Staaten, die diesem Ausbreitungsdrang anderer entgegentreten.

So wird dank diesen Zusammenhängen – die wir natürlich nur in Stichworten anzeigen, weil diese Zusammenhänge als bekannt vorausgesetzt werden müssen (Im Finanzkapital Hilferdings und der Nationalitätenfrage Bauers sind sie am besten herausgearbeitet, obwohl auch die in diesen Werken gegebene Analyse des Imperialismus nicht erschöpfend ist und tiefer geführt werden muss.) – der Imperialismus zur Lebensnotwendigkeit der gegebenen historischen Phase des Kapitalismus.

Um dem Imperialismus den Charakter der Politik abzusprechen, die einer von Kautsky zugegebenen Lebensnotwendigkeit des Kapitalismus entspricht – der Ausbreitungsnotwendigkeit – müsste Kautsky eine Aufgabe auf sich nehmen, die für einen Freund unhistorischer, rein rationalistischer Spekulationen sehr anziehend wäre, die aber nichts mit den Aufgaben eines Marxisten zu tun hat: nämlich zu beweisen, dass die eigensinnige Dame Historia auch andere sittsamere Wege wandeln könnte, würde sie in ihren jüngeren Jahren einen einsichtigen Ratgeber getroffen haben. Aber leider Gottes ist das nicht mehr gutzumachen, ja, der Dame sind verschiedene Malheurs passiert, die sie in manchen Ländern auf den imperialistischen Weg trieben, selbst bevor der genannte Gegensatz, der die Haupttriebkraft des Imperialismus bildet, sich akut fühlbar machte, in andern wird sie von verschiedenen zweitgradigen Momenten in einem schnelleren Tempo auf die Bahn des Imperialismus gejagt. Und statt der von Kautsky festgestellten Bewegung des Kleinbürgertums und der Bourgeoisie, ist ein Wachstum der imperialistischen Stimmung in allen Klassen der kapitalistischen Gesellschaft Westeuropas – mit Ausnahme des Proletariats – festzustellen.

In derselben Weise, wie die Vergangenheit des Imperialismus, untersucht Kautsky seine Zukunft. Er sucht nicht die wirklichen, durch Tatsachen beweisbaren Tendenzen des Imperialismus festzustellen, sondern kombiniert sich solche zusammen.

In seinem diesjährigen Maiartikel (letzter Band der Neuen Zeit, S.107/108) schreibt er:

„Was seit zwei Jahrzehnten in steigendem Maße für das Verhältnis der Betriebe untereinander gilt, beginnt jetzt für das Verhältnis der kapitalistischen Staaten untereinander wahr zu werden. Sie alle streben nach Expansion, sie alle genieren dabei immer mehr den anderen, stören und hemmen sich gegenseitig, vermehren daher ihre Streitkräfte und steigern die Kosten des Expansionsgeschäftes in einer Weise, dass alle Profite darob flöten gehen. Nichtsdestoweniger wird diese Methode fortgesetzt, solange einzelne glauben können, durch ihre Rüstungen ein Stadium zu erreichen, in dem sie die Konkurrenz niederwerfen und den Weltmarkt monopolisieren. Je mehr diese Aussicht schwindet, je klarer es zutage tritt, dass die Fortsetzung des Konkurrenzkampfes alle Beteiligten ruiniert, desto näher rückt das Stadium, in dem der Konkurrenzkampf der Staaten durch ihr Kartellverhältnis ausgeschaltet wird. Das bedeutet nichts weniger, als den Verzicht auf die Expansion des heimischen Kapitals, es bedeutet nur den Übergang zu einer wohlfeileren und ungefährlicheren Methode ...

So würden auch die Kapitalisten Deutschlands und Englands nicht das mindeste verlieren, wenn beide Staaten sich über ihre auswärtige Politik untereinander verständigen und daraufhin ihre Rüstungen einschränken würden. Beide Staaten vereint würden alle anderen Staaten mindestens Europas dahin bringen können, sich ihren Abkommen und der Abrüstung anzuschließen, und weit energischer und ungehemmter als bisher könnten dann ihre Kapitalisten sich das gesamte Gebiet wenigstens der östlichen Halbkugel erschließen.“

Wir wollen jetzt die Nutzanwendung, die Kautsky aus diesen Betrachtungen auf die Frage von unserer Haltung zu den Rüstungsfragen macht, beiseite schieben, wir wollen die Frage, ob die Sozialdemokratie angesichts der schweren Folgen der freien Konkurrenz jemals ihre Aufhebung durch die Trusts gefordert oder gefördert hat, jetzt nicht aufwerfen. Hier wollen wir nur feststellen, dass Kautsky diese Entwicklungstendenzen des Imperialismus aus dem blauen Himmel schöpft, denn es wäre ihm schwer, auch nur auf eine einzige Tatsache hinzuweisen, auf die sich seine Ausführungen stützen. Tatsachen aus den letzten zehn Jahren der imperialistischen Entwicklung weisen darauf hin, dass es in den kapitalistischen Staaten viele kapitalistische Elemente gibt, die überhaupt am Frieden ein Interesse haben, zum Beispiel das Schifffahrtskapital, andere, deren Interessen der kriegerischen Austragung eines konkreten kapitalistischen Gegensatzes im Wege stehen. (So war z. B. die schwere Industrie in Rheinisch-Westfalen fast durchweg gegen einen Krieg wegen Marokko, seit zwischen Thyssen, Krupp & Co. und Schneider-Creusot ein Zusammengehen erreicht wurde.) Sie sprechen dafür, dass die kapitalistischen Staaten die Gefahren eines Krieges zwischen den europäischen Großmächten so hoch einschätzen, dass sie ihm bis zum äußersten aus dem Wege zu gehen suchen werden. Sie sprechen schließlich dafür, dass die konkurrierenden Kapitalistengruppen bei imperialistischen Geschäften (exotische Staatsanleihen usw.) geneigt sind, sich über die Teilung der Beute zu einigen, was beiläufig gesagt nicht leicht ist. Dass aber in irgend einem modernen Staate – mit Ausnahme Englands, das an der Spitze der Flottenmächte steht, von dem weiteren Rüsten die Verschlechterung seiner Position zu erwarten hat und darum für die Beibehaltung des jetzigen Verhältnisses in der Nordsee, wohlgemerkt nur in der Nordsee! eintritt – eine dieser am Frieden interessierten Schichten gegen das Rüsten wäre, kann ich trotz eifriger Verfolgung der entsprechenden Literatur und Presse nicht ausfindig machen. Sie alle treten trotz ihrer Angst vor dem Kriege für das Rüsten ein, nicht nur weil sie daran auch materielle Interessen haben – Bestellungen, Börsenspiel mit Aktien der an dem Flottenbau beteiligten Industrien usw. –, sondern auch, weil sie in den Rüstungen ein Maß ihres Einflusses bei den imperialistischen Geschäften besitzen, was schon in der „Neuen Zeit“ ausführlicher von mir dargestellt wurde [1], ohne dass ich eine Antwort von dem Genossen Kautsky bekommen hätte. Die Ausführungen Kautskys über die anderen Methoden der Ausbreitung, die dem Kapital offen stehen, schweben also völlig in der Luft, was das ungewollte Zugeständnis ist, dass der Imperialismus eine Lebensnotwendigkeit für den Kapitalismus ist: denn indem Kautsky die Ausbreitung des Kapitalismus für seine Lebensnotwendigkeit hält, aber keinen anderen Weg für sie als den imperialistischen in den Entwicklungstendenzen des Kapitals aufzuweisen weiß, bleibt eben nur der Imperialismus als Lebensnotwendigkeit für den Kapitalismus.

Um mit diesem Kapital zu enden, möchten wir noch auf eine Tatsache hinweisen: Selbst wenn irgendwelche Tendenzen zu einem gemeinsamen Weg auch nur des europäischen Kapitals existieren würden, so würde ihre Durchsetzung – um dauernd zu sein – solche Folgen nach sich ziehen müssen, wie eine gemeinsame Handelspolitik der europäischen Staaten, ein gemeinsames Heer zum Kampfe gegen den aufwachenden Orient (selbst bei der Waffenniederlegung zwischen den europäischen Staaten), eine gemeinsame Bundesregierung – das alles aber würde ein Aufräumen mit soviel zwischenstaatlichem Plunder erfordern, dass es nur von dem eisernen Besen der Revolution ausgeführt werden könnte. Kautsky war es eben, der sich in seinem Maiartikel des vorigen Jahres (XXIX, S. 105/106) mit der Idee der Vereinigten Staaten Europas befasste und zu dem Schlusse kam: Eine sehr schöne Idee, aber zu verwirklichen nur auf dem Wege der Revolution. Revolution bedeutet aber in Westeuropa soziale Revolution. Das hat Kautsky sehr treffend in seinem Weg zur Macht (S.10) ausgeführt:

„Es stellt sich immer klarer heraus, dass eine Revolution nur noch möglich ist als proletarische Revolution.

Dass sie unmöglich ist, solange nicht das organisierte Proletariat eine Macht bildet, groß und kompakt genug, um unter günstigen Umständen die Masse der Nation mit sich fortzureißen. Wenn aber nur das Proletariat noch eine revolutionäre Klasse in der Nation darstellt, folgt andererseits daraus, dass jeder Zusammenbruch des bestehenden Regimes, sei er moralischer, finanzieller oder militärischer Art, den Bankrott sämtlicher bürgerlichen Parteien in sich begreift, die sämtlich dafür verantwortlich geworden sind, dass das einzige Regime, das in einem solchen Falle das bestehende ablösen kann, ein proletarisches ist.“

Der kurze Schluss des langen Liedes ist also: Die Ausbreitung des Kapitalismus ist eine Lebensnotwendigkeit für ihn.

Die einzige Methode, vermittels welcher er sich ausbreiten kann, ist der Imperialismus. Jede andere Methode, selbst wenn sie, wofür absolut nichts spricht, möglich wäre, würde sich nur auf dem Wege der Revolution durchsetzen können. Die Revolution ist aber heute nur als proletarische Revolution möglich, und sie würde mit der Zertrümmerung des Kapitalismus, der Quelle des Imperialismus, enden, also ihm auch den Boden für eine andere Methode seiner Ausbreitung entziehen. Die kapitalistische Ausbreitung ist daher jetzt entweder einzig als imperialistische Ausbreitung möglich, oder sie ist unmöglich.

Der Unterschied in den beiden Auffassungen des Imperialismus zeigt sich also als Resultat der verschiedenen Anwendung der Untersuchungsmethode des Marxismus. Für uns dient sie zur Untersuchung der wirklich stattgefundenen Entwicklung, zur Feststellung von Entwicklungstendenzen. Für den Genossen Kautsky ist sie nur ein Brett zu einem Luftsprung, ein Mittel zu einer Kombination auf das interessante Thema: Es könnte schöner sein, und was wäre, wenn es wäre.

Wir überlassen dem Leser das Urteil darüber, wer hier das Recht behält, über das Missverstehen des Wesens der ökonomischen Notwendigkeit zu sprechen und über das sich marxistisch Verkleiden.

* * *

Es gilt jetzt zu untersuchen, welche Schlüsse daraus auf unsere Taktik im Kampfe gegen den Imperialismus zu ziehen sind, welche Mittel uns gegen ihn zu Gebote stehen. Aber vorher gilt es mit einem für mich ganz unverständlichen Missverständnis Kautskys aufzuräumen.

Kautsky schreibt:

Der Kampf gegen das Wettrüsten ist ein Unding, solange der Kapitalismus herrscht – das ist die jüngste, sagen wir Improvisation unserer jüngsten „Jungen“ (S.467 dieses Bandes).

Ebenso wenig wie damals brauchen uns heute die notwendigen Bedürfnisse der „bürgerlichen Industrie“ als notwendige Gebote für das Proletariat zu erscheinen, denen sich die Proletarier nur durch eine sozialistische Revolution widersetzen können, und nicht schon innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise. Das Proletariat stellt seine Forderungen nicht nach den Bedürfnissen der Kapitalistenklasse, sondern nach seinen eigenen, und diese eigenen Bedürfnisse erheischen Abrüstung (S.519 dieses Bandes).“

Darauf ist zu erklären: Nicht nur weder haben ich, noch Pannekoek, noch irgend jemand, der mit uns in dieser Frage zusammengeht, auch nur ein Wort geschrieben, das sich in dieser Richtung deuten ließe, sondern unser Wirken und Trachten war subjektiv und objektiv immer auf die Verstärkung unseres Kampfes gegen den Imperialismus und das Wettrüsten gerichtet. Wenn wir den Kampf gegen das Wettrüsten auf dem Boden des Kapitalismus für ein Unding halten würden, was für Sinn hätte unsere Agitation für Massenaktionen gegen den Imperialismus?

Miliz und Abrüstung

Wir sahen, dass Kautsky im Kampfe gegen den Imperialismus und das Wettrüsten auf die Unterstützung eines Teiles des Bürgertums rechnet, weil er die Möglichkeit einer weiteren Ausdehnung des Kapitalismus auch ohne Imperialismus annimmt. Wie er zu dieser Meinung auf Grund einer reinen Spekulation gelangt, so wachsen auch seine Losungen im Kampfe gegen das Wettrüsten nicht aus der Untersuchung der Wirklichkeit heraus, sondern aus einer ganz willkürlichen Beiseiteschiebung dieser Wirklichkeit, wobei jedoch seine Spekulation nicht einmal den Charakter eines einheitlichen Gedankenganges besitzt. Ihre Bestandteile befinden sich in ähnlichem Kampfe miteinander, wie sie als Ganzes mit der faktischen Entwicklung auf dem Kriegsfuß stehen.

Nach der Darstellung Kautskys „genügte“ die Milizlosung, bis eine Flotte aufkam. Als das Rüsten zu Wasser begann und sich herausstellte, wie verflucht teuer es ist, konnten wir uns nicht mit der Milizforderung begnügen.

Erstens, weil der Milizgedanke der Flotte gegenüber gänzlich versagt, zweitens, weil es sich gezeigt hat, dass die Miliz nicht billiger ist als das stehende Heer, was für die Marine von noch größerer Bedeutung ist, da bei ihr die Kosten der Bauten doch viel größer sind als die der Menschenerhaltung.

Prüfen wir die Haltung Kautskys ihren Grundlagen nach. Er behauptet, wir hätten die Milizforderung aus politischen Gründen aufgestellt, um die Macht der Regierung über das Berufsheer zu schwächen, während jetzt die Abrüstungsforderung aus ökonomischen Gründen zu befürworten sei.

Seine Behauptung ist, insoweit sie sich auf die Milizforderung bezieht, richtig, obwohl unvollständig. Die wissenschaftlichen Befürworter der Miliz in den Reihen der Sozialdemokratie – in erster Linie Engels, dessen militärische Schriften heute noch eine vortreffliche Einleitung zu militärischen Studien für jeden Sozialdemokraten bilden – trat für den Milizgedanken nicht nur darum ein, weil seine Verwirklichung für die Arbeiterklasse politisch nützlich wäre, sondern weil sie sich auf der Linie der militärischen Entwicklung befindet. Unsere Haltung dem Militarismus gegenüber war bei Engels analog unserer Haltung allen kapitalistischen Institutionen gegenüber. Wir nehmen den Militarismus wie den Kapitalismus als Tatsache hin, auf deren Boden wir uns stellen müssen, wenn wir sie bekämpfen wollen. Der kapitalistische Staat und alle seine Institutionen bestehen und sind Organe der Herrschaft der Bourgeoisie. Der Militarismus ist es nicht mehr und nicht weniger als der Parlamentarismus. Weil sie Organe der bürgerlichen Klassenherrschaft sind, bekämpfen wir sie grundsätzlich, aber wir können uns nicht außerhalb von ihnen stellen, indem wir ihnen Institutionen entgegenstellen, die ihre Funktionen aufheben würden.

Wir gehen ins Parlament, um auf seinem Boden die Arbeiterinteressen zu vertreten. Aber wir erklären nicht: an Stelle des bürgerlichen Parlaments ist ein Volksparlament zu setzen, das die Interessen des Volkes gegen die Bourgeoisie vertritt. Das wäre ein platonischer Protest, kein Kampf auf reellem Boden. Die gleiche Haltung nehmen wir dem Militarismus gegenüber ein. Er ist ein Organ der Klassenherrschaft nach innen und der kapitalistischen Ausbreitung nach außen. Wir bekämpfen ihn prinzipiell, aber wir können ihn nicht ignorieren und erklären: in der kapitalistischen Gesellschaft ist ein Militarismus, der weder nach außen noch nach innen ein Organ der Klassenherrschaft ist, unmöglich. Nein, der Milizgedanke bezweckt nur die Stärkung der Elemente im Militarismus selbst, die eine glatte Ausübung der vom Kapitalismus dem Militarismus zugewiesenen Funktionen erschweren und den Kampf der Arbeiterklasse gegen den Militarismus erleichtern.

Diese Beurteilung des objektiven Charakters unserer Milizforderung steht im Gegensatz zu vielen subjektiven Ansichten, die die Partei sich über die Miliz machte. In meinem Artikel: Der Milizgedanke (Mainummer der Leipziger Volkszeitung, 1912) versuchte ich die historischen Ursachen darzustellen, die der Milizforderung einen Charakter gaben, den keine andere Forderung unseres Minimalprogramms besitzt, den Charakter einer rein antikapitalistischen Institution, die im vorhinein alle kapitalistischen Funktionen des Heeres im Rahmen des Kapitalismus einbüßt. Es war ein Erbe der kleinbürgerlichen Auffassung, die wir mit der Milizforderung vom Kleinbürgertum übernommen haben. Während aber das Kleinbürgertum in der Miliz eine wirkliche Volkswehr, wie es in der Demokratie die Volksherrschaft, sah, waren wir der Demokratie gegenüber sehr kritisch, dem Milizgedanken gegenüber nicht. Im ersten Falle zeigten Frankreich und Amerika die wirkliche Bedeutung der Sozialdemokratie im Kapitalismus, im zweiten fehlte es an einer im großen Maßstab durchgeführten Probe aufs Exempel.

Wie wir in die kapitalistischen Parlamente ziehen, obwohl wir dem kapitalistischen Parlamentarismus als einem Organ der Klassenherrschaft prinzipiell feindlich gegenüberstehen, und wie wir es tun können, weil das Parlament, um seine Funktionen ausüben zu können, die Vertreterschaft der Arbeiterklasse benötigt, was uns erlaubt, im Parlament gegen den Kapitalismus anzukämpfen, so stehen wir auch dem demokratischen Ausbau der Heeresorganisation gegenüber. Und dieselben Momente ermöglichen uns hier, wie beim Parlamentarismus die Stärkung der antikapitalistischen Tendenz in einer kapitalistischen Institution.

Das Parlament übernimmt der ganzen Nation, also auch der Arbeiterklasse gegenüber die Verantwortung für die Staatswirtschaft. Es sucht also, um das Volk gefügiger zu machen, in ihm den Eindruck zu erwecken, als habe es auch einen Einfluss auf diese Wirtschaft. Es ist das Organ, das die zentralen Interessen der besitzenden Klassen gegen die partikularistischen vertritt, darum muss es suchen, den partikularistischen Interessen unmöglich zu machen, sich auf das Volk zu stützen: es zieht also die Vertreter der Volksklassen zurück. Das Parlament ist ein Organ zur Erhaltung der Klassenherrschaft, es sucht also auch ein Ventil für die Unzufriedenheit des Volkes zu sein.

Das alles erleichtert den Kampf um das Wahlrecht und erschwert seine Abschaffung, wo es der Bourgeoisie ungemütlich wird, weil auf seiner Grundlage die Arbeiterklasse auf dem Boden des Parlaments seine Funktionen umzuwandeln sucht durch die Hervorhebung ihrer proletarischen Interessen, durch die Umwandlung der Parlamentstribüne aus einem Organ der Klassenherrschaft in das der proletarisch-revolutionären Agitation.

Dieselben Tendenzen sehen wir im modernen Militarismus. Er ist das Organ der Klassenherrschaft, aber seine Funktion wird durch das Volk in Waffen ausgeübt. Man kann im Zeitalter der allgemeinen Dienstpflicht das Volk aus der Armee nicht ausschließen, aber man muss versuchen, es gefügig zu machen durch den Drill durch die Aufrichtung einer Mauer zwischen dem Heer und der zivilen Bevölkerung. Wir können das Heer nicht abschaffen, solange der Kapitalismus existiert, obwohl wir ihm prinzipiell ablehnend gegenüberstehen, was wir mit unserm Votum gegen den Militäretat zum Ausdruck bringen. Aber da wir den Militarismus nicht abschaffen können, versuchen wir im Heere die Elemente zu stärken, die die Durchsetzung der Funktion des Heeres als eines Organs der Klassenherrschaft nach innen und der kapitalistischen Ausbreitung nach außen erschwert. Wir tun es durch unsere ganze sozialistische Agitation in der Arbeiterklasse, die mit jedem Jahre einen größeren Teil der Armee ausmacht, wir tun es besonders durch unsere antimilitaristische Aktion, die den Charakter des Heeres aufzeigt. Wir tun es schließlich, indem wir die Abschaffung der Scheidewand zwischen Heer und Volk, also der langen Dienstzeit, des Drills, der militärischen Justiz, fordern. Handelt es sich hier um eine platonische Forderung? Keinesfalls? Unsere Milizforderung stützt sich auf schon bestehende Tendenzen des Kapitalismus und Militarismus selbst. Indem der Kapitalismus genötigt ist, der Verbreitung der Bildung in den Volksmassen Vorschub zu leisten, selbst wenn er es nicht will, ermöglicht er die kurze Dienstzeit. Indem er dank der Verschärfung der Gegensätze zwischen den Staaten sie nötigt, eine immer größere Masse der Soldaten einzustellen und auszubilden, stärkt er in ihnen die Tendenz – jedenfalls in den Staaten, die eine Zunahme der Bevölkerung aufweisen –, die allgemeine Dienstpflicht wirklich durchzuführen, was angesichts der Kosten wieder die Tendenz stärkt, die Dienstzeit zu verkürzen. Die kapitalistischen Staaten werden es nicht von selbst tun, weil dieser Tendenz andere entgegenwirken, wie die traditionellen Auffassungen der Gamaschenknöpfe, die Furcht der Bourgeoisie vor den Folgen der Verkürzung der Dienstzeit usw. Es ist möglich, dass an diesen Widerständen eine volle Durchführung einer demokratischen Wehrverfassung [2] scheitern wird, da aber der Kampf um sie an wirkliche lebendige Tendenzen anknüpft, kann er einen Widerhall in den Massen finden, kann sie aufklären über das Wesen des Militarismus, also wieder um die antikapitalistischen Tendenzen im Heere stärken. Das Resultat unseres Kampfes, ob es in der Form einer weniger oder weitergehenden Durchführung des Milizgedankens oder nur in der Form der Aufwühlung und Aufklärung der Volksmassen sich äußern würde, wäre Stärkung der antikapitalistischen Tendenzen im Heer, das Erschweren der Durchführung der kapitalistischen Funktionen des Heeres. Wie utopistisch und unhistorisch es wäre, zu hoffen, dass selbst nach Durchführung der Miliz sie sofort aufhört, ein Organ der Klassenherrschaft nach innen und der kapitalistischen Ausbreitung nach außen zu sein, so klar ist es, dass, je energischer wir den Kampf um die Miliz in den breiten Massen des Volkes führen, je größere Resultate er zeitigt, desto schwieriger wird es der kapitalistischen Regierung sein, das Heer als willenloses Instrument zu gebrauchen. Da aber noch keine herrschende Klasse aus Angst vor dem Untergang abgedankt oder sich in ihr Gegenteil verwandelt hat, so wird auch das Kapital, wenn ihm das Wasser zum Halse steigt, va banque spielen, und dann kommt der Gegensatz zwischen den dem Heere vom Kapital zugedachten Funktionen und dem proletarischen Inhalt der Mehrheit des Heeres zum Ausbruch. Es wäre müßig, zu untersuchen, ob es bei erbittertem revolutionärem Massenkampf im Innern oder bei Kämpfen nach außen geschehen würde. Es gilt nur den Zusammenhang zwischen der Milizforderung und unserem Kampfe gegen den Imperialismus und das Wettrüsten festzustellen.

Wie wir nicht annehmen, dass sich der Imperialismus im Rahmen des Kapitalismus durch eine andere Methode der kapitalistischen Entwicklung vertreten lässt, so lässt sich auch die Funktion des Heeres durch irgend eine ausspintisierte Heeresform, die alle Schmerzen lindert, nicht aufheben. Sondern die durch die Entwicklung des Heereswesens zutage gebrachten Tendenzen verschärfen im Heere den Gegensatz zwischen der Arbeiterklasse und dem Imperialismus. Indem wir sie in die politische Forderung der Demokratisierung der Heeresorganisation, das heißt, der Miliz, übersetzen, stellen wir unsern Kampf gegen den Imperialismus auf den einzigen wirklichen, nicht spekulativ gewonnenen Boden.

Kautsky verwirft die Milizforderung nicht. In welchem Zusammenhange ihre allmähliche Verwirklichung oder der Kampf um sie sich zur imperialistischen Entwicklung befindet, legt er nicht klar. Ja, er erklärt einmal im Lauf der Diskussion die Milizfrage im Gegensatz zur Abrüstungsfrage für nicht aktuell. In seinem diesjährigen Maiartikel geht er weiter und erklärt, die Milizidee versage der Flotte gegenüber. Diese Behauptung, in der er mit Matthias Erzberger solidarisch ist wird in der Parteiliteratur zum erstenmal ausgesprochen. In einer Fußnote zu meinem vor zwei Monaten in der Neuen Zeit veröffentlichten Artikel Zu unserem Kampfe gegen den Imperialismus fragte ich Kautsky um die Gründe seiner Meinung, da sie für die Diskussion eine große Bedeutung haben müssten. Ich entfernte aber diese Fußnote auf die Aufforderung der Redaktion, da Kautsky sofort zu antworten genötigt wäre, was den Plan der Diskussion stören müsste. Es war zu hoffen, dass Kautsky sie später enthüllen wird. Kautsky schweigt aber auch jetzt über diese von mir angeschnittene Frage, er schreibt nur kleinlaut (Neue Zeit, 1912, Seite 467): „Wie weit bei ihr die Dienstzeit reduzierbar ist entzieht sich meiner Beurteilung.“

Da aber die namhafte Verkürzung der Dienstzeit die wichtigste Vorbedingung der Miliz ist, so bedeutet es, dass es sich der Beurteilung des Genossen Kautsky entzieht, ob die Milizidee der Flotte gegenüber versagt. Es sei denn, dass Genosse Kautsky sich der genialen Auffassung von Erzberger anschließen würde, die Milizidee versage der Flotte gegenüber auch aus einem anderen Grunde, weil man nämlich dem Soldaten kein Schiff mit nach Hause geben kann. Aber dann versagt sie auch der Artillerie gegenüber, weil man den Soldaten keine Kanone mit nach Hause geben kann, dann versagt sie auch der Infanterie gegenüber, weil die dreißig Patronen, die der Soldat mit nach Hause nehmen könnte – wie es in der Schweiz geschieht –, ihm nur auf eine Minute zur Verteidigung genügen, während die Maschinengewehre, die man nicht mit nach Hause nehmen kann, eine vielmehr ausdauernde Sprache führen können. Kurz gesagt: wenn die Milizidee aus Rücksicht auf die Unmöglichkeit der Mitnahme von Kriegsschiffen versagt, dann versagt sie überhaupt, also auch beim Heere. Da aber Kautsky sie beim Landheere bestehen lässt, so bleibt nur eins übrig: Der Genosse Kautsky nahm am 26. April an, dass die Milizidee in der Marine dank der Unmöglichkeit der Verkürzung der Dienstzeit versagt, aber am 28. Juni bekehrte er sich zur sokratischen Weisheit: ich weiß nur soviel, dass ich nichts weiß. [3] Er lässt die Frage der Dienstzeit bei der Marine offen.

Ich überlasse den Genossen das Urteil darüber, welchen Wert eine auf so sehr „sich entziehende Kenntnis“ sehr wichtiger faktischer Unterlagen beruhende allgemeine Auffassung des Rüstungsproblems beanspruchen kann und erkläre auf Grund eines reichen mir zur Verfügung stehenden Materials [4], dass wir absolut keine Ursache haben, Herrn Tirpitz die Fragwürdigkeit der Möglichkeit, die Dienstzeit zu verkürzen, zu bezeugen: eine namhafte Verkürzung der Dienstzeit in der Marine ist möglich, und da die Abschaffung der Militärjustiz in der Marine natürlich ebenso möglich ist wie im Heere, so bleibt als wichtigster Einwand gegen die Möglichkeit der Demokratisierung der Marineverfassung die Tatsache der Abgeschlossenheit der Marinesoldaten, die durch das Leben an Bord verursacht wird.

Wenn man aber bedenkt, dass trotz dieser Abgeschlossenheit in der französischen Marine immer wieder Revolten ausbrechen, ja wenn man die Rolle der Matrosen in der russischen Revolution berücksichtigt, dann ist es klar, dass diese Abgeschlossenheit, wenn die Dienstzeit verkürzt wäre, das sozialistische Seelenleben der Matrosen, die sich teilweise aus der Mannschaft der Handelsmarine, den Schiffern, teilweise aus den gut qualifizierten Industriearbeitern rekrutieren, also der sozialistischen Agitation zugänglich sind, nicht ertöten könnte. Der Gedanke der Demokratisierung der Heeresverfassung ist ebenso bei der Flotte wie beim Landheer zu verwirklichen. Der Milizgedanke steht vor uns als ganzer Gedanke da, der das ganze Rüstungsproblem erfasst: methodologisch und politisch einheitlich. Methodologisch, weil die Demokratisierung des Heeres keine zwecks größerer Symmetrie des Parteiprogramms oder dank ihrer Vorzüge aus der Luft gegriffene platonische Forderung ist, sondern weil sie sich auf die reellen Entwicklungstendenzen des Kapitalismus stützt. Politisch, weil der Milizforderung ein Ziel leuchtet: die Stärkung des Einflusses der Arbeiterklasse auf die wichtigsten Organe des Imperialismus, zwecks Schaffung der Bedingungen in ihrem Innern, unter welchen sie bei den entscheidenden Kämpfen zwischen Arbeiterklasse und Imperialismus versagen, also die soziale Revolution beschleunigen müssen. Damit soll natürlich keineswegs gesagt werden, dass das Maß der Demokratisierung der Flottenorganisation dasselbe sein kann und muss, wie das des Landheeres. In der Flotte spielt die Bedienung moderner Maschinen die größte Rolle. Der Fabrikproletarier kann dies in kurzer Zeit erlernen, die Verkürzung seiner Dienstzeit ist also möglich; je länger er aber dient, desto routinierter handhabt er die Maschinen. Darum ist die Kürzung der Dienstzeit in der Flotte wohl möglich, aber von der Entwicklung der Flotte selbst nicht erfordert. Auch die Bedeutung der Demokratisierung der Flotte ist für die ganze soziale Entwicklung nicht so groß, wie die des Heeres.

Weder kann die Flotte so stark in die Klassenkämpfe eingreifen, wie jenes, noch käme in den entscheidenden Kämpfen in ihr der Geist, der die Massen des Proletariats belebt, so zutage, wie im Landheer. Dies darum, weil die Marinesoldaten nicht in großen Massen auftreten, zusammenleben und in der Seeschlacht das tote Element der Maschine eine größere Rolle spielt als im Landheer. Diese Momente werden es wohl sein, die zum Beispiel auch den Genossen Lensch dazu geführt haben, sich der Behauptung des Genossen Kautsky anzuschließen, als versage der Milizgedanke bei der Flotte. Für uns ist die Berücksichtigung dieser Momente nur eine Warnung vor der schablonenhaften Bewertung des Milizgedankens beim Landheer und der Marine. Da wir aber die Möglichkeit der Verkürzung der Dienstzeit auch bei der Marine annehmen, wie anderer auf die Demokratisierung ihrer Organisation hinzielender Maßnahmen, da wir diese Demokratisierung auch der Flottenorganisation für einen antiimperialistischen Faktor halten, glauben wir an dem Milizgedanken festhalten zu können und zu müssen, auch in der Flotte.

Die Abrüstungsidee, die Kautsky als Ergänzung der Milizidee betrachtet ist der Milizidee methodologisch und politisch schnurstracks entgegengesetzt. Die Milizidee ist zu verwirklichen auf dem Boden der Entwicklung des Heereswesens. Sie knüpft an die von der Entwicklung geschaffenen Tendenzen an. Die Abrüstungsidee soll eine gänzliche Abkehr von dieser Entwicklung darstellen und trotzdem auf dem Boden des Kapitalismus bleiben. Da, wie wir schon gezeigt haben, Kautsky keinen Schatten eines Beweises vom Bestehen irgendwelcher gegen das Rüsten sich kehrender bürgerlicher Tendenzen erbringen konnte, so stellt seine Abrüstungsidee eine Erfindung im besten oder ärgsten Sinne des Wortes dar. Angesichts dessen könnte man sie ihrem eigenen Schicksal überlassen, hätte sie nicht in den letzten Jahren eine gewisse Verbreitung gefunden. Wir wollen sie also etwas näher untersuchen. Methodologisch widerspricht sie – wie gesagt – dem Wege, auf dem eine solche programmatische Forderung aufgestellt werden kann: sie ist kein Resultat der Analyse der wirklichen Entwicklungstendenzen, sondern entspringt einer Spekulation über die Sünden und Irrtümer des Kapitalismus in der Vergangenheit und alle möglichen und unmöglichen Wege, die er einschlagen könnte, wenn eine Revolution so gütig wäre, mit der kapitalistischen Sonderstaaterei aufzuräumen, ohne dem Kapitalismus den Garaus zu machen.

Dieser, ihrer methodologischen Fehlgeburt entspricht ihr politischer Charakter. Sie ist nämlich nicht zu verwirklichen, nicht nur weil die Bourgeoisie nichts von ihr wissen will, sondern weil in der von Gegensätzen zerrissenen kapitalistischen Gesellschaft keine Tendenzen wirken, die diese Gegensätze aufheben, die die Quellen verstopfen könnten, aus denen die Rüstungswellen schlagen. Nicht, weil die Bourgeoisie sie nicht will, ist die Abrüstung unmöglich, sondern weil sie sie nicht wollen kann. Wenn dem so ist, so ist es gleichgültig, wie Kautsky die Vorzüge dieser Idee darstellt. Ob sie die finanziellen Lasten, die die Massen tragen müssen, lindert oder nicht, das kann ihr zur Lebensfähigkeit nicht verhelfen. Aber wenn es wahr ist, dass die Sozialdemokratie für sie eintreten müsste, weil sie den Massen eine große wirtschaftliche Erleichterung bringen kann, warum dann bei der Flotte Halt machen? Kostet das Heer wenig, und ist es ausgeschlossen, dass neue große Umwälzungen auf dem Gebiete des Schießwesens usw. – Kautsky möge in der militärischen Presse die jetzt diskutierte Frage von der Einführung des Selbstladegewehrs verfolgen – Hunderte von Millionen in nahester Zeit erfordern werden? Aber noch mehr: die Abrüstung auf dem Gebiete des Flottenwesens wäre nach den Äußerungen Kautskys darum durchführbar, weil es möglich ist, an Stelle des imperialistischen Wettstreits die Aussöhnung der kapitalistischen Staaten herbeizuführen.

Wenn das der Fall ist, dann verliert auch das Landheer eine seiner Funktionen: die des Kampfesorgans nach außen, da doch die jetzigen Gegensätze der kapitalistischen Staaten untereinander trotz ihrer alten historischen Form – Revancheidee in Frankreich usw. – imperialistischer Natur sind. Also fort mit der Miliz, es lebe die Abrüstung auf der ganzen Linie.

Man könnte einwenden, dass das Landheer noch eine zweite Funktion hat: die der Niederhaltung der Arbeiterklasse.

Aber nach der Meinung, die Kautsky im Jahre 1898 in seiner Polemik gegen Schippel verfochten hat, verschwindet diese Funktion mit der Umwandlung des jetzigen Heeres in eine Miliz. Diese Auffassung hat Kautsky bis jetzt nicht revidiert; er muss also aus ihr Konsequenzen ziehen. Verschwindet also der Imperialismus und kommt die Miliz an die Stelle des Militarismus, dann verliert das Kapital jedes Interesse an ihr. Aber selbst wenn sich Kautsky unter dem Einfluss der interessanten Ausführungen des Genossen Grimm [5] über die Miliz in der Schweiz (Neue Zeit, Nr.37/38) zu der Meinung gemausert hätte, dass die Bourgeoisie auch nach der Umwandlung der stehenden Heere in eine Miliz die Aussicht hätte, diese eine Zeitlang zur Niederhaltung des Proletariats zu gebrauchen, wie könnte Kautsky bei der Aufstellung einer Programmforderung sich darum kümmern? Schreibt er doch mit Recht:

Die Differenz wird ernst, wenn er aus Katzenjammer über den Bankrott kleinbürgerlicher Milizhoffnungen in die Illusionen der Abrüstungsspekulation verfällt, was bei ihm noch durch die Frage der Schweizer Verhältnisse entschuldbar, wenn auch sachlich nicht zu akzeptieren ist.

„Das Proletariat stellt seine Forderungen nicht nach den Bedürfnissen der Kapitalistenklasse, sondern nach seinen eigenen, und diese eigenen erheischen die Abrüstung.“

Nun also! Revidieren Sie, Genosse Kautsky, das Parteiprogramm, merzen Sie die Forderung der Miliz aus. Sie hat mit Ihrer Auffassung nichts zu tun und fristet ihr Leben nur dank Ihrer Anhänglichkeit an alte bewährte Ideen. Aber Ideen sind wie reißende Wölfe, denn sie vertragen sich nicht, selbst wenn der Besitzer sie friedlich beieinander lassen möchte: die neue, weil sie einer neuen Situation entsprechen soll, die alte – ja, weil man nicht in den Ruf eines Revisionisten nach rechts, links oder in die Lüfte kommen will.

Das Resultat unserer Untersuchung ist also, dass es sich hier nicht um die Ergänzung und Begrenzung zweier Losungen handelt, die, obwohl in verschiedenen historischen Situationen entstanden, demselben Ziele dienen: dem Kampfe gegen den Imperialismus. Die beiden Ideen bilden die Konsequenz zweier verschiedener Auffassungen des Imperialismus die auf verschiedenen Wegen erlangt sind. Wir wollen jetzt die politischen Konsequenzen der einen wie der andern prüfen, aber zuerst ist es nötig, noch einem Versuch entgegenzutreten, durch Verschiebung der Streitfrage sie zu verdunkeln.

Die Rüstungsbeschränkungen

Es ist ein Versuch zur Verwischung dieses Gegensatzes, wie er in letzter Zeit oft in der Parteipresse und den Versammlungen unternommen wurde, wenn manche Genossen erklärten: Eine allgemeine Abrüstung ist unmöglich, aber eine teilweise, vorübergehende wäre für das Proletariat von Nutzen. Im Gefühl, dass seine Beweisführung der Möglichkeit einer Ersetzung der heutigen imperialistischen Politik durch ein allgemeines Übereinkommen der imperialistischen Staaten zwecks gemeinsamen Vorgehens in den kolonialen Ländern fehlgeschlagen ist, klammert sich Kautsky in seinem heurigen Maiartikel an diesen Versuch und schreibt (S.108 der Neuen Zeit von 1912):

So wenig der Unternehmerverband die Konkurrenz für immer ausschalten kann, so wenig ist eine Vereinbarung zwischen den kapitalistischen Regierungen, die alle Konfliktstoffe für alle Zeiten zwischen ihnen aus dem Wege räumte, möglich. Es ist daher auch keine Abmachung zwischen ihnen denkbar, die eine völlige Entwaffnung herbeiführte. Aber es wäre bereits unendlich viel gewonnen, wenn es gelänge, aus dem jetzigen Stadium herauszukommen, das den Weltkrieg und zwar in nächster Zeit unvermeidlich macht; wenn man an dessen Stelle einen Zustand setzte, der den Krieg wohl nicht mit Sicherheit für immer ausschließt, aber ihn doch mindestens zurückschiebt. Dies könnte sogar bedeuten, dass damit dem Kriege europäischer Großstaaten untereinander für immer ein Ende gemacht wird, denn mit jedem Jahr steigt die Macht des europäischen Proletariats, die gegen einen solchen Krieg in die Wagschale fällt.

Kautsky bemerkt dabei nicht, dass sich seine Befürwortung einer Änderung der jetzigen imperialistischen Politik in eine friedliche im Nu in eine Anerkennung eben dieser Politik verwandelt, denn wenn dieser sein Satz irgendwelchen Sinn hat, dann nur einen: wenn es nichts zu erlangen gibt, dann wollen wir uns einstweilen begnügen mit Bündnissen kapitalistischer Staaten, die die Kriegsgefahr aus einer täglichen in eine seltener auftretende verwandeln würden. Dass er an diese „momentane“ Aussöhnung mit der kapitalistischen Bündnispolitik die Hoffnung anknüpft, dass inzwischen das Proletariat so stark wird, dass es die Kriege zwischen den Großmächten unmöglich machen wird (und ein Kolonialkrieg gegen China, wie wäre es damit?), so zeugt das zwar vom hoffenden Herzen des Genossen Kautsky, aber nicht minder von einer horrenden Begriffsverwirrung.

Was hat diese Frage von der Möglichkeit imperialistischer Abkommen mit der Frage der Abschaffung des Imperialismus in dem Rahmen des Kapitalismus zu tun? Und was hat die Frage von der Abrüstung zu tun mit der von einem Zustand, von dem Kautsky sagt, dass er „den Krieg zwar nicht mit Sicherheit für immer ausschließt, aber ihn doch mindestens zurückschiebt“. Dass „ein solcher Zustand“ nichts mit der Abrüstung zu tun hat, sondern die Frage von den Rüstungsbeschränkungen aufwirft, ist klar. Aber dies ist eine ganz andere Frage. Imperialistische Abkommen zwischen den Mächten sind nicht nur möglich, sondern gehören gerade zum Wesen des Imperialismus.

Weil das Kriegsrisiko im Zeitalter des Kapitalismus ungeheuer ist, räumen die Mächte mit ihren kleineren Gegensätzen auf, konzentrieren sich auf die hauptsächlichsten Gegensätze, zu deren friedlicher oder kriegerischer Lösung sie rüsten. Die Rüstungsübereinkommen können in diesem diplomatischen Aufmarsch einmal eine zu Rüstungen aufstachelnde, das zweite Mal eine für eine Zeitlang verschleppende Bedeutung haben, aber immer sind sie, um mit dem vorigen Maiartikel Kautskys zu sprechen, „Palliativmittelchen“ ..., die jeden Moment durchbrochen werden können. Ihr Palliativcharakter hängt ebenso sehr ab von den wirtschaftlich-politischen Umwälzungen, die das Verhältnis der Staaten zueinander ändern, wie von der Entwicklung der Rüstungstechnik. Es ist selbstverständlich, dass, wenn eine Regierung, auf Grund eines Abkommens mit einer anderen Macht, ihr Rüstungstempo auf eine Zeitlang einschränkt, wir es begrüßen werden. Aber wir werden dabei der Arbeiterklasse den Palliativcharakter dieser Maßregel, die Momente, die sie über den Haufen zu werfen drohen, aufzeigen. In jedem solchen Falle werden wir die Verantwortung für eine solche vorübergehende Maßregel ablehnen und sie den besitzenden Klassen zuweisen.

Dieses Hervorschieben einer anderen Frage an die Stelle derjenigen, die uns hier beschäftigt hat, einer simplen, parlamentarischen Tagesfrage an Stelle der prinzipiellen von dem Charakter unserer auswärtigen Politik, ist aber keine Zufälligkeit und verdient noch eine kurze Untersuchung. Kautsky spitzt die Streitfrage einige Male auf die Formel zu: er sei ein Anhänger der Reformen, auch auf dem Gebiete des Imperialismus, seine Gegner seien Revolutionäre, die alles oder nichts wollen. Und eben die Übereinkommen der kapitalistischen Staaten sollen diese Reform des Imperialismus bedeuten. Wäre das in der Wirklichkeit der Fall, würden solche Abkommen ein Anfang vom Ende des kriegerischen Imperialismus sein, so würde Kautsky endlich einen Boden unter den Füßen gewinnen.

Da aber die Abkommen nur ein Mittel bilden, die kleinen Gegensätze zurückzustellen, um Kräfte zu sammeln zum Kampfe um die großen, so wäre es eine gänzliche Verkennung ihres Charakters, in ihnen eine Abkehr vom Imperialismus zu sehen. Sie sind die Praxis des Imperialismus.

Der letzte rettende Sprung Kautskys aus den Wolken stellt einen Sprung auf den Boden des Imperialismus dar. Und was Kautsky als Reform des Imperialismus ansieht, das ist seine Stärkung. Während aber gewöhnlich die vom Proletariat erkämpften Reformen es stärken, so könnte die Bündnispolitik der Großmächte kein Ziel des Proletariats bilden, ohne es zu schwächen. Würde das Proletariat zweier Länder, um einen Augenblick Atem schöpfen zu können, gemeinsam auf eine „Aussöhnung“ der beiden imperialistischen Regierungen wirken wollen, so könnte dies nicht geschehen, ohne dass es sich auf ihren gemeinsamen Standpunkt stellen würde. Die imperialistischen Abkommen sind koloniale Schachergeschäfte. Ohne sie zu akzeptieren, kann die Arbeiterklasse nicht den „ehrlichen Makler“ zwischen den Regierungen spielen, um das unbewusst diese Politik am besten verurteilende Wort des Genossen Ledebour zu gebrauchen – er gebrauchte es in seiner Reichstagsrede zum Etat des Auswärtigen Amtes im Mai dieses Jahres –, denn wo ein Makler da ist, muss er den beiden Seiten ein Objekt anbieten, das für sie einen Wert hat. Das Resultat einer solchen Politik könnte nur die Anerkennung der Kolonialpolitik bilden, das heißt die Akzeptierung des kapitalistischen Standpunktes durch das Proletariat, denn man kann nicht die „Aussöhnung“ befürworten und den einzigen unter den gegebenen Umständen zu ihr führenden Weg ablehnen.

Wenn aber eine Reform das Proletariat abführt vom Wege des Klassenkampfes, dann ist sie keine Reform, die das Proletariat annehmen oder gar befürworten kann. Sie ist eine gelbe Reform, um das Wort Rappaports gegen Millerand zu gebrauchen. Dass Kautsky sie akzeptiert, das ist angesichts seines allgemeinen Standpunktes noch ein Beweis mehr, dass er die Tragweite der jetzigen Streitfragen nicht übersieht und nicht mehr übersehen kann, dank der Konsequenzen seiner in den letzten Jahren eingeschlagenen Politik.

Die Quellen und die Folgen

Die Untersuchung der Differenz, die in den Fragen unserer auswärtigen und Rüstungspolitik zwischen einem Teile der Radikalen und dem Genossen Kautsky besteht, zeigte, dass es ein Unterschied in der Anwendung der marxistischen Methode ist, der ihr zugrunde liegt. Aber es wäre sehr unrichtig, anzunehmen, dass dieser Unterschied die letzte Wurzel dieser Differenzen bildet. Wir wollen hier nicht untersuchen, ob Kautsky unsere Gegenwartspolitik immer in dieser spekulativen Weise untersuchte und begründete, weil es sich doch nicht um eine persönliche Auseinandersetzung handelt, obwohl Genosse Kautsky die Quellen der Differenz in meinem Eifer eines unglücklichen Erfinders und in der Tatsache sieht, dass es mir gelungen ist, eine so unschuldig-ahnungslose Landpomeranze wie Paul Lensch zu verführen. Die Tatsache, dass Kautsky den Imperialismus früher mit etwas anderen Augen ansah, und dass Genossen für seinen Standpunkt in diesen Fragen eintreten, von denen wir vortreffliche Analysen der Triebkräfte des Imperialismus besitzen, wie solche, die, ohne sich mit der Theorie abzugeben, aus rein politischen Gründen für die Abrüstung eintreten, zeigt, dass die eigentlichen Quellen der Differenz an anderer Stelle anders liegen. Sie sind auf dem Gebiet der allgemeinen taktischen Differenzen zu suchen, die in den letzten Jahren im Lager des deutschen Marxismus entstanden sind. Die Kautskysche Methode brachte nur klarer den Charakter und die Konsequenzen der ihm und einem Teile der Radikalen gemeinsamen, allgemeinen taktischen Position zum Ausdruck, wie wieder die Eigenarten des deutschen Imperialismus, den ich in meinem Artikel Zu unserem Kampfe gegen den Imperialismus in der Neuen Zeit darzustellen suchte, dem Standpunkt Kautskys in dieser Frage Freunde gewinnen bei einem Teile der Genossen, die in den allgemeinen taktischen Fragen mit seiner Position nichts zu tun haben wollen.

Was in unserer Position bei Kautsky am meisten Anstoß erregt, ist dieses, dass sie die Lage zur Formel zuspitzt: Hie Imperialismus – hie Sozialismus, dass sie im Imperialismus die letzte Phase des absterbenden Kapitalismus sieht, dass sie alle Illusionen über die Möglichkeit der Reform des Imperialismus leugnet, dass sie als eine Hauptaufgabe der Arbeiterklasse Massenaktionen gegen die imperialistische Praxis betrachtet, in Momenten, wo diese die Massen wirklich aufwühlt. Dieser Politik stellt er eine andere gegenüber: den Kampf gegen den Imperialismus, gegen das Wettrüsten, aber nicht als Kampf der nur auf sich angewiesenen Arbeiterklasse, sondern zusammen mit dem Kleinbürgertum, ja zusammen mit einem Teile der Bourgeoisie, die in dieser Frage vom Leben und Tod des Kapitalismus gemeinsame Interessen mit dem Proletariat haben soll. Was ist das anderes als die Losung: Gegen den schwarz-blauen Block, als die politische Grundlage des Stichwahlabkommens, die Genosse Kautsky in diesem Winter mit demselben Eifer auf Kosten der Methode und der Tatsachen verteidigte, wie die Abrüstungslosung. Der Politik, die die Hebung der Aktivität der Masse angesichts der Gefahren der imperialistischen Politik als die einzige Aufgabe der Sozialdemokraten in dieser Frage sieht, stellt Kautsky zwar keine prinzipielle Ablehnung der Massenaktionen gegenüber, ja, er erklärt sogar, (Neue Zeit, XXIX, 2, S.103), der Erfolg eines Massenstreiks in einer solchen Situation sei nicht ausgeschlossen, aber einige Sätze weiter erklärt er:

Ist es einmal soweit gekommen, dass die Bevölkerung nicht in der eigenen Regierung, sondern in der Bösartigkeit des Nachbarn, die Kriegsursache erblickt – und welche Regierung versuchte es nicht, mit Hilfe ihrer Presse, ihrer Parlamentarier, ihrer Diplomaten, der Masse der Bevölkerung diese Anschauung beizubringen, – kommt es unter solchen Umständen zum Kriege, dann entbrennt in der ganzen Bevölkerung auch einmütig das heiße Bedürfnis nach Sicherung der Grenze vor dem bösartigen Feinde, nach Schutz vor seiner Invasion.

Da werden zunächst alle zu Patrioten, auch die international Gesinnten, und wenn einzelne den übermenschlichen Mut haben sollten, sich dagegen auflehnen und hindern zu wollen, dass das Militär zur Grenze eilt und aufs reichlichste mit Kriegsmaterial versehen wird, so brauchte die Regierung keinen Finger zu rühren, sie unschädlich zu machen. Die wütende Menge würde sie selbst erschlagen.

Der politische Massenstreik ist ein ungeheures Unternehmen, das nur zustande kommen und gelingen kann, wenn eine ganze Reihe außerordentlich günstiger Umstände zusammentrifft. Den Massenstreik anwenden zu wollen als Mittel, die Verteidigung der Grenze gegen eine auswärtige Invasion zu hindern, heißt ihn dann zustande bringen wollen, wenn alle Umstände ohne Ausnahme ihn unmöglich machen, wenn er im besten Falle nichts anderes sein kann als ein heroischer Wahnsinn.

Welche Regierung wird nicht versuchen, in einem Konflikt mit der anderen sich als unschuldiges Lämmchen darzustellen? Dass jede Regierung so handeln wird, gibt selbst Kautsky zu. Während welchen Kriegen wird der Feind nicht an den Grenzen stehen? Und wer glaubt wirklich daran, dass eine kapitalistische Regierung imstande wäre, in einer Situation, in der sie in den Augen des Volkes den Anschein des Rechts entbehren könnte, „leichtsinnig“ loszuschlagen? Es gibt keinen Krieg, in dem nicht alle Bedingungen fehlten, um den Massenstreik aussichtslos zu machen, wenn es um die Sache so bestellt wäre, wie Kautsky annimmt, wenn die Klassengegensätze im Moment des Krieges aus dem Bewusstsein der Massen verschwinden, die vierzigjährige Arbeit der Sozialdemokratie, wenn auch nur vorübergehend – weg geblasen werden könnte, ja müsste.

Wir wollen hier diese Frage nicht ausführlich behandeln, dies tut Pannekoek [6], denn es handelt sich bei uns nicht um ihre Widerlegung, sondern nur um ihre Feststellung. Es ist nämlich klar, dass, wer befürchtet, dass jede Massenaktion gegen imperialistische Gefahren elend zusammenbrechen muss, der muss sich gegen eine theoretische Analyse des Imperialismus richten, die die ganze Hilflosigkeit der parlamentarischen Aktion dem Imperialismus gegenüber feststellt, indem sie die letzte Karte des Kapitalismus sieht. Obwohl wir keinesfalls der Meinung sind, dass die Massen sich in jeder kriegerischen Situation zu einer Abwehraktion aufraffen können, und obwohl wir nicht der Meinung sind, dass jede Abwehraktion erfolgreich sein muss, so sehen wir es für die Aufgabe der Sozialdemokratie an, in ihrer ganzen täglichen Agitation gegen den Imperialismus in den Massen die Erkenntnis zu verbreiten: Die ganze Bourgeoisie ist für den Imperialismus alles; was von ihm kommt, dient dem Imperialismus, es gibt kein Mittel gegen ihn als die Aktion der Arbeiterklasse, die in allen Positionen sich verschanzt, auch in der Festung des Imperialismus, im Heere, das auch, soweit es geht, im Interesse des Kampfes gegen den Imperialismus demokratisch auszubauen ist.

Dieser Standpunkt scheint Kautsky eine Agitation für den „heroischen Wahnsinn“ zu sein, und das ist die Quelle seiner Bemühungen, nicht zu sehen, was ist Weil er die Konsequenz der Analyse des Imperialismus im Interesse der „Ermattungsstrategie“ befürchtet, revidiert er hier ebenso seine Auffassung des Imperialismus wie er vor zwei Jahren aus Rücksicht auf die Ermattungsstrategie seine Theorie des Massenstreiks revidiert hat.

Dass er Lensch, der diese Revision für jeden Unbefangenen bewiesen hat, als einen sehr schlechten Burschen darstellt, das ist nur ein Gegenstück zu seiner Behauptung, die Genossin Luxemburg habe Zitate gefälscht, um seine Abkehr von seinen alten Auffassungen über den Massenstreik zu beweisen. Wenn wir diese etwas komische Seite erwähnen, so nur darum, weil sie zu der sehr ernsten politischen Frage über die Konsequenzen der Kautskyschen Politik führt.

Mit der Politik der Sozialdemokratie ist es wie mit jeder anderen: wer nicht nach vorwärts geht, der geht zurück. Wer aus Angst (sie muss nicht bewusst sein) vor den Konsequenzen einer Konstatierung dessen, was ist, die Augen davor schließt, der wird nicht nur seine sozialdemokratische Pflicht, zu sagen, was ist, nicht erfüllen, er wird genötigt sein, zu sagen, was in der Wirklichkeit nicht existiert, Illusionen zu verbreiten. Jede Verkennung der Wirklichkeit führt aber zur Konfusion. [7]

Dass sie sich bei einem einzelnen in dem Bemühen äußert, zu beweisen, dass nicht er, sondern die anderen sich geändert haben, ist noch nicht so wichtig; bei der Partei aber würde sie zu einer Wackeltopfpolitik führen, sie würde ihre agitatorische Kraft schwächen. Das müssten in erster Linie unsere praktisch tätigen Genossen in Betracht ziehen, die erklären: die Abrüstung ist unmöglich, aber sie ist eine zündende agitatorische Losung; und ein Rüstungseinschränkungsabkommen wäre zwar eine vorübergehende Maßregel, aber als konkretes erreichbares Ziel wäre es besser imstande, auf die Massen zu wirken, sie in Bewegung zu bringen, als eine allgemeine, an sich noch so richtige Agitation. Wir lassen die Tatsache beiseite, dass der Kampf um die Demokratisierung der Heeresreform, in konkreter Form geführt, ein noch reelleres Ziel stellt, an das wir in unserem täglichen Kampfe gegen den Imperialismus anknüpfen können, und dass die imperialistischen Gefahren ein immer konkretes Angriffsziel bieten. Wir wollen nur feststellen, dass die Sozialdemokratie ihre Agitation niemals an die Illusionen der Masse anpassen darf, sie muss umgekehrt diese Massen von allen Illusionen zu befreien suchen, indem sie ihnen bei jeder Aktion sagt, was ist. Aber die Praktiker, die annehmen, dass in den Massen der Glaube an die Möglichkeit der Abrüstung, an den Nutzen der Bündnisse der kapitalistischen Regierungen eingebürgert ist, sind schlechte Beobachter. Nichts lässt die Massen in den Versammlungen so kalt, wie die Ausführungen von dem Bündnis mit den „Kulturnationen“, von der Möglichkeit der Einschränkung der Rüstungen, und nichts löst in ihnen solchen Beifall aus, als der Appell an die solidarische Aktion des Proletariats gegen die Politik jener „Kulturstaaten“, die dem Lena-Zaren die Hand drücken, damit er ihnen helfe, sich gegenseitig die Hälse abzuschneiden. Nichts weckt einen größeren Enthusiasmus in den Massen, als die Feststellung, dass der Imperialismus den Kapitalismus an den Abgrund führt, und dass es die historische Rolle der Arbeiterklasse ist, ihn dort hinunterzustoßen. Dass es so sein muss, ist klar, weil es in der in der Arbeiterklasse instinktiv sich den Weg bahnenden, auf Grund ihrer ganzen Kampfesnatur erklärbaren Erkenntnis basiert, dass keine Klasse zurücktritt oder ihre Natur ändert, ohne alles gewagt zu haben, weil sie in dem Gefühl basiert, dass in der Arbeiterklasse die Macht zum Siege über den Kapitalismus mit jedem Jahre wächst. Darum würde die Abrüstungsparole und alles, was drum und dran hängt, die ein Teil der Praktiker aus agitatorischen Gründen befürwortet, alles andere tun, als die Agitation stärken.

Darum sind wir auch sicher, dass, wenn auch auf dem Parteitag in Chemnitz angesichts des noch wenig geklärten Charakters des Problems die Mehrheit der Partei sich für den Standpunkt der Fraktion erklären würde, dem Kautsky eine theoretische Begründung gibt, der Sieg sehr kurzlebig sein würde. Mit Phantasien macht man Gedichte, mit Spekulationen schlechte Philosophie; aber der Kampf erfordert ein Schwert, und Eisen wächst nur in dem schwarzen Boden der Wirklichkeit.

Anmerkungen

1. Zu unserem Kampfe gegen den Imperialismus, Neue Zeit, letzter Band, S.233-236.

2. In diesem Sinne einer vollen Durchführung des Milizgedankens, der Umwandlung des Militarismus in eine wirkliche Volkswehr, ist sie im Rahmen des Kapitalismus nicht zu verwirklichen, wie auch eine volle Volksherrschaft im Kapitalismus unmöglich ist, unter dem das private Eigentum an Produktionsmitteln die Menschen beherrscht. Insoweit hat Freund Pannekoek recht, wenn er in seinem Artikel gegen Grimm (Leipziger Volkszeitung vom 7. Juli) von der Undurchführbarkeit der Miliz im Rahmen des Kapitalismus spricht. Aber auch kein Jota weiter. Denn die Demokratisierung der Heeresorganisation ist in demselben Maße im Rahmen des Kapitalismus möglich wie jede andere Form der Demokratie.

3. Das ist nicht der einzige Punkt, in dem sich dem Genossen Kautsky in dieser Polemik die Kenntnis der Tatsachen entzieht. Wenn er in seinem letzten Artikel vom 6. September schreibt „Deutschland besitzt ein unbegrenztes Menschenmaterial, seine Flotte zu vermehren, England findet es immer schwerer, die neuen Schiffe, die es hat, zu bemannen“ oder wenn er in demselben Artikel erklärt, weder in Afrika noch in Asien stünden größere territoriale Verschiebungen bevor, so muss festgestellt werden, dass ihm die sachlichen Unterlagen fehlen. Es muss festgestellt werden aus sachlichen Gründen. Denn es ist klar, dass, obwohl selbst ein Mann, dem die Partei so unendlich viel verdankt, wie Kautsky, keinesfalls alle Gebiete der Politik mit gleicher Gründlichkeit beherrschen muss, ja kann, die Diskussion über neue Erscheinungen doch ein gründliches Studium erfordert. Ohne Kenntnis der Tatsachen muss sie in Kannegießereien ausmünden.

4. Da ich den mir zu Gebote gestellten Platz überschritten habe, muss ich von der Darstellung dieser Frage an der Hand von Tatsachenziffern usw. jetzt absehen.

5. Der Grimmsche Artikel räumt sehr glücklich mit mancher kleinbürgerlichen Illusion über die Miliz auf, die von der Sozialdemokratie zusammen mit der Milizidee vom Kleinbürgertum übernommen wurde, warum er ihn polemisch gegen mich zuspitzt, ist mir unerklärlich da –– wie er zugestehen muss – meine Artikel so sehr von den landläufigen Illusionen über die Wunder der Miliz fern waren, wie meines Wissens keine anderen in der Parteipresse. Wenn ich trotzdem in der Beurteilung der Machtverschiebung, wie sie die Entwicklung zur Miliz in Deutschland herbeiführen würde – was auch die Sozialpolitik beeinflussen müsste –, dem etwas zu engen Standpunkt des Genossen Grimms nicht zustimmen kann, so geschieht es aus dem Grunde: Grimm untersucht die Miliz, wie sie unter dein Einfluss der Entwicklung der militärischen Technik und des Kapitalismus sich aus einer kleinbürgerlichen in eine kapitalistische verwandelt, während in Deutschland zu untersuchen ist, wie sich im kapitalistischen Militarismus unter dem Drucke des Proletariats die demokratischen Tendenzen durchsetzen. Die Verschiedenheit der Perspektive schafft die scheinbare Differenz in meiner und Grimms Auffassung der Miliz.

6. Der Artikel war geschrieben vor dem Erscheinen des Artikels des Genossen Pannekoek über die Massenaktionen.

7. Am grellsten tritt diese Konfusion in den Artikeln des Genossen Eckstein in der Neuen Zeit hervor. – Wir gaben hier vor einigen Monaten eine Probe, an Hand seines Artikels über die Gegenwartsforderungen der Sozialdemokratie, in dem er sich in die Behauptung hineinredete, alle unsere Forderungen seien in der kapitalistischen Gesellschaft undurchführbar – wie in denen von Spectator aus der Dresdner Volkszeitung über das gleiche Thema.


Zuletzt aktualiziert am 8.8.2008