Victor Serge

 

Sozialismus oder Totalitarismus?

(1945)


Victor Serge, Für die Erneuerung des Sozialismus: Unbekannte Aufsätze, Hamburg 1975, S.31-36.
Übersetzung aus dem Französischen: Marita Molitor.
Transkription u. HTML-Markierung: Einde O’Callaghan für das Marxists’ Internet Archive. [1*]


Seit dem Ende des europäischen Krieges wird es immer deutlicher, daß die Probleme der Neuorganisation der Welt, die diese soziale Katastrophe aufgeworfen hat, sehr viel schwieriger zu lösen sind als es die Sozialisten vor einigen Jahren geglaubt haben. Die gegenwärtigen Ereignisse hängen alle unausweichlich mit einer Veränderung der (kapitalistischen) Industriegesellschaft zusammen; sie können eine Ära konfuser Kämpfe, eine Ära der Unmenschlichkeit und Regression eröffnen; sie können zum Aufbau von Gesellschaften fuhren, die gerechter und rationaler organisiert sind als die vergangenen; und das hängt in großem Maße von der bewußten Mitwirkung der Einzelnen und der Massen an den Ereignissen selbst ab. In diesem Sinne bleiben die sozialistische Theorie und die sozialistische Bewegung trotz unserer Schwäche wesentliche historische Faktoren.

Alle die Europa kennen sind sich über zwei bedeutende positive Tatsachen einig. Die reaktionären Klassen, die den Faschismus und den Nazismus gemacht haben (und auf die folglich die Verantwortung für den Krieg zurückfällt) sind auf dem ganzen Kontinent äußerst geschwächt; und in etwas geringerem Maße auch in Großbritannien. Ihr Geld-Kapital ist in den Schmelztiegeln des Krieges zusammengeschmolzen; ihre industrielle Ausrüstung ist abgenutzt und vorn Krieg zerstört, nachdem es unter die Kontrolle der totalitären Staaten geriet; die totalitären Staaten haben ihren rechtlichen Status ruiniert, der auf dem Recht der Unternehmer und der Erhaltung des Privateigentums begründet war; ihre Regierungsmitglieder sind durch ihre Kollaboration mit dem Nazi-Faschismus diskreditiert, entehrt und disqualifiziert. Kurz, wir erleben im kontinentalen Europa den blutigen Zusammenbruch der alten führenden Klassen. Magnaten der Schwerindustrie, des Komitees für Hüttenwerke und Kohlenbergbau, gekrönte Monarchen, Marschälle des ersten Weltkrieges, Caudillos und Journalisten sitzen alle im selben Boot. Andererseits hat sich ein elementares sozialistisches Bewußtsein weit verbreitet, obwohl die sozialistischen Bewegungen in verschiedener Art und Weise besiegt worden waren, nachdem sie manchmal einen Mangel an Hellsicht und Energie, manchmal aber auch echten Heldenmut bewiesen hatten. Seit den Tagen der Niederlage von 1940 habe ich in Frankreich erlebt, daß der Mann von der Straße oftmals, ohne die sozialistische Ideologie zu kennen, in einer Art und Weise sprach, wie es vorher nur die aktiven Kämpfer getan haben.

Die Ideen vom Abbau großer Privilegien, von der Verstaatlichung der Schlüsselindustrien, von Planung und Lenkung der Wirtschaft zugunsten der Allgemeinheit und von sozialer Sicherheit haben sich allgemein durchgesetzt. Gleichzeitig taucht im Bewußtsein der Menschen das Problem der Demokratie auf, zwar noch unklar aber drängend. Die Demokratie des Finanzkapitals, der Trusts und des Pro-Faschismus ist vorbei; sie hat den Parlamentarismus diskreditiert, aber nicht das allgemeine Wahlrecht, das, so spürt man, neue Macht erlangen kann; die Traditionen der Freiheit der Gemeinden und der Pressefreiheit sind keineswegs vom Totalitarismus endgültig vernichtet worden, sondern sie haben überlebt und leben im Westen mit großartiger Kraft wieder auf. Die Untergrund-Bewegungen und die Erfahrungen in Italien und Frankreich beweisen es. Es ist sehr gut möglich, daß in Anbetracht der tragischen und verzweifelten Situation des deutschen Volkes, Frankreich (und Italien und Spanien, d.h. das alte mediterraneane Abendland mit seiner hochentwickelten Kultur) nun wieder zum revolutionären Versuchslabor des Fortschritts wird. Ich lese mit Vergnügen die Zeilen von Jacques Maritain. Der katholische Philosoph und Botschafter der IV. Republik beim Vatikan schreibt, daß „dieses (französische) Volk sieht, wie die alten führenden Klassen ihre soziale Stellung zu halten versuchen mittels ihrer Kompetenz und ihrer Weigerung, sich einer Gewissenserforschung zu unterziehen“ (Hervorhebungen von mir) und daß dieses Volk an „die zweite französische Revolution... und die Befreiung“ denkt. Maritain spricht nur in Euphemismen: wenn etwas zusammengebrochen ist, dann ist es die „soziale Kompetenz“ der alten führenden Klassen, und man versteht ihre Weigerung, sich einer Gewissenserforschung zu unterziehen, die für sie unmöglich ist, sehr gut. Maritain glaubt, daß das französische Volk eine Revolution auf einen späteren Zeitpunkt verschiebt, weil es dazu augenblicklich nicht in der Lage ist, und vielleicht hat er nicht unrecht: die heutige Welt ist zu gefährlich und komplex, als daß man sich sofort an die Arbeit machen könnte, und die tendenzielle sozialistischen europäischen Massen haben, so scheint es mir, sehr viel mehr praktischen Menschenverstand als man denkt. Sie sind in der Lage, energisch und revolutionär zu sein, ohne sich deshalb „extremistisch“ zu zeigen.

Widerlegen wir sofort eines der entmutigenden Argumente. Die Völker, die unendlich gelitten haben, die Terror, Hungersnot und Überlastungen ausgesetzt waren, sind nicht notwendigerweise geschwächte Völker; die großen Prüfungen verlangen menschliche Energie, sie zwingen zum Denken und Handeln und sie machen mit der Gefahr vertraut, die, wenn man sie fürchtet, ein Faktor der sozialen Apathie ist; bei der geringsten Aussicht auf Rettung und Verbesserung, wird das, was zuvor eine Ursache für Depressionen war, zu einer Ursache für Initiative und Vertrauen. Ich habe dieses psychologische Phänomen in der russischen Revolution und dann unter dem stalinistischen Totalitarismus ständig beobachtet. Es hängt sogar mit der Physiologie zusammen: man weiß, daß die Geburtenziffer nach Kriegen erheblich ansteigt. Wenn die Völker Europas ihre Hoffnungen auf Verbesserungen enttäuscht sehen, könnten sie in eine Phase bitterster Depression eintreten; aber sobald sie eine Aussicht auf wirkliche Rettung haben, werden sie zu schöpferischer Aktivität fähig sein, die wahrscheinlich unsere optimistischen Hoffnungen übersteigt. (Das traf lange Zeit auf die Energie des russischen Volkes zu, die sich in den schrecklichsten Situationen manifestieren mußte!)Wir glauben, daß die Niederlagen des europäischen Sozialismus viel tieferliegende Ursachen hatten als die politische Unfähigkeit des Reformismus und den zuweilen kriminellen und im allgemeinen stupiden Machiavellismus der Komintern zwischen den beiden Kriegen. Es wäre an der Zeit, daß die marxistische Analyse die unberechenbaren Folgen, die aus der Erneuerung der modernen industriellen Technik resultieren, erkennt. Die Technik des 20. Jahrhunderts steigert die Produktionskapazitäten der Industrie – und auch der Landwirtschaft – ungeheuerlich und mindert dabei die Bedeutung der Arbeitskraft. Ein Teil der Arbeiterklasse ist verbürgerlicht, ein anderer Teil ist zur chronischen Arbeitslosigkeit verurteilt, während die Rationalisierung und Automatisierung der Fabriken die individuellen, menschlichen Fähigkeiten des Arbeiters verringert. Und während die Arbeiterklasse schwächer wurde, nahmen die Funktionen des Staates zu, so daß eine gemischte Mittelklasse, die sich aus Beamten und Technikern zusammensetzt, eine große soziale Bedeutung erlangte. Es ist nicht zu bezweifeln, daß sich diese Veränderungen der kapitalistischen Produktion und der Gesellschaftsstruktur gegen den Sozialismus ausgewirkt haben, der sich dessen nicht genügend bewußt wurde. Aber seit einiger Zeit müssen sie sich aus mehreren Gründen zugunsten des Sozialismus auswirken: 1. Die Technik der großen Produktion zwingt weitreichend zur Lenkung und Planung, d.h. zur Kollektivierung; 2. bringt der Krieg eine weitreichende soziale Nivellierung mit sich: die Arbeiteraristokratie hat ihren Wohlstand verloren, die Mittelklassen haben Wohlstand und Sicherheit verloren; die Techniker müssen notwendigerweise eine rationale Neuorganisation der Produktion konzipieren; 3. die Arbeiterklasse muß während der Zeit des Wiederaufbaus neue Größe und neue Macht erlangen; 4. die Interdependenz der Staaten, die Notwendigkeit kontinentalen und interkontinentalen Organisationen scheint einen günstigen Boden für den sozialistischen Internationalismus vorzubereiten.

Europa geht schrecklich verarmt und durch die Streitigkeiten unter den Nationen gespalten aus dem Krieg hervor, aber auch mit der technischen Möglichkeit, mittels einer vernünftigen Organisation bald einen erheblich höheren Lebensstandard als vorher zu erlangen. Die vernünftige – d.h. rationale, sozialistische oder tendenziell sozialistische – Organisation impliziert die Zusammenarbeit der Nationen und damit das Ende der nationalen Streitigkeiten. Auch in dieser Hinsicht ist ein vernünftiger Optimismus angebracht. Wir haben die Erinnerung an die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und an die tiefgreifenden Bewegungen wahrer Versöhnung, an denen wir beteiligt waren, nicht vergessen. Die Verantwortung der reaktionären Klassen für den Aufstieg des Faschismus-Nazismus ist heute offensichtlicher als damals die Verantwortung der Imperialisten. Französische Kriegsgefangene in Deutschland haben uns von ihrer Zusammenarbeit mit den deutschen Arbeitern im antihitlerischen Untergrund berichtet. Man könnte darüber erstaunt sein, mit welcher Leichtigkeit die Franzosen in Verbindung mit den Italienern die Erinnerung an den Dolchstoß, den ihnen Mussolini versetzt hat, überwinden. Die Regierung des Landes, das von der Nazi-Invasion am schonungslosesten behandelt wurde, nämlich Rußland, konnte sogar mit den deutschen Gefangenen in Stalingrad eine Bewegung der deutschrussischen Zusammenarbeit gründen. Wir glauben, daß diese Bewegung unendlich gefährlich für das Europa von morgen ist, aber das ist kein Grund, der es rechtfertigen würde, den wertvollen psychologischen Hinweis, den uns diese Bewegung darüber hinaus gibt, zu leugnen. Bedenken wir auch, daß das vom russischen Totalitarismus zerstückelte und gequälte Polen gegenüber dem russischen Volk eine brüderliche Haltung bewahrt und daß seine Regierung gegenüber dem russischen Totalitarismus eine sehr versöhnliche Haltung behält. Die Streitigkeiten unter den Nationen werden groß, aber keineswegs unüberwindbar sein.

Unter den gegenwärtigen Umständen könnte eine Rückkehr zu den Institutionen der traditionellen Demokratie in den befreiten Ländern Europas nur durch die Errichtung von Militärdiktaturen verhindert werden, die gegen das Volk gerichtet und zwangsläufig neo-faschistisch wären. Das allgemeine Wahlrecht, die Freiheiten der Arbeiter, die Pressefreiheit erscheinen jedoch nicht mehr wie Institutionen der bürgerlichen Demokratie, sondern wie Institutionen einer Volksdemokratie, in der die tendenziell sozialistischen Arbeiter ohne große Mühe – d.h. indem sie kostspielige, gefährliche Bürgerkriege vermeiden – die wirkliche Hegemonie erlangen müssen. Aber hier taucht die schwierige Frage des russisch-kommunistischen Totalitarismus auf. Entgegen den Hoffnungen der Linkssozialisten übt das Wiederaufleben der europäischen sozialistischen Bewegung keinen befreienden Einfluß auf die UdSSR aus, sondern die totalitäre Maschinerie, die aus der russischen Revolution entstanden ist, versucht ganz offensichtlich, die tendenziell sozialistischen Massen Europas und sogar die wiederauflebenden sozialistischen Parteien zu beherrschen, wie man es in Italien, Frankreich und Griechenland sieht. Die sozialistische Bewegung steht heute nicht mehr, wie es früher der Fall war, einem einzigen Gegner, dem kapitalistischen Konservatismus gegenüber. Dieser erschöpfte und unglaubwürdig gewordene Gegner kann auf dem europäischen Kontinent nur insofern ernsthaft vorhanden sein und wichtig werden, als er noch auf Unterstützungen aus dem Ausland, die sehr intensiv sein können, zählt. Die sozialistische Bewegung steht außerdem dem Einfluß und der direkten Intervention des kommunistischen Totalitarismus gegenüber, der von einer sehr großen Wirtschafts-, Militär- und Polizeimacht getragen wird. Das historische Drama spielt sich nicht mehr wie gegen Ende des Ersten Weltkrieges zwischen zwei Hauptprotagonisten – Sozialismus gegen Kapitalismus – ab, sondern zwischen drei sehr ungleichen Protagonisten: diskreditierter Kapitalismus, Sozialismus ohne staatliche Unterstützung und kommunistischer Totalitarismus. Jener letztere genießt noch immer das Ansehen der ersten siegreichen Revolution, das Ansehen der Stärke in einem schließlich siegreichen Krieg, und er verfügt darüber hinaus über die Mittel zur Korruption und Einschüchterung; er kann an die unruhigen Massen appellieren, indem er Forderungen sozialistischen Charakters stellt, und zugleich an die konservativen Klassen, indem er vorgibt fähig zu sein, die Arbeitermassen zu regieren und zu zügeln. In Italien und Frankreich war die kommunistische Presse seit der Befreiung von der deutschen Besatzung die stärkste, weil sie allein über eine beträchtliche ökonomische Unterstützung und über einen perfekt organisierten Apparat verfügte. Während es der sozialistischen Bewegung an Kadern fehlt, verfügt die kommunistische Bewegung über genügend Kader; sie braucht eigentlich bloß ausführende Agenten, die sie überdies leicht bezahlen kann. Die sozialistische Bewegung hat in der jüngsten Zeit nur ihre Niederlagen aufzuweisen, während der Kommunismus seine Widersprüche mit der Siegesfahne der UdSSR verhüllt. Die Tatsache, daß der unbändige Antibolschewismus vom Nazismus ausgenutzt wurde, erschwert die Situation der antitotalitären Sozialisten. Diese verschiedenen Gründe geben dem Kommunismus einen deutlichen Vorsprung vor dem Sozialismus. Wenn der Kommunismus vorgibt, sich an die Spitze der unzufriedenen Massen zu stellen, obwohl er dabei nur sehe eigenen Ziele verfolgen kann, wird die Situation der Sozialisten dramatisch. Sich einer streng organisierten und vom Ausland unterstützten totalitären Partei anzuschließen, bedeutet zwangsläufig, sich ihr unterzuordnen. Für ihren Sieg zu kämpfen bedeutet, für die Errichtung von Regimen zu kämpfen, die die kompromißlosesten Sozialisten erschießen und die anderen deportieren werden und die Meinungsfreiheit, die individuellen Freiheiten, die Demokratie abschaffen werden. Den Anschluß an die Kommunisten zu verweigern, wenn diese eine Aktion machen, bedeutet, sich der Komplizenschaft mit dem Konservatismus oder sogar der Konterrevolution bezichtigen zu lassen. Die sozialistischen Bewegungen laufen unter diesen Umständen Gefahr, von den totalitären ausgebeutet, gespalten, entstellt und schließlich zerstört zu werden. Es ist auf jeden fall sicher, daß überall wo der Kommunismus seine Hegemonie durchsetzt, die sozialistische Demokratie zugrunde gehen wird.

Die erste Bedingung für das Wiedererstarken des europäischen Sozialismus scheint mir darin zu bestehen, daß er mit Hellsicht und Entschlossenheit seine absolute Unabhängigkeit gegenüber dem totalitären Kommunismus bewahrt. Die Praxis der kommunistischen Parteien zeigt, daß diese Unabhängigkeit dennoch mit Übereinkünften vereinbar sind, wenn die Umstände dies erfordern. Die KPs verstehen es, an bestimmten Fronten und Regierungen mitzuarbeiten, und dabei diese Fronten und Regierungen zu kritisieren, ja sogar zu diskreditieren. Die Sozialisten sollen sie in ihren unfairen Methoden nicht nachahmen, aber sie müssen, um nicht endgültig besiegt zu werden, ihre eigene kämpferische Physiognomie bewahren, das heißt: ohne das geringste Nachgeben ihre Ideologie der Freiheit (der Demokratie) ihre Kritik am Totalitarismus, ihre Verurteilung der politischen Verfolgungen in der UdSSR, ihr eigenes Programm für den Wiederaufbau der Welt mit demokratisch regierten Planwirtschaften geltend machen. Diese Kompromißlosigkeit ist für uns eine Existenzberechtigung geworden. Wir müssen uns darüber klar sein, daß sie schwer zu verteidigen ist und die hinnähme ziemlich großer Gefahren impliziert.

Von den zwei wesentlichen Argumenten der kommunistischen Propaganda ist das eine fast ganz unglaubwürdig, das andere im Begriff, seinen wahren Inhalt zu verlieren. 1. Die UdSSR tritt vor den Massen, denen Informationen vorenthalten werden, noch immer als eine „Arbeiterdemokratie“ neuer Art auf. Diese ungeheuer falsche Behauptung ist mit einfacher, ehrlicher Information, auf die die Sozialisten niemals verzichten dürfen, zu zerstören. Der Mythos zerstreut sich schließlich von selbst, sobald ein Land unter die kommunistisch-totalitäre Hegemonie fällt. 2. Es schien bisher gerechtfertigt, vom ökonomischen Standpunkt her zu behaupten, daß das vollständig geplante und gesteuerte System der UdSSR mit seiner (im Prinzip...) rationalen Zentralisierung im Bereich der Produktion und im Vergleich zu den mehr oder weniger anarchischen kapitalistischen Wirtschaften einen beträchtlichen Fortschritt erzielt hat. Der Grad der Planung, der in mehreren kapitalistischen Ländern erreicht wurde, ohne daß sich deshalb die Situation des durchschnittlichen Menschen spürbar verschlechtert hätte, mindert bereits den Wert dieses Arguments. Die Möglichkeit, in einigen Ländern Europas eine ansatzweise sozialistische Planung und ein demokratisches Regime zu verwirklichen, ohne die terroristische Intoleranz einzuführen oder die Rechte des Einzelnen abzuschaffen, erscheint uns völlig real; von dem Augenblick an, wo dies in gewissem Maße zur Realität wird, werden die Länder, die diesen weg einschlagen und auch im Hinblick auf die ökonomische Organisation im Vergleich zur totalitären UdSSR die Länder des Fortschritts werden. In diesem Zusammenhang muß man darauf hinweisen, daß gerade die despotische Planung die größten und unmenschlichsten Kosten erfordert. Die russische Erfahrung beweist es. Und das ist vielleicht der Hauptgrund, der darauf schließen läßt, daß die industriell entwickelten Länder mit einer tief verwurzelten demokratischen Tradition nur dann den Weg zum totalitären Kollektivismus einschlagen werden, wenn sie von stark bewaffneten Minderheiten gewaltsam dazu gezwungen werden.

Mexiko, Februar 1945

 

Anmerkung des MIA

1*.In der Ausgabe des Verlags Association wurden alle Substantive außer Eigennamen kleingeschrieben. Wir haben für diese Internet-Ausgabe zwecks Leserlichkeit die normale Großschreibung wiedereingeführt.

 


Zuletzt aktualiziert am 14.10.2003