Leo Trotzki

 

Mein Leben


An der Macht

Jene Tage waren ungewöhnliche Tage sowohl im Leben des Landes wie im persönlichen Leben. Die Spannung der sozialen Leidenschaften und der persönlichen Kräfte erreichte den Höhepunkt. Die Massen schufen Epoche, die Führer fühlten, daß ihre Schritte mit den Schritten der Geschichte sich vereinigten. In jenen Tagen wurden Beschlüsse gefaßt und Befehle erteilt, von denen das Schicksal des Volkes für eine ganze historische Epoche abhing. Die Beschlüsse wurden dennoch fast nicht diskutiert. Es würde mir schwerfallen, zu sagen, daß sie richtig erwogen und überlegt wurden. Sie wurden improvisiert. Dadurch waren sie nicht schlechter. Der Ansturm der Ereignisse war so mächtig, die Aufgaben so klar, daß die verantwortlichsten Beschlüsse leicht, im Gehen entstanden, als etwas Selbstverständliches, und sie wurden auch so aufgenommen. Die Bahn war vorausbestimmt. Man hatte die Aufgaben nur bei Namen zu nennen, man brauchte nicht zu beweisen, man brauchte fast keine Aufrufe mehr. Die Masse begriff ohne Schwankungen und Zweifel, was sich für sie aus der Situation von selbst ergab. Unter der Last der Ereignisse formulierten die „Führer“ nur das, was den Bedürfnissen der Masse und den Forderungen der Geschichte entsprach.

Der Marxismus betrachtet sich als den bewußten Ausdruck des unbewußten geschichtlichen Prozesses. Aber der – im geschichtlich-philosophischen und nicht im psychologischen Sinne – „unbewußte“ Prozeß trifft nur auf seinen höchsten Gipfeln mit seinem bewußten Ausdruck zusammen, wenn die Masse durch einen elementaren Ansturm die Türen der sozialen Routine einschlägt und den tiefsten Bedürfnissen der historischen Entwicklung einen siegreichen Ausdruck gibt. Das höchste theoretische Bewußtsein der Epoche verschmilzt in solchen Augenblicken mit der unmittelbaren Handlung der zutiefst unterdrückten und der Theorie am fernsten stehenden Massen. Die schöpferische Vereinigung des Bewußten mit dem Unbewußten ist das, was man gewöhnlich Inspiration nennt. Revolution ist rasende Inspiration der Geschichte.

Jeder echte Schriftsteller kennt Augenblicke des Schaffens, wo jemand Anderer, Stärkeren ihm die Hand führt. Jeder echte Redner kennt Augenblicke, wo aus seinem Munde etwas Stärkeres spricht, als er selbst in seinen gewöhnlichen Stunden ist. Das ist „Inspiration“. Sie entsteht aus der höchsten schöpferischen Anspannung aller Kräfte. Das Unbewußte erhebt sich aus tiefen Höhlen und unterwirft sich die bewußte Gedankenarbeit, verbindet sich mit ihr zu einer höheren Einheit.

Stunden höchster Anspannung der geistigen Kräfte erfassen in gegebenen Augenblicken alle Seiten der persönlichen Tätigkeit, die mit der Bewegung der Masse verbunden ist. Solche Tage waren für die „Führer“ die Oktobertage. Die verborgensten Kräfte des Organismus, seine tiefsten Instinkte, der von seinen tierischen Ahnen vererbte Spürsinn, all das erhob sich, sprengte die Türen der psychischen Routine und stellte sich – zusammen mit den höchsten historisch-philosophischen Verallgemeinerungen – in den Dienst der Revolution. Diese beiden Prozesse, der individuelle und der kollektive, beruhten auf der Vereinigung des Bewußten und des Unbewußten, des Instinktes, der die Triebfeder des Willens bildet, mit den höchsten Verallgemeinerungen des Gedankens.

Äußerlich sah es gar nicht pathetisch aus: die Menschen gingen einher, müde, hungrig, ungewaschen, mit entzündeten Augen und borstigen Gesichtern. Jeder von ihnen vermochte später nur weniges über die kritischsten Tage und Stunden zu erzählen.

Hier ein Auszug aus den Notizen meiner Frau, die allerdings bedeutend später geschrieben wurden: „Die letzten Tage der Vorbereitung des Oktober wohnten wir in der Taurischen Straße. L. D. verbrachte die ganzen Tage im Smolny. Ich setzte meine Arbeit im Verband der Holzarbeiter fort, wo die Bolschewiki die Führung hatten und wo die Atmosphäre sehr erhitzt war. Alle Dienststunden vergingen in Diskussionen über den Aufstand. Der Vorsitzende des Verbandes vertrat den ‚Standpunkt Lenin-Trotzki‘ (so hieß das damals), ich führte zusammen mit ihm die Agitation. Über den Aufstand sprach man überall und allerorts: in den Straßen, in den Speiseräumen, bei Begegnungen auf den Treppen des Smolny. Man nährte sich schlecht, schlief wenig, arbeitete vierundzwanzig Stunden am Tage. Von unseren Jungens waren wir meist getrennt, und die Oktobertage waren für mich auch Tage der Sorge um ihr Schicksal. In der Schule, die sie besuchten, gab es insgesamt zwei ‚Bolschewiki‘, Ljowa und Serjoscha, und einen dritten, einen ‚Sympathisierenden‘, wie sie sagten. Gegen diese drei trat die kompakte Gruppe der Sprößlinge der regierenden Demokratie auf, der Kadetten und der Sozialrevolutionäre. Wie stets bei ernsten Meinungsverschiedenheiten wurde die Kritik durch praktische Argumente ergänzt. Der Direktor mußte mehr als einmal meine Söhne aus dem Haufen der über ihnen liegenden ‚Demokraten‘ befreien. Die Jungens taten eigentlich das gleiche, was ihre Väter taten. Der Direktor war Kadett. Deshalb bestrafte er meinen Sohn dauernd: ‚Nehmen Sie Ihr Mützchen und gehen Sie nach Hause.‘ Nach dem Umsturz wurde ihr Verbleiben in der Schule ganz undenkbar. Die Jungens gingen in eine Volksschule über. Dort war alles primitiver und gröber, aber es war dort leichter zu atmen.

Ich und L.D. waren nie zu Hause. Wenn die Jungens aus der Schule heimkamen und uns nicht fanden, hielten auch sie es nicht für nötig, in den vier Wänden zu bleiben. Demonstrationen, Zusammenstöße, häufige Schießereien flößten mir in jenen Tagen Angst um sie ein; sie waren höchst revolutionär gesinnt... Bei flüchtigen Begegnungen mit mir erzählten sie freudig: ‚Wir fuhren heut in der Trambahn mit Kosaken und haben gesehen, wie sie Papas Aufruf Brüder – Kosaken! lasen.‘ ‚Nun, und?‘ ‚Sie lasen, gaben ihn weiter, schön ist es ...‘ ‚Schön?‘ ‚Schön!‘ Ein Bekannter von L.D., der Ingenieur K., der eine große Familie, Kinder in verschiedenem Alter, eine Bonne und so weiter hatte, erbot sich, die Jungens vorübergehend bei sich aufzunehmen, wo sie unter Aufsicht sein würden. Man mußte dieses rettende Anerbieten aufgreifen. Mit verschiedenen Aufträgen von L.D. ging ich an manchen Tagen fünfmal nach dem Smolny. Spät in der Nacht kehrten wir in die Taurische Straße zurück und trennten uns am frühen Morgen: L.D. ging in den Smolny, ich in den Verband. Mit dem Anwachsen der Ereignisse verließ man den Smolny überhaupt nicht. L.D. kam tagelang nicht in die Taurische Straße, nicht mal, um sich ein wenig auszuschlafen. Oft blieb auch ich im Smolny. Man übernachtete auf Sofas, in Sesseln ohne sich auszuziehen. Das Wetter war nicht warm, aber trocken, herbstlich, trübe, mit kalten Windstößen. in den Hauptstraßen war es still und leer In dieser Stille lag eine unheimliche Spannung. Der Smolny kochte. Die riesige Aula glänzte in tausend Lichtern der prächtigen Lüster und war Tag und Nacht unmäßig mit Menschen überfüllt. Ein intensives Leben herrschte auch in den Fabriken und Werkstätten. Aber die Straßen wurden still, verstummten, als habe die Stadt ängstlich den Kopf in die Schultern eingezogen ...

Ich erinnere mich, wie ich am zweiten oder dritten Tag nach der Umwälzung am Morgen in ein Zimmer des Smolny trat, wo ich Wladimir Iljitsch, Lew Dawidowitsch, ich glaube, Dserschinski, Joffe und viele andere erblickte. Alle hatten eine graugrüne, übernächtigte Gesichtsfarbe, entzündete Augen, schmutzige Kragen; das Zimmer war vollgeraucht. Jemand saß am Tisch, um den Tisch herum stand eine Menge, die auf Befehle wartete. Lenin und Trotzki waren umringt. Mir schien, die Anordnungen wurden wie im Schlafe erteilt. In den Bewegungen, in den Worten war etwas Somnambulisches, Mondsüchtiges, einen Augenblick schien es mir, daß ich selbst dies alles nicht wachend wahrnähme und daß die Revolution verlorengehen müsse, wenn „sie“ sich nicht gut ausschlafen und saubere Kragen nehmen würden: Der traumähnliche Zustand war mit diesen Kragen aufs engste verbunden. Ich erinnere mich noch, daß ich tags drauf Maria Iljinischna, Lenins Schwester, begegnete und sie in aller Eile darauf aufmerksam machte, daß Wladimir lljitsch den Kragen wechseln müßte. ‚Ja, ja‘, antwortete sie lachend. Aber auch in meinen Augen hatten inzwischen die sauberen Kragen ihre quälende Wichtigkeit verloren.“

Die Macht ist erobert, mindestens in Petrograd. Lenin hat noch keine Zeit gehabt, seinen Kragen zu wechseln. Auf dem müden Gesicht wachen Lenins Augen. Sie blicken auf mich freundschaftlich, milde, mit eckiger Verlegenheit innere Nähe ausdrückend. „Wissen Sie“, sagte er zögernd, „gleich nach den Verfolgungen und der Illegalität zur Macht ...,“, er sucht nach einem Ausdruck und geht plötzlich in die deutsche Sprache über, „es schwindelt“ Er macht eine kreisende Handbewegung um den Kopf. Wir blicken einander an und lächeln kaum. Das Ganze dauert kaum eine bis zwei Minuten. Dann – einfacher Übergang zu den laufenden Geschäften.

Man muß die Regierung bilden. Wir sind einige Mitglieder des Zentralkomitees. Eine fliegende Sitzung in der Ecke eines Zimmers.

„Wie es nennen?“ überlegt Lenin laut. „Nur nicht Minister: eine widerliche, abgenutzte Bezeichnung.“

„Man könnte – Kommissare“, schlage ich vor, „nur gibt es jetzt zu viel Kommissare. Vielleicht Oberkommissare? ... Nein, ‚Ober‘ klingt schlecht. Vielleicht aber ‚Volkskommissare‘?“

„Volkskommissare? Ja, das könnte vielleicht gehen“, stimmt Lenin zu. „Und die Regierung in ihrer Gesamtheit?“

„Sowjet, natürlich Sowjet ... Sowjet der Volkskommissare, wie?“ „Sowjet der Volkskommissare“, wiederholt Lenin, „ausgezecchnet: riecht furchtbar nach Revolution! ...“

Lenin war wenig geneigt, sich mit der Ästhetik der Revolution zu befassen oder ihre „Romantik“ auszukosten. Aber je tiefer er die Revolution im ganzen fühlte, um so präziser stellte er fest, wonach sie „rieche“.

„Und was wird sein“, fragte mich Wladimir lljitsch ganz unvermutet in jenen ersten Tagen, „wenn die Weißgardisten Sie und mich umbringen; könnten dann Swerdlow und Bucharin fertig werden?“

„Vielleicht werden sie uns auch nicht umbringen“, antwortete ich lachend.

„Der Teufel kennt sie“, sagte Lenin und lachte selbst.

Diese Episode habe ich in meinen Erinnerungen über Lenin im Jahre 1924 zum erstenmal wiedergegeben. Wie ich später erfuhr, fühlte sich das damalige „Trio“, Stalin, Sinowjew und Kamenjew, durch diese Mitteilung blutig gekränkt, wagte aber nicht, ihre Richtigkeit zu bestreiten. Eine Tatsache bleibt eine Tatsache: Lenin erwähnte damals nur Swerdlow und Bucharin. Andere Namen kamen ihm nicht in den Sinn.

Lenin hatte mit kurzen Unterbrechungen fünfzehn Jahre in der Emigration zugebracht und kannte die nicht in der Emigration befindlichen Kernkader der Partei nur aus dem Briefwechsel oder aus kurzen Begegnungen im Auslande. Erst nach der Revolution erhielt er die Möglichkeit, sie bei der Arbeit näher zu betrachten. Er mußte sich dabei Urteile neu bilden oder Urteile, die er nach den Mitteilungen Dritter gebildet hatte, revidieren. Als ein Mann von großer sittlicher Leidenschaft kannte Lenin keine gleichgültige Beziehung zu Menschen. Diesem Denker, Beobachter und Strategen war eigentümlich, sich durch Menschen hinreißen zu lassen. Davon spricht auch die Krupskaja in ihren Erinnerungen. Lenin pflegte sich niemals auf den ersten Blick eine leichthin überlegte Ansicht über einen Menschen zu bilden. Lenins Auge war wie das Mikroskop. Es vergrößerte um das Vielfache jene Eigenschaft, die aus momentanen Bedingungen heraus sein Gesichtsfeld traf. Lenin verliebte sich oft im buchstäblichen Sinne des Wortes in einen Menschen. In solchen Fällen zog ich ihn auf: „Ich weiß, ich weiß, Sie haben einen neuen Roman.“ Lenin selbst kannte diese seine Eigenschaft und lachte als Antwort etwas verlegen und etwas bitter.

Seine Beziehung zu mir während des Jahres 1917 machte einige Stadien durch. Lenin empfing mich zurückhaltend und abwartend. Die Julitage brachten uns plötzlich einander näher. Als ich, gegen die Mehrheit der führenden Bolschewiki, die Parole des Boykotts des Vorparlaments aufstellte, schrieb Lenin aus seinem Versteck: „Bravo, Genosse Trotzki!“ Nach einigen zufälligen und irreführenden Anzeichen schien es ihm dann, daß ich in der Frage des bewaffneten Aufstandes eine zu abwartende Linie verfolge. Diese Befürchtung fand ihren Ausdruck in einigen Briefen Lenins während des Monats Oktober. Um so klarer, wärmer und herzlicher hatte sich seine Stellung zu mir am Tage des Umsturzes geäußert, als wir in dem halbdunklen leeren Zimmer auf dem Fußboden ausruhten, Am anderen Tag, in der Sitzung des Zentralkomitees der Partei, schlug Lenin vor, mich zum Vorsitzenden des Rats der Volkskommissare zu wählen. Ich sprang protestierend von meinem Platze auf, – dermaßen unerwartet kam und unangebracht schien mir der Vorschlag. „Weshalb denn nicht?“ beharrte Lenin. „Sie standen an der Spitze des Petrograder Sowjets, der die Macht ergriffen hat.“ Ich beantragte, den Vorschlag ohne Diskussion abzulehnen. So wurde es auch gemacht. Am 1. November rief Lenin während der heißen Debatten im Petrograder Parteikomitee aus: „Es gibt keinen besseren Bolschewiken als Trotzki.“ Diese Worte bedeuteten in Lenins Munde viel. Nicht zufällig wird das Protokoll der Sitzung, in der sie gesagt wurden, bis jetzt vor der Öffentlichkeit geheimgehalten.

Die Eroberung der Macht hatte die Frage auch nach meiner Regierungsarbeit gestellt. Merkwürdig: ich hatte niemals daran gedacht. Es war mir kein einziges Mal eingefallen, trotz der Erfahrung von 1905, die Frage meiner Zukunft mit der Frage der Regierung zu verbinden. Seit meinen frühesten Jahren, richtiger gesagt seit meiner Kinderzeit, träumte ich davon, Schriftsteller zu werden. In den späteren Jahren habe ich die Schriftstellerei, wie alles andere, den revolutionären Zielen untergeordnet Die Frage der Machteroberung durch die Partei stand immer vor mir. Ich habe Dutzende und Hunderte Male über das Programm der revolutionären Regierung geschrieben und gesprochen. Aber die Frage nach meiner persönlichen Arbeit nach der Machtergreifung ist niemals in mir aufgetaucht. Sie hatte mich deshalb so überrascht. Nach dem Umsturz versuchte ich, außerhalb der Regierung zu bleiben; ich machte den Vorschlag, die Leitung der Parteipresse zu übernehmen. Es ist möglich, daß dieser Versuch in gewissem Sinne durch eine Nervenreaktion nach dem Siege hervorgerufen wurde. Die vorangegangenen Monate waren für mich zu unmittelbar mit der Vorbereitung des Umsturzes verbunden. Jede Fiber war angespannt. Lunatscharski erzählte irgendwo in der Presse, daß Trotzki damals wie eine Leydener Flasche herumging: „Jede Berührung mit ihm rief eine Entladung hervor.“ Der 7. November brachte die Lösung. Ich hatte den gleichen Wunsch wie ein Chirurg nach Beendigung einer schweren und gefährlichen Operation: Hände waschen, Kittel abnehmen und ausruhen. Lenin dagegen war soeben aus seinem Versteck zurückgekehrt, wo ihn dreieinhalb Monate das Isoliertsein von der direkten praktischen Führung gequält hatte. Eins kam zum anderen und nährte noch mein Verlangen, mindestens für eine kurze Zeit hinter die Kulissen zu treten. Aber Lenin wollte davon nichts hören. Er forderte, daß ich an die Spitze der inneren Angelegenheiten träte: Der Kampf gegen die Konterrevolution sei jetzt die Hauptaufgabe. Ich widersprach und brachte neben anderen Argumenten auch das nationale Moment hervor: Lohnt es sich, den Feinden noch eine solche Waffe wie mein Judentum in die Hand zu geben? Lenin war fast entrüstet: „Wir haben eine große internationale Revolution, welche Bedeutung können da solche Lappalien haben?“ Bei diesem Thema entstand zwischen uns ein halb scherzhafter Wortwechsel: „Die Revolution ist gewiß groß, aber es sind noch Dummköpfe genug übriggeblieben“, erwiderte ich. „Ja, wollen wir uns den Dummköpfen anpassen?“ „Nicht anpassen, aber eine kleine Konzession an die Dummheit muß man mitunter schon machen: Wozu müssen wir gleich am Anfang eine überflüssige Komplikation schaffen?“

Ich habe bereits erwähnt, daß das nationale Moment, das im Leben Rußlands so wichtig war, in meinem persönlichen Leben fast keine Rolle gespielt hat. Schon in der frühesten Jugend waren mir nationale Leidenschaften und Vorurteile rationalistisch unfaßbar gewesen und hatten in mir in gewissen Fällen ein Gefühl des Ekels, manchmal sogar einen moralischen Brechreiz hervorgerufen. Die marxistische Erziehung hat diese Stimmungen vertieft und sie in einen aktiven Internationalismus verwandelt. Das Leben in verschiedenen Ländern, die Kenntnis ihrer Sprachen, Politik und Kultur trugen dazu bei, daß dieser Internationalismus mir in Fleisch und Blut überging. Wenn ich im Jahre 1917 und später manchmal mein Judentum als Argument gegen die eine oder die andere Ernennung benutzte, so tat ich es ausschließlich aus Gründen politischer Berechnung.

Ich gewann Swerdlow und manches andere Mitglied des Zentralkomitees für mich. Lenin blieb in der Minderheit. Er zuckte mit den Achseln, seufzte, schüttelte vorwurfsvoll den Kopf und tröstete sich nur damit, daß wir auf jeden Fall ohne Rücksicht auf Ämter die Konterrevolution bekämpfen würden. Daß ich mich aber in die Presse zurückzöge, dem widersetzte sich energisch auch Swerdlow: da wollen wir Bucharin hinsetzen. „Lew Dawidowitsch muß man Europa gegenüberstellen, er soll die auswärtigen Angelegenheiten übernehmen.“ „Was werden wir jetzt für auswärtige Angelegenheiten haben?“ erwiderte Lenin. Unzufrieden willigte er aber dennoch ein. Unzufrieden willigte auch ich ein. So gelangte ich durch die Initiative von Swerdlow für ein Vierteljahr an die Spitze der Sowjetdiplomatie.

Das Kommissariat des Auswärtigen bedeutete für mich eigentlich Befreiung von Amtsarbeit. Genossen, die mir ihre Mitarbeit anboten, riet ich fast stets, ein dankbareres Betätigungsfeld für ihre Kräfte zu suchen. Einer von ihnen hat später in seinen Erinnerungen recht saftig eine Unterhaltung geschildert, die er kurz nach Bildung der Sowjetregierung mit mir gehabt hatte. „Was für diplomatische Arbeit werden wir denn haben?“ hätte ich ihm nach seinem Bericht gesagt, „ich werde einige revolutionäre Proklamationen an die Völker erlassen und dann die Bude schließen?“ Der Berichterstatter war über einen solchen Mangel an diplomatischem Selbstbewußtsein aufrichtig betrübt. Ich habe, natürlich, absichtlich, meinen Standpunkt übertrieben, um damit zu unterstreichen, daß das Schwergewicht jetzt gar nicht in der Diplomatie läge.

Die Hauptarbeit bestand in der Weitertreibung der Oktoberrevolution, in ihrer Ausdehnung auf das ganze Land, in der Abwendung des Überfalls Kerenskis und des Generals Krassnow auf Petrograd, im Kampfe gegen die Konterrevolution. Diese Aufgaben lösten wir außerhalb der Ämter, und meine Zusammenarbeit mit Lenin war die ganze Zeit über eng und ohne Pause.

Unsere Arbeitszimmer im Smolny lagen an zwei verschiedenen Enden des Gebäudes. Der uns verbindende oder richtiger trennende Korridor war so lang, daß Lenin scherzend den Vorschlag machte, einen Fahrradverkehr einzurichten. Wir waren durch ein Telephon verbunden. Ich ging einigemal am Tage durch den endlosen Korridor, der einem Ameisenhaufen ähnelte, in Lenins Arbeitszimmer zu Beratungen zu ihm. Der junge Matrose, der sich Lenins Sekretär titulierte, lief fortwährend mit Zetteln von Lenin zu mir, die zwei, drei kräftige Sätze mit doppelter und dreifacher Unterstreichung der wesentlichsten Worte enthielten und am Schluß eine scharf formulierte Frage. Die Zettelchen waren öfters von Entwürfen für Dekrete begleitet, die eine eilige Rückäußerung erforderten. In den Archiven des Rates der Volkskommissare werden nicht wenige Dokumente aus jener Zeit aufbewahrt, die teils von Lenin, teils von mir geschrieben sind, Texte von Lenin mit meinen Korrekturen oder meine Vorschläge mit Ergänzungen von Lenin.

In der ersten Periode, beispielsweise bis August 1918, nahm ich an den Arbeiten des Rates der Volkskommissare aktiv teil. In der Zeit des Smolny war Lenin mit eifriger Ungeduld bestrebt, auf alle Fragen des wirtschaftlichen, politischen, administrativen und kulturellen Lebens mit Dekreten zu antworten. Ihn leitete dabei keinesfalls die Leidenschaft für bürokratische Reglementierung, sondern das Bestreben, das Programm der Partei in der Sprache der Regierung aufzurollen. Er wußte, daß die revolutionären Dekrete vorläufig nur zum kleinsten Teile durchzuführen waren. Die Sicherung der Durchführung und der Kontrolle setzte einen richtig funktionierenden Apparat, Erfahrung und Zeit voraus. Keiner aber konnte sagen, wieviel Zeit wir zur Verfügung haben würden. Die Dekrete hatten in der ersten Periode eine mehr propagandistische als administrative Bedeutung. Lenin beeilte sich, dem Volke zu sagen, was die neue Macht sei, was sie wolle und wie sie ihre Ziele zu verwirklichen gedenke. Er schritt von Frage zu Frage mit einer herrlichen Unermüdlichkeit, rief Heine Beratungen zusammen, bestellte bei den Spezialisten Ermittlungen und wühlte selbst in den Büchern. Ich half ihm.

In Lenin war die Sorge um die Hinterlassenschaft jener Arbeit, die er leistete, mächtig. Als ein großer Revolutionär verstand er, was historische Tradition bedeutet Ob wir an der Macht bleiben oder zurückgeschlagen werden, das könne man nicht voraussehen. Man müsse aber unter allen Bedingungen möglichst viel Klarheit in die revolutionären Erfahrungen der Menschheit hineinbringen. Es werden andere kommen und, auf das von uns Vorgezeichnete gestützt, einen neuen Schritt vorwärts tun. Dies war der Sinn der gesetzgeberischen Arbeit in der ersten Periode. Von demselben Gedanken bewegt, forderte Lenin ungeduldig die schnellste Herausgabe der Klassiker des Sozialismus und des Materialismus in russischer Sprache. Er war darauf bedacht, daß man möglichst viele revolutionäre Denkmäler aufstelle, wenn auch der einfachsten Art, wie Büsten, Gedächtnistafeln in allen Städten, wenn es anginge auch in den Dörfern: um das Geschehene in der Vorstellung der Massen zu befestigen; möglichst tiefe Spuren im Gedächtnis des Volkes zu hinterlassen.

Jede Sitzung des Rates der Volkskomrnissare, der in der ersten Zeit häufig teilweise erneuert wurde, ergab ein Bild der größten gesetzgeberischen Improvisation. Man mußte alles am Anfang beginnen. „Präzedenzfälle“ waren nirgendwo zu finden, denn die Geschichte kannte solche nicht. Lenin führte unermüdlich den Vorsitz im Rate der Volkskommissare, oft fünf, sechs Stunden hintereinander; Sitzungen des Rates der Volkskommissare fanden zu jener Zeit täglich statt. Nach einer allgemeinen Regel wurden Fragen ohne Vorbereitung gestellt, fast stets hatten sie den Charakter der Dringlichkeit. Sehr oft war der Kern der Sache sowohl den Mitgliedern wie dem Vorsitzenden des Sowjets vor Beginn der Beratung unbekannt gewesen. Die Diskussionen waren kurz, für den einführenden Bericht wurden etwa zehn Minuten bewilligt. Und trotzdem tastete sich Lenin stets zu dem Wesentlichen durch. Zur Zeitersparnis schickte er den Teilnehmern der Beratung kurze Zettelchen, mit dem Wunsch um die eine oder die andere Auskunft. Diese Zettelchen bildeten ein sehr umfangreiches und sehr interessantes schriftliches Element der gesetzgeberischen Technik des Leninschen Sowjets der Volkskommissare. Der größte Teil davon ist leider nicht aufbewahrt worden, da die Antwort meist auf der Rückseite des Fragezettels geschrieben stand und die Zettelchen von dem Vorsitzenden gewöhnlich gleich vernichtet wurden. Einen geeigneten Augenblick abwartend, gab Lenin seine Resolutionspunkte bekannt die stets mit beabsichtigter Schärfe formuliert waren, wonach die Debatten entweder überhaupt aufhörten oder in eine konkrete Bahn praktischer Vorschläge mündeten. Die Leninschen „Punkte“ wurden gewöhnlich die Basis der Dekrete. Zur Führung dieser Arbeit war, neben allen anderen Fähigkeiten, ein riesiges schöpferisches Vorstellungsvermögen erforderlich. Eine der wertvollsten Eigenschaften einer solchen Vorstellungskraft ist die Fähigkeit, sich Menschen, Dinge und Erscheinungen, selbst wenn man sie niemals gesehen hat, gerade so vorzustellen, wie sie in Wirklichkeit sind. Alle seine Lebenserfahrungen und theoretischen Einstellungen auszunutzen, einzelne kleine Züge im Fluge zu erfassen, sie nach irgendwelchen unformulierten Gesetzen des Übereinstimmenden und Wahrscheinlichen zu ergänzen und auf diesem Wege ein bestimmtes Gebiet des menschlichen Lebens in all seiner Konkretheit entstehen zu lassen, das ist das Vorstellungsvermögen, das für einen Gesetzgeben einen Administrator, einen Führer, besonders in der Epoche der Revolution, unbedingt notwendig ist. Die Kraft Lenins war in großem Maße die Kraft der realistischen Vorstellungsgabe.

Es ist unnötig, zu sagen, daß im Fieber der gesetzgeberischen Schöpfung nicht wenige Fehlgriffe und Widersprüche unterlaufen konnten. Im allgemeinen aber werden die Leninschen Dekrete aus der Epoche des Smolny, das heißt aus der stürmischsten und chaotischsten Revolutionsperiode, für immer in die Geschichte eingehen als Verkündungen einer neuen Welt. Nicht nur Soziologen und Geschichtsschreiber, auch Gesetzgeber der Zukunft werden sich immer wieder an diese Quelle wenden.

In die vorderste Stelle schoben sich inzwischen mehr und mehr die praktischen Fragen, vor allem die Fragen des Bürgerkrieges, der Ernährung und des Transports. Für alle diese Fragen wurden besondere Kommissionen geschaffen, die den neuen Aufgaben zum erstenmal in die Augen schauen und dem einen oder dem anderen Amt, das hilflos an der Schwelle herumstampfte, einen Stoß geben mußten, damit es sich vom Fleck rühre. Ich stand in jenen Monaten an der Spitze einer Reihe solcher Kommissionen: für Ernährung (der damals der zum erstenmal zur Arbeit herangezogene Zjurupa angehörte), Transport, Verlagswesen und vieler anderer.

Was das diplomatische Amt betrifft, so nahm es mir, abgesehen von den Brester Verhandlungen, nicht viel Zeit weg. Aber die Sache war doch komplizierten als ich es vermutet hatte. Gleich bei Beginn mußte ich ganz unerwartet in diplomatische Verhandlungen mit dem – Eiffelturm treten.

In den Tagen des Aufstandes waren wir nicht dazu gekommen, uns für das ausländische Radio zu interessieren. Jetzt aber, in meiner Eigenschaft als Volkskommissar des Auswärtigen, hatte ich zu verfolgen, wie sich die kapitalistische Welt zum Umsturz verhielt. Es ist unnötig, zu sagen, daß keine Begrüßungen eintrafen. So sehr die Berliner Regierung auch geneigt war, mit den Bolschewiki zu liebäugeln, so sandte sie doch von der Nauener Station eine feindselige Welle, nachdem von der Station Zarskoje Selo mein Radio vom Siege über die Kerenskitruppen berichtet hatte. Wenn aber Berlin und Wien immerhin zwischen der Feindschaft gegen die Revolution und der Hoffnung auf einen votteilhaften Frieden schwankten, so sandten alle anderen Länder, nicht nur die kriegführenden, sondern auch die neutralen, in verschiedenen Sprachen die Gefühle und Gedanken der von uns gestürzten herrschenden Klassen des alten Rußland durch den Äther. In diesem Chor tat sich durch seine Raserei der Eiffelturm hervor, der in jenen Tagen auch Russisch zu sprechen begann, damit offenbar direkte Wege zum Herzen des russischen Volkes suchend. Beim Verfolgen des Pariser Senders schien es mir manchmal, als säße auf der Spitze des Turms Clemenceau selbst. Ich hatte ihn als Journalisten genügend gekannt um wenn nicht seinen Stil, so doch wenigstens seinen Geist wiederzuerkennen. Der Haß überschlug sich in diesen Radiosendungen, die Wut erreichte die höchste Spannung. Es schien manchmal, als wenn der Sender auf dem Eiffelturm ein Skorpion wäre, der sich mit dem Schwanz selbst in den Kopf stechen wollte.

Zu unserer Verfügung war die Radiostation Zarskoje Selo, und wir hatten keinen Grund, zu schweigen. Während einiger Tage diktierte ich Antworten auf das Geschimpfe von Clemenceau. Meine Kenntnisse der politischen Geschichte Frankreichs reichten hin, um eine nicht zu schmeichelhafte Charakteristik der wichtigsten handelnden Personen zu geben und an manches Vergessene aus ihrer Biographie, mit dem Panama beginnend, zu erinnern. Einige Tage lang währte das heftige Duell zwischen den Türmen von Paris und von Zarskoje Selo. Als neutrale Materie gab der Äther gewissenhaft die Argumente beider Parteien weiter. Und was geschah? Ich selbst hatte solche schnellen Resultate nicht erwartet. Paris änderte völlig den Ton: es unterhielt sich in der Folge zwar feindselig, aber höflich. Ich aber habe später wiederholt mit Vergnügen mich dessen erinnert, wie ich meine diplomatische Tätigkeit damit begann, daß ich den Eiffelturm gute Manieren lehrte.

Am 18. November besuchte mich im Smolny unerwartet der General Jodsen, der Chef der amerikanischen Mission. Er schickte voraus, daß er noch keine Möglichkeit habe, im Namen der amerikanischen Regierung zu sprechen, aber er hoffe, daß alles all right sein werde. ob die Sowjetregierung die Liquidierung des Krieges gemeinsam mit den Alliierten anstrebe? Ich antwortete, daß bei der völligen Öffentlichkeit der späteren Verhandlungen die Alliierten in der Lage sein würden, die Entwicklung dieser Verhandlungen zu verfolgen und sich jederzeit ihnen anzuschließen. Zum Schluß erklärte der friedfertige General: „Die Zeit der Proteste und der Drohungen gegen die Sowjetmacht ist vorbei, wenn sie überhaupt existiert hat.“ Aber bekanntlich macht eine Schwalbe, selbst im Range eines Generals, keinen Sommer.

Anfang Dezember fand meine erste und letzte Zusammenkunft mit dem französischett Gesandten Noulens statt, einem früheren radikalen Deputierten, den Frankreich geschickt hatte zum Zwecke der Annäherung an die Februarrevolution, an Stelle des offenen Monarchisten Paléologue, eines Byzantiners nicht nur dem Namen nach, den die Republik benutzt hatte für die Freundschaft mit dem Zaren. Warum Noulens und nicht irgendein anderer gesandt wurde, ist mir unbekannt. Aber er hat meine Meinung über die Lenker der menschlichen Schicksale nicht erhöht. Die Unterhaltung erfolgte auf Initiative von Noulens und führte zu nichts. Nach kurzen Schwankungen hatte sich Clemenceau endgültig für das Regime des Stacheldrahtes entschlossen.

Auch mit dem General Niessel, dem Chef der französischen Mission, hatte ich eine keinesfalls freundschaftliche Auseinandersetzung in den Mauern des Smolny. Dieser General übte damals seinen Offensivgeist in Hinterlandsoperationen aus. Unter Kerenski hatte er sich das Kommandieren angewöhnt und wollte von der schlechten Gewohnheit nicht lassen. Vor allem war ich gezwungen, ihn zu ersuchen, den Smolny zu verlassen. Bald gestalteten sich die Beziehungen zu der französischen Mission noch komplizierter. Bei der Mission befand sich ein Informationsbüro, das die Fabrik der ekelhaftesten Verleumdungen gegen die Revolution wurde. In allen feindlichen Zeitungen erschienen täglich Telegramme „aus Stockholm“, eins immer phantastischer, bösartiger und dümmer als das andere. Die nach den Quellen der „Stockholmer“ Telegramme befragten Zeitungsredakteure nannten die französische Militärmission. Ich schickte eine offizielle Anfrage an den General Niessel. Er antwortete mir am 22. Dezember mit einem wirklich bemerkenswerten Dokument:

„Viele Journalisten verschiedenster Richtungen wenden sich um Auskunft an die Militärmission. Ich bin bevollmächtigt, ihnen Auskunft über die Kriegsereignisse auf dem westlichen Kriegsschauplatz, in Saloniki, in Asien und über die Lage in Frankreich zu geben. Während eines [?] solchen Besuches hat ein [?] junger Offizier sich erlaubt, Gerüchte, die in der Stadt [?] verbreitet werden und als deren Quelle Stockholm genannt wird, mitzuteilen ...“ Zum Schluß versprach der General in unbestimmter Form, „Maßnahmen zu ergreifen, daß sich in der Zukunft solche Versehen [?] nicht mehr wiederholen“. Das war zuviel. Nicht darum hatten wir den Pariser Radioturm Anstand gelehrt, um dem General Niessel zu erlauben, in Petrograd einen Hilfsturm für Verleumdungen zu errichten. Ich schrieb an Niessel am selben Tage:

„1. In Anbetracht dessen, daß das Propagandabüro, welches sich ‚Informationsbüro‘ der französischen Militärmission nennt, als Verbreitungsstelle bewußt falscher Gerüchte diente, die die Aufgabe hatten, Verwirrung und Chaos in die öffentliche Meinung hineinzutragen, ist dieses Büro sofort zu schließen. 2. Dem ‚jungen Offizier‚, der die falschen Meldungen fabriziert, wird empfohlen, die Grenzen Rußlands unverzüglich zu verlassen. Den Namen dieses Offiziers bitte ich mir sofort mitzuteilen. 3. Der Empfangsapparat der drahtlosen Telegraphie ist aus der Mission zu entfernen. 4. Französische Offiziere, die sich im Gebiet des Bürgerkrieges aufhalten, müssen durch einen in der Presse zu veröffentlichenden besonderen Befehl sofort nach Petrograd zurückberufen werden. 5. Über alle im Zusammenhang mit diesem Brief unternommenen Schritte ersuche ich mich in Kenntnis zu setzen. – Der Volkskommissar des Auswärtigen L. Trotzki.“

Der „junge Offizier“ wurde der Anonymität entrissen und hat in der Eigenschaft eines Sündenbocks Rußland verlassen. Der Empfangsapparat wurde entfernt. Das Informationsbüro geschlossen. Die Offiziere wurden aus der Peripherie in das Zentrum zurückberufen. Das alles waren nur kleine Vorpostengeplänkel. Sie wurden für kurze Zeit, nachdem ich schon in das Kriegsamt übergegangen war, durch einen wackligen Waffenstillstand ersetzt. Den allzu kategorischen General Niessel hatte der katzenfreundliche General Lavergne abgelöst. Der Waffenstillstand dauerte jedoch nicht lange. Die französische Militärmission, wie auch die französische Diplomatie, enthüllte sich bald als das Zentrum aller Verschwörungen und bewaffneten Aktionen gegen die Sowjetmacht. Aber dies hat sich erst nach Brest, in der Moskauer Periode, im Frühling und Sommer 1918, offen gezeigt.


Zuletzt aktualisiert am 22.7.2008