Leo Trotzki

 

Geschichte der russischen Revolution

Band 2: Oktoberrevolution

 

Anhang 2 zu Band 2:
Sozialismus in einem Lande?

„Das industriell entwickeltere Land zeigt dem minder entwickelten nur das Bild der eigenen Zukunft.“ Dieser Marx’sche Grundsatz, methodologisch nicht von der Weltwirtschaft als Ganzem ausgehend, sondern vom einzelnen kapitalistischen Lande als Typ, wurde immer weniger anwendbar, je mehr die kapitalistische Entwicklung alle Länder erfaßte, unabhängig von ihrem vorangegangenen Schicksal und ihrem ökonomischen Niveau. England zeigte seiner Zeit die Zukunft Frankreichs, beträchtlich weniger Deutschlands und schon gar nicht Rußlands oder Indiens. Indes nahmen die russischen Menschewiki Marxens bedingten Grundsatz unbedingt: das rückständige Rußland habe nicht vorauszueilen, sondern gehorsam den fertigen Mustern nachzufolgen. Mit solchem „Marxismus“ waren auch die Liberalen einverstanden.

Eine andere, nicht weniger populäre Marx’sche Formel: „eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist ...“ geht dagegen nicht von einem einzeln genommenen Lande aus, sondern von der Ablösung universeller Gesellschaftsformen (Sklaverei, Mittelalter, Kapitalismus). Indes kamen die Menschewiki, diesen Grundsatz im Aspekt eines Einzelstaates betrachtend, zu der Schlußfolgerung, der russische Kapitalismus habe noch einen großen Weg zurückzulegen, bevor er das europäische oder amerikanische Niveau erreichen werde. Aber Produktivkräfte entwickeln sich nicht im luftleeren Raum! Man kann nicht von Möglichkeiten eines nationalen Kapitalismus sprechen und außer acht lassen einerseits den auf seiner Grundlage sich entwickelnden Klassenkampf; andererseits seine Abhängigkeit von den Weltbedingungen. Der Sturz der Bourgeoisie durch das Proletariat erwuchs aus dem realen russischen Kapitalismus und verwandelte damit allein dessen abstrakte ökonomische Möglichkeiten in Nichts. Die Struktur der Wirtschaft wie der Charakter des Klassenkampfes in Rußland wurden in entscheidendem Maße von internationalen Bedingungen bestimmt. Der Kapitalismus erreichte in der Weltarena jenen Stand, wo er aufhörte, die Unkosten der Produktion zu rechtfertigen, nicht im kommerziellen, sondern im soziologischen Sinne verstanden: Zollämter, Militarismus, Krisen, Kriege, diplomatische Konferenzen und andere Geißeln verschlingen und vergeuden so viel schöpferische Energie, daß trotz allen technischen Errungenschaften für Wachstum von Wohlstand und Kultur kein Platz übrigbleibt.

Die dem Anschein nach paradoxe Tatsache, daß als erstes Opfer für die Sünden des Weltsystems die Bourgeoisie eines rückständigen Landes stürzte, ist in Wirklichkeit vollkommen gesetzmäßig. Schon Marx hat ihre Erklärung für seine Epoche vermerkt: „In den Extremitäten des bürgerlichen Körpers muß es natürlich eher zu gewaltsamen Ausbrüchen kommen als in seinem Herzen, da hier die Möglichkeit der Ausgleichung größer ist als dort.“ Unter den ungeheuerlichen Lasten des Imperialismus mußte zu allererst ein Staat fallen, der noch keine Zeit gefunden hatte, ein großes nationales Kapital anzuhäufen, dem aber die Weltrivalität keinerlei Rabatt gewährte. Der Zusammenbruch des russischen Kapitalismus war ein lokaler Einsturz der universellen Gesellschaftsformation. „Die richtige Einschätzung unserer Revolution“, sagte Lenin, „ist nur vom internationalen Standpunkte aus möglich.“

Die Oktoberumwälzung führten wir zurück letzten Endes nicht auf die Tatsache der Rückständigkeit Rußlands, sondern auf das Gesetz der kombinierten Entwicklung. Die historische Dialektik kennt keine nackte Rückständigkeit, wie auch keine chemisch reine Fortschrittlichkeit. Alles hegt an den konkreten Wechselbeziehungen. Die gegenwärtige Menschheitsgeschichte ist voller „Paradoxe“, nicht so grandioser wie die Entstehung der proletarischen Diktatur in einem rückständigen Lande, aber doch vom gleichen historischen Typ. Die Tatsache, daß Studenten und Arbeiter des rückständigen Chinas sich gierig die Doktrin des Materialismus aneignen, während die Arbeiterführer des zivilisierten Englands auf die magische Kraft kirchlicher Beschwörung vertrauen, beweist unzweideutig, daß China auf gewissen Gebieten England überholt hat. Doch die Verachtung der chinesischen Arbeiter für den mittelalterlichen Stumpfsinn Macdonalds bietet keine Gründe zu der Schlußfolgerung, China stehe seiner Gesamtentwicklung nach höher als Großbritannien. Im Gegenteil, das ökonomische und kulturelle Übergewicht des letzteren kann in genauen Zahlen ausgedrückt werden. Deren Eindringlichkeit wird aber nicht hindern, daß die Arbeiter Chinas eher an die Macht gelangen können als die Arbeiter Großbritanniens. Wiederum würde die Diktatur des chinesischen Proletariats noch keinesfalls den Aufbau des Sozialismus innerhalb der Grenzen der großen chinesischen Mauer bedeuten. Schulmäßige, geradlinig-pedantische oder zu kurze nationale Kriterien taugen nicht für unsere Epoche. Rußland wurde aus seiner Rückständigkeit und seinem Asiatentum durch die Weltentwicklung hinausgestoßen. Außerhalb der Verflechtung ihrer Wege ist auch sein weiteres Schicksal nicht zu verstehen.

Die bürgerlichen Revolutionen richteten sich im gleichen Maße gegen die feudalen Eigentumsverhältnisse wie gegen den Partikularismus der Provinzen. Auf den Befreiungsbannern stand neben Liberalismus – Nationalismus. Die westliche Menschheit hat diese Kinderschuhe längst ausgetreten. Die Produktivkräfte unserer Zeit sind nicht nur den bürgerlichen Eigentumsformen entwachsen, sondern auch den Grenzen der Nationalstaaten. Liberalismus und Nationalismus wurden in gleichem Maße Fesseln der Weltwirtschaft. Die proletarische Revolution richtet sich sowohl gegen Privatbesitz an Produktionsmitteln wie auch gegen nationale Zersplitterung der Weltwirtschaft. Der Unabhängigkeitskampf der Ostvölker ist in diesen Weltprozeß eingeschlossen, um dann mit ihm zu verschmelzen. Die Schaffung einer nationalen sozialistischen Gesellschaft, wäre ein solches Ziel überhaupt zu verwirklichen, würde die äußerste Herabminderung der ökonomischen Macht des Menschen bedeuten; und gerade deshalb ist sie undurchführbar. Der Internationalismus ist kein abstraktes Prinzip, sondern Ausdruck einer ökonomischen Tatsache. Wie der Liberalismus national war, so ist der Sozialismus international. Ausgehend von der internationalen Arbeitsteilung, hat der Sozialismus zur Aufgabe, den internationalen Austausch von Gütern und Leistungen zur höchsten Blüte zu bringen.

Eine Revolution hat noch niemals und nirgend vollständig mit den Vorstellungen übereingestimmt und übereinstimmen können, die sich ihre Teilnehmer von ihr gemacht hatten. Nichtsdestoweniger bilden Ideen und Ziele der Kampfteilnehmer einen wichtigen Bestandteil in ihr. Das bezieht sich besonders auf die Oktoberumwälzung, denn noch niemals in der Vergangenheit hatten sich die Vorstellungen der Revolutionäre von der Revolution dem wirklichen Wesen der Ereignisse so stark genähert wie im Jahre 1917.

Eine Arbeit über die Oktoberrevolution würde unvollständig bleiben, wenn sie nicht mit der größtmöglichen historischen Genauigkeit die Frage beantwortetet: wie hatte sich die Partei auf der Höhe der Ereignisse die weitere Entwicklung der Revolution vorgestellt und was erwartete sie von ihr?

Die Frage gewinnt um so größere Bedeutung, je mehr der gestrige Tag vom Spiel neuer Interessen verdunkelt wird. Die Politik sucht stets einen Stützpunkt in der Vergangenheit, und bekommt sie ihn nicht freiwillig, dann beginnt sie häufig, ihn sich gewaltsam zu erzwingen. Die heutige offizielle Politik der Sowjetunion geht von der Theorie des „Sozialismus in einem Lande“ aus, als der angeblich traditionellen Auffassung der bolschewistischen Partei. Die jungen Generationen, nicht nur der Kommunistischen Internationale, sondern vielleicht auch aller anderen Parteien, werden in der Überzeugung erzogen, die Sowjetmacht sei erobert worden ins Namen des Aufbaus einer selbständigen sozialistischen Gesellschaft in Rußland.

Die historische Wirklichkeit hatte mit diesem Mythos nichts gemein. Bis zum Jahre 1917 ließ die Partei den Gedanken überhaupt nicht zu, die proletarische Revolution könnte sich in Rußland früher vollziehen als im Westen. Auf der Aprilkonferenz bekannte sich die Partei unter dem Druck der restlos enthüllten Situation zum erstenmal zu dem Ziel der Machteroberung. Während es ein neues Kapitel in der Geschichte des Bolschewismus einleitete, hatte dieses Bekenntnis jedoch nichts gemein mit der Perspektive einer selbständigen sozialistischen Gesellschaft. Im Gegenteil, die Bolschewiki lehnten kategorisch die ihnen von den Menschewiki unterschobene karikierte Idee des Aufbaus eines „bäuerlichen Sozialismus“ in einem rückständigen Lande ab. Die Diktatur des Proletariats war für die Bolschewiki eine Brücke zur Revolution im Westen. Die Aufgabe der sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft wurde als eine ihrem Wesen nach internationale Aufgabe erklärt.

Erst im Jahre 1924 vollzog sich in dieser Kernfrage ein Umschwung. Zum erstenmal wurde verkündet, daß der Aufbau des Sozialismus innerhalb der Grenzen der Sowjetunion durchaus möglich sei, unabhängig von der Entwicklung der übrigen Menschheit, wenn nur die Imperialisten die Sowjetmacht nicht vermittels einer Militärintervention stürzen. Der neuen Theorie wurde sofort rückwirkende Kraft verliehen. Hätte die Partei im Jahre 1917 nicht an die Möglichkeit geglaubt, eine selbständige sozialistische Gesellschaft in Rußland aufzubauen – erklärten die Epigonen –, sie hätte nicht das Recht gehabt, die Macht in ihre Hände zu nehmen. Im Jahre 1926 verurteilte die Kommunistische Internationale offiziell die Nichtanerkennung der Theorie des Sozialismus in einem Lande, wobei dieses Urteil auf die gesamte Vergangenheit ausgedehnt wurde, beginnend mit dem Jahre 1905.

Drei Ideenreihen wurden von nun an als dem Bolschewismus feindlich deklariert: die Verneinung der Möglichkeit für die Sowjetunion, sich unbestimmt lange Zeit in kapitalistischer Umzingelung zu halten (Problem der militärischen Intervention); die Verneinung der Möglichkeit, mit eigenen Mitteln und in nationalen Grenzen den Widerspruch zwischen Stadt und Land zu überwinden (Problem der ökonomischen Rückständigkeit und Problem der Bauernschaft); die Verneinung der Möglichkeit des Aufbaus einer isolierten sozialistischen Gesellschaft (Problem der internationalen Arbeitsteilung). Die Unantastbarkeit der Sowjetunion sei, nach der neuen Schule, zu schützen möglichst auch ohne Revolution in den anderen Ländern: durch „Neutralisierung der Bourgeoisie“. Die Mitarbeit der Bauernschaft auf dem Gebiete des sozialistischen Aufbaus sei als gesichert anzuerkennen. Die Abhängigkeit von der Weltwirtschaft sei durch die Oktoberumwälzung und die Wirtschaftserfolge der Sowjets liquidiert. Die Nichtanerkennung dieser drei Thesen sei „Trotzkismus“, das heißt eine mit dem Bolschewismus unvereinbare Doktrin.

Eine historische Arbeit stößt hier an die Aufgabe der ideologischen Restauration: es ist notwendig, die wahren Ansichten und Ziele der revolutionären Partei von den späteren politischen Ablagerungen zu befreien. Trotz der Kürze der einander ablösenden Perioden erhält diese Aufgabe um so mehr Ähnlichkeit mit der Entzifferung von Palimpsesten, als die Konstruktionen der Epigonenschule sich bei weitem nicht immer über die theologischen Klügeleien erheben, um derentwillen die Mönche des VII. und VIII. Jahrhunderts Pergament und Papyrus der Klassiker vernichteten.

Wenn wir auf den Seiten dieses Buches im allgemeinen vermieden, die Darstellung durch zahlreiche Zitate zu überhäufen, so wird das vorliegende Kapitel, dem Wesen der Aufgabe entsprechend, dem Leser Originaltexte bieten müssen, und zwar in einem Umfange, der schon den Gedanken an eine künstliche Auswahl ausschließt. Es ist notwendig, den Bolschewismus in seiner eigenen Sprache sprechen zu lassen: unter dem Regime der Stalinschen Bürokratie ist er dieser Möglichkeit beraubt.

Die bolschewistische Partei war seit dem Tage ihrer Entstehung eine Partei des revolutionären Sozialismus, Doch die nächste historische Aufgabe erblickte sie, notgedrungen, im Sturze des Zarismus und in der Errichtung des demokratischen Regimes. Hauptinhalt der Umwälzung sollte die demokratische Lösung der Agrarfrage sein. Die sozialistische Revolution wurde in eine recht ferne, jedenfalls unbestimmte Zukunft gerückt. Es galt als unbestreitbar, daß sie praktisch auf die Tagesordnung gestellt werden könnte erst nach dem Siege des Proletariats im Westen. Diese Grundsätze, geschmiedet vom russischen Marxismus im Kampfe gegen Narodnitschestwo und Anarchismus, bildeten das eherne Inventar der Partei. Weiter folgten hypothetische Erwägungen: sollte die demokratische Revolution in Rußland machtvollen Schwung erreichen, dann könnte sie unmittelbaren Anstoß zur sozialistischen Revolution im Westen geben, und dies wieder würde dann dem russischen Proletariat erlauben; in beschleunigtem Marsch zur Macht zu kommen. Die allgemeine historische Perspektive änderte sich auch bei dieser allergünstigsten Variante nicht: nur der Gang der Entwicklung wurde beschleunigt und die Fristen nähergerückt.

Eben im Geiste dieser Anschauungen schrieb Lenin im September 1905: „Von der demokratischen Revolution werden wir, und zwar im Ausmaß unserer Kräfte, der Kräfte des klassenbewußten und organisierten Proletariats, beginnen, zur sozialistischen Revolution überzugehen. Wir sind für die ununterbrochene Revolution. Wir werden nicht auf halbem Wege stehenbleiben.“ Dieses Zitat, so seltsam das ist, diente Stalin zur Identifizierung der alten Prognose der Partei mit dem wirklichen Verlauf der Ereignisse im Jahre 1917. Es ist nur unbegreiflich, wie dann die Parteikader durch Lenins „Aprilthesen“ überrascht werden konnten.

In Wirklichkeit hätte sieh nach der alten Konzeption der Kampf des Proletariats um die Macht erst entwickeln können, nachdem die Agrarfrage im Rahmen der bürgerlich-demokratischen Revolution gelöst worden wäre. Das Unglück aber ist, daß die in ihrem Landhunger befriedigte Bauernschaft dann keine Veranlassung gehabt hätte, eine neue Revolution zu unterstützen. Da aber die russische Arbeiterklasse, als fraglose Minderheit im Lande, nicht in der Lage gewesen wäre, aus eigener Kraft die Macht zu erobern, so betrachtete Lenin, durchaus folgerichtig, es als unmöglich, von der Diktatur des Proletariats in Rußland zu sprechen vor dem Siege des Proletariats im Westen.

„Der volle Sieg der gegenwärtigen Revolution“, schrieb Lenin im Jahre 1905, „wird das Ende der demokratischen Umwälzung und der Beginn des entscheidenden Kampfes um die sozialistische Umwälzung sein. Die Verwirklichung der Forderungen der heutigen Bauernschaft, vollständige Zertrümmerung der Reaktion, Eroberung der demokratischen Republik wird das restlose Ende des Revolutionarismus der Bourgeoisie und sogar der Kleinbourgeoisie bedeuten – wird der Beginn des echten Kampfes des Proletariats um den Sozialismus sein ...“ Mit der Bezeichnung Kleinbourgeoisie ist hier vor allem die Bauernschaft gemeint.

Wie sollte unter diesen Umständen die „ununterbrochene“ Revolution entstehen? Lenin antwortete darauf: die russischen Revolutionäre, auf den Schultern einer ganzen Reihe von revolutionären Generationen Europas stehend, haben das Recht, davon zu „träumen“, daß es ihnen gelingen werde, „mit noch ungeahnter Fülle alle demokratischen Umgestaltungen, unser ganzes Minimalprogramm zu verwirklichen ... Und wenn das gelingt, – dann ... dann wird ein revolutionärer Brand Europa entzünden ... Der europäische Arbeiter wird sich seinerseits erheben und uns zeigen, „wie das gemacht wird“; dann wird der revolutionäre Aufschwung Europas eine Rückwirkung auf Rußland ausüben und aus der Epoche einiger Revolutionsjahre eine Epoche mehrerer Revolutionsjahrzehnte machen“. Der selbständige Inhalt der russischen Revolution, sogar in ihrer allerhöchsten Entwicklung, geht noch über die Grenzen der bürgerlich-demokratischen Umwälzung nicht hinaus. Erst die siegreiche Revolution im Westen wird imstande sein, die Ära des Kampfes um die Macht auch für das russische Proletariat zu eröffnen. Diese Konzeption behielt in der Partei ihre volle Macht bis zum April 1917.

Läßt man episodische Ablagerungen, polemische Übertreibungen und Einzelirrtümer beiseite, so drehte sich während der Jahre 1905–1917 der Kern des Streites in der Frage der permanenten Revolution nicht darum, ob das russische Proletariat, nachdem es die Macht erobert hat, imstande sein würde, eine nationale sozialistische Gesellschaft aufzubauen – das hat überhaupt kein russischer Marxist bis zum Jahre 1924 jemals mit einem Wort erwähnt –, sondern darum, ob noch in Rußland eine bürgerliche Revolution möglich sei, die tatsächlich fähig wäre, die Agrarfrage zu lösen; oder aber ob für die Verwirklichung dieser Arbeit die Diktatur des Proletariats notwendig ist.

Welchen Teil der alten Anschauungen hat Lenin in den Aprilthesen einer Revision unterworfen? Er hat nicht für eine Minute weder die Lehre vom internationalen Charakter der sozialistischen Revolution preisgegeben, noch den Gedanken, daß der Übergang auf den Weg des Sozialismus für das rückständige Rußland durchführbar ist nur unter direkter Mitwirkung des Westens. Aber Lenin hatte hier zum erstenmal verkündet, daß das russische Proletariat, gerade infolge der Verspätung der nationalen Bedingungen, früher an die Macht kommen kann als das Proletariat der fortgeschrittenen Länder.

Die Februarrevolution erwies sich als ohnmächtig, die Agrarfrage wie die nationale Frage zu lösen. Die Bauernschaft und die unterdrückten Völker Rußlands waren durch ihren Kampf um demokratische Aufgaben gezwungen, die Oktoberumwälzung zu unterstützen. Nur deshalb, weil die russische kleinbürgerliche Demokratie nicht vermocht hatte, jene historische Arbeit zu leisten, die ihre ältere Schwester im Westen vollzogen hat, erhielt das russische Proletariat den Zutritt zur Macht früher als das Proletariat des Westens. Im Jahre 1905 beabsichtigte der Bolschewismus erst nach Vollendung der demokratischen Aufgaben an den Kampf um die Diktatur des Proletariats heranzugehen. Im Jahre 1917 erwuchs die Diktatur des Proletariats aus der Nichtvollendung der demokratischen Aufgaben.

Der kombinierte Charakter der russischen Revolution machte hierbei nicht halt. Die Machteroberung durch die Arbeiterklasse vernichtete automatisch die Scheidelinie zwischen „Minimalprogramm“ und „Maximalprogramm“. Unter der Diktatur des Proletariats – aber nur unter ihr! – wurde das Hineinwachsen der demokratischen Aufgaben in sozialistische unvermeidlich, obwohl die Arbeiter Europas noch nicht Zeit gehabt hatten, zu zeigen, „wie das gemacht wird“.

Die Umstellung der revolutionären Reihenfolge zwischen Westen und Osten ist jedoch bei all ihrer Wichtigkeit für die Geschicke Rußlands wie der ganzen Welt von historisch beschränkter Bedeutung. Wie weit auch die russische Revolution vorausgeeilt sei, ihre Abhängigkeit von der Weltrevolution ist nicht geschwunden und sogar nicht kleiner geworden. Unmittelbar ergeben sich die Möglichkeiten des Hineinwachsens demokratischer Reformen in sozialistische durch Verknüpfung innerer Bedingungen, vor allem des Verhältnisses zwischen Proletariat und Bauernschaft. Aber in letzter Instanz werden die Grenzen der sozialistischen Umgestaltungen vom Stande der Wirtschaft und der Politik in der Weltarena bestimmt. So groß auch der nationale Anlauf sein mag, die Möglichkeit, über den Planeten hinwegzuspringen, bietet er nicht.

Bei ihrer Verurteilung des „Trotzkismus“ fiel die Kommunistische Internationale mit besonderer Heftigkeit über jene Ansicht her, nach der das russische Proletariat, wenn es das Steuer ergreift und keine Unterstützung vom Westen bekommt, „feindlich zusammenstoßen wird ... mit den breiten Massen der Bauernschaft, mit deren Hilfe es zur Macht gekommen ist“ ... Selbst wenn man glaubt, die historische Erfahrung habe jene Prognose vollständig widerlegt, die Trotzki im Jahre 1905 formulierte, als noch kein einziger der heutigen Kritiker auch nur den Gedanken an die Diktatur des Proletariats in Rußland zuließ, so bleibt es auch in diesem Falle unumstößliche Tatsache, daß die Meinung über die Bauernschaft, als einen unzuverlässigen und treulosen Verbündeten, Gemeingut aller russischen Marxisten, einschließlich Lenins, war. Die wirkliche Tradition des Bolschewismus hat nichts zu tun mit der Lehre von der prädestinierten Interessenharmonie zwischen Arbeitern und Bauern. Im Gegenteil, die Kritik dieser kleinbürgerlichen Theorie bildete stets ein wichtiges Element im langjährigen Kampfe zwischen Marxisten und Narodniki.

„Ist für Rußland die Epoche der demokratischen Revolution vorbei“, schrieb Lenin im Jahre 1905, „dann wird es lächerlich sein, vom „Einheitswillen“ des Proletariats und der Bauernschaft auch nur zu sprechen“ ... „Die Bauernschaft als bodenbesitzende Klasse wird in diesem Kampfe (um den Sozialismus) die gleiche verräterische, schwankende Rolle spielen wie jetzt die Bourgeoisie im Kampfe um die Demokratie. Dies vergessen, heißt den Sozialismus vergessen, sich und andere über die wahren Interessen und Aufgaben des Proletariats täuschen.“

Während er, Ende 1905, für sich an einem Schema der Klassenbeziehungen im Verlauf der Revolution arbeitete, charakterisierte Lenin mit folgenden Worten die Situation, die nach der Liquidierung des gutsherrlichen Bodenbesitzes entstehen würde: „Das Proletariat kämpft bereits um die Erhaltung der demokratischen Errungenschaften namens der sozialistischen Umwälzung. Dieser Kampf wäre fast hoffnungslos für das russische Proletariat allein, und seine Niederlage wäre unvermeidlich ... wenn dem russischen Proletariat nicht das europäische sozialistische Proletariat zu Hilfe kommt ... In diesem Stadium organisieren die liberale Bourgeoisie und die wohlhabende (plus teils mittlere) Bauernschaft die Konterrevolution. Das russische Proletariat plus europäisches Proletariat organisieren die Revolution. Unter diesen Bedingungen kann das russische Proletariat einen zweiten Sieg erringen. Die Sache ist nicht mehr hoffnungslos. Der zweite Sieg wird die sozialistische Umwälzung in Europa sein. Die europäischen Arbeiter werden uns zeigen, „wie das gemacht wird“.“

Ungefähr in den gleichen Tagen schrieb Trotzki: „Die Widersprüche in der Lage einer Arbeiterregierung in einem rückständigen Lande mit erdrückender Mehrheit der Bauernbevölkerung werden ihre Lösung nur im internationalen Maßstabe, in der Arena der proletarischen Weltrevolution finden können.“ Stalin führte später gerade diese Worte an, um zu zeigen „die ganze Kluft, die die Leninsche Theorie der Diktatur des Proletariats von Trotzkis Theorie trennt“. Indes beweist das Zitat, daß, unbeschadet der zweifellosen Unterschiede in den damaligen revolutionären Konzeptionen von Lenin und Trotzki, ihre Ansichten gerade in der Frage der „schwankenden“ und „verräterischen“ Rolle der Bauernschaft im wesentlichen bereits in jenen fernen Tagen sich deckten.

Im Februar 1906 schreibt Lenin: „Wir unterstützen die Bauernbewegung restlos, aber wir müssen daran denken, daß es die Bewegung einer fremden Klasse ist, nicht jener, die die sozialistische Umwälzung vollziehen kann und vollziehen wird.“ – „Die russische Revolution“, erklärt er im April 1906, „hat genügend eigene Kräfte, um zu siegen. Aber sie hat nicht genügend Kräfte, um die Früchte des Sieges festzuhalten ... denn in einem Lande mit riesiger Entwicklung der Kleinwirtschaft werden sich die kleinen Warenerzeuger, darunter auch die Bauern, unvermeidlich gegen den Proletarier wenden, wenn dieser von der Freiheit zum Sozialismus gehen wird ... Um einer Restauration vorzubeugen. braucht die russische Revolution eine nichtrussische Reserve, es ist Hilfe von außen nötig. Gibt es eine solche Reserve in der Welt? Die gibt es: das sozialistische Proletariat im Westen.“

In verschiedenen Verbindungen, aber unabänderlich im Kern, gehen diese Gedanken durch die ganzen Jahre der Reaktion und des Krieges hindurch. Es ist nicht nötig, die Beispiele zu häufen. Die Vorstellungen der Partei von der Revolution werden die höchste Geschlossenheit und Deutlichkeit im Feuer der revolutionären Ereignisse erhalten müssen. Hätten die Theoretiker des Bolschewismus bereits vor der Revolution zum Sozialismus in einem Lande geneigt, diese Theorie müßte die höchste Blüte in der Periode des unmittelbaren Kampfes um die Macht erreicht haben. Wie war es in Wirklichkeit? Die Antwort darauf wird das Jahr 1917 geben.

Vor seiner Abreise nach Rußland, nach der Februarrevolution, schrieb Lenin in dem Abschiedsbrief an die Schweizer Arbeiter: „Das russische Proletariat kann mit seinen eigenen Kräften allein die sozialistische Revolution nicht siegreich beenden. Aber es kann ... seinem wichtigsten, seinem zuverlässigsten Bundesgenossen, dem europäischen und amerikanischen sozialistischen Proletariat, die Bedingungen für den Eintritt in entscheidende Kämpfe erleichtern.“

Lenins von der Aprilkonferenz gutgeheißene Resolution lautet: „Das Proletariat Rußlands, das in einem der rückständigsten Länder Europas wirkt, inmitten kleinbäuerlicher Bevölkerungsmassen, kann sich nicht die sofortige Verwirklichung der sozialistischen Umgestaltung zum Ziel setzen.“ In diesen einleitenden Zeilen sich dicht an die theoretische Tradition der Partei anlehnend, macht die Resolution jedoch einen entscheidenden Schritt auf dem neuen Weg. Sie erklärt: Die Unmöglichkeit einer selbständigen sozialistischen Umgestaltung des bäuerlichen Rußland berechtigt keinesfalls zum Verzicht auf die Machteroberung, sowohl im Namen der demokratischen Aufgaben wie auch im Namen „einer Reihe praktisch herangereifter Schritte zum Sozialismus“, wie Nationalisierung des Bodens, Kontrolle über Banken und so weiter. Die antikapitalistischen Maßnahmen werden weitere Entfaltung erfahren können, dank dem Vorhandensein „objektiver Voraussetzungen der sozialistischen Revolution ... in den entwickeltsten fortgeschrittenen Ländern“. Gerade davon muß man ausgehen. „Nur von den russischen Bedingungen zu sprechen“, erläutert Lenin in seiner Rede, „ist ein Fehler ... Welche Aufgaben werden dem russischen Proletariat erstehen, wenn die Weltbewegung uns vor die Tatsache der sozialen Revolution stellt – das ist die Hauptfrage, die in dieser Resolution behandelt wird.“ Es ist klar: Die neue Ausgangsposition, die die Partei im April 1917 bezog, nachdem Lenin einen Sieg über die demokratische Beschränktheit der „alten Bolschewiki“ errungen hatte, ist von der Theorie des Sozialismus in einem Lande entfernt wie Himmel und Erde!

In allen Parteiorganisationen, in der Hauptstadt wie in der Provinz, finden wir von nun an die gleiche Fragestellung; Im Kampfe um die Macht darf man nicht vergessen, daß das weitere Schicksal der Revolution, als einer sozialistischen,, bestimmt werden wird vom Sieg des Proletariats der fortgeschrittenen Länder. Diese Formel stößt bei niemand auf Widerspruch; im Gegenteil, sie bildet die Voraussetzung bei allen Diskussionen, als ein von allen in gleicher Weise anerkannter Grundsatz.

Am 16. Juli erklärt in der Petrograder Parteikonferenz Charitonow, einer der mit Lenin im „plombierten“ Wagen eingetroffenen Bolschewiki: „Wir sagen es überall, wenn es im Westen keine Revolution geben wird, ist unsere Sache verloren.“ Charitonow ist kein Theoretiker; er ist ein Durchschnittsagitator der Partei. In den Protokollen der gleichen Konferenz lesen wir: „Pawlow verweist auf den von den Bolschewiki hervorgehobenen allgemeinen Grundsatz, daß die russische Revolution sich nur dann weiter entwickeln wird, wenn sie von der Weltrevolution, die nur als eine sozialistische denkbar ist, unterstützt werden wird.“ ... Dutzende und Hunderte Charitonows und Pawlows entwickeln den Kerngedanken der Aprilkonferenz. Niemand kommt es in den Sinn, sie zu widerlegen oder zu korrigieren.

Der VI. Parteitag, der Ende Juli stattfand, definierte die Diktatur des Proletariats als Machteroberung durch die Arbeiter und ärmsten Bauern. „Nur diese Klassen werden ... durch die Tat zum Fortschreiten der internationalen proletarischen Revolution beitragen, die nicht nur den Krieg, sondern auch die kapitalistische Sklaverei liquidieren wird.“ Das Referat Bucharins war aufgebaut auf dem Gedanken, daß die sozialistische Weltrevolution der einzige Ausweg aus der entstandenen Lage sei. „Siegt die Revolution in Rußland, bevor die Revolution im Westen ausbricht, – dann haben wir die Aufgabe ... den Brand der sozialistischen Weltrevolution zu schüren.“ Auch Stalin war in jener Zeit gezwungen, die Frage nicht viel anders zu stellen: „Es wird der Moment kommen“ sagte er, „wo die Arbeiter die armen Schichten der Bauernschaft emporheben und um sich scharen werden, das Banner der Arbeiterrevolution emporheben und die Ära der sozialistischen Revolution im Westen einleiten werden.“

Die Anfang August tagende Moskauer Distriktkonferenz gestattet uns am allerbesten, in das Laboratorium des Parteigedankens hineinzublicken. In einem einführenden Bericht, der die Beschlüsse des VI. Parteitages erläuterte, sagt Sokolnikow, Mitglied des Zentralkomitees: „Es ist begreiflich zu machen, daß die russische Revolution sich gegen den Weltimperialismus erheben oder aber umkommen wird, von dem gleichen Imperialismus erdrosselt.“ Im gleichen Geiste spricht sich eine Reihe Delegierter aus. Witolin: „Wir müssen uns auf die soziale Revolution vorbereiten, die ein Anstoß sein wird zur Entfachung der sozialen Revolution in Westeuropa.“ Der Delegierte Belenki: „Will man die Frage im nationalen Rahmen lösen, gibt es für uns keinen Ausweg. Sokolnikow hat ganz richtig gesagt, daß die russische Revolution siegen wird nur als internationale Revolution ... In Rußland sind die Bedingungen für den Sozialismus noch nicht reif; beginnt aber in Europa die Revolution, werden wir Westeuropa folgen.“ Stukow „Der Grundsatz: – die russische Revolution wird nur als internationale Revolution siegen – kann keinen Zweifel erwecken ... Die sozialistische Revolution ist nur im Weltmaßstabe möglich.“

Alle stimmen in den drei Hauptgrundsätzen überein: der Arbeiterstaat kann sich nicht halten, wenn der Imperialismus im Westen nicht gestürzt wird; in Rußland sind die Bedingungen für den Sozialismus noch nicht reif; die Aufgabe der sozialistischen Revolution ist ihrem Wesen nach international. Würden neben diesen Ansichten, die nach sieben bis acht Jahren als Ketzerei verurteilt werden, in der Partei andere, heute als rechtgläubig und traditionell bezeichneten Ansichten existiert haben, sie müßten auf der Moskauer Konferenz wie auf dem ihr vorangegangenen Parteitag einen Ausdruck gefunden haben. Aber weder der Referent, noch Diskussionsredner, noch Zeitungsartikel erwähnten auch nur mit einem Wort das Vorhandensein bolschewistischer Ansichten in der Partei als Gegensatz zu den „trotzkistischen“.

Auf der Stadtkonferenz in Kiew, die dem Parteitag voranging, sagte der Referent Horowitz: „Der Kampf um die Rettung unserer Revolution kann nur im internationalen Maßstabe geführt werden. Vor uns sind zwei Perspektiven: siegt die Revolution, dann schaffen wir einen Übergangsstaat zum Sozialismus, wenn nicht dann geraten wir unter die Gewalt des internationalen Imperialismus.“ Nach dem Parteitag, Anfang August, sagte Pjatakow auf einer neuen Kiewer Konferenz: „Wir haben seit Beginn der Revolution stets wiederholt, daß das Schicksal des russischen Proletariats völlig abhängig ist von dem Gang der proletarischen Revolution im Westen ... Wir treten somit in das Stadium der permanenten Revolution ein.“ Anläßlich Pjatakows Referat erklärt der uns bereits bekannte Horowitz: „Ich bin mit Pjatakow durchaus einverstanden in seiner Bezeichnung unserer Revolution als einer permanenten.“ ... Pjatakow; „... Die einzig mögliche Rettung für die russische Revolution liegt in der Weltrevolution, die den Beginn der sozialen Umwälzung bilden wird.“ Vielleicht aber vertraten diese zwei Redner eine Minderheit? Nein, niemand hat in dieser Kernfrage Widerspruch erhoben; bei der Wahl des Kiewer Komitees erhielten beide die größte Stimmenzahl.

Man kann somit als festgestellt erachten, daß auf der Parteikonferenz vom April, auf dem Parteitag vom Juli, den Konferenzen in Petrograd, Moskau und Kiew jene Ansichten dargelegt und durch Abstimmung bestätigt wurden, die man später als mit dem Bolschewismus unvereinbar proklamierte. Mehr noch: es erhob sich nicht eine Stimme in der Partei, die man als eine Vorahnung der späteren Theorie des Sozialismus in einem Lande hätte auslegen können, auch nur in dem Maße, wie in den Psalmen des Königs David ein Vorgefühl der Predigten Christi zu finden ist.

Am 13. August erläutert das Zentralorgan der Partei: „Die Allmacht der Sowjets, noch keinesfalls „Sozialismus“ bedeutend, würde jedenfalls den Widerstand der Bourgeoisie brechen und, dem Vorhandensein der Produktivkräfte und der Lage im Westen entsprechend, dem ökonomischen Leben im Interesse der werktätigen Massen Richtung und Gestaltung verleihen. Nachdem sie die Fesseln der kapitalistischen Macht von sich geworfen hat, würde die Revolution permanent geworden sein, das heißt, ununterbrochen; sie würde die Staatsmacht anwenden nicht, um das Regime der kapitalistischen Ausbeutung zu festigen, sondern, im Gegenteil, um es zu überwinden. Ihr endgültiger Sieg auf diesem Wege würde von den Erfolgen der proletarischen Revolution in Europa abhängen ... Dies war und bleibt die einzige reale Perspektive der weiteren Entwicklung der Revolution.“ Autor des Artikels war Trotzki, der ihn aus dem „Kresty“-Gefängnis schrieb. Redakteur der Zeitung war Stalin. Die Bedeutung des Zitats wird schon allein dadurch bestimmt, daß der Terminus „permanente Revolution“ bis zum Jahre 1917 in der bolschewistischen Partei ausschließlich zur Kennzeichnung des Trotzkischen Standpunktes gebraucht worden war. Einige Jahre später wird Stalin erklären „Lenin kämpfte gegen die Theorie der permanenten Revolution bis ans Ende seiner Tage.“ Stalin selbst hat jedenfalls nicht dagegen gekämpft: der Artikel erschien ohne jegliche Anmerkungen seitens der Redaktion.

Zehn Tage später schrieb Trotzki in der gleichen Zeitung: „Internationalismus ist für uns keine abstrakte Idee ..., sondern ein unmittelbar leitendes, tiefpraktisches Prinzip. Ein sicherer, entscheidender Erfolg ist für uns undenkbar außerhalb der europäischen Revolution.“ Stalin widersprach abermals nicht. Mehr noch, zwei Tage später wiederholte er selbst: „Sie (die Arbeiter und Soldaten) mögen wissen, nur im Bunde mit den Arbeitern des Westens, nur wenn die Grundlagen des Kapitalismus im Westen erschüttert sind, darf man mit einem Triumph der Revolution in Rußland rechnen!“ Unter „Triumph der Revolution“ wurde nicht der Aufbau des Sozialismus verstanden – davon war vorläufig überhaupt nicht die Rede –, sondern nur die Eroberung und Sicherung der Macht.

„Die Bourgeois schreien“, schrieb Lenin im September, „von der unvermeidlichen Niederlage der Kommune in Rußland, das heißt, von der Niederlage des Proletariats, falls es die Macht erobert.“ Man brauche vor diesem Geschrei keine Furcht zu haben: „Die Macht einmal erobert, hat das Proletariat in Rußland alle Chancen, sie zu halten und Rußland bis zur siegreichen Revolution im Westen zu führen.“ Die Perspektive der Umwälzung wird hier mit aller Klarheit bestimmt: die Macht festzuhalten bis zum Beginn der sozialistischen Revolution in Europa. Diese Formel ist nicht in aller Eile hingeworfen; sie wiederholt sich bei Lenin tagein, tagaus. Den Programmartikel Werden die Bolschewiki die Staatsmacht behalten resümiert Lenin mit den Worten: „... es wird sich keine Macht auf der Erde finden, die die Bolschewiki, wenn diese sich nicht einschüchtern lassen und es verstehen, die Macht zu ergreifen, hindern könnte, sie bis zum Siege der sozialistischen Weltrevolution zu halten.“

Der rechte Flügel der Bolschewiki forderte eine Koalition mit den Versöhnlern, wobei er sich darauf berief, die Bolschewiki „allein“ würden die Macht nicht halten können. Lenin antwortete ihnen am 1. November, schon nach der Umwälzung: „Man sagt, wir werden die Macht allein nicht halten können, und so weiter. Aber wir sind nicht allein. Vor uns ist das ganze Europa. Wir müssen beginnen.“ Aus den Dialogen Lenins mit den Rechten tritt besonders klar hervor, daß nicht einer der streitenden Richtungen der Gedanke vom selbständigen Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft in Rußland in den Sinn kam.

John Reed erzählt, wie auf einem Petrograder Meeting. im Obuchow-Werk, ein Soldat von der rumänischen Front rief: „Wir werden uns mit allen Kräften halten, bis sich die Völker der ganzen Welt erheben und uns helfen.“ Diese Formel war nicht vom Himmel gefallen und weder von dem namenlosen Soldaten noch von Reed ausgedacht: sie war den Massen von den bolschewistischen Agitatoren eingeimpft. Die Stimme des Soldaten von der rumänischen Front war die Stimme der Partei, die Stimme der Oktoberrevolution.

„Die Deklaration der Rechte des werktätigen und ausgebeuteten Volkes“ – ein programmatischer Staatsakt, im Namen der Sowjetmacht in der Konstituierenden Versammlung eingebracht – verkündete als Aufgabe des neuen Regimes „Errichtung der sozialistischen Gesellschaftsorganisation und des Sieges des Sozialismus in allen Ländern ... Die Sowjetmacht wird fest diesen Weg verfolgen bis zum vollständigen Siege des internationalen Arbeiteraufstandes gegen das Joch des Kapitals.“ Die Leninsche „Deklaration der Rechte“, formell bis auf den heutigen Tag nicht abgeschafft, verwandelte die permanente Revolution in ein Grundgesetz der Sowjetrepublik.

Würde Rosa Luxemburg, die leidenschaftlich und eifrig vom Gefängnis aus Taten und Worte der Bolschewiki verfolgte, einen Schatten von nationalem Sozialismus verspürt haben, sie hätte sofort Alarm geschlagen: in jenen Tagen kritisierte sie sehr streng – im Kern fehlerhaft – die Politik der Bolschewiki. Aber nein, folgendes schrieb sie über die Generallinie der Partei: „Daß die Bolschewiki ihre Politik gänzlich auf die Weltrevolution des Proletariats stellten, ist gerade das glänzendste Zeugnis ihres politischen Weitblicks und ihrer grundsätzlichen Festigkeit, des kühnen Wurfs ihrer Politik.“

Gerade jene Ansichten, die Lenin tagaus, tagein entwickelte; die im Zentralorgan der Partei, unter Stalin als Redakteur, gepredigt wurden; die die Reden der großen und kleinen Agitatoren inspirierten; die die Soldaten der entferntesten Frontabschnitte wiederholten; die Rosa Luxemburg als höchstes Zeugnis des politischen Weitblicks der Bolschewiki betrachtete, gerade diese Ansichten verurteilte die Bürokratie der Kommunistischen Internationale im Jahre 1926. „Die Ansichten Trotzkis und seiner Gesinnungsgenossen in der Kernfrage über Charakter und Perspektiven unserer Revolution“ – lautet der Beschluß des VII. Plenums der Kommunistischen Internationale –, „haben nichts gemein mit den Ansichten unserer Partei, mit Leninismus.“ So rechneten die Epigonen des Bolschewismus mit ihrer eigenen Vergangenheit ab.

Wenn jemand im Jahre 1917 tatsächlich gegen die Theorie der permanenten Revolution kämpfte, so waren es die Kadetten und die Versöhnler. Miljukow und Dan enthüllten „die revolutionären Illusionen des Trotzkismus“ als die Hauptursache des Zusammenbruchs der Revolution von 1905. In der Eröffnungsrede auf der Demokratischen Beratung geißelte Tschcheidse das Bestreben, „den Brand des kapitalistischen Krieges zu löschen durch Umwandlung der Revolution in eine sozialistische und internationale“. Am 13. Oktober sagte Kerenski im Vorparlament: „Es gibt jetzt keinen gefährlicheren Feind der Revolution, der Demokratie und aller Errungenschaften der Freiheit als jene, die ... unter dem Vorgehen der Vertiefung der Revolution und deren Umwandlung in eine permanente soziale Revolution, die Massen demoralisieren und sie anscheinend schon demoralisiert haben ...“ Tschcheidse und Kerenski waren Gegner der permanenten Revolution aus dem gleichen Grunde, aus dem sie Feinde der Bolschewiki waren.

Auf dem zweiten Sowjetkongreß, im Augenblick der Machtergreifung, sagte Trotzki: „Wenn die aufständischen Völker Europas den Imperialismus nicht zermalmen, dann werden wir zermalmt werden – das ist sicher. Entweder wird die russische Revolution einen Kampfwirbel im Westen entfesseln, oder die Kapitalisten aller Länder werden unsere Revolution erdrosseln ...“ – „Es gibt einen dritten Weg“, ertönt es von einem Platze. Vielleicht war es Stalins Stimme? Nein, es war die Stimme eines Menschewiken. Die Bolschewiki entdeckten den „dritten Weg“ erst einige Jahre später.

Unter dem Einfluß unzähliger Wiederholungen der Stalinschen Presse in aller Welt gilt für die verschiedensten politischen Kreise fast als feststehend, daß den Brest-Litowsker Meinungsverschiedenheiten angeblich zwei Konzeptionen zugrunde lagen: die eine ging von der Möglichkeit aus, sich nicht nur zu halten, sondern auch den Sozialismus mit den eigenen Kräften Rußlands aufzubauen; die andere hoffte ausschließlich auf den Aufstand in Europa. In Wirklichkeit wurde diese Gegenüberstellung erst einige Jahre später geschaffen, wobei sich ihre Autoren nicht die Mühe nahmen, ihre Erfindung auch nur äußerlich mit den historischen Dokumenten in Einklang zu bringen. Allerdings, dies wäre auch nicht leicht gewesen: alle Bolschewiki, ohne eine Ausnahme, vertraten in der Brester Zeit in gleicher Weise die Ansicht, daß, wenn die Revolution in der allernächsten Zeit in Europa nicht ausbricht, die Sowjetrepublik dem Untergang geweiht ist. Die einen rechneten mit Wochen, die anderen mit Monaten, niemand mit Jahren.

„Seit Anbeginn der russischen Revolution ...“, schrieb Bucharin am 28. Januar 1918, „erklärte die Partei des revolutionären Proletariats: entweder wird die durch die Revolution in Rußland entfesselte internationale Revolution den Krieg und das Kapital erdrosseln, oder das internationale Kapital wird die russische Revolution erdrosseln.“ Vielleicht aber hat Bucharin, der in jenen Tagen die Anhänger eines revolutionären Krieges gegen Deutschland vertrat, die Ansichten seiner Fraktion auf die gesamte Partei übertragen? So natürlich eine solche Vermutung auch sein mag, sie wird durch die Dokumente radikal widerlegt.

Die im Jahre 1929 vom Zentralkomitee herausgegebenen Protokolle für das Jahr 1917 und Anfang 1918 bieten, trotz ihrer Unvollständigkeit und tendenziösen Bearbeitung auch in dieser Frage unschätzbare Angaben. „Sitzung vom 11. Januar 1918. Gen. Sergejew (Artem) verweist darauf, daß alle Redner darin übereinstimmen, daß unserer sozialistischen Republik Untergang droht beim Ausbleiben der sozialistischen Revolution im Westen.“ Sergejew vertrat Lenins Position, das heißt, er war für die Unterzeichnung des Friedens. Niemand widersprach Sergejew. Alle drei kämpfenden Gruppen appellierten wetteifernd an die gleiche Voraussetzung: ohne Weltrevolution kann das Ende nicht gut sein.

Stalin trägt allerdings eine neue Nuance in die Debatten hinein: die Notwendigkeit, den Separatfrieden zu unterzeichnen, motiviert er damit, daß es „eine revolutionäre Bewegung im Westen nicht gibt, es bestehen keine Tatsachen, es gibt nur eine Potenz, mit der Potenz aber können wir nicht rechnen“. Noch recht weit von der Theorie des Sozialismus in einem Lande entfernt, enthüllt er jedoch in diesen Worten deutlich seinen organischen Unglauben an die internationale Bewegung. „Mit der Potenz können wir nicht rechnen!“ Lenin grenzt sieh sofort „in gewissen Teilen“ gegen die Stalinsche Unterstützung ab: daß die Revolution im Westen noch nicht begonnen hat, ist richtig, „wollten wir jedoch deshalb unsere Taktik ändern, wir wären Verräter am internationalen Sozialismus“. Wenn er, Lenin, für einen sofortigen Separatfrieden sei, so nicht deshalb, weil er an die revolutionäre Bewegung im Westen nicht glaube, und noch weniger, weil er an die Lebensfähigkeit einer isolierten russischen Revolution glaube: „Es ist für uns wichtig, uns bis zum Eintritt der allgemeinen sozialistischen Revolution zu halten, und dies können wir erreichen nur durch den Friedensabschluß.“ Der Sinn der Brester Kapitulation erschöpft sich für Lenin in dem Wort „Atempause“.

Die Protokolle beweisen, daß Stalin nach der Leninschen Warnung Gelegenheit suchte, sich zu korrigieren. „Sitzung vom 23. Februar 1918. Gen. Stalin ... Auch wir setzen auf die Revolution, aber ihr rechnet mit Wochen, und (wir) – mit Monaten.“ Stalin wiederholt hier wörtlich Lenins Formel. Die Entfernung zwischen den äußersten Flügeln des Zentralkomitees in der Frage der Weltrevolution ist die Entfernung zwischen Wochen und Monaten.

Während er auf dem VII. Parteitag, im März 1918, die Unterzeichnung des Brester Friedens verteidigte, sagte Lenin: „Es ist eine absolute Wahrheit, daß wir ohne die deutsche Revolution verloren sind. Verloren vielleicht nicht in Petrograd oder Moskau, aber in Wladiwostok oder einem anderen fernen Platz, wohin wir gezwungen sein werden uns zurückzuziehen ..., auf jeden Fall sind wir unter allen denkbaren Varianten, kommt die deutsche Revolution nicht, verloren.“ Doch es handelt sich nicht nur um Deutschland. „Der internationale Imperialismus, der ... eine gigantische reale Macht darstellt kann in keinem Fall und unter keinen Bedingungen die Nachbarschaft einer Sowjetrepublik dulden ... Der Konflikt erscheint hier unvermeidlich. Hier liegt ... das größte historische Problem. .. die Notwendigkeit, die internationale Revolution hervorzurufen.“ In einem angenommenen Geheimbeschluß heißt es: „Der Parteitag sieht die zuverlässigste Garantie für die Festigung der sozialistischen Revolution, die in Rußland gesiegt hat, nur in der Umwandlung dieser Revolution in eine internationale Arbeiterrevolution.“

Einige Tage später sagte Lenin auf dem Sowjetkongreß: „Der Weltimperialismus kann neben sich einen siegreichen Vormarsch der sozialen Revolution nicht dulden.“ Am 23. April sprach er in der Sitzung des Moskauer Sowjets: „Unsere Rückständigkeit hat uns vorwärtsgestoßen, doch wir sind verloren, wenn wir nicht imstande sein werden, uns so lange zu halten, bis wir kraftvolle Hilfe seitens der aufständischen Arbeiter der anderen Länder bekommen.“ „... Man muß sich (vor dem Imperialismus) zurückziehen, sei es auch bis zum Ural“, schreibt er im Mai 1918, „denn dies ist die einzige Gewinnchance für die Periode des Heranreifens der Revolution im Westen ...“

Lenin legte sich klar Rechenschaft darüber ab, daß das Hinausziehen der Verhandlungen in Brest die Friedensbedingungen verschlechtere. Aber er stellte die internationalen revolutionären Aufgaben über die „nationalen“. Am 28. Juni 1918, auf der Moskauer Gewerkschaftskonferenz, sagte Lenin trotz den episodischen Meinungsverschiedenheiten mit Trotzki in der Frage der Unterzeichnung des Friedens: „Als es zu den Brester Verhandlungen kam, wurden da nicht die Enthüllungen des Gen. Trotzki der ganzen Welt sichtbar, und hat nicht diese Politik dazu geführt, daß in einem feindlichen Lande ... während des Krieges eine gewaltige revolutionäre Bewegung entstand?“ ... Eine Woche später kehrt er in dem Bericht des Rates der Volkskommissare vor dem fünften Sowjetkongreß zu dieser Frage zurück: „Wir haben unsere Pflicht vor allen Völkern erfüllt ... durch unsere Brester Delegation mit dem Gen. Trotzki an der Spitze ...“ Ein Jahr später erinnerte Lenin: „In der Epoche des Brester Friedens ... hat die Sowjetmacht die Weltdiktatur des Proletariats und die Weltrevolution über alle nationalen Opfer gestellt, so schwer sie auch waren.“

„Welchen Sinn“, fragte Stalin, als die Zeit die ohnehin nicht übermäßig deutlichen Ideenabgrenzungen in seinem Gedächtnis verwischt hatte, „kann Trotzkis Erklärung haben, das revolutionäre Rußland werde sich angesichts eines konservativen Europa nicht halten können? Doch nur den einen Sinn: Trotzki fühlt die innere Macht unserer Revolution nicht.“

In Wirklichkeit war die gesamte Partei einmütig der Überzeugung, „angesichts eines konservativen Europa“ würde sich die Sowjetrepublik nicht halten können. Doch war das nur die Kehrseite der Überzeugung, daß ein konservatives Europa sich nicht würde halten können angesichts eines revolutionären Rußland. In der negativen Form kam der unerschütterliche Glaube an die internationale Kraft der russischen Revolution zum Ausdruck. Und im Kern hatte die Partei sich nicht geirrt. Vollständig hat das konservative Europa sich jedenfalls nicht halten können. Sogar die von der Sozialdemokratie verratene deutsche Revolution erwies sieh als stark genug, um Ludendorff und Hoffmann die Krallen zu beschneiden: ohne diese Operation aber wäre der Sowjetrepublik kaum der Untergang erspart geblieben.

Doch auch nach dem Zusammenbruch des deutschen Militarismus hatte sich die allgemeine Einschätzung der internationalen Lage nicht verändert. „Unsere Bemühungen führen unvermeidlich zur Weltrevolution ...“, sagte Lenin in der Sitzung des Zentral-Exekutivkomitees Ende Juli 1918. „Die Sache verhält sieh so, daß ... während wir ... aus dem Krieg mit der einen Koalition hinaustraten, (wir) sogleich einen Druck des Imperialismus von der anderen Seite verspürten.“ Im August, als an der Wolga der Bürgerkrieg unter Teilnahme der Tschechoslowaken entbrannte, sprach Lenin auf einem Meeting in Moskau: „Unsere Revolution trat auf als eine internationale Revolution ... Die proletarischen Massen werden der Sowjetrepublik den Sieg über die Tschechoslowaken sichern und die Möglichkeit schaffen, sich so lange zu halten; bis die sozialistische Weltrevolution ausbrechen wird.“ Sich halten, bis die Revolution im Westen ausbrechen wird – das ist in alter Weise die Formel der Partei.

In den gleichen Tagen schrieb Lenin an die amerikanischen Arbeiter: „Wir befinden uns in einer belagerten Festung, solange uns das Heer der sozialistischen Weltrevolution nicht zu Hilfe kommt.“ Noch kategorischer drückt er sich im November aus: „... Tatsachen der Weltgeschichte beweisen, daß die Umwandlung unserer, der russischen Revolution in eine sozialistische nicht ein Abenteuer, sondern eine Notwendigkeit war, denn eine andere Wahl hat es nicht gegeben: der anglo-französische und der amerikanische Imperialismus werden unvermeidlich Rußlands Unabhängigkeit und Freiheit ersticken, wenn die sozialistische Weltrevolution, der Weltbolschewismus, nicht siegt.“ In Stalins Sprache: Lenin fühlt offenbar die „innere Kraft unserer Revolution“ nicht.

Der erste Jahrestag der Umwälzung ist vorbei. Die Partei hat Zeit genug gehabt, sich umzusehen. Nichtsdestoweniger erklärt Lenin in seiner Rede auf dem VIII. Parteitag, im März 1919, wiederum: „Wir leben nicht nur in einem Staat, sondern in einem Staatensystem, und das Bestehen einer Sowjetrepublik neben den imperialistischen Staaten für längere Zeit ist undenkbar. Letzten Endes wird entweder das eine oder das andere siegen.“

Am dritten Jahrestag, der mit der Vernichtung der Weißen zusammenfiel, hielt Lenin Rückschau und zog die Verallgemeinerung: „Wenn man uns in jener Nacht (der Nacht der Oktoberumwälzung) gesagt hätte, daß wir nach drei Jahren ... im Besitze dieses unseres Sieges sein werden, – niemand, sogar der eingefleischteste Optimist nicht, hätte das geglaubt. Wir wußten damals, daß unser Sieg nur dann ein Sieg sein wird, wenn unsere Sache die ganze Welt erobert, weil wir ja unsere Sache auch begonnen haben ausschließlich mit Berechnung auf die Weltrevolution.“ Einen unwiderlegbareren Beweis kann man nicht verlangen: Ins Augenblick der Oktoberumwälzung hatte der „eingefleischteste Optimist“ nicht nur von einem Aufbau des nationalen Sozialismus nicht geträumt, sondern auch nicht an die Möglichkeit der Verteidigung der Revolution ohne direkte Hilfe von außen geglaubt. „Wir haben unsere Sache ausschließlich mit Berechnung auf die Weltrevolution begonnen.“ Um in dreijährigen Kämpfen den Sieg über die Unzahl der Feinde zu sichern, hatte weder die Partei noch die Rote Armee die Mythe vom Sozialismus in einem Lande nötig gehabt.

Die internationale Lage gestaltete sieh günstiger, als man es hatte erwarten können. Die Massen bewiesen eine außerordentliche Aufopferungsfähigkeit im Namen der neuen Ziele. Die Führung hatte die Widersprüche des Imperialismus in der ersten, schwierigsten Periode geschickt ausgenützt. Im Ergebnis hatte die Revolution größere Widerstandskraft gezeigt, als die „eingefleischtesten Optimisten“ es geglaubt hatten. Dabei aber bewahrte die Partei in ihrer Gesamtheit die frühere internationale Einstellung.

„Gäbe es keinen Krieg“, erklärte Lenin im Januar 1918, „wir würden die Vereinigung der Kapitalisten der ganzen Welt sehen: einen Zusammenschluß auf dem Boden des Kampfes gegen uns.“ – „Warum bekamen wir in den Wochen und Monaten ... nach dem Oktober die Möglichkeit, so leicht von Triumph zu Triumph zu schreiten?“ fragte er auf dem VII. Parteitag: „Nur deshalb, weil die besondere internationale Konjunktur uns vorübergehend vor dem Imperialismus deckte.“ Im April sagte Lenin in einer Sitzung des Zentral-Exekutivkomitees: „Wir haben eine Atempause nur deshalb bekommen, weil im Westen die imperialistische Schlächterei noch weiter andauert und im Fernen Osten das imperialistische Wetteifern immer breiter entbrennt; nur das erklärt das Bestehen der Sowjetrepublik.“

Die besondere Fügung der Umstände konnte nicht ewig dauern. „Wir sind jetzt vom Krieg zum Frieden übergegangen“, sagte Lenin im November 1920, „aber wir haben nicht vergessen, daß der Krieg wiederkehren wird. Solange Kapitalismus und Sozialismus geblieben sind, können wir nicht im Frieden leben: der eine oder andere wird letzten Endes siegen; entweder wird man der Sowjetrepublik Totenmessen singen oder aber dem Weltkapitalismus. Das ist der Aufschub im Kriege.“

Die Umwandlung der ursprünglichen „Atempause“ in eine längere Periode schwankenden Gleichgewichts wurde nicht nur durch den Kampf der kapitalistischen Gruppierungen gesichert, sondern auch durch die internationale revolutionäre Bewegung. Unter dem Einfluß der Novemberumwälzung in Deutschland mußten die deutschen Truppen die Ukraine, die Baltischen Provinzen und Finnland räumen. Das Eindringen des rebellischen Geistes in die Heere der Entente zwang die französische, englische und amerikanische Regierung. ihre Truppen von den Süd- und Nordküsten Rußlands zu entfernen. Die proletarische Revolution im Westen siegte nicht, deckte aber auf dem Wege zum Siege für eine Reihe von Jahren den Sowjetstaat.

Im Juli 1921 zog Lenin das Fazit; „Es entstand, wenn auch ein äußerst unsicheres und äußerst unstabiles, aber doch ein derartiges Gleichgewicht, daß die sozialistische Republik – natürlich nicht lange Zeit – in kapitalistischer Umkreisung existieren kann.“ So gewöhnte sich die Partei, von Wochen zu Monaten und von Monaten zu Jahren schreitend, allmählich an den Gedanken, daß der Arbeiterstaat eine gewisse – „natürlich nicht lange Zeit“ friedlich in kapitalistischer Umkreisung existieren kann.

Eine nicht unwichtige Schlußfolgerung ergibt sich aus den erwähnten Angaben ganz unbestreitbar: Wenn nach der allgemeinen Überzeugung der Bolschewiki der Sowjetstaat sich nicht lange ohne einen Sieg des Proletariats im Westen halten konnte, so schloß dies allein schon praktisch das Programm des Aufbaus des Sozialismus in einem Lande aus; die Frage selbst wurde gewissermaßen im voraus von der Tagesordnung abgesetzt.

Es wäre jedoch ganz irrig, zu glauben, wie das in den letzten Jahren die Epigonenschule zu suggerieren versuchte, die Partei habe als einziges Hindernis auf dem Wege zur nationalen sozialistischen Gesellschaft die kapitalistischen Heere betrachtet. Die Bedrohung durch eine bewaffnete Intervention stand praktisch tatsächlich im Vordergrund. Doch bildete die Kriegsgefahr nur den schärfsten Ausdruck des technisch-industriellen Übergewichts der kapitalistischen Länder. Letzten Endes lief das Problem auf die Isoliertheit der Sowjetrepublik und auf deren Rückständigkeit hinaus.

Sozialismus ist Organisierung einer planmäßigen und harmonischen gesellschaftlichen Produktion für die Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse. Kollektiveigentum an Produktionsmitteln ist noch nicht Sozialismus, sondern lediglich seine rechtliche Voraussetzung. Das Problem der sozialistischen Gesellschaft läßt sich vom Problem der Produktivkräfte nicht trennen, das im heutigen Stadium der menschlichen Entwicklung seinem Wesen nach ein Weltproblem ist. Der Einzelstaat, zu eng geworden für den Kapitalismus, ist um so weniger fähig, die Arena einer vollendeten sozialistischen Gesellschaft zu sein. Die Rückständigkeit eines revolutionären Landes steigert darüber hinaus für dieses die Gefahr, zum Kapitalismus zurückgeworfen zu werden. Indem sie die Perspektive einer isolierten sozialistischen Entwicklung verwarfen, hatten die Bolschewiki kein mechanisch abgesondertes Interventionsproblem vor Augen, sondern die Gesamtheit der mit der internationalen wirtschaftlichen Grundlage des Sozialismus verbundenen Fragen.

Auf dem VII. Parteitag sagte Lenin: „Geht jetzt Rußland – und es geht zweifellose – vom „Tilsiter“ Frieden zum nationalen Aufstieg ..., so ist der Ausgang zu diesem Aufstieg nicht der Ausgang zum bürgerlichen Staat, sondern der Ausgang zur internationalen sozialistischen Revolution.“ Das ist die Alternative: entweder internationale Revolution oder Rückstoß – zum Kapitalismus. Für einen nationalen Sozialismus gibt es keinen Platz. „Wie viele Übergangsetappen zum Sozialismus es noch geben wird, wissen wir nicht, und können wir nicht wissen. Das hängt davon ab, wann die europäische sozialistische Revolution im richtigen Maßstabe beginnen wird.“

Während er im April des gleichen Jahres aufruft, die Reihen auf praktische Arbeit umzustellen, schreibt Lenin: „Der wegen einer Anzahl von Umständen verspäteten sozialistischen Revolution im Westen werden wir nur in dem Maße ernste Hilfe leisten können, in dem wir fähig sein werden, die vor uns stehende organisatorische Aufgabe zu lösen.“ Der Beginn des wirtschaftlichen Aufbaues wird sogleich dem internationalen Schema angegliedert: es handelt sich um die „Hilfe der sozialistischen Revolution ins Westen“ und nicht um Schaffung einer selbstgenügsamen sozialistischen Herrschaft im Osten.

Anläßlich des drohenden Hungers sagt Lenin den Moskauer Arbeitern: „Wir müssen in unserer gesamten Agitation ... erklären, daß das Unheil, das über uns hereinbrach, ein internationales Unheil ist und daß es aus ihm einen Ausweg außer der internationalen Revolution nicht gibt.“ Um den Hunger zu besiegen, ist die Weltrevolution des Proletariats notwendig, sagt Lenin. Um die sozialistische Gesellschaft aufzubauen, genügt die Revolution in einem Lande, antworteten die Epigonen. Dies ist die Schwingungsweite der Meinungsverschiedenheiten! Wer hat recht? Vergessen wir auf keinen Fall, daß trotz den Erfolgen der Industrialisierung der Hunger bis auf den heutigen Tag nicht besiegt ist.

Der Sowjetkongreß der Volkswirtschaft formulierte im Dezember 1918 das Schema des sozialistischen Aufbaues in folgenden Worten: „Die Diktatur des Weltproletariats wird eine historische Unentrinnbarkeit ... Das bestimmt die Entwicklung sowohl der Gesellschaft im Weltmaßstabe wie jedes Landes im einzelnen. Die Errichtung der Diktatur des Proletariats und der Sowjetform der Regierung in den anderen Ländern wird die Herstellung engster ökonomischer Beziehungen zwischen den Ländern ermöglichen, internationale Arbeitsteilung der Produktion und schließlich Organisierung internationaler wirtschaftlicher Verwaltungsorgane.“ Die Tatsache, daß eine solche Resolution auf einem Kongreß staatlicher Organe angenommen werden konnte, vor dem rein praktische Aufgaben standen – Kohle, Holz, Rüben –, beweist am besten, wie uneingeschränkt in jener Periode die Perspektive der permanenten Revolution das Bewußtsein der Partei beherrschte.

Im ABC des Kommunismus, einem von Bucharin und Preobraschenski zusammengestellten Parteilehrbuch, das eine große Auflagenzahl erlebt hat, lesen wir: „Die kommunistische Revolution kann nur siegen als Weltrevolution ... In einer Situation, wo die Arbeiter nur in einem Lande gesiegt haben, ist der ökonomische Aufbau sehr schwierig ... Für den Sieg des Kommunismus ist der Sieg der Weltrevolution notwendig.“

Im Geiste der gleichen Ideen schrieb Bucharin in einer populären Broschüre, die mehrfach von der Partei neu aufgelegt und in fremde Sprachen übersetzt wurde: „... Vor dem russischen Proletariat ersteht so scharf wie nie das Problem der internationalen Revolution ... Die permanente Revolution in Rußland geht über in die europäische Revolution des Proletariats.“

In dem bekannten Buche von Stepanow Skworzow, Elektrifizierung, erschienen unter der Redaktion und mit einem Vorwort von Lenin, wird in einem vom Redakteur dem Leser besonders heiß empfohlenen Kapitel gesagt: „Rußlands Proletariat hat niemals daran gedacht, einen isolierten sozialistischen Staat zu schaffen. Ein selbstgenügsamer „sozialistischer“ Staat ist ein kleinbürgerliches Ideal! Eine gewisse Annäherung an ihn ist denkbar unter der ökonomischen und politischen Vorherrschaft der Kleinbourgeoisie; in der Absonderung von der Außenwelt sucht sie das Mittel zur Festigung ihrer ökonomischen Formen, die durch die neue Technik und die neue Ökonomik in die allerschwankendsten Formen verwandelt sind.“ Diese hervorragenden Zeilen, die zweifellos Spuren von Lenins Hand tragen, werfen ein grelles Licht auf die spätere Evolution der Epigonen!

In den Thesen über die nationale und koloniale Frage zum II. Kongreß der Kommunistischen Internationale bezeichnet Lenin als Gesamtaufgabe des Sozialismus, die sich über die nationalen Etappen des Kampfes erhebt, die „Schaffung einer einheitlichen, nach einem Gesamtplan des Proletariats aller Nationen regulierten Weltwirtschaft als Ganzes, welche Tendenz sich bereits unter dem Kapitalismus sehr deutlich gezeigt hat und unbedingt eine weitere Entwicklung und völlige Vollendung unter dem Sozialismus finden wird“. Angesichts dieser kontinuierlichen und fortschrittlichen Tendenz ist die Idee einer sozialistischen Gesellschaft in einem Lande reaktionär.

Die Bedingungen der Entstehung der Diktatur des Proletariats und die Bedingungen des Aufbaues der sozialistischen Gesellschaft sind nicht identisch, nicht gleichartig, in gewissem Sinne sogar antagonistisch. Die Tatsache, daß das russische Proletariat als erstes zur Macht gelangt ist, bedeutet noch keinesfalls, daß es als erstes zum Sozialismus kommen wird. Die widerspruchsvolle Ungleichmäßigkeit der Entwicklung, die zur Oktoberumwälzung führte, ist mit deren Abschluß nicht verschwunden: es erwies sich, daß sie im Fundament des ersten Arbeiterstaates enthalten ist.

„Je rückständiger ein Land ist, das kraft des Zickzacks der Geschichte gezwungen war, seine sozialistische Revolution zu beginnen“. sagte Lenin im März 1918, „um so schwieriger wird ihm der Übergang von den alten kapitalistischen Beziehungen zu sozialistischen.“ Dieser Gedanke geht durch Lenins Reden und Artikel jahraus, jahrein. „Für uns ist es leicht, die Revolution zu beginnen, und schwieriger, sie fortzusetzen“, sagt er im Mai des gleichen Jahres, „im Westen ist es schwieriger, die Revolution zu beginnen, aber dort wird es leichter sein, sie fortzusetzen.“ Im Dezember entwickelt Lenin den gleichen Gedanken vor einem Bauernauditorium, dem es am allerschwierigsten fällt, sich über nationale Grenzen hinwegzuversetzen: „Dort (im Westen) wird der Übergang zur sozialistischen Wirtschaft sich schneller und leichter vollziehen als bei uns ... Im Bunde mit dem sozialistischen Proletariat der ganzen Welt wird die russische werktätige Bauernschaft alle Unbilden überwinden ...“ – „Im Vergleich mit den fortgeschrittenen Ländern“, wiederholt er 1919, „war es den Russen leichter, die große proletarische Revolution zu beginnen, aber es wird ihnen schwieriger sein, sie fortzusetzen und zum endgültigen Siege zu führen, im Sinne der völligen Organisierung der sozialistischen Gesellschaft.“ „Rußland“, beharrt Lenin am 27. April 1920, „war es leicht, die sozialistische Revolution zu beginnen. aber sie fortzusetzen und zu Ende zu führen, wird Rußland schwerer fallen als den europäischen Ländern. Ich hatte bereits Anfang 1918 Gelegenheit, auf diese Tatsache hinzuweisen, und die zweijährige Erfahrung hat danach die Richtigkeit dieser Erwägung vollauf bestätigt ...“

Die Jahrhunderte der Geschichte leben in Form von verschiedenen Kulturniveaus. Zur Überwindung der Vergangenheit ist Zeit nötig, nicht neue Jahrhunderte, aber Jahrzehnte. „Es ist fraglich, ob die nächste Generation, eine entwickeltere, den völligen Übergang zum Sozialismus vollziehen wird“, sagte Lenin in der Sitzung des Zentral-Exekutivkomitees am 29. April 1918. Fast zwei Jahre später, auf dem Kongreß der landwirtschaftlichen Kommunen, nennt er noch fernerliegende Fristen: „Sofort die sozialistische Ordnung einführen – können wir nicht, gebe Gott, daß sie unter unseren Kindern oder vielleicht Enkelkindern bei uns errichtet wird.“ Die russischen Arbeiter hätten früher als die anderen den Weg betreten, würden aber später als die anderen ans Ziel kommen. Das ist nicht Pessimismus, sondern historischer Realismus.

„... Wir, das Proletariat Rußlands, sind fortgeschrittener als ein England oder ein Deutschland unserem politischen Regime nach ...“, schrieb Lenin im Mai 1918, „und gleichzeitig hinter dem rückständigsten der westeuropäischen Staaten ... nach dem Grade der Vorbereitung für die materiell-industrielle Einführung des Sozialismus ...“ Dem gleichen Gedanken verleiht er bei einer Gegenüberstellung zweier Staaten Ausdruck: „Deutschland und Rußland verkörperten im Jahre 1918 am anschaulichsten die materielle Verwirklichung einerseits der ökonomischen, industriellen, gesellschaftswirtschaftlichen, andererseits der politischen Bedingungen des Sozialismus.“ Die Elemente der zukünftigen Gesellschaft seien gleichsam zersplittert zwischen verschiedenen Ländern. „Sie zu sammeln und zueinander in ein richtiges Verhältnis zu bringen, ist Aufgabe einer Reihe von nationalen Umwälzungen, die sich summieren zur Weltrevolution.“

Den Gedanken an einen selbstgenügsamen Charakter der Sowjetwirtschaft hat Lenin im voraus verspottet! „Solange unser Sowjetrußland eine vereinzelte Grenzmark der gesamten kapitalistischen Welt bleibt“, sagte er im Dezember 1920 auf dem VIII. Sowjetkongreß, „wäre der Gedanke an unsere völlige ökonomische Unabhängigkeit ... eine ganz lächerliche Phantasterei und Utopie.“ Am 27. März 1922 warnte Lenin auf dem XI. Parteitag: uns steht bevor „ein Examen, das uns durch den russischen und den internationalen Markt auferlegt wird, von dem wir abhängen, mit dem wir verbunden sind, von dem wir uni nicht losreißen können; dieses Examen ist ernst, denn hier kann man uns sowohl ökonomisch wie politisch schlagen“.

Den Gedanken an die Abhängigkeit der Sowjetwirtschaft von der Weltwirtschaft hält die Kommunistische Internationale heute für „konterrevolutionär“: der Sozialismus könne nicht vom Kapitalismus abhängen! Die Epigonen waren so weise, zu vergessen, daß Kapitalismus wie Sozialismus sich auf internationale Arbeitsteilung stützen, die gerade im Sozialismus die höchste Blüte erreichen muß. Der wirtschaftliche Aufbau in einem isolierten Arbeiterstaate, so wichtig er an und für sich ist, wird beschnitten, beengt und widerspruchsvoll bleiben: die Höhen einer neuen harmonischen Gesellschaft kann er nicht erreichen.

„Der wahre Aufstieg der sozialistischen Wirtschaft in Rußland“, schrieb Trotzki im Jahre 1922, „wird erst möglich werden nach dem Siege des Proletariats in den wichtigsten Ländern Europas.“ Diese Worte sind in den Anklageakt eingegangen; indessen hatten sie ihrerzeit einen allgemeinen Gedanken der Partei ausgedrückt. „Die Sache des Aufbaus“, sagt Lenin im Jahre 1919; „hängt völlig davon ab, wie schnell die Revolution in den wichtigsten Ländern Europas siegen wird. Erst nach diesem Siege können wir ernstlich an die Sache des Aufbaus herangehen.“ Diese Worte drückten nicht Unglauben an die russische Revolution aus, sondern Glauben an die Nähe der Weltrevolution. Aber auch jetzt, nach den größten wirtschaftlichen Erfolgen der Union, bleibt es richtig, daß der „wahre Aufstieg der sozialistischen Wirtschaft“ nur auf internationaler Basis möglich ist.

Unter dem gleichen Gesichtswinkel betrachtete die Partei auch das Problem der Kollektivisierung der Landwirtschaft. Das Proletariat kann die neue Gesellschaft nicht aufbauen, ohne durch eine Reihe von Übergangsstufen die Bauernschaft zum Sozialismus zu bringen, die einen bedeutenden, in einer Reihe von Ländern den überwiegenden Bevölkerungsteil und eine offenkundige Mehrheit auf dem ganzen Erdball darstellt. Die Lösung dieses schwierigsten aller Probleme hängt letzten Endes von den quantitativen und qualitativen Wechselbeziehungen zwischen Industrie und Landwirtschaft ab: die Bauernschaft wird um so williger und erfolgreicher den Weg der Kollektivisierung beschreiten, je freigebiger die Stadt imstande sein wird, die Ökonomik und Kultur der Bauern zu befruchten.

Gibt es aber eine für die Umgestaltung des Dorfes hinreichende Industrie? Lenin hat auch diese Aufgabe über die nationalen Grenzen hinausgeführt. „Betrachtet man die Frage im Weltmaßstabe“, sagte er auf dem IX. Sowjetkongreß, „ – eine solche blühende Großindustrie, die die Welt mit allen Produkten versorgen kann, gibt es auf der Erde ... Wir legen das unseren Berechnungen zugrunde.“ Das Verhältnis zwischen Industrie und Landwirtschaft, in Rußland unvergleichlich ungünstiger als in den Westländern, bleibt bis auf den heutigen Tag die Grundlage der ökonomischen und politischen Krisen, die in gewissen Momenten die Stabilität des Sowjetsystems bedrohen.

Die Politik des sogenannten „Kriegskommunismus“ beabsichtigte, wie aus dem Gesagten klar hervorgeht, keinesfalls den Aufbau der sozialistischen Gesellschaft in nationalen Grenzen: nur die Menschewiki, höhnend über die Sowjetmacht, schrieben ihr solche Absichten zu. Für die Bolschewiki stand das weitere Schicksal des spartanischen Regimes, aufgezwungen durch Wirtschaftszerfall und Bürgerkrieg, in direkter Abhängigkeit von der Entwicklung der Revolution im Westen. Im Januar 1919, auf der Höhe des Kriegskommunismus, sagte Lenin: „Wir werden die Grundlagen unserer kommunistischen Ernährungspolitik schützen und sie bis zu der Zeit unerschüttert erhalten, wo die Ära des vollen und internationalen Sieges des Kommunismus kommen wird.“ Zusammen mit der ganzen Partei irrte Lenin. Man war gezwungen, die Ernährungspolitik zu ändern. Es darf jetzt als feststehend gelten, daß, sogar wenn die sozialistische Umwälzung in Europa in den ersten zwei, drei Jahren nach dem Oktober gekommen wäre, der Rückzug auf den Weg der Nep („Neuen ökonomischen Politik“) dennoch unvermeidlich gewesen sein würde. Doch bei der rückblickenden Einschätzung der ersten Etappe der Diktatur wird es besonders klar, bis zu welchem Grade sich die Methoden des Kriegskommunismus und seine Illusionen mit der Perspektive der permanenten Revolution eng verflochten.

Die tiefe innere Krise am Ausgang der drei Bürgerkriegsjahre bedeutete die Bedrohung mit einem direkten Bruch zwischen Proletariat und Bauernschaft, zwischen Partei und Proletariat. Es wurde eine radikale Revision der Methoden der Sowjetmacht notwendig. „... Wir müssen ökonomisch die mittlere Bauernschaft befriedigen und zur Freiheit des Warenverkehrs greifen“, setzte Lenin auseinander, „andernfalls ist die Erhaltung der Macht des Proletariats in Rußland bei Verzögerung der internationalen Revolution unmöglich ...“ War aber vielleicht der Übergang zur Nep von dem prinzipiellen Bruch mit der Verknüpfung zwischen inneren und internationalen Problemen begleitet?

Eine Gesamteinschätzung der beginnenden Etappe gab Lenin in seinen Thesen zum III. Kongreß der Kommunistischen Internationale: „... Vom Standpunkte der proletarischen Weltrevolution als eines Gesamtprozesses besteht die Bedeutung der Epoche, die Rußland jetzt durchmacht, darin, daß das Proletariat, das die Staatsmacht in seinen Händen hält, seine Politik in bezug auf die kleinbürgerliche Masse praktisch anwendet und überprüft.“ Schon die Kennzeichnung des Rahmens der Nep verwirft radikal das Problem des Sozialismus in einem Lande.

Nicht weniger lehrreich sind jene Zeilen, die Lenin in den Tagen der Beratung und Ausarbeitung der neuen Wirtschaftsmethoden für sich aufnotierte: „Zehn – zwanzig Jahre richtiger Beziehungen zur Bauernschaft, und der Sieg im Weltmaßstabe ist gesichert (sogar bei Verzögerung der proletarischen Revolutionen, die heranwachsen).“ Das Ziel ist gestellt: sich den neuen längeren Fristen anpassen, die nötig werden können für das Heranreifen der Revolution im Westen. In diesem und nur in diesem Sinne sprach Lenin die Überzeugung aus, daß „aus dem Rußland der Nep ein sozialistisches Rußland werden wird“.

Es ist noch zuwenig, wenn man sagt, die Idee der internationalen Revolution wurde nicht revidiert; in gewissem Sinne erhält sie jetzt tieferen und klareren Ausdruck. „In Ländern des entwickelten Kapitalismus“, sagt Lenin auf dem X. Parteitag, den historischen Platz der Nep erläuternd, „gibt es eine im Laufe von Jahrzehnten herausgebildete Klasse der landwirtschaftlichen Lohnarbeiter ... Wo diese Klasse genügend entwickelt ist, ist der Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus möglich. Wir unterstrichen in einer Reihe von Werken, in allen unseren Reden, in der gesamten Presse, daß es sich in Rußland nicht so verhält, daß wir in Rußland vielmehr eine Minderheit von Arbeitern in der Industrie und eine gewaltige Mehrheit kleiner Bodenbesitzer haben. Die soziale Revolution kann in einem solchen Lande nur unter zwei Bedingungen von endgültigem Erfolg sein: Erstens, daß sie rechtzeitig durch die soziale Revolution in einem oder mehreren fortgeschrittenen Ländern unterstützt wird ... Die zweite Bedingung – ist das Einvernehmen zwischen dem Proletariat, das die Staatsmacht in seiner Hand hält, und der Mehrheit der Bauernbevölkerung ... Nur die Einigkeit mit der Bauernschaft kann die sozialistische Revolution in Rußland retten, solange die Revolution in den anderen Ländern nicht gekommen ist.“ Alle Elemente des Problems sind in eins verknüpft. Das Bündnis mit der Bauernschaft kt notwendig für das Bestehen der Sowjetmacht, aber es ersetzt die internationale Revolution nicht, die allein die ökonomische Basis der sozialistischen Gesellschaft schaffen kann.

Auf dem gleichen X. Kongreß gibt es, diktiert durch die Verzögerung der Revolution im Westen, noch ein besonderes Referat: „Die Sowjetrepublik in kapitalistischer Umzingelung“. Als Referent des Zentralkomitees spricht Kamenjew. „Niemals haben wir uns zur Aufgabe gestellt“, sagt er wie etwas für alle Unbestreitbares, „die kommunistische Gesellschaftsordnung in einem isolierten Lande aufzubauen. Doch wurden wir in die Lage versetzt, daß wir das Fundament der kommunistischen Gesellschaftsordnung, das Fundament des sozialistischen Staates, die proletarische Sowjetrepublik, von allen Seiten umgeben von kapitalistischen Beziehungen, unbedingt halten müssen. Werden wir diese Aufgabe lösen? Ich glaube, das ist eine scholastische Frage. Auf eine solche Fragestellung kann man keine Antwort geben. Die Frage steht so: Wie ist die Sowjetmacht unter den gegebenen Verhältnissen zu halten, und zwar zu halten bis zu dem Moment, wo das Proletariat des einen oder anderen Landes uns zu Hilfe kommt?“ Wenn die Ideen des Referenten, der seinen Konspekt zweifellos mehr als einmal mit Lenin in Übereinstimmung gebracht hat, im Widerspruch zur Tradition des Bolschewismus standen, wie konnte dann der Parteitag nicht protestieren? Wieso fand sich kein einziger Delegierter, der darauf hinwies, daß Kamenjew in der Kernfrage der Revolution Ansichten entwickelt, die mit den Ansichten des Bolschewismus „nichts gemein“ haben? Wie konnte in der ganzen Partei niemand diese Ketzerei entdecken?

„Nach Lenin“, behauptet Stalin, „schöpft die Revolution ihre Kräfte vor allem bei den Arbeitern und Bauern Rußlands. Bei Trotzki aber ergibt sich, daß man die notwendigen Kräfte nur in der Arena der proletarischen Weltrevolution schöpfen kann.“ Auf diese Gegenüberstellung, wie auf vieles andere, hatte Lenin im voraus geantwortet: „Wir haben für keine Minute vergessen und vergessen auch jetzt nicht“, sagte er am 14. Mai 1918 in einer Sitzung des Zentral-Exekutivkomitees, „die Schwäche der russischen Arbeiterklasse im Vergleich zu den anderen Abteilungen des internationalen Proletariats ... Aber wir müssen auf diesem Posten ausharren, bis unser Verbündeter, das internationale Proletariat, erscheint.“ Am dritten Jahrestag der Oktoberumwälzung bekräftigte Lenin: „Unser Einsatz war ein Einsatz auf die internationale Revolution, und dieser Einsatz war unbedingt richtig ... Wir haben stets betont, daß man in einem Lande eine solche Sache wie die sozialistische Revolution nicht vollbringen kann ...“ Im Februar 1921 erklärte Lenin auf einem Arbeiterkongreß der Bekleidungsindustrie: „Wir haben immer und immer wieder die Arbeiter darauf hingewiesen, daß die grundlegendste, wichtigste Aufgabe und die Kernbedingung unseres Sieges die Ausdehnung der Revolution auf mindestens einige fortgeschrittenere Länder ist.“ Nein, Lenin ist durch sein beharrliches Bestreben, Kräfte in der Weltrevolution zu „schöpfen“, zu stark kompromittiert: man kann ihn nicht reinwaschen!

In ähnlicher Weise, wie man Trotzki Lenin gegenüberstellt, wird Lenin Marx gegenübergestellt und mit gleichem Recht. Daß Marx vermutet hat, die proletarische Revolution werde in Frankreich beginnen, aber nur und unbedingt in England abschließen, läßt sich nach Stalin damit erklären, daß Marx das Gesetz der ungleichmäßigen Entwicklung noch nicht kannte. In Wirklichkeit ist Marxens Prognose, die ein Land der revolutionären Initiative einem Lande der sozialistischen Vollendung gegenüberstellt, völlig auf dem Gesetz der ungleichmäßigen Entwicklung aufgebaut. Jedenfalls hat Lenin, dem die Art, in großen Fragen etwas zu verschweigen, ganz fremd war, nie und nirgends eine von Marx und Engels abweichende Meinung bezüglich des internationalen Charakters der Revolution geäußert. Ganz im Gegenteil! Wenn „die Sache anders gekommen ist, als es Marx und Engels erwartet haben“, sagte Lenin auf dem III. Sowjetkongreß, „so nur in Hinsicht der historischen Aufeinanderfolge“ der Länder: das russische Proletariat erhielt durch den Gang der Dinge „die ehrenvolle Rolle der Avantgarde der internationalen sozialistischen Revolution, und wir sehen jetzt klar, wie die Entwicklung der Revolution weitergehen wird: der Russe hat begonnen – der Deutsche, der Franzose, der Engländer werden die Sache zu Ende führen, und der Sozialismus wird siegen ...“

Ferner lauert auf uns ein Argument des Staatsprestiges: die Verneinung der Theorie vom nationalen Sozialismus „führt“, nach Stalins Worten, „zur Entthronung unseres Landes“. Allein schon diese für ein marxistisches Ohr unerträgliche Phraseologie verrät die ganze Tiefe des Bruches mit der bolschewistischen Tradition. Nicht „Entthronung“ fürchtete Lenin, sondern nationale Prahlerei. „Wir sind“, lehrte er im April 1918 in einer Sitzung des Moskauer Sowjets, „eine der revolutionären Abteilungen der Arbeiterklasse, die vorgerückt ist, nicht weil wir besser sind als die anderen ..., sondern nur und ausschließlich darum, weil wir eins der rückständigsten Länder der Welt waren ... Wir werden zum vollen Siege nur gemeinsam mit den Arbeitern der übrigen Länder, mit den Arbeitern der ganzen Welt kommen.“

Der Appell an die nüchterne Selbsteinschätzung wird zum Leitmotiv der Leninschen Reden. „Die russische Revolution“, sagt er am 4. Juni 1918, „... ist keinesfalls durch ein besonderes Verdienst des russischen Proletariats, sondern ... durch den Gang ... der historischen Ereignisse hervorgerufen, und dieses Proletariat ist durch den Willen der Geschichte vorübergehend an den ersten Platz gestellt und für eine gewisse Zeit zur Avantgarde der Weltrevolution gemacht.“ – „Die erste Rolle des russischen Proletariats in der internationalen Arbeiterbewegung“, sagt Lenin auf einer Konferenz der Fabrikkomitees am 23. Juli 1918, „wird nicht durch die wirtschaftliche Fortgeschrittenheit des Landes erklärt; ganz im Gegenteil: durch die Rückständigkeit Rußlands ... Das russische Proletariat ist sich dessen klar bewußt, daß die notwendige Bedingung sind die Grundvoraussetzung seines Sieges das vereinte Auftreten der Arbeiter der ganzen Welt oder einiger in kapitalistischer Hinsicht fortgeschrittener Länder ist.“ Die Oktoberumwälzung ist natürlich nicht nur allein durch die Rückständigkeit Rußlands hervorgerufen worden, und Lenin wußte das sehr wohl. Aber er überbiegt den Stock absichtlich, um ihn geradezurichten.

Auf der Tagung der Volkswirtschaftsräte, das heißt jener speziell für den Aufbau des Sozialismus berufenen Organe, sagt Lenin am 26. Mai 1918: „Wir schließen die Augen nicht davor, daß wir die sozialistische Revolution in einem Lande, auch wenn es viel weniger rückständig wäre als Rußland mit den eigenen Kräften nicht vollständig durchführen können.“ Auch hier den späteren Stimmen der bürokratischen Heuchelei zuvorkommend, setzt der Redner auseinander: „Das kann nicht einen Tropfen Pessimismus erzeugen, denn die Aufgabe, die wir uns stellen, ist eine Aufgabe von welthistorischer Schwierigkeit.“

Auf dem VI. Sowjetkongreß, am 8. November, sagt er: „Ein voller Sieg der sozialistischen Revolution ist undenkbar in einem Lande, sondern erfordert aktivste Kampfgenossenschaft mindestens einiger fortgeschrittener Länder, zu denen wir Rußland nicht zählen können ...“ Lenin verweigert Rußland nicht nur das Recht auf seinen eigenen Sozialismus, sondern weist ihm demonstrativ einen zweitrangigen Platz an beim Aufbau des Sozialismus durch andere Länder. Welch verbrecherische „Entthronung unseres Landes“!

Im März 1919, auf dem Parteitag, weist Lenin die Übermütigen zurecht: „Wir besitzen eine praktische Erfahrung über die Verwirklichung der ersten Schritte zur Vernichtung des Kapitalismus in einem Lande mit einem besonderen Verhältnis zwischen Proletariat und Bauernschaft. Mehr nicht. Wenn wir aus uns einen Frosch machen wollten, keuchen und uns aufblähen, wir würden das Gespött der ganzen Welt sein, wir würden einfach Prahler sein.“ Kann das jemand kränken? „Hat denn“, ruft Lenin am 19. Mai 1921 aus, „jemals ein Bolschewik bestritten, daß die Revolution in endgültiger Form nur dann siegen kann, wenn sie alle oder wenigstens einige der fortgeschrittensten Länder erfaßt!“ Im November 1920, auf der Moskauer Gouvernements-Konferenz der Partei, erinnert er wieder daran, daß die Bolschewiki weder versprochen noch davon geträumt haben, „mit Rußlands Kräften allein die ganze Welt zu verändern ... Zu einem solchen Wahnsinn haben wir uns niemals verstiegen, sondern immer gesagt, daß unsere Revolution Siegen wird, wenn die Arbeiter aller Länder sie unterstützen werden.“

„Wir haben“, schreibt er Anfang 1922, „nicht einmal das Fundament der sozialistischen Ökonomik zu Ende geführt. Das können die uns feindlichen Kräfte des sterbenden Kapitalismus noch zurückholen. Man muß sich dessen klar bewußt werden und es offen gestehen, denn nichts ist gefährlicher als Illusionen und Kopfschwindel, besonders in großer Höhe. Und es ist nichts „Schreckliches“, nichts, was berechtigten Anlaß zum geringsten Kleinmut gibt, im Geständnis dieser bitteren Wahrheit; denn wir haben stets anerkannt und jene ABC-Wahrheit des Marxismus wiederholt, daß für den Sieg des Sozialismus die gemeinsamen Anstrengungen der Arbeiter einiger fortgeschrittener Länder erforderlich sind.“

Nach etwas über zwei Jahren wird Stalin vom Marxismus die Preisgabe dieser Kernfrage verlangen. Der Grund? Marx sei in Unkenntnis gewesen hinsichtlich der Ungleichmäßigkeit der Entwicklung, das heißt, des elementarsten Gesetzes der Dialektik der Natur wie der Gesellschaft. Aber was soll man mit Lenin anfangen, der nach Stalin angeblich als erster an der Erfahrung des Imperialismus das Gesetz der Ungleichmäßigkeit „entdeckte“ und trotzdem an der „ABC-Wahrheit des Marxismus“ festhielt! Vergeblich würden wir eine Erklärung suchen.

„Der Trotzkismus ging und geht“, nach dem Schuldspruch der Kommunistischen Internationale, „davon aus, daß unsere Revolution an sich [!] im Kern der Sache keine sozialistische bedeutet, daß die Oktoberrevolution nur Signal, Vorstoß und Ausgangspunkt der sozialistischen Revolution im Westen ist“ Die nationale Entartung wird hier in reinste Scholastik gehüllt. Die Oktoberrevolution „an sich“ existiert überhaupt nicht. Sie wäre unmöglich gewesen ohne die ganze vorangegangene Geschichte Europas, und sie wäre hoffnungslos ohne Fortsetzung in Europa und in der ganzen Welt ... „Die russische Revolution ist nur ein Glied in der Kette der internationalen Revolution“ (Lenin). Ihre Stärke liegt gerade darin, worin die Epigonen ihre „Entthronung“ erblicken. Eben darum und nur darum, weil sie kein selbstgenügsames Ganzes, sondern „Signal“, „Vorstoß“, „Ausgangspunkt“, „Glied“ ist, gewinnt sie sozialistischen Charakter.

„Gewiß ist der endgültige Sieg des Sozialismus in einem Lande nicht möglich“, sagte Lenin auf dem III. Sowjetkongreß im Januar 1918, dafür aber ist ein anderes möglich: „das lebendige Beispiel, das Schreiten zur Tat in einem Lande – das ist es, was die werktätigen Massen in allen Ländern entflammt.“ Im Juli in der Sitzung des Zentral-Exekutivkomitees: „Unsere Aufgabe ist jetzt ... diese Fackel des Sozialismus ... nicht aus den Händen zu lassen, damit sie möglichst viel Funken ausstreut für den um sich greifenden Brand der sozialen Revolution.“ Einen Monat später, auf einem Arbeitermeeting „Die Revolution (die europäische) wächst heran ... Und wir müssen die Sowjetmacht halten bis zu ihrem Beginn, unsere Fehler müssen dem Westproletariat als Lehre dienen.“ Noch einige Tage später, auf dem Kongreß der Volksbildungsarbeiter: „Die russische Revolution ist nur ein Beispiel, nur der erste Schritt in der Reihe der Revolutionen.“ Im März 1919, auf dem Parteitag: „Die russische Revolution war im wesentlichen eine Generalprobe ... der proletarischen Weltrevolution.“ Nicht Revolution „an sich“, sondern Fackel, Lehre, nur Beispiel, nur erster Schritt, nur Glied! Kein fertiges Schauspiel, sondern nur Generalprobe! Welch beharrliche und grausame „Entthronung“!

Aber Lenin bleibt auch dabei nicht stehen. „Träte der Fall ein“, sagte er am 8. November 1918, „daß wir plötzlich hinweggefegt würden ... wir hätten das Recht zu sagen, ohne die Fehler zu verheimlichen, daß wir jenen Zeitabschnitt, den uns das Schicksal gewährte, im vollen Maße für die sozialistische Weltrevolution ausgenutzt haben.“ Wie fern ist das nach Denkmethode und politischer Psychologie von der prahlerischen Selbstzufriedenheit der Epigonen, die sich ewiger Nabel der Erde dünken.

Das Trügerische in der Kernfrage führt, ist das politische Interesse gezwungen, sich daran zu klammern, zu unzähligen sich daraus ergebenden Fehlern und gestaltet allmählich das ganze Denken um. „... Unsere Partei hat nicht das Recht, die Arbeiterklasse zu betrügen“, sagte Stalin im Plenum des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale im Jahre 1926, „sie hätte die Pflicht, offen zu sagen, daß die fehlende Überzeugung von der Möglichkeit des Aufbaues des Sozialismus in unserem Lande zum Rücktritt von der Macht und zum Übergang unserer Partei aus der Lage einer Regierungs- in die Lage einer Oppositionspartei führen muß ...“ Die Kommunistische Internationale kanonisierte diese Ansicht in ihrer Resolution: „Die Verneinung dieser Möglichkeit (der sozialistischen Gesellschaft in einem Lande) seitens der Opposition ist nichts anderes als die Verneinung der Voraussetzungen für die sozialistische Revolution in Rußland.“ „Voraussetzungen“ bedeutet hier nicht Gesamtzustand der Weltwirtschaft, nicht innere Widersprüche des Imperialismus, nicht das Klassenverhältnis in Rußland, sondern eine im voraus geleistete Garantie für die Durchführbarkeit des Sozialismus in einem Lande!

Auf den von den Epigonen 1926 aufgestellten teleologischen Einwand kann man mit den gleichen Erwägungen antworten, wie wir im Frühling 1905 den Menschewiki antworteten. „Stellt die objektive Entwicklung des Klassenkampfes in einem gewissen Moment der Revolution vor das Proletariat die Alternative: Rechte und Pflichten der Staatsmacht auf sich zu nehmen oder seine Klassenposition aufzugeben, dann betrachtet die Sozialdemokratie die Eroberung der Staatsmacht als ihre nächste Aufgabe. Sie ignoriert dabei nicht im geringsten die objektiven Entwicklungsprozesse tieferer Art, die Wachstums- und Konzentrationsprozesse der Produktion, aber sie sagt: Wenn die Logik des Klassenkampfes, der sich letzten Endes auf den Gang der ökonomischen Entwicklung stützt, das Proletariat zur Diktatur stößt, bevor die Bourgeoisie ihre ökonomische Mission erschöpft hat ..., dann bedeutet das nur, daß die Geschichte dem Proletariat gewaltig schwere Aufgaben aufbürdet. Vielleicht wird das Proletariat im Kampfe sogar zusammenbrechen, unter ihrer Last hinsinken – vielleicht. Aber es kann auf diese Aufgaben nicht verzichten bei Strafe der Klassenzersetzung und des Versinkens des ganzen Landes in Barbarei.“ Dem könnten wir auch jetzt nichts hinzufügen.

„... Ein nicht gutzumachender Fehler“, schrieb Lenin im Mai 1918, „wäre es, zu erklären, daß, wenn man das Mißverhältnis zwischen unseren ökonomischen und unseren politischen Kräften eingestehe, man dann „folglich“ die Macht nicht annehmen dürfe ... So urteilen „Menschen im Futteral“, die nicht daran denken, daß ein „richtiges Verhältnis“ niemals bestehen wird, daß es ein solches weder in der Naturentwicklung noch in der Gesellschaftsentwicklung geben kann, daß nur durch eine Reihe von Versuchen – von denen jeder, einzeln genommen, einseitig sein, unter einem gewissen Mißverhältnis leiden wird – in revolutionärer Bundesgenossenschaft der Proletarier aller Länder ein unversehrter Sozialismus entstehen kann.“ Die Schwierigkeiten der internationalen Revolution werden überwunden nicht durch passive Anpassung, nicht durch Verzicht auf die Macht, nicht durch nationales Warten auf den allgemeinen Aufstand, sondern durch die lebendige Tat, die Überwindung der Widersprüche, durch den dynamischen Kampf und die Verbreitung seines Radius’.

Nimmt man die historische Philosophie der Epigonen ernst, dann hätten die Bolschewiki am Vorabend des Oktobers im voraus wissen müssen: sowohl daß man sich gegen eine Unzahl von Feinden werde halten können, wie daß man vom Kriegskommunismus zur Nep übergehen und im Notfalle seinen eigenen nationalen Sozialismus aufbauen werde; kurz, ehe sie daran gingen, die Macht zu übernehmen, hätten sie eine genaue Bilanz ziehen und das Aktiv-Saldo berechnen müssen. Was indes in Wirklichkeit geschah, ähnelte sehr wenig dieser frommen Karikatur.

Im Bericht auf dem Parteitag im März 1919 sagte Lenin: „Wir mußten uns stets tastend vorwärtsbewegen. Diese Tatsache ist am augenfälligsten, wenn wir versuchen, das Durchlebte mit einem Blick zu erfassen. Doch hat uns das sogar am 10. Oktober 1917 nicht im geringsten schwankend gemacht, als die Frage der Machtergreifung zur Entscheidung stand. Wir zweifelten nicht, daß wir gezwungen sein würden, nach dem Ausdruck des Genossen Trotzki, zu experimentieren – einen Versuch zu machen. Wir unternahmen eine Sache, wie sie in solchem Maßstabe noch keiner unternommen hat.“ Und weiter: „Wer hätte jemals eine der größten Revolutionen machen und im voraus wissen können, wie sie zu Ende führen? Woher ist ein solches Wissen zu holen? Man kann es aus Büchern nicht schöpfen. Solche Bücher gibt es nicht. Nur aus der Erfahrung der Massen konnte unser Entschluß geboren werden.“

Eine Garantie, daß man in Rußland eine sozialistische Gesellschaft aufbauen kann, haben die Bolschewiki nicht gesucht, sie hatten sie nicht nötig, mit ihr war nichts anzufangen, sie widersprach allem, was sie in der Schule des Marxismus gelernt hatten. „Die Taktik der Bolschewiki“, schrieb Lenin gegen Kautsky, „war die einzig internationalistische Taktik, denn sie beruhte nicht auf ängstlicher Furcht vor der Weltrevolution, nicht auf spießbürgerlichem Unglauben an sie ...“ Die Bolschewiki „setzten das Maximum des in einem Lande zu Verwirklichenden durch zwecks Entwicklung, Unterstützung und Erweckung der Revolution in allen Ländern“. Bei dieser Taktik war es unmöglich, im voraus eine unfehlbare Marschroute zu entwerfen, und noch weniger konnte man sieh seines nationalen Sieges versichern. Aber die Bolschewiki wußten: Gefahr ist ein Element der Revolution wie des Krieges. Mit offenen Augen gingen sie den Gefahren entgegen.

Während er dem Weltproletariat vorwurfsvoll als Beispiel anführte, wie kühn die Bourgeoisie im Namen eigener Interessen Kriege riskiert, brandmarkte Lenin voller Haß jene Sozialisten, die „Angst haben, den Kampf zu beginnen, bevor nicht der leichte Sieg „garantiert“ ist ... Eine dreifache Verachtung verdienen jene Knoten des internationalen Sozialismus, jene Lakaien der bürgerlichen Moral, die so denken“. Bekanntlich machte sich Lenin nicht viel Mühe bei der Wahl der Ausdrücke, wenn Empörung ihm die Kehle würgte.

„Und was tun“, forscht Stalin, „wenn es der internationalen Revolution beschieden ist, mit Verspätung einzutreffen? Gibt es irgendeinen Ausblick für unsere Revolution? Trotzki läßt keinen Ausblick.“ Die Epigonen fordern für das russische Proletariat historische Privilegien: es muß fertige Geleise haben, um sich ununterbrochen zum Sozialismus zu bewegen, unabhängig davon, was mit der übrigen Menschheit geschieht. Leider hat die Geschichte solche Geleise nicht vorbereitet. „Im welthistorischen Maßstabe gesehen“, sagte Lenin auf dem VII. Parteitag, „unterliegt es keinem Zweifel, daß der Endsieg unserer Revolution, bliebe sie vereinsamt ... hoffnungslos wäre.“

Aber auch in diesem Fall wäre sie nicht unfruchtbar gewesen. „Sogar wenn die bolschewistische Macht morgen von den Imperialisten gestürzt werden sollte“, sagte Lenin im Mai 1919 auf dem Pädagogenkongreß, „wir würden nicht eine Sekunde bereuen, sie ergriffen zu haben. Und nicht ein einziger fortgeschrittener Arbeiter ... wird es bereuen, wird daran zweifeln, daß unsere Revolution nichtsdestoweniger gesiegt hat.“ Denn Lenin sieht den Sieg nur in der internationalen Kontinuität der Entwicklung und des Kampfes. „Die neue Gesellschaft ... ist eine Abstraktion, die nicht anders Leben erhalten kann als durch eine Reihe mannigfaltiger, unvollkommener, konkreter Versuche, den einen oder den anderen sozialistischen Staat zu schaffen.“ Die deutliche Scheidung und im gewissen Sinne Gegenüberstellung von „sozialistischem Staat“ und „neuer Gesellschaft“ gibt den Schlüssel zu zahlreichen Mißbräuchen, die die Epigonenliteratur mit den Leninschen Texten treibt.

Mit äußerster Einfachheit setzte Lenin am Schluß des fünften Jahres der Machteroberung den Sinn der bolschewistischen Strategie auseinander. „Als wir seinerzeit die internationale Revolution begannen, taten wir das nicht aus der Überzeugung heraus, daß wir ihrer Entwicklung zuvorkommen könnten, sondern weil eine ganze Reihe von Umständen uns bewog, diese Revolution zu beginnen. Wir dachten: entweder wird uns die internationale Revolution zu Hilfe kommen, dann sind unsere Siege vollauf gesichert, oder aber wir werden unsere bescheidene revolutionäre Arbeit weiter tun im Bewußtsein, daß wir, im Falle einer Niederlage, trotzdem der Sache der Revolution dienen und daß unsere Erfahrung den anderen Revolutionen nützlich sein wird. Es war uns klar, ohne Unterstützung seitens der internationalen, der Weltrevolution, ist ein Sieg der proletarischen Revolution unmöglich. Schon vor der Revolution und auch später haben wir gedacht: gleich oder doch wenigstens sehr bald wird die Revolution in den übrigen kapitalistisch entwickelteren Ländern beginnen, andernfalls sind wir verloren. Trotz dieser Einsicht taten wir alles, um unter allen Umständen und um jeden Preis das Sowjetsystem zu halten, da wir wußten, daß wir nicht nur für uns allein arbeiten, sondern auch für die internationale Revolution. Wir wußten das, wir haben diese Überzeugung wiederholt ausgesprochen, vor der Oktoberrevolution wie auch unmittelbar nach ihr, wie auch in der Zeit des Brest-Litowsker Friedensabschlusses, Und das war, allgemein gesprochen, richtig.“ Die Fristen hatten sieh verschoben, die Konturen der Ereignisse sich in vielem ungeahnt gestaltet, doch die Grundorientierung war unverändert geblieben.

Was läßt sich diesen Worten hinzufügen? „Wir begannen ... die internationale Revolution.“ Tritt die Umwälzung im Westen nicht „gleich oder wenigstens sehr bald ein“, dachten die Bolschewiki, „sind wir verloren“. Aber auch in diesem Falle wird die Machteroberung gerechtfertigt sein: aus der Erfahrung der Zugrundegegangenen werden andere lernen. „Wir arbeiten nicht nur für uns, sondern auch für die internationale Revolution.“ Diese vom Internationalismus völlig durchdrungenen Ideen setzte Lenin auf einem Kongreß der Kommunistischen Internationale auseinander. Widersprach ihm jemand? Erwähnte jemand die Möglichkeit einer nationalen sozialistischen Gesellschaft? Keiner und nicht mit einem Wort!

Fünf Jahre später, im VII. Plenum des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale, entwickelte Stalin Betrachtungen gerade entgegengesetzten Charakters. Sie sind uns bereits bekannt: bestehe keine „Überzeugung von der Möglichkeit des Aufbaus des Sozialismus in einem Lande“, dann müsse die Partei übergehen „von der Lage einer Regierungs- in die Lage einer Oppositionspartei ...“ Man müsse sich vorerst des Erfolges versichern, bevor man die Macht nimmt; diese Versicherung sei nur in den nationalen Bedingungen zu suchen erlaubt; man müsse von der Möglichkeit des Aufbaus des Sozialismus im bäuerlichen Rußland überzeugt sein; dafür aber könne man ohne die Überzeugung von dem Sieg des Weltproletariats auskommen. Jedes dieser logischen Glieder schlägt der Tradition des Bolschewismus ins Gesicht!

Zur Verschleierung des Bruches mit der Vergangenheit versuchte die Stalinsche Schule einige Leninsche Zeilen auszunutzen, die ihr am wenigsten unpassend schienen. Ein Artikel von 1915 über die Vereinigten Staaten von Europa enthält nebenbei die Bemerkung, die Arbeiterklasse müsse in jedem Lande die Macht erobern und zum sozialistischen Aufbau schreiten, ohne auf die anderen Länder zu warten. Verbirgt sich hinter diesen unbestreitbaren Zeilen der Gedanke an eine nationale sozialistische Gesellschaft, wie konnte ihn Lenin im Laufe der folgenden Jahre so gründlich vergessen und ihm auf Schritt und Tritt so beharrlich widersprechen? Doch man braucht nicht zu indirekten Argumenten zu greifen, wenn es direkte gibt. Die von Lenin im gleichen Jahre, 1915, ausgearbeiteten Programmthesen beantworten die Frage präzis und unmittelbar: „Aufgabe des russischen Proletariats ist – die bürgerlich-demokratische Revolution in Rußland zu Ende zu führen, um die sozialistische Revolution in Europa zu entfachen. Diese zweite Aufgabe hat sich jetzt der ersten außerordentlich genähert, aber sie bleibt doch eine besondere zweite Aufgabe, denn es handelt sich um verschiedene Klassen, die mit dem russischen Proletariat gemeinsam kämpfen: für die erste Aufgabe ist sein Kampfgenosse – die kleinbürgerliche Bauernschaft Rußlands, für die zweite – das Proletariat der anderen Länder.“ Größere Klarheit kann man nicht verlangen.

Die zweite Berufung auf Lenin ist nicht begründeter. Ein unvollendeter Artikel von ihm über die Genossenschaften sagt, in der Sowjetrepublik sei „alles Notwendige und Ausreichende“ vorhanden, um ohne neue Revolutionen den Übergang zum Sozialismus zu vollziehen: die Rede ist, wie aus dem Text ganz klar hervorgeht, von politischen und rechtlichen Voraussetzungen. Der Autor unterläßt es nicht, an die mangelnden industriellen und kulturellen Voraussetzungen zu erinnern. Diesen Gedanken hatte Lenin überhaupt mehr als einmal wiederholt. „Uns ... fehlt es“, schrieb er in einem anderen Artikel der gleichen Zeit, Anfang 1923, „an Zivilisation, um unmittelbar zum Sozialismus überzugehen, obwohl wir die politischen Voraussetzungen dafür besitzen.“ In diesem wie in allen anderen Fällen ging Lenin davon aus, daß neben dem russischen Proletariat und als dessen Avantgarde das Proletariat des Westens zum Sozialismus marschieren wird. Der Artikel über die Genossenschaften enthält auch nicht die geringste Anspielung darauf, daß die Sowjetrepublik auf reformistische und harmonische Weise ihren eigenen nationalen Sozialismus schaffen kann, anstatt im Prozeß der antagonistischen und revolutionären Entwicklung sich in die sozialistische Weltgesellschaft einzugliedern. Beide Zitate, sogar in den Programmtext der Kommunistischen Internationale eingegangen, sind längst in unserer Kritik des Programms erläutert worden, wobei die Gegner es kein einziges Mal versuchten, ihre Sinnentstellungen und Irrtümer zu verteidigen. Allerdings wäre ein solcher Versuch auch hoffnungslos gewesen.

Im März 1923, das heißt gerade in der letzten Periode seiner schöpferischen Arbeit, schrieb Lenin: „Wir stehen ... im gegenwärtigen Augenblick vor der Frage: Wird es uns bei unserer bäuerlichen Klein- und Kleinstproduktion, bei unserem Wirtschaftsruin gelingen, uns so lange zu halten, bis die westeuropäischen kapitalistischen Länder ihre Entwicklung zum Sozialismus vollbracht haben werden?“ Wir sehen wiederum: verschoben sind die Fristen, verändert ist das Gewebe der Ereignisse, aber unerschütterlich bleibt die internationale Grundlage der Politik. Der Glaube an die internationale Revolution – nach Stalin: der „Unglaube“ an die inneren Kräfte der russischen Revolution – hat den großen Internationalisten bis zum Grabe begleitet. Erst nachdem sie Lenin durch ein Mausoleum erdrückt hatten, erhielten die Epigonen die Möglichkeit, seine Ansichten zu nationalisieren.

 

 

Aus der internationalen Arbeitsteilung, aus der Ungleichmäßigkeit der Entwicklung der verschiedenen Länder, aus deren ökonomischen Wechselbeziehungen, aus der Ungleichmäßigkeit der verschiedenen Teile der Kultur in den einzelnen Ländern, aus der Dynamik der modernen Produktivkräfte ergibt sich, daß die Errichtung der sozialistischen Gesellschaftsordnung nur möglich ist nach einem System der ökonomischen Spirale durch Verteilung innerer Mißverhältnisse eines einzelnen Landes auf eine ganze Ländergruppe, durch gegenseitige Hilfeleistung verschiedener Länder und gegenseitige Ergänzung der verschiedenen Zweige ihrer Wirtschaft und Kultur, das heißt letzten Endes nur möglich ist in der Weltarena.

Das alte, im Jahre 1903 angenommene Parteiprogramm beginnt mit den Worten: „Die Entwicklung des Warenaustausches hat eine so enge Verbindung zwischen den Völkern der zivilisierten Welt hergestellt, daß die große Befreiungsbewegung des Proletariats international werden mußte und längst geworden ist ...“ Die Vorbereitung des Proletariats für die bevorstehende soziale Revolution wird als Aufgabe der „internationalen Sozialdemokratie“ bezeichnet. Jedoch, „auf dem Wege zum gemeinsamen Endziel ... sind die Sozialdemokraten der verschiedenen Länder gezwungen, sich ungleichartige nächste Aufgaben zu stellen“. In Rußland ist eine solche Aufgabe der Sturz des Zarismus. Die demokratische Revolution wird im voraus als nationale Stufe zur internationalen sozialistischen Revolution betrachtet.

Die gleiche Konzeption bildet die Grundlage des neuen, schon nach der Machtergreifung durch die Partei angenommenen Programms. Bei der vorangegangenen Beratung des Programmentwurfs auf dem VII. Parteitag brachte Miljutin eine redaktionelle Verbesserung zu Lenins Resolution ein: „Ich schlage vor“, sagte er, „die Worte „internationale sozialistische Revolution“ dort einzufügen, wo „von der begonnenen Ära der sozialen Revolution“ gesprochen wird ... Ich glaube, die Begründung dafür erübrigt sich ... Unsere soziale Revolution kann nur siegen als internationale Revolution. Sie kann nicht in Rußland siegen, während in den es einkreisenden Ländern das bürgerliche Regime bestehen bleibt ... Ich schlage vor, zur Vermeidung von Mißverständnissen dieses einzufügen.“ Der Vorsitzende Swerdlow: „Genosse Lenin akzeptiert diese Verbesserung, so daß sich eine Abstimmung erübrigt.“ Die kleine Episode der parlamentarischen Technik („Die Begründung erübrigt sich“, und „eine Abstimmung erübrigt sich“!) stößt die falsche Historiographie der Epigonen vielleicht überzeugender um als die sorgfältigste Forschung Die Tatsache, daß Miljutin, wie auch der oben zitierte Skworzow-Stepanow, wie Hunderte und Tausende anderer ihre eigenen Ansichten bald als „Trotzkismus“ verurteilen werden, ändert nichts an der Natur der Dinge. Große historische Ströme sind stärker ab die menschlichen Rückgrate. Die Flut erhebt, und die Ebbe spült ganze politische Generationen hinweg. Andererseits besitzen Ideen die Fähigkeit, weiterzuleben auch nach dem physischen oder geistigen Tode ihrer Träger.

Ein Jahr später, auf dem VIII. Parteitag, der das neue Programm bestätigte, wurde die gleiche Frage im Austausch scharfer Repliken zwischen Lenin und Podbelski erneut beleuchtet. Der Moskauer Delegierte hatte dagegen protestiert, daß trotz der Oktoberumwälzung von der sozialen Revolution noch immer in Zukunftsform gesprochen wird. „Podbelski beanstandete“, sagt Lenin, „daß in einem der Paragraphen von der bevorstehenden sozialen Revolution gesprochen wird ... Dieses Argument ist offensichtlich unstichhaltig, denn in unserem Programm ist die Rede von der sozialen Revolution im Weltmaßstabe.“ Wahrhaftig, die Parteigeschichte ließ den Epigonen nicht eine einzige unbeleuchtete Deckung!

In dem 1921 angenommenen Programm des Komsomol (Jugendverband) ist die gleiche Frage in besonders populärer und einfacher Form dargelegt. „Rußland besitzt zwar ungeheure Naturreichtümer“, lautet einer der Paragraphen, „ist aber in industrieller Hinsicht ein rückständiges Land, in dem die kleinbürgerliche Bevölkerung überwiegt. Es kann zum Sozialismus kommen nur durch die proletarische Weltrevolution, deren Entwicklungsepoche wir beschritten haben.“ Dieses seinerzeit vom Politischen Büro (Politbüro) unter Beteiligung nicht nur von Lenin und Trotzki, sondern auch von Stalin angenommene Programm behielt seine volle Kraft noch bis zum Herbst 1926, wo das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale die Nichtanerkennung des Sozialismus in einem Lande einer Todsünde gleichstellte.

In den folgenden zwei Jahren sehen sich jedoch die Epigonen gezwungen, die Programmdokumente der Leninschen Epoche ins Archiv zu tun. Dem aus Stückchen zusammengekleisterten neuen Dokument gaben sie den Namen Programm der Kommunistischen Internationale, War bei Lenin im „russischen“ Programm die Rede von der internationalen Revolution, ist bei den Epigonen im internationalen Programm die Rede vom „russischen“ Sozialismus.

Wann und wie offenbarte sich zum erstenmal der Bruch mit der Vergangenheit? Das historische Datum ist um so leichter zu bezeichnen, als es mit dem Markstein in Stalins Biographie zusammenfällt. Noch im April 1924, drei Monate nach Lenins Tod, legte Stalin bescheiden die traditionellen Ansichten der Partei dar. „... Die Macht der Bourgeoisie stürzen und die Macht des Proletariats in einem Lande errichten“, schrieb er in seinen Problemen des Leninismus, „heißt noch nicht den vollen Sieg des Sozialismus sichern. Die Hauptaufgabe des Sozialismus – Organisierung der sozialistischen Produktion – steht noch bevor. Kann man diese Aufgabe lösen, kann man den endgültigen Sieg des Sozialismus in einem Lande erreichen ohne gemeinsame Anstrengungen der Proletarier einiger fortgeschrittener Länder? Nein, das ist nicht möglich. Zum Sturze der Bourgeoisie genügen die Anstrengungen eines Landes – das sagt uns die Geschichte unserer Revolution. Für den endgültigen Sieg des Sozialismus, für die Organisierung der sozialistischen Produktion sind die Anstrengungen eines Landes, besonders eines so bäuerlichen Landes wie Rußland, schon ungenügend – dazu sind die Anstrengungen der Proletarier einiger fortgeschrittener Länder nötig ...“ Die Darlegung dieser Gedanken schließt Stalin mit den Worten: „Das sind im allgemeinen die charakteristischen Züge der Leninschen Theorie der proletarischen Revolution.“

Gegen Herbst desselben Jahres ergab sich plötzlich, unter dem Einfluß des Kampfes gegen den Trotzkismus, daß gerade Rußland, zum Unterschiede von den anderen Ländern, mit eigenen Kräften die sozialistische Gesellschaft aufbauen kann, wenn es durch eine Intervention von außen nicht gestört wird ... „Nachdem es seine Macht gesichert hat und die Bauernschaft hinter sieh führt“, schrieb Stalin in der neuen Auflage der gleichen Arbeit, „kann und muß das Proletariat des siegreichen Landes die sozialistische Gesellschaft aufbauen.“ Kann und muß! Nur zu dem Zwecke, um „das Land gegen eine Intervention zu sichern ... ist der Sieg der Revolution notwendig wenigstens in einigen Ländern“. Die Proklamierung dieser neuen Konzeption, die dem Weltproletariat die Rolle einer Grenzwache zuweist, schließt mit den gleichen Worten: „... Das sind im allgemeinen die charakteristischen Züge der Leninschen Theorie der proletarischen Revolution.“ Im Verlaufe eines Jahres unterschiebt Stalin Lenin zwei direkt entgegengesetzte Ansichten über die Kernfrage des Sozialismus.

Im Plenum des Zentralkomitees 1927 sagte Trotzki bezüglich der zwei entgegengesetzten Ansichten von Stalin: „Man kann sagen Stalin hat geirrt und sich dann korrigiert. Aber wie konnte er derart irren und in einer solchen Frage? Wenn es richtig ist, daß Lenin schon im Jahre 1915 die Theorie vom Aufbau des Sozialismus in einem Lande aufgestellt hat (was in der Wurzel falsch ist); wenn es richtig ist, daß Lenin später diesen Standpunkt nur bekräftigt und entwickelt hat (was in der Wurzel falsch ist), wie konnte dann, fragt es sich, Stalin in einer so wichtigen Frage bei Lenins Lebzeiten und in Lenins letzter Lebensperiode sich jene Ansicht aneignen, die im Stalinschen Zitat vom Jahre 1924 ihren Ausdruck fand? Es ergibt sich, daß Stalin in dieser Kernfrage einfach stets Trotzkist war und erst nach dem Jahre 1924 aufhörte, es zu sein ... Es wäre nicht übel, wenn Stalin bei sich auch nur ein Zitat finden würde, welches beweist, daß er auch vor 1924 vom Aufbau des Sozialismus in einem Lande gesprochen hat. Er wird es nicht finden!“ Auf diese Herausforderung erfolgte keine Antwort.

Man darf jedoch die tatsächliche Tiefe der Wendung, die Stalin vollzog, nicht übertreiben. Wie in den Fragen des Krieges und der Stellung zur Provisorischen Regierung oder in der nationalen Frage, so hatte Stalin auch in der Frage über die allgemeinen Perspektiven der Revolution zwei Positionen: eine selbständige, organische, nicht immer ausgesprochene oder jedenfalls nicht eindeutig ausgesprochene, und eine andere – konventionelle, phraseologische, bei Lenin entlehnte. Insofern es sich um Menschen einer gleichen Partei handelt, kann man sich keine tiefere Kluft vorstellen als die, die Stalin von Lenin trennt, sowohl in Kernfragen der revolutionären Konzeption wie auch in der politischen Psychologie. Stalins opportunistische Natur wird dadurch maskiert, daß er sich auf eine siegreiche proletarische Revolution stützt. Doch sahen wir Stalins selbständige Position im März 1917: im Rücken die schon vollzogene bürgerliche Revolution, stellte er als Aufgabe der Partei hin „Bremsung der Absplitterung“ der Bourgeoisie, das heißt, er widersetzte sich faktisch der proletarischen Revolution. Daß sie geschah, ist nicht seine Schuld. Zusammen mit der gesamten Bürokratie stellte sich Stalin auf den Boden der Tatsache. Gibt es die Diktatur des Proletariats, dann muß es auch Sozialismus geben. Indem er die Argumente der Menschewiki gegen die proletarische Revolution in Rußland nach der Kehrseite wendete, begann Stalin, sich durch die Theorie des Sozialismus in einem Lande gegen die internationale Revolution abzugrenzen. Und da er prinzipielle Fragen niemals bis zu Ende durchdachte, so mußte es ihm scheinen, er habe „eigentlich“ stets so gedacht wie im Herbst 1924. Und da er darüber hinaus sich niemals in Gegensatz zu der herrschenden Parteistimmung gestellt hatte, so mußte es ihm scheinen, die Partei habe „eigentlich“ ebenso gedacht wie er.

Ursprünglich hatte die Unterstellung unbewußten Charakter. Es ging nicht um Fälschung, sondern um ideologische Mauserung. Aber in dem Maße, wie die Doktrin des nationalen Sozialismus auf eine gut ausgerüstete Kritik stieß, wurde eine organisierte, hauptsächlich chirurgische Eimischung des Apparates notwendig. Die Theorie des nationalen Sozialismus wurde dekretiert. Man begann, sie mit der Methode vom Entgegengesetzten zu beweisen: durch Verhaftungen jener, die sie nicht teilten. Gleichzeitig begann eine Ära der systematischen Umarbeitung der Parteivergangenheit. Die Parteigeschichte verwandelte sich in ein Palimpsest. Die Zerstörung der Pergamente geht bis auf den heutigen Tag, und zwar mit immer wachsender Raserei.

Von entscheidender Bedeutung waren immerhin nicht die Repressalien und Fälschungen. Der Triumph der neuen Ansichten, die der Lage und den Interessen der Bürokratie entsprechen, stützte sich auf objektive – vorübergehende, aber sehr mächtige – Umstände. Die Möglichkeiten, die sich vor der Sowjetrepublik innen- wie außenpolitisch eröffneten, erwiesen sich viel größer, als es jemand vor der Umwälzung hätte glauben können. Der isolierte Arbeiterstaat blieb nicht nur inmitten einer Unzahl von Feinden bestehen, sondern stieg auch ökonomisch. Diese schwerwiegenden Tatsachen formten die gesellschaftliche Meinung der jungen Generation, die noch nicht gelernt hat, historisch zu denken, das heißt, Vergleiche zu ziehen und vorauszusehen.

Die europäische Bourgeoisie hatte sich am letzten Krieg zu stark verbrannt, um sich leicht zu einem neuen zu entschließen. Die Angst vor revolutionären Folgen paralysierte bis jetzt die Pläne einer kriegerischen Einmischung. Doch ist der Angstfaktor kein dauerhafter Faktor. Eine drohende Revolution hat noch niemals die Revolution selbst ersetzt. Eine Gefahr, die sich lange nicht realisiert, verliert ihre Wirkung. Gleichzeitig strebt der unversöhnliche Gegensatz zwischen dem Arbeiterstaat und der Welt des Imperialismus nach außen durchzubrechen. Die Ereignisse der jüngsten Zeit sind derart beredt, daß die Hoffnungen auf eine „Neutralisierung“ der Weltbourgeoisie bis zur Vollendung des sozialistischen Aufbaus heute von der regierenden Fraktion aufgegeben sind; im gewissen Sinne haben sie sich sogar in ihren Gegensatz verwandelt.

Die während der Friedensjahre erreichten industriellen Erfolge bilden für alle Zeiten einen erkämpften Beweis für die unvergleichlichen Vorteile der Planwirtschaft. Diese Tatsache steht in keinem Widerspruch zum internationalen Charakter der Revolution: der Sozialismus könnte sich auch in der Weltarena nicht verwirklichen, wenn seine Elemente und Stützpunkte in den einzelnen Ländern nicht vorbereitet sind. Es ist kein Zufall, daß gerade die Gegner der Theorie des nationalen Sozialismus die Verfechter der Industrialisierung, des Planprinzips, des Fünfjahrplanes und der Kollektivisierung waren. Den Kampf um eine kühne Wirtschaftsinitiative bezahlt Rakowski und mit ihm Tausende anderer Bolschewiki mit Jahren Verbannung und Gefängnis. Aber andererseits waren sie es auch, die sich als erste wider die Überschätzung der erreichten Resultate und wider die nationale Selbstzufriedenheit wandten. Dagegen haben sich die mißtrauischen und kurzsichtigen „Praktiker“, die anfangs geglaubt hatten, das Proletariat des rückständigen Rußland werde außerstande sein, die Macht zu erobern, und die nach der Machteroberung die Möglichkeit einer weitgehenden Industrialisierung und Kollektivisierung bestritten, sich dann auf den entgegengesetzten Standpunkt gestellt die ihren eigenen Erwartungen zuwider errungenen Erfolge multiplizierten sie einfach mit einer Reihe von Fünfjahrplänen und ersetzten die historische Perspektive durch das Einmaleins – das eben ist die Theorie des Sozialismus in einem Lande.

In Wirklichkeit bleibt das Wachsen der heutigen Sowjetwirtschaft ein antagonistischer Prozeß. Indem sie den Arbeiterstaat festigen, führen die ökonomischen Erfolge keinesfalls automatisch zur Schaffung einer harmonischen Gesellschaft. Im Gegenteil, sie bereiten auf einer höheren Grundlage die Zuspitzung der Widersprüche des isolierten sozialistischen Aufbaus vor. Das russische Dorf bedarf nach wie vor eines wirtschaftlichen Gesamtplanes mit der europäischen Stadt. Die internationale Arbeitsteilung steht über der Diktatur des Proletariats in einem Lande und schreibt ihr gebieterisch die weiteren Wege vor. Die Oktoberumwälzung hat Rußland von der Entwicklung der übrigen Menschheit nicht ausgeschlossen, im Gegenteil, sie hat es mit ihr noch enger verbunden Rußland ist nicht mehr das Getto der Barbarei, aber auch noch nicht das Arkadien des Sozialismus. Es ist das hervorragendste Übergangsland in unserer Übergangsepoche. „Die russische Revolution ist nur ein Glied in der Kette der internationalen Revolution.“ Der heutige Stand der Weltwirtschaft erlaubt es, ohne Bedenken zu sagen: der Kapitalismus ist viel näher an die proletarische Revolution herangegangen als die Sowjetunion an den Sozialismus. Das Schicksal des ersten Arbeiterstaates ist untrennbar verbunden mit dem Schicksal der Befreiungsbewegung im Westen und im Osten. Doch dieses große Thema erfordert eine selbständige Untersuchung. Wir hoffen, zu ihm zurückzukehren.

 


Zuletzt aktualisiert am 15.10.2003