Leo Trotzki

 

Verteidigung des Marxismus

 

Brief an Joseph Hansen

 

18. Januar 1940

Lieber Joe!

Mein Artikel gegen Shachtman ist bereits geschrieben. Ich brauche noch zwei Tage, um ihn auszuteilen und ich will versuchen, einige Deiner Anmerkungen zu gebrauchen.

Aber ich möchte hier über eine andere wichtigere Frage sprechen. Einige Oppositionsführer bereiten eine Spaltung vor. Dadurch werden sie in Zukunft die Opposition als verfolgte Minderheit darstellen. Das ist sehr bezeichnend für ihren Geisteszustand. Ich glaube, wir müssen ihnen etwa so antworten:

„Sie fürchten sich schon vor künftigen Unterdrückungsmaßnahmen? Wir schlagen Ihnen gegenseitige Garantien für die künftige Minderheit vor, unabhängig davon, wer diese Minderheit ist, Sie oder Wir. Diese Garantien könnten in vier Punkten formuliert werden: (1) kein Fraktionsverbot, (2) keine anderen Beschränkungen für Fraktionstätigkeit als die, die durch die Notwendigkeit des gemeinsamen Handelns auferlegt werden, (3) die offiziellen Publikationen müssen selbstverständlich die vom neuen Parteitag aufgestellte Linie vertreten, (4) die zukünftige Minderheit kann, wenn sie will, ein internes Bulletin haben, das für Parteimitglieder bestimmt ist, oder ein Diskussionsbulletin zusammen mit der Mehrheit.“

Die Weiterführung eines Diskussionsbulletins sofort nach einer langen Diskussion und nach einem Parteitag ist selbstverständlich nicht die Regel, sondern eine Ausnahme, eine ziemlich bedauerliche Ausnahme. Aber wir sind durchaus keine Bürokraten. Wir haben keine unveränderlichen Regeln. Wir sind auch auf organisatorischem Gebiet Dialektiker. Wenn wir eine bedeutende Minderheit in der Partei haben, die mit den Entscheidungen des Parteitages unzufrieden ist, ist es unvergleichlich wünschenswerter, die Diskussion nach dem Pateitag zu legalisieren, als sich zu spalten.

Wir können, wenn notwendig, sogar noch weiter gehen und ihnen vorschlagen, unter der Kontrolle des neuen Nationalkomitees besondere Diskussionsbeiträge nicht nur für Parteimitglieder zu veröffentlichen, sondern für die breite Öffentlichkeit. Wir sollten in dieser Hinsicht so weit wie möglieh gehen, um ihre zumindest voreiligen Klagen zu entwaffnen und sie an der Spaltung zu hindern.

Ich für meinen Teil bin der Ansicht, daß die Auswertung der Diskussion, wenn sie durch den guten Willen beider Seiten eingedämmt wird, unter den gegenwärtigen Umständen nur der Erziehung der Partei dienen kann.

Ich bin der Meinung, die Mehrheit sollte diese Vorschläge schriftlich und offiziell im Nationalkomitee einbringen. Was sie auch antworten, die Partei kann nur gewinnen.

Mit besten Grüßen,
Cornell (Leo Trotzki)

Coyoacan, D.F.

 


Zuletzt aktualisiert am 22.7.2008