Protokoll des Gründungsparteitages der Kommunistischen Partei Deutschlands

 

Zweiter Verhandlungstag
Dienstag, den 31. Dezember 1918
Nachmittagssitzung
Teil 2

Vorsitzender: Dann kommen wir zu den Anträgen. Der eine Antrag, der vom Genossen Fränkel (Königsberg) gestellt ist, verlangt, daß spätestens in drei Monaten ein neuer Parteitag zusammenberufen werden sollte, daß die Programmkommission sich auch mit der Schul- und Hochschulreform und mit der Agrarfrage beschäftigen sollte. Außerdem ein Antrag desselben Antragstellers, der sich für das Selbstbestimmungsrecht der Jugend und das Recht der Selbstverwaltung ins Zeug legt. Ich glaube, daß sich irgendein Widerspruch gegen die Tendenz dieser Anträge nicht erhebt, und es wird zweckmäßig sein, wenn wir diese Anträge, die als Material für die Kommission gedacht sind, der Kommission überweisen. (Zwischenruf: „Auch über die Dreimonatsfrist?“)

Der Zeitpunkt von drei Monaten ist ja etwas lang gesteckt, und wenn es möglich ist, daß die Kommission früher mit ihren Arbeiten zu Ende ist, wird sie auch früher die Genossen zusammenberufen müssen, weil wir natürlich gerade jetzt ein Programm notwendiger brauchen als das liebe Brot.

Nun kommen wir zu dem Antrage des Genossen Leviné (Berlin[-Neukölln]) und andrer, die eine besondere Agrarkommission beantragen. Genossen, ich bin der Auffassung, daß die Kommission, die hier vorgeschlagen ist, die 25 Mitglieder stark ist, wohl in der Lage wäre, Unterkommissionen zu bilden, die im speziellen dann diese Aufgabe zu erledigen hätten. Ich weiß nicht, ob es zweckmäßig ist, eine besondere Kommission mit dieser Aufgabe zu betrauen.

[Genosse] Kahlert [Berlin]: Ich schlage vor, der Fünfundzwanziger-Kommission das Recht der Kooptation zu geben.

[Genosse] Jacob [Berlin]: Ich bin der Meinung, die Agrarfrage ist eine ganz bedeutende Frage, eine Lebens- und Kardinalfrage für unsre ganze Agitation und Organisation („Sehr richtig!“), und ich möchte wünschen, daß eine besondere Kommission dafür gebildet wird, und zwar zusammengesetzt aus Mitgliedern, die die ländlichen Verhältnisse kennen. („Sehr richtig!“)

Genosse Pieck: Ich möchte gegen die letztere Ausführung nur sagen, daß dieser Vorschlag vollständig erledigt ist durch den Antrag Kahlert, daß der Kommission das Recht der Kooptation gegeben wird. Die Kommission kann sich die Kräfte besser auswählen, als die Gesamtkörperschaft hier das tun kann. Ich möchte Sie also bitten, den Antrag Kahlert anzunehmen, daß man dieser Kommission das Recht gibt, daß sie sich geeignete Fachwissenschaftler kooptieren kann.

[Genosse] Leviné [Neukölln]: Eine Reihe von Genossen, die unterschrieben haben, können sich, glaube ich, mit dem Antrage einverstanden erklären, daß diese Kommission das Recht der Kooptation haben soll. Es wäre dann nur wünschenswert, daß die Mitglieder der Kommission sich sofort orientierten, wer von den anwesenden Delegierten aus den ländlichen Kreisen und speziell Agrarkreisen ist, damit man ihn dann durch Kooptation berufen kann.

Vorsitzender: Also die Antragsteller sind mit der vorgeschlagenen Regelung einverstanden? – Damit ist diese Frage gegenstandslos.

[Genosse] Liebknecht (zur Geschäftsordnung): Ich möchte die Genossen, die mit den ländlichen Verhältnissen besonders vertraut sind und besondere Wünsche in dieser Beziehung für das Programm haben, dringend bitten, den Inhalt von Anträgen, auch wenn Sie sie noch nicht formuliert haben, in wenigen Zeilen, so kurz wie möglich, im Telegrammstil vorzulesen und der Kommission zu überweisen. Das ist von allergrößtem Werte. Sonst werden wir vielleicht das Material, das hierzu vorliegt, verlieren, wenn der Kongreß auseinandergeht.

Vorsitzender: Wir kommen nun zu der Kandidatenliste, die Ihnen vorgeschlagen ist. Da möchte ich bemerken, daß auf der Liste nur 24 Namen enthalten sind, nicht 25. Es ist von einigen Genossen vorgeschlagen worden, den Genossen Leviné als Fünfundzwanzigsten mit auf die Liste zu nehmen.

[Genosse] Dannat [Bremen]: Genossen, die alte IKD ist aufgegangen in die gemeinsame Partei der Kommunisten Deutschlands; damit dieses auch in intensivster Weise geschieht, damit die Verschmelzung auch derart chemisch vorgeht, daß irgendwelche Gegensätze nicht weiterbestehen, wie sie früher vielleicht bestanden haben – Gegensätze programmatischer Art bestanden an sich eigentlich nicht, es waren meist Gegensätze organisatorischer Art –, würden wir Ihnen vorschlagen, die Kommission aus folgenden Genossen zusammenzusetzen: Krüger (Berlin) ..., Schmidt (Hannover). [20] Genossen, ich bitte Euch, im gemeinsamen Interesse der Stärkung unserer neuen Kommunistischen Partei Deutschlands diesem Vorschlage zuzustimmen.

Weiter! Wir sind der Meinung, daß die neue Situation, die die Verschmelzung gebracht hat, es wohl erforderlich macht, wenn dieser jetzige Parteitag – so dürfen wir die Konferenz nennen –, unter Berücksichtigung dieser neuen Verhältnisse, die Zentrale auch neu wählt. Es könnte ja gesagt werden, warten wir bis zum nächsten Parteitag. Aber jeder kommende Tag kann uns vor neue Aufgaben stellen, wo irgendwelche Reibungen nicht vorhanden sein dürfen. Es muß auch eine innere Verschmelzung stattfinden, und deshalb erlauben wir uns, Euch folgenden Vorschlag zu machen: erstens, die Zentrale heute neu zu wählen, zweitens, folgende Personen zu wählen: Luxemburg ... Sturm. [21] Dann wäre die Zentrale aus 9 Personen zusammengesetzt.

Außerdem, Genossen, hat die alte, IKD einen Organisationsvorschlag ausgearbeitet, den wir wohl nicht zu verlesen brauchen. Wir werden ihn der neuen Kommission als Material übergeben. [22]

Vorsitzender: Es steht jetzt nicht die Wahl der Zentrale zur Besprechung, sondern nur die Wahl der Kommission.

[Genosse] Pieck: Genossen, ich mache Sie darauf aufmerksam, daß diese Liste, die hier verteilt worden ist, Vertreter der verschiedensten Landesteile Deutschlands enthält. Ich mache Sie ferner darauf aufmerksam, daß beim übertritt der Kommunisten vereinbart war, daß sie einen Vertreter in dieser Kommission erhalten. (Widerspruch.)

Es ist mir so vom Genossen Leo [Jogiches] mitgeteilt worden, daß eine solche Vereinbarung getroffen ist. Entsprechend dieser Vereinbarung ist der Vorschlag gemacht worden. Ich bitte Sie nun: da die [Internationalen] Kommunisten selber erklären, daß grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten zwischen den ehemaligen Spartakusleuten und den ehemaligen Internationalen Kommunisten nicht bestehen, daß Sie diese Vorschläge, wie sie gemacht sind, annehmen. Wir würden uns dann das schwerfällige Stimmzettelverfahren ersparen und die Zeit, die uns noch zur Verfügung steht, benutzen können, um die übrigen Punkte der Tagesordnung zu erledigen. Ich glaube, auch die Internationalen Kommunisten können sich mit der Besetzung, wie sie vorgeschlagen ist, einverstanden erklären, so daß grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten nicht bestehen.

[Genosse] Meyer [Zentrale]: Genossen und Genossinnen, dem Genossen Pieck ist ein Irrtum unterlaufen. Die Verabredung mit den ehemaligen Internationalen Kommunisten ging dahin, daß auf Vorschlag von der Zentrale eine Erweiterung der Zentrale stattfindet, indem mindestens ein Vertreter der ehemaligen Internationalen Kommunisten in diese Zentrale hineingenommen wird. Das war ein Vorschlag, den Ihnen die Zentrale hier vortragen sollte. Die Frage, wie die Zentrale erweitert wird, nach welchen Gesichtspunkten, steht jetzt nicht zur Debatte. Ich bitte Sie daher, diesen Punkt ausschalten zu wollen.

Zum Punkte „Organisation“ steht zur Debatte zunächst nur der Vorschlag der Bildung einer Programm- und Organisationskommission. Wenn Genossen andere Namen vorschlagen und die Vorschlagsliste erweitern wollen, so ist das ihr gutes Recht. Ich bitte aber die Genossen, das nicht damit zu begründen, daß früher eine andere Organisation bestanden hätte, die jetzt hier vertreten sein müßte. Das ist eine rein organisatorische Frage und hat hiermit nichts zu tun. Wenn Sie die Verschmelzung so innig machen wollen, wie Sie wünschen, dann erwähnen Sie nicht fortgesetzt Genossen, die einer nicht mehr bestehenden Organisation angehören. Wenn Sie wünschen, daß noch fünf Genossen hineinkommen, dann machen Sie Vorschläge; das hat aber mit den Internationalen Kommunisten nichts zu tun.

[Genosse] Widmann (Frankfurt [a.M.]): Ich weiß nicht, nach welchen Grundsätzen die Liste zusammengesetzt ist. Unser Bezirk soll zu Erfurt geschlagen werden, davon weiß aber kein Mensch etwas. Auch das Verhältnis zu Mannheim ist ganz unklar. Wir hätten nun den Wunsch, daß wir bald darüber Klarheit erhalten und daß auch die Vertreter der einzelnen Bezirke genügend berücksichtigt werden.

[Genosse] Eberlein [Zentrale]: Parteigenossen, ich glaube, eine Diskussion darüber ist doch völlig überflüssig (Widerspruch), wenn die Genossen aus den einzelnen Bezirken, die sich benachteiligt fühlen, einzelne Vorschläge machen, aus welchen Bezirken noch Delegierte hinzukommen sollen. Die Aufstellung ist so vorgenommen, daß ganz Deutschland in neun Bezirke gegliedert ist, aus denen ein Delegierter gewählt wird: Es ist in diesem Moment nicht möglich, daß man die Landkarte so genau gliedert, um alle Wünsche berücksichtigen zu können.

Wir kämen weiter besser zu Rande, wenn wir die Wahlen dieser Vorschlagsliste bis zum nächsten Punkt der Tagesordnung verschieben, da es ja gleichzeitig ein Programm- und Organisationspunkt ist. Bei der Diskussion über die Organisationsfragen wird man sich sowieso mit diesen Dingen beschäftigen.

Ein Redner: Genossen, ich bin der Meinung, daß wir die Wahlen sofort vornehmen müssen. Beim nächsten Punkt würde die Frage doch nicht geklärt werden können.

Vorsitzender: Gegen den Vorschlag des Genossen Eberlein ist Widerspruch erhoben worden. Wir kommen zur Abstimmung.

Wer für den Vorschlag des Genossen Eberlein ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.

(Geschieht.)

Der Antrag ist abgelehnt. Wir fahren also in der Diskussion fort.

[Genosse] Globig [Jugend]: Die Konferenzleitung hat mich als Vertreter der Jugend vorgeschlagen. Ich werde die Wahl annehmen, aber unter Vorbehalt. Es muß die gesamte Jugend dazu Stellung nehmen, weil wir uns nicht in direkter Verbindung mit dem Spartakusbund oder der Kommunistischen Partei befinden.

[Genosse] Frölich (Hamburg): Irgendwelche Vereinbarungen über die Zusammensetzung dieser Kommission sind bei den Einigungsverhandlungen nicht gemacht worden. Es ist deshalb auch nicht gesagt worden, daß ein Vertreter der [Internationalen] Kommunisten in diese Kommission hinein soll. Es sind nur gewisse allgemeine Erklärungen über die Wahl der Zentrale, die nicht fixiert worden sind, als Übergangsbedingungen abgegeben worden. Die kommen aber hier nicht in Betracht. Ich halte überhaupt das Verfahren, das hier eingeschlagen worden ist, daß die Zentrale uns einen Vorschlag macht, ja für sehr einfach, aber doch nicht für recht taktvoll. Man hätte es doch den Delegierten überlassen sollen, die Genossen zu bestimmen, die in die Kommission kommen sollen. Zweitens halte ich es nicht für richtig, daß die ganze Zentrale in die Kommission hineinkommt, da dann die Zentrale unter Umständen die ganze Kommission majorisieren kann. Ich bitte deshalb, die Sache so zu machen, daß die Zentrale beauftragt wird, sagen wir, fünf Genossen in die Kommission zu entsenden, die dann Sitz und Stimme in der Kommission haben. Dann könnte die Zentrale die Leute auswählen, die für die zur Verhandlung stehenden Fragen am geeignetsten sind. Dann kommen wir am besten zu Rande, und dann ist von einer Majorisierung durch die Zentrale nicht mehr die Rede.

[Genosse] Tetens [Wilhelmshaven]: Gestern sind wir zum Zusammenschluß der linksradikalen Gruppen gekommen. Das will sehr viel heißen. Wir ziehen nicht mehr an verschiedenen Strängen, sondern gehen einig zusammen. Meiner Ansicht nach steht aber dieser Zusammenschluß bis jetzt nur auf dem Papier. Mir scheint, als ob hier gewissermaßen Parteibürokratie getrieben wird. Als ich heute die Liste durchlas, sagte ich mir, daß tüchtige Köpfe daran gearbeitet haben. Ich fordere, daß wir tüchtige Genossen hineinwählen und auch die [Internationalen] Kommunisten nicht vor den Kopf stoßen. Da sind auch tüchtige Köpfe vorhanden, über die man nicht hinweggehen soll. Deshalb muß die Liste vollkommen neu aufgestellt werden. Es darf nicht sein, daß man die alten drauf stehen läßt und die neuen beiseite schiebt.

Vorsitzender: Aus der Tatsache, daß hier neue Vorschläge gemacht worden sind, ergibt sich, daß wir eine Wahl vornehmen müssen. Sämtliche Mitglieder der Kommission müssen durch Stimmzettel gewählt werden. Ich sehe nicht ein, was eine weitere Diskussion noch nutzen könnte. Die weitere Erörterung könnte sich nur noch um einzelne Personen drehen.

[Genosse] Becker (Dresden): Genossen und Genossinnen, die Vorschläge auf Abänderung der Vorschlagsliste sind aus der Auffassung entstanden, daß es taktlos ist, daß die alte Zentrale des Spartakusbundes in die neue Kommission hineingeht. Wir sind der Meinung, daß einige der Genossen aus der Zentrale gestrichen werden müssen. Es sind außerdem neue Vorschläge gemacht worden, die ich bei der Abstimmung zu berücksichtigen bitte.

[Genosse] Meyer [Zentrale]: Genossen und Genossinnen, diese Liste enthält nur Vorschläge und nicht bereits gewählte Personen, wie offenbar mißverstanden ist. Daß es das Recht der Zentrale ist, Ihnen Vorschläge zu machen, wird keiner bestreiten können. Die Liste steht jetzt zur Diskussion, und Sie sind aufgefordert worden, weitere Namen zu nennen. Gegen eine weitere Nennung von Namen hat niemand von uns etwas eingewendet, nur habe ich gegen die Auffassung gesprochen, daß in diese Kommission bestimmte Genossen hineinkommen müßten, weil sie früher einer andern Organisation angehört haben. Das ist eine Begründung, die nach der Verschmelzung nicht mehr stichhaltig ist. Ich wiederhole, es hat sich niemand von der Zentrale dagegen gewendet, daß die Liste erweitert wird oder Namen gestrichen werden.

Im Namen der Zentrale habe ich zu erklären, daß wir damit einverstanden sind, daß nur 5 von uns in die Kommission hineinkommen und 20 Mitglieder aus Ihrer Mitte gewählt werden.

[Genosse] Walk [23] (zur Geschäftsordnung): Ist es nicht gleichgültig, ob die Kommission aus 25 oder 30 Mitgliedern zusammengesetzt ist? Nehmen wir zu den 25 Mitgliedern noch fünf Mitglieder hinzu, dann werden alle zufrieden sein.

[Genosse] Rieger [Berlin] (zur Geschäftsordnung): Ich möchte vorschlagen, daß über die ersten 14 Namen zuerst mal abgestimmt wird. Dann sind wir uns zunächst darüber mal einig.

[Genosse] Hirsch [Cuxhaven] (zur Geschäftsordnung): Wenn eventuell bei dem nächsten Punkt „Organisation“ eine Erweiterung der Zentrale vorgenommen werden soll, dann würde sich diese Frage dadurch erledigen.

Vorsitzender: Dadurch, daß Sie dem Antrag des Genossen Frölich zugestimmt haben, daß die Zentrale nur 5 Mitglieder in die Kommission entsenden darf, entfällt doch die andere Streitfrage. Es würden doch dadurch sofort 5 Mandate frei, und wir haben nicht darüber zu entscheiden, welche Mitglieder die Zentrale in die Kommission entsendet. Das liegt allein bei der Zentrale.

Wenn andere Vorschläge nicht gemacht werden, ist die Sachlage ganz einfach. Es werden einfach 25 Leute gewählt, und die Genossen, die hier vorgeschlagen sind, würden durch die andern Vorschläge ergänzt.

[Genosse] Leviné (Neukölln): Genossen, über den Antrag Frölich ist ja noch nicht abgestimmt worden. Das wäre notwendig, um über die Frage Klarheit zu gewinnen, ob die Zentrale mit bestimmt-ernannten Mitgliedern oder nur mit einer bestimmten Zahl von Mitgliedern vertreten sein soll.

Vorsitzender: Ich halte die Anregung für zweckmäßig und schlage vor, zunächst über den Antrag Frölich abzustimmen, der also der Zentrale das Recht gibt, fünf Mitglieder in die Kommission zu entsenden. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.

(Geschieht.)

Ich danke; die Gegenprobe.

(Geschieht.)

Das erstere ist die große Mehrheit. Dann wäre also jetzt beschlossen, daß die Zentrale nur 5 Mitglieder in die Kommission entsenden darf. Dadurch ist die Sachlage wesentlich vereinfacht. 6 Mitglieder der Zentrale scheiden also aus der Vorschlagsliste aus. Ich werde sämtliche Genossen, die auf der Vorschlagsliste stehen, verlesen. – Werden noch weitere Vorschläge gemacht?

Ein Delegierter: Ich sehe, daß der Bezirk Königsberg Norden und Nordosten gar nicht berücksichtigt worden ist.

Vorsitzender: Werden noch weitere Vorschläge gemacht?

[Genosse] Kahlert [Berlin]: Die Verhältnisse liegen doch nicht so grundverschieden. („Sehr richtig!“) Mit diesen fortwährenden Vorschlägen kommen wir nicht weiter. Die große Anzahl der Vorschläge verbessert die Sache nicht.

[Genosse] Tittel [Stuttgart]: Ich möchte auch bitten, nach dem Vorschlage zu verfahren, daß bloß über 20 Genossen per Akklamation abgestimmt wird, und zwar über jeden Genossen einzeln. So kommen wir nicht zum Ziel. So wichtig ist doch die Frage nicht. Wenn mehr als 20 Genossen vorgeschlagen werden, dann kommen eben die 20 Genossen in die Kommission hinein, die die meisten Stimmen haben.

[Genosse] Tetens [Wilhelmshaven]: Sechs Namen sind gestrichen worden, es sind also sechs Plätze frei. 29 Kommunisten sind zu uns übergetreten und sind mit darin. Ich glaube, es ist nicht zuviel, wenn fünf sich hier bei uns erst einarbeiten.

[Genosse] Meyer [Zentrale]: Genossinnen und Genossen! Wenn ich in der Unruhe recht verstanden habe, soll von neuem das Verfahren eingeschlagen werden, daß eine nicht mehr bestehende Organisation ihrerseits Vorschläge macht. („Sehr richtig!“)

Ich bitte Sie dringend, Ihre Kandidaten, die allein für die Wahl noch in Frage kommen können, nach dem Gesichtspunkt vorzuschlagen – nachdem es nur noch in jedem Orte eine Ortsgruppe gibt und die verschiedenen Orte zu Bezirken zusammengeschlossen sind –, daß entsprechend dem Prinzip unsrer Vorschlagsliste Vertreter der verschiedenen Bezirke vorgeschlagen werden. Welche Vertreter Sie aus diesen Bezirken haben wollen, das ist Ihre Sache; aber es geht nicht, wie wir es jetzt haben. Ich glaube, es sind bereits 50 Genossen benannt, das heißt, die Hälfte der hier anwesenden Delegierten sind für die Kommission vorgeschlagen worden. Niemand von Ihnen und auch wir in der Zentrale können nicht beurteilen, ob alle diese Genossen gerade für diese Wahl geeignet sind; sondern Sie, die Sie zu einem Bezirk oder in einem größeren Ort zu einer größeren Organisation zusammengeschlossen sind, werden wissen, welcher Genosse, mit dem Sie jahrelang zusammenarbeiten, für diese Wahl in die Organisations- und Programmkommission am meisten geeignet ist. Ich bitte Sie also, im Prinzip bei unsrer Vorschlagsliste zu bleiben: 25 Genossen, fünf von der Zentrale, 20 aus Ihrer Mitte.

Ich bitte Sie weiter, bei dem Prinzip zu bleiben, daß diese 20 Genossen, abgesehen von den Vertreterinnen der Frauen, den Vertretern der Jugend und des Roten Soldatenbundes, nach verschiedenen Bezirken gewählt werden, so daß auf jeden Bezirk etwa ein bis zwei Genossen je nach der Wichtigkeit kämen. Also es kämen zum Beispiel für Berlin ein bis zwei Genossen, für Schlesien ein Genosse, für Braunschweig einer, für Hamburg einer, für Essen, also Rheinland-Westfalen, vielleicht zwei Genossen, für Mitteldeutschland einer, für Süddeutschland, getrennt nach Bayern, Württemberg und Baden, ein bis zwei Genossen und für Sachsen auch einer; und dann einigen Sie sich unter sich nach den verschiedenen Bezirken, welcher Genosse das meiste Vertrauen bei Ihnen besitzt. Dann haben wir nicht eine Abstimmung über 50 Namen; eine Abstimmung per Akklamation, wo 50 Vorschläge vorliegen, ist natürlich ausgeschlossen, dann müßte eine Zettelwahl eintreten. Also machen Sie Vorschläge von ein bis zwei Genossen aus Ihren Bezirken – Sie sitzen ja zusammen –, und niemand wird dann Widerspruch gegen eine so zusammengesetzte Liste erheben.

Ich erhebe das zum Antrage und bitte, zunächst im Prinzip festzusetzen: 25 Mitglieder der Kommission, fünf aus der Zentrale, fünf aus Frauen, Jugend und Rotem Soldatenbund und zehn aus Ihrer Mitte für die wichtigsten Bezirke Deutschlands. Lassen wir zunächst darüber prinzipiell abstimmen, und dann einigen sich die Bezirke auf die zehn oder 15 Namen, die dann noch in Frage kommen.

Vorsitzender: Sie haben den Antrag des Genossen Meyer gehört. Genosse Becker will dagegen sprechen.

[Genosse] Becker [Dresden]: Genossen und Genossinnen! Ich möchte gegen einen Punkt in diesem Antrage sprechen, nämlich gegen dieses Verfahren nach Bezirken. Die Dinge liegen so, daß wir sehr wohl per Akklamation darüber abstimmen können; denn andernfalls wird die Wahl hinausgezögert. Die Bezirke sind doch noch nicht formiert; die Organisation ist ja noch nicht geschaffen, es kann sich höchstens um die Vertreter der freien Städte drehen, und das würde einen Kuddelmuddel sondergleichen geben. Die Konferenz wird soviel Einsicht haben, daß sie diejenigen Genossen und Genossinnen kennt, die befähigt sind, die Arbeiten in dieser Kommission zu leisten, und daß sie durch Akklamation eben diejenigen Genossen wählen wird nach den 20 Vorschlägen, die außer der Zentrale gemacht worden sind, die wirklich dazu geeignet sind. Ich bin deshalb dafür, daß über die 20 Mitglieder per Akklamation abgestimmt wird.

Vorsitzender: Gegen den Antrag Meyer ist Widerspruch erhoben worden. Wir kommen nun zur Abstimmung. Ich schlage vor, daß wir über die einzelnen Punkte getrennt abstimmen, zunächst darüber, ob wir zu den fünf, die die Zentrale delegiert, 20 oder, wie vorgeschlagen ist, 25 Genossen hinzuwählen wollen. (Zurufe.)

Also damit kein Mißverständnis besteht: Im ganzen soll die Kommission auf 25 oder auf 30 Mitglieder festgesetzt werden. Fünf schlägt die Zentrale vor; ein Genosse hat beantragt, 30 Mitglieder in diese Kommission zu delegieren. Nun lasse ich darüber abstimmen. Wer dafür ist, daß die Kommission auf die Zahl 25 begrenzt wird, den bitte ich, die Hand zu erheben.

(Geschieht.)

Ich danke Ihnen; das ist angenommen.

Nun kommen wir zu dem Vorschlage des Genossen Meyer, es den Bezirken zu überlassen, ihre Vertreter zu wählen. Können wir vielleicht auch die Vertreter der Frauen, der Jugend und des Roten Soldatenbundes gleich ausscheiden, indem wir sie jetzt zur Wahl stellen? (Zustimmung.)

Andre Vorschläge liegen für diese speziellen Kandidaten nicht vor. Es sind für die Frauen: Minna Naumann (Dresden) und Rosi Wolfstein (Düsseldorf), für die Jugend: Fritz Globig (Berlin) mit dem Vorbehalt, den er hier bekanntgegeben hat, und für den Roten Soldatenbund: Karl Schulz (Berlin). Wer für diese Kandidaten ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.

(Geschieht.)

Ich danke Ihnen.

[Genosse] Ertinger (Bremen): Parteigenossen, auf dieser Vorschlagsliste, die nach Bezirken eingeteilt ist, vermisse ich den Bezirk Bremen. Wir haben in Bremen über 5.000 Mitglieder in unsrer Organisation vereinigt; da ist es wohl zweckentsprechend – das sage ich nicht als ehemaliger Internationaler Kommunist, sondern als Mitglied der neuen Partei –, daß eine so große Lokalorganisation nicht ausgeschaltet wird. („Sehr richtig!“)

Ich möchte hier besonders betonen, daß die Genossin Luxemburg vorhin gesagt hat: Der Betriebsarbeiterrat ist die kleinste Zelle der neuen Bewegung. Demgemäß möchte ich auch hier betonen, daß die Lokalorganisationen die kleinsten Zellen der Bewegung sein müssen.

Vorsitzender: Ertinger (Bremen) ist hier vorgeschlagen. Wir kommen zur Abstimmung über die Frage, die fehlenden Delegierten selbst in die Kommission zu wählen oder das den Bezirken zu überlassen. Man sprach von im ganzen 9 Bezirken, die hier in Frage kommen sollten, wie es hier auf der Vorschlagsliste steht. Da nun die Kommission ausgeschaltet ist, können wir ja 14 Bezirke nehmen, die allerdings schwer zu begrenzen sind.

Genossen, ich überzeuge mich, daß es nicht möglich ist, nach Bezirken abzustimmen, daß wir um eine Zettelwahl gar nicht herumkommen; und deshalb, da die Vorschlagsliste jetzt als geschlossen anzusehen ist, wird es zweckmäßig sein, Sie schreiben sich die Namen sämtlicher vorgeschlagener Kandidaten auf, und darin können wir nachher die Zettel einsammeln während des Referats, das der Genosse Eberlein halten wird. In diese Kommission sind jetzt noch 16 Mitglieder zu wählen.

Vorgeschlagen sind also die Genossen:

  1. Krüger (Berlin).
  2. Chmiel (Bismarckhütte).
    (Schlich (Breslau) verzichtet.)
  3. Gehrke (Braunschweig).
  4. Frölich (Hamburg).
  5. Becker (Dresden).
  6. Sturm (Hamburg).
  7. Ertinger (Bremen).
  8. Möller (Berlin).
  9. Schmidt (Hannover).
  10. Rühle (Pirna).
  11. Hammer (Essen).
  12. Klein (Erfurt).
  13. Levien (München).
  14. Walcher (Stuttgart)
  15. Leviné (Berlin[-Neukölln])
  16. Springer (Hanau).
  17. Tetens (Wilhelmshaven).
  18. Hentschel (Leipzig).
    (Bäumer [Worpswede] verzichtet.)
  19. Seidel (Düsseldorf).
  20. Hirsch (Cuxhaven).
  21. Sommer (Frankfurt).
  22. Fister (München).
  23. Müller (Brandenburg).
  24. Rogg (Duisburg).
  25. Dattan (Elberfeld).

Ich möchte nun fragen, ob ich vielleicht einen Zuruf über hört habe. – Das scheint nicht der Fall zu sein.

[Genosse] Meyer [Zentrale]: Genossinnen und Genossen! Wir haben eine große Zahl von Vorschlägen, und Sie werden selbst zugestehen, daß es Ihnen schwerfallen wird, einen geeigneten Genossen aus dieser großen Zahl von Personen herauszufinden. Ich selbst für meine Person muß gestehen, daß es mir schwerfallen würde, wirklich die geeignetsten zu finden. Nun haben wir von der Zentrale Ihnen neun Genossen vorgeschlagen, von denen einer allerdings davon Abstand nimmt, sich hineinwählen zu lassen. Diese Genossen kennen wir und halten wir für diese Tätigkeit für geeignet.

Es kam dann eine zweite Vorschlagsliste, die von dem Genossen Becker vorgetragen worden war, wonach noch weitere fünf Genossen: Becker (Dresden), Sturm (Hamburg), Ertinger (Bremen), Möller (Berlin) und Schmidt (Hannover) hinzuzuwählen sind; das wären weitere fünf Genossen, die, soweit ich aus der Begründung entnehmen konnte, das besondere Vertrauen derjenigen Genossen genießen, die bisher der Organisation der Internationalen Kommunisten angehörten. Ich nehme an, daß diese Vorschlagsliste der Zahl von 30 bis 35 Delegierten dieser aufgelösten Organisation entspricht. Ich mache Ihnen also erneut den Vorschlag, zunächst die Liste, die die Zentrale Ihnen vorgeschlagen hat, und die Liste, die Ihnen der Genosse Becker oder der andre Genosse vorgeschlagen hat, gemeinsam anzunehmen. Natürlich ist das nur möglich, wenn niemand einen Widerspruch erhebt. Wenn Widerspruch erhoben wird, müßte eine Zettelwahl stattfinden. Wenn Sie meinen Antrag annehmen würden, dann hätten wir neun plus fünf, also 14 Genossen. Dann war wohl noch Leviné vorgeschlagen.

[Genosse] Rieger [Berlin]: Ich schlage vor, die Genossen Rühle (Pirna) und Springer (Hanau) zu wählen. Das wären dann die fehlenden 16 Personen.

Vorsitzender: Es wird wesentlich zur Vereinfachung unsrer Geschäftsführung beitragen, wenn wir jetzt über diesen Antrag abstimmen lassen. Es handelt sich also darum, daß Sie dem Vorschlage der Zentrale Ihre Zustimmung geben sollen, wie Sie auch dem Vorschlage, den der Genosse Becker eingereicht hat, zustimmen sollen. Außerdem ist noch vorgeschlagen der Genosse Springer (Hanau) und der Genosse Rühle (Pirna). Wenn Sie die Genossen, die hier vorgeschlagen sind, wählen, so haben Sie die erforderliche Zahl, und wir sind über alle Schwierigkeiten hinweg. (Zustimmung.)

Sind Sie mit diesem Vorschlage einverstanden, dann bitte ich Sie, die Hand zu erheben.

(Geschieht.)

Ich danke Ihnen. Das ist die Mehrheit. – Damit ist dieser Punkt erledigt.

Die Kommission besteht aus 25 Mitgliedern und wurde wie folgt zusammengesetzt: Die Zentrale entsendet in sie 5 Mitglieder, die von ihr selbst zu bestimmen sind. Ferner gehören der Kommission an: als Vertreter des Roten Soldatenbundes der Genosse Karl Schulz (Berlin), als Vertreter der Frauen Genossin Minna Naumann (Dresden), Genossin Rosi Wolfstein (Düsseldorf), als Vertreter der Jugend Genosse Fritz Globig (Berlin) und folgende 16 Vertreter: Krüger und Möller (Berlin), Chmiel (Bismarckhütte), Gehrke (Braunschweig), Frölich und Sturm (Hamburg), Ertinger (Bremen). Schmidt (Hannover), Hammer (Essen), Klein (Erfurt), Levien (München), Springer (Hanau), Walcher (Stuttgart), Becker (Dresden), Rühle (Pirna), Heckert (Chemnitz).

Wir kommen nun zum 4. Punkt unsrer Tagesordnung: Unsre Organisation.

Dazu hat das Wort der Genosse Hugo Eberlein.

 

[4. Punkt der Tagesordnung:
Unsere Organisation]

[Genosse] Eberlein [Zentrale]: Nach den interessanten Vorträgen und den lebhaften Diskussionen des heutigen Tages ist es außerordentlich schwierig, nun jetzt zu beginnen, über Mitgliedsbücher und Beitragsmarken zu sprechen. Aber es ist doch notwendig, daß wir uns auf eine kurze Spanne Zeit auch mit diesen Dingen beschäftigen, und ich bitte um Ihr Gehör.

Die Sache an und für sich wäre ja sehr leicht, wenn wir einfach die Mitgliedsbücher der alten Organisationen übernehmen könnten, so wie es meinetwegen die Unabhängigen von den Abhängigen genommen haben. Aber heute liegen die Verhältnisse doch anders, und die Aufgaben unsrer Organisation sind völlig andre als die Aufgaben der alten Organisationen, aus denen wir hervorgegangen sind. Die alten Organisationen waren schon ihrem Namen und ihrer ganzen Tätigkeit nach Wahlvereine. Die neue Organisation soll nicht ein Wahlverein, sondern eine politische Kampforganisation werden, und es ist einfach die Frage zu stellen: Wollen wir wie bisher ein Wahlverein sein, oder wollen wir in Zukunft wirklich das werden, was wir uns als Ziel gesteckt haben. eine revolutionäre Kampforganisation? Wenn wir diese Frage bejahen, dann müssen wir von vornherein alles ausscheiden, was bisher an organisatorischen Grundlagen vorhanden gewesen ist, wir müssen beginnen, von Grund auf neu aufzubauen und der Organisation ein Fundament zu schaffen, das ermöglicht, den neuen Aufbau derart zu gestalten, daß die einzelnen Mitgliedschaften wie die Gesamtorganisationen auch in der Lage sind, den ihnen gestellten Aufgaben gerecht zu werden.

Wie war es bisher? Die sozialdemokratischen Organisationen waren Wahlvereine. Ihre ganze Organisation beruhte darauf, die Vorarbeiten und die Agitation zu den Wahlen einzuleiten und durchzuführen, und es war faktisch so, daß ein bißchen Leben in den Organisationen auch nur dann vorhanden war, wenn man vor Wahlen oder mitten in den Wahlen stand. Die übrige Zeit war es in den Organisationen öde und ausgestorben. Man suchte nach allen möglichen Mitteln, um die Zwischenzeiten zwischen den Wahlen auszufüllen. Man kam im Laufe der Jahre mehr und mehr dazu, die Organisationen der sozialdemokratischen Partei zu Bildungsorganisationen umzugestalten, um etwas zu haben, was man in diese leere Zeit zwischen den verschiedenen Wahlperioden hineinschieben kann. Aber wir haben gesehen, daß auch die Bildungsarbeiten in den Organisationen außerordentlich mangelhaft gewesen sind, daß sie jedenfalls keineswegs den Zweck erfüllt haben, die Arbeiter zu bewußten Klassenkämpfern zu erziehen. Wir haben erlebt, daß das, was in den Organisationen den Arbeitern als Bildung übermittelt wurde, nichts andres war als eine Art Firnis, der beim ersten stürmischen Regen abgewaschen worden ist; und als der erste stürmische Regen im August 1914 kam, mußten wir erleben, daß von all den Lehren des Sozialismus bei den Mitgliedern der Organisationen verdammt wenig übriggeblieben ist. Mit Begeisterung zogen sie dem Banner des Imperialismus, dem Banner der herrschenden Klassen nach, sie hatten alles vergessen, was ihnen vom Sozialismus in den Organisationen gelehrt und gepredigt worden ist.

Die Einrichtungen der Organisationen waren ferner derart, daß sich im Laufe der Jahre ein Bürokratismus innerhalb der Organisationen herausgebildet hatte, der ein wachsendes geistiges Leben und ein Interesse an der Tätigkeit der Organisation völlig ersticken ließ. Die Wahlvereine wurden mehr und mehr zu Kontrollinstituten, die wohl das Recht hatten, an dem, was von seiten der Leitung und von seiten der Vorstände und Zentralen getan war, Kritik zu üben – und es wurde oft sehr lebhafte Kritik geübt an dem, was die Vorstände in den alten Organisationen getan hatten –, aber der Schlußeffekt war immer der, daß man sagte: Es ist ja vorbei, Ihr könnt jetzt Kritik daran üben, Ihr könnt Euch über das aufregen, was geschehen ist, aber geschehen ist es nun einmal, es ist von den Vorständen, von den Zentralen beschlossen und durchgeführt worden. Man hat, um die Genossen zu beruhigen, ihnen gesagt: In Zukunft werden wir es besser machen, und in der Folge war es immer wieder dasselbe, daß die Beschlüsse der Zentralen, der Mitgliedschaftsvorstände tatsächlich durchgeführt waren, wenn die Mitglieder die Möglichkeit hatten, Stellung zu diesen Dingen zu nehmen.

Der Apparat der Organisationen war auch so schwerfällig, daß es nicht möglich war, schnell und rasch irgendwelche Operationen, irgendwelche Aktionen des Proletariats durchzuführen. Wir wissen alle, wie es in den Organisationen zuging: Wenn einmal ein neuer Gedanke hineingetragen wurde, wenn einmal eine Frage auf der Tagesordnung stand, die schnell durchzuführen war, es waren immer Wochen notwendig, um zu einem Resultat zu kommen, um auch tatsächlich etwas zu tun, und gewöhnlich war es dann zu spät. Also das alles, was wir in der alten Organisation erlebt haben, dürfen wir nicht in die neue Organisation übernehmen. Weder die Form noch die Tätigkeit noch den Inhalt dieser Organisation können wir nun einfach schematisch auf die neue Organisation übertragen, wir müssen die neue Organisation den Bedürfnissen des Tages anpassen, müssen sie beweglich machen, müssen sie kampffähig machen, müssen sie bereit machen für die Aktionen der Zukunft. Dazu ist notwendig, daß wir ein organisatorisches Fundament schaffen, das diesen Ansprüchen auch genügt.

Parteigenossen, die neue Organisation der Kommunistischen Partei ist gestern früh gegründet worden. Sie werden von mir nicht verlangen, daß ich Ihnen heute ein ausgearbeitetes Organisationsstatut vorlege; Sie werden nicht annehmen, daß ich auch nur eine Stunde Zeit dazu übrig habe, Ihnen ausführlich die einzelnen Paragraphen des neuen Organisationsstatuts vorzutragen. Wir stehen jetzt innerhalb der Aktionen, wir stehen mitten drin im politischen Kampf, da ist zu Paragraphenfuchserei keine Zeit, und niemand von der Zentrale hat die Möglichkeit, solche Vorarbeiten jetzt zu leisten und durchzuführen. Sie haben soeben eine Kommission gewählt, die das Programm beraten soll, und haben gleichzeitig dieser Kommission den Auftrag gegeben, auch das Organisationsstatut zu beraten. Es wird geschehen müssen, leider geschehen müssen. Wir werden dazu Zeit gebrauchen müssen, um diese Arbeiten zu leisten, wenn es auch in dieser bewegten Zeit außerordentlich schwerfallen wird, das durchzuführen. Aber, Parteigenossen, die Hauptsache ist doch, daß wir uns zuerst einmal selbst nicht nur in der Zentrale, sondern auch in den einzelnen Mitgliedschaften, in den einzelnen Orten klar sind, wie die neue Organisation ungefähr gestaltet werden könnte und müßte. So soll es meine Aufgabe sein, Ihnen kurz und bündig einige Anregungen zu geben, die Sie in Ihre Orte mitnehmen sollen, die Sie mit Ihren Mitgliedern diskutieren sollen; und wir verlangen von Ihnen, daß Sie dann auf Grund dieser Diskussion, auf Grund Ihres eigenen Überlegens dieser gewählten Kommission so schnell wie möglich Ihre Vorschläge machen. Die Kommission hat dann die Aufgabe, diese Vorschläge zu prüfen und aus ihnen das zu kristallisieren, was notwendig ist, um die neue Organisationsform zu finden.

Also keine feststehenden Vorschläge will ich Ihnen machen. Ich will Ihnen nichts weiter sagen als das, was ich mir sozusagen als Grundlage für den Aufbau der neuen Organisation denke. Ich habe Ihnen kurz zu schildern versucht, daß die Formen der alten Organisation für uns unmöglich geworden sind, daß wir das alte Organisationsstatut überhaupt nicht mehr zur Hand zu nehmen brauchen, um uns das herauszuklauben, was auf uns übertragen werden könnte. Wir müssen also die Organisation neu aufbauen, müssen sie den heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen anpassen, müssen sie den Dingen anpassen, die sich in der nächsten Zeit nach unserer Auffassung ereignen müssen.

Eine weitere Frage ist nun ja, wie sollen wir uns diese Organisation bauen, und da wäre natürlich der erste Gedanke, daß wir das bisherige Organisationsverhältnis des Spartakusbundes uns vor Augen führen und uns fragen, ob wir auf dieser Grundlage vielleicht weiterbauen können. Aber auch das wird sich bald als fast unmöglich herausstellen. Wie war die Organisation des Spartakusbundes bisher? Sie wissen, daß wir jahrelang eine illegale Tätigkeit ausüben mußten, daß auf Grund dieser illegalen Tätigkeit eine feste Organisationsform nicht möglich war. Der Genosse Meyer hat Ihnen gestern geschildert, wie der Spartakusbund seit Anfang des Krieges zustande gekommen ist. Wir hatten in diesen vier Jahren keine Zeit, uns zu überlegen, wie wir uns organisieren wollten. Wir wurden in diesen vier Jahren einfach von Tag zu Tag vor Tatsachen gestellt und mußten auf Grund der feststehenden Tatsachen entscheiden, ohne zu fragen, ob dabei ein Organisationsstatut geschaffen werden kann.

Nachdem also im Jahre 1914 eine kleine Gruppe von Genossen in Berlin sich zu der Anschauung des Spartakusbundes bekannt hatte, wurde sofort versucht, mit allen Orten des Reiches in Verbindung zu treten und mit den Genossen, die unsere politische Anschauung teilten, in Berührung zu kommen. Es war möglich, über kurz oder lang in zirka 140 Städten und Gemeinden mit Genossen, die ebenfalls so wie wir in Berlin sich zusammengeschlossen hatten, Fühlung zu nehmen und mit ihnen in Verbindung zu bleiben. Die Aufgabe der Zentrale, die sich uns in diesen Tagen herausgebildet hatte, war es, die politische und geistige Leitung zu übernehmen, den Genossen mit Agitationsmaterial zur Hand zu sein, ihnen Flugblätter, Flugschriften und alles Agitationsmaterial, das notwendig ist in der illegalen Zeit, zu liefern. Aber auch diese Arbeit konnte natürlich nicht planmäßig geschehen, denn die Genossen aus der Zentrale wurden alle ohne Ausnahme abgelöst. Sie kamen in die Gefängnisse, Zuchthäuser oder Schützengräben. Aber sobald jemand sich wieder befreit hatte aus dem unfreiwilligen Urlaub, hatte er seine Tätigkeit ohne weiteres wieder aufgenommen.

Da gestatten Sie mir einige Worte über die Zentrale. Sie ist heute und auch gestern nicht gut weggekommen, Sie hatten so mancherlei an ihr auszusetzen. Wie liegen aber die Dinge in Wirklichkeit? Es wäre uns natürlich lieber gewesen, wenn wir aus der Provinz von den Genossen Unterstützung bekommen hätten, nicht bloß finanziell, sondern auch geistig, durch Material usw. Aber in den ganzen vier Jahren sind nur außerordentlich wenige von den Genossen der Provinz zu uns gekommen und haben gesagt: Hier habt Ihr geistige Anregung, hier stelle ich mich zur Verfügung, wir wollen mit Euch den Kampf gegen die Reaktion führen. ja, die Genossen kamen, aber sie wollten von uns haben, sie wollten Flugblätter, Agitationsmaterial haben, sie wollten alles mögliche haben, aber gebracht haben sie uns nichts. Und wenn heute nun die Zeit gekommen ist, wo wir öffentlich auftreten können, wo wir öffentlich zu all den Dingen Stellung nehmen können, so bitte ich Sie, dabei zu berücksichtigen, welche außerordentlich schwierige Arbeit die Zentrale in diesen Jahren geleistet hat, mit welchen Schwierigkeiten sie in diesen vier Jahren kämpfen mußte, wo zuweilen nur ein oder zwei Mitglieder der Zentrale zur Verfügung gestanden haben und mit anderen Genossen gesessen haben. Und wenn diese wenigen Genossen die Arbeit gemacht haben, ist es leicht, mit Kritik an ihre Tätigkeit heranzutreten. Wir fürchten die Kritik nicht und sind überzeugt, daß wir der Sache des Proletariats gedient haben, aber unberechtigte Angriffe auf die Zentrale möchte ich doch zurückweisen. Wenn heute verlangt worden ist, daß die Zentrale geändert werden müsse, und wenn ein junger Genosse sagte, daß diese Männer aus der Zentrale entfernt werden müßten, daß sofort andere Männer hineingewählt werden müßten, so frage ich diesen jungen Genossen: Was habt Ihr geleistet in diesen vier Jahren, wenn Ihr die Entfernung der Genossen fordert, die sich in diesen vier Jahren für die Sache herumgeschlagen haben? Wenn wir das berücksichtigen, was wir getan haben, dann muß es uns doch kränken, wenn ein junger Genosse hierherkommt und sagt: Die Leute sind unfähig, sie müssen herausgeworfen werden, und an ihre Stelle müssen andere hinein.

Parteigenossen, wir sind selbstverständlich Ihrer Wahl unterworfen, Sie sind in der Lage, die Zentrale abzusetzen, die Ihr Vertrauen nicht hat, aber vergessen Sie die Umstände nicht! Deshalb bitte ich, sich vor den Neuwahlen die Genossen anzusehen, die Sie in die Zentrale wählen wollen und die Sie als Ihre Führer vor der Öffentlichkeit bezeichnen wollen. Das ist gerade in einer Zeit wichtig, wo wir einer Reihe von fortwährenden Entwicklungen entgegengehen und wo die Lage sich täglich umgestalten kann. Sie haben gehört, daß erst gestern im Vollzugsrat die Rede davon gewesen ist, den Belagerungszustand über Berlin wieder zu verhängen. Was wird die Folge sein? Daß die Genossen, die hier die Tätigkeit und die Leitung übernommen haben, eines Tages wieder die Zuchthäuser und Gefängnisse füllen werden. Deshalb müssen Sie doppelt und dreifach die Genossen ansehen, die Sie mit der Führung der Geschäfte jetzt in dieser schweren Zeit betrauen wollen.

Die Organisation des Spartakusbundes konnte allerdings in diesen vier Jahren nur eine außerordentlich lose sein. Wir haben überall versucht, Verbindung mit den Genossen anzuknüpfen, haben sie unterstützt, soweit es möglich war. Die Genossen hatten die Aufgabe, die Organisation in den anderen Orten durchzuführen. Da konnte es nicht darauf ankommen, nun in den einzelnen Teilen des Landes darauf zu dringen, daß sie soviel wie möglich Mitglieder heranziehen, da konnten wir nicht sagen: Sorgt zuerst dafür, daß Ihr Mitgliedsbuch und Beitragsmarken habt, sondern daß Flugblätter, Broschüren usw. so schnell wie möglich unter die Genossen gebracht wurden, daß sich Genossen fanden, die beherzt genug waren, das Material zu verbreiten. Wir haben oft erlebt, daß die Genossen das Material zurückgegeben haben, weil sie nicht die Courage hatten. Da nutzte uns ein Mitgliedsbuch nichts. Heute kann es anders sein. Heute ist es nicht mehr so gefährlich, heute wird mancher den Mut haben, der noch vor einem halben Jahre die Courage nicht hatte. Heute können wir darangehen, eine feste Organisation zu gründen und Mitglieder für unsere Organisation zu gewinnen und in der Mitgliedschaft die Tätigkeit fortzuführen.

Parteigenossen, ich will Ihnen mit dem Belagerungszustand nicht bange machen. Wir fürchten ihn nicht, wir haben uns nicht gefürchtet, als es daranging, den Kampf zu führen gegen die Kapitalistenklasse, gegen die Bourgeoisie, und wir werden nicht zurückschrecken, wenn es geht gegen die Scheidemänner und Konsorten, die heute die Herrschaft in Händen haben. Ich führe das nur an, um zu zeigen, daß auch die Organisationsformen des Spartakusbundes in ihrer bisherigen Art nicht die Grundlage für die neue Organisation, die geschaffen werden soll, bilden können.

Wenn wir also einesteils die alten Wahlvereine nicht als Grundlage nehmen können, andererseits auch die bisherigen Organisationsformen des Spartakusbundes nicht nehmen können, so müssen wir uns fragen, was für eine Organisationsform denn nun die geeignete ist. Da möchte ich auf eins hinweisen. Es ist von der Genossin Luxemburg heute mit Recht darauf hingewiesen worden, daß seit der Revolution ganz neue Gebilde entstanden sind, die die Macht übernommen haben. Ich denke da in erster Linie an die Arbeiter- und Soldatenräte. Da wird es notwendig sein, daß wir uns reiflich überlegen, wenn wir auf der einen Seite die Arbeiterräte unterstützen, wenn wir verlangen, daß sie die gesamte ökonomische und politische Macht in die Hand nehmen sollen, ob es nicht zweckmäßig ist, im Anschluß an diese Arbeiter- und Soldatenräte auch die Organisationsform zu finden, die für uns das beste und wünschenswerteste ist. Wir verlangen von den Arbeitern, daß sie Werkstattsräte, Betriebsräte und Industrieräte bilden sollen, die sich mit der gesamten Betriebsverwaltung beschäftigen sollen, die in die Lage kommen sollen, bei der kommenden Umgestaltung des gesamten Staatsorganismus die Industrie zu übernehmen, und nicht nur dies: die auch politisch die Aufgabe haben, die Macht in die Hand zu nehmen, um die Interessen der Arbeiterklasse zu vertreten und die Forderungen der Arbeiterklasse durchzuführen. Wäre es da vielleicht nicht zweckmäßig, daß wir unser Augenmerk darauf richten, ob es nicht möglich ist, unsere Parteiorganisation darauf aufzubauen, daß wir die Mitglieder nicht mehr allein nach dem Wohnsitz organisieren, sondern in den Großbetrieben, in den Werkstätten, in der ganzen Industrie vielleicht die Parteiorganisation einführen, daß wir in den Betrieben unsere Vertrauensleute wählen und die Vertrauensleute die Mitglieder in den Betrieben zu Gemeinschaften, zu Vereinen innerhalb des Betriebes zusammenzuschließen suchen?

Das hat meiner Meinung nach einen ganz kolossalen Vorteil gegen die bisherigen Formen der Organisation dadurch. daß man die Arbeiter alle zusammen im Betriebe hat, leicht alles übersehen kann, wer alles organisiert ist, daß man durch die organisierten Genossen einen großen Einfluß auf die einzelnen Arbeiter im Betriebe hat, daß man leicht zu Besprechungen zusammenkommen kann. Die Vertrauensleute der Werke, besonders aus den kleineren und mittleren Städten, haben sich dann zu Funktionärkonferenzen zusammenzuschließen, zu denen die Werke, die in einem Orte vorhanden sind, ihre Delegierten entsenden, die einen Vorstand bilden, der den Ortsvorstand darstellt. Es ist natürlich selbstverständlich, daß nicht nur in Großbetrieben diese Organisationsform geschaffen wird, sondern daß auch die Parteigenossen aus Kleinwerkstätten, aus Kleinbetrieben sich zu organisierten Gruppen zusammenschließen, die dann ebenfalls wieder ihre Funktionäre in den Vorstand entsenden. Es ist darauf Rücksicht zu nehmen, daß auch diejenigen, die nicht in diesen Betrieben arbeiten, Gelegenheit haben, sich zu organisieren und der Gesamtorganisation im Orte anzuschließen. Man könnte in den größeren Orten besondere Zusammenkünfte der Arbeitslosen schaffen, sie gleichfalls zusammenfassen, und dort, wo keine Fabrikbetriebe vorhanden sind, wo reine Wohngemeinden vorhanden sind, die Organisationsform der Wohnbezirke heranziehen. Es kommt gar nicht darauf an, ob dieser oder jener Genosse die Möglichkeit hat, an den Veranstaltungen der Organisation im Betriebe teilzunehmen oder in den Wohnbezirken tätig zu sein. Aber auf diese Weise wäre es möglich, die gesamte Arbeiterschaft in den Orten besser zusammenzufassen, besser organisieren zu können, eine Übersicht zu haben über das, was organisiert innerhalb des Ortes zusammengerafft werden kann, und, was das wichtigste ist, eine Organisationsform gewinnen zu können, die auch aktionsfähig ist. Man hat die Möglichkeit, zu jeder Zeit an die Genossen heranzukommen, sie schnell zusammenzufassen, wenn sie in Großbetrieben zusammen tätig sind, sie schnell herauszuholen. Das ist natürlich besser, wenn es gilt, irgendeine Tätigkeit der Organisation durchzuführen, als wenn man darauf angewiesen ist, wie bei der alten Organisation der Wohnbezirke, sie erst tagelang vorher einzuladen.

Aber diese Organisationsform darf nicht auf alle Orte schematisch übertragen werden. Wir haben in den großen Orten, wo Industriestädte neben Wohngemeinden vorhanden sind, ganz verschiedene Organisationsmöglichkeiten. In Berlin haben wir Orte, wo nichts wie große Fabriken vorhanden sind, in denen aber die Arbeiter nicht wohnen, zu denen die Arbeiter des Morgens hinfahren und die sie des Abends verlassen, um nach andern Orten in ihre Wohnungen zu fahren, und wir haben andererseits Orte, in denen Unmassen von Arbeitern wohnen, wo aber keine Fabriken vorhanden sind. Wir können daher da, wo die Großbetriebe zusammenliegen, die Betriebsorganisation durchführen, in Orten aber, wo die Arbeiter wohnen und nicht arbeiten, die Organisation nach Wohnbezirken gliedern.

Das wäre, Parteigenossen, nach meiner Meinung die Grundlage, auf der wir unsere Organisation aufbauen können.

Es wäre notwendig, daß bei dieser Organisationsform den einzelnen Orten von seiten der Gesamtorganisation die weitmöglichste Freiheit gelassen wird, daß nicht von oben herunter schematisch verordnet wird: Ihr müßt so oder so handeln und das oder das tun, und daß den einzelnen Betrieben und Orten die Möglichkeit gegeben werde, die Organisationsformen zu finden, die für ihre speziellen Verhältnisse notwendig sind, und daß als Grundlage nur das eine gilt: daß der gesamte Apparat der Organisation elastisch ist, daß die gesamten Arbeiter so schnell wie möglich zusammengefaßt werden können, daß die Aktionsfähigkeit durch die Form der Organisation gewahrt wird.

Wir sind weiter der Meinung, daß das alte System der Unterordnung der einzelnen Orte unter die Zentrale aufhören muß, daß die einzelnen örtlichen Organisationen, die einzelnen Betriebsorganisationen eine völlige Autonomie haben müssen. Sie müssen selbständig sein in ihrer Tätigkeit, sie dürfen nicht immer auf das warten, was von oben herunter angeordnet wird, sie müssen die Möglichkeit haben, selbst in die Aktion einzutreten, ohne daß die Zentrale immer das Recht hat zu sagen: Das dürft Ihr tun, oder das dürft Ihr nicht tun. Aber von diesen Organisationsformen hat sich bisher verdammt wenig gezeigt. Die Orte, die bisher auf eine selbständige Tätigkeit ausgegangen sind, sind äußerst gering, und ich könnte sie Ihnen an den fünf Fingern herzählen. Wir hätten uns sehr gefreut, wenn wir aus den einzelnen Orten und Bezirken gehört hätten, was sie getan haben, als daß man nur immer herantritt mit der Frage an uns: Was sollen wir tun, oder schickt uns mal ein Flugblatt oder dies und jenes. Wir sind also keineswegs so gewalttätig, wie man uns heute hier geschildert hat, daß wir als Zentralrat eine autokratische Gewalt ausüben wollen, und nehmen Sie es mir deshalb nicht übel, wenn ich erregt geworden bin auf Grund der Vorwürfe, die man uns vollkommen unberechtigt gemacht hat. Es bestand eben keine andere Möglichkeit, als Diktaturgewalt auszuüben, weil die Genossen in der Provinz verdammt wenig getan haben.

Wir erwarten, daß unsere neue Organisationsform die Autonomie der einzelnen Bezirke gewährleisten wird, daß die Zentrale in der Hauptsache die Aufgabe hat, die geistige und politische Leitung zu übernehmen und das zusammenzufassen, was draußen im Lande vor sich geht, die Organisation im Lande zu belehren und zu unterstützen, soweit es mit den in der Zentrale vorhandenen Kräften möglich ist. Es war unser Bestreben seit jeher, die besten Köpfe nach Berlin zu ziehen, die besten Köpfe der Partei, die besten Theoretiker an unserer Arbeit mitarbeiten zu lassen, um auch tatsächlich in der Lage zu sein, die politische und die geistige Leitung der Bewegung zu übernehmen. Und sind in dieser Beziehung Ihre Wünsche nicht befriedigt, sind Sie der Meinung, daß diese besten Köpfe draußen in der Provinz sind, so schicken Sie sie nach Berlin und wählen Sie sie in die Zentrale.

Wir sind weiter der Meinung, daß die Frage der Presse nicht zentral geregelt werden kann, daß die örtlichen Organisationen überall die Möglichkeit haben müssen, eigene Zeitungen zu gründen, eigene Flugblätter, eigene Broschüren herauszugeben. Es hat sich aber in der Tat gezeigt, daß leider nicht einmal ein bißchen Verständnis unter den Genossen dafür vorhanden ist. Einige Genossen haben uns angegriffen und uns gesagt: Ihr gebt eine Zeitung heraus, was sollen wir damit machen, wir können sie nicht gebrauchen, wir geben selbst eine Zeitung heraus. Und als sie eine Zeitung herausgegeben hatten, zeigte sich, daß das keine Zeitung, sondern höchstens ein Wurstzettel war, denn die Bevölkerung wünscht eine Tageszeitung, nicht ein Blatt Papier, auf dem ein theoretischer Artikel steht. Oder wenn sie eine Zeitung selbst gegründet hatten, dann kamen sie zu uns: Hier ist die Rechnung, nun bezahlt mal. ja, Parteigenossen, wenn wir die Mittel alle bekommen hätten, die wir bekommen haben sollen, dann wäre es möglich, die Summen zur Verfügung zu stellen, die gewünscht worden sind.

Die einzelnen Orte, die ihre Mitgliedschaften jetzt so schnell wie möglich schaffen müssen, müssen sich zusammenschließen zu Bezirken, und diese Bezirke wieder werden ihre Vertreter in die Zentrale wählen, die mit den Genossen der Zentrale einen erweiterten Parteivorstand bilden, der häufig zusammenzukommen hat, um die Möglichkeit zu haben, die gemeinschaftlichen Fragen, die die Gesamtlage betreffen, zu regeln.

In bezug auf die Bezirkseinteilung kann und will ich Ihnen heute keine bestimmten Vorschläge machen. Sie haben vorhin bei der Wahl der Programmkommission erklärt, daß Sie kein Gewicht auf die Bezirkseinteilung legen. Das ist vielleicht richtig in bezug auf die Programmkommission. Da aber die Programmkommission gleichzeitig eine Organisationskommission ist, so hätte ich doch gewünscht, daß mein Vorschlag, den ich vorhin machte, angenommen worden wäre. Denn bei der Organisationsfrage ist es tatsächlich wichtig, daß die Vertreter der Landesbezirke in der Kommission vertreten sind, erstens mal, um eine vernünftige Gliederung der Bezirke zu finden, dann aber auch, um besonders die speziellen Verhältnisse der einzelnen Bezirke zur Berücksichtigung bei der Schaffung des Organisationsstatuts in der Kommission vorzutragen. Allerdings stelle ich mir das Organisationsstatut nicht vor wie die bisherigen Organisationsstatute, mit vielleicht 300 oder 350 Paragraphen, sondern ich wünsche, daß den einzelnen Orten und einzelnen Bezirken die weitmöglichste Freiheit gegeben wird und daß wir nicht von der Organisationskommission nun langatmige Bedingungen vorgelegt bekommen, in denen die Bezirks- und Ortsvereine nur eine Bindung, nicht eine Befreiung von Fesseln sehen.

Es ist vielleicht richtig, daß die Bezirke sich nach den verschiedenen Landesteilen gliedern und daß vielleicht Ostpreußen und Westpreußen einen Bezirk bilden, dann vielleicht die Wasserkante mit Hannover, das frühere Herzogtum Braunschweig, dann Brandenburg und die Provinz Sachsen, das ehemalige Königreich Sachsen, dann Mitteldeutschland, Bayern, Württemberg und Baden einen Bezirk für sich. Das sind nur unverbindliche Vorschläge, um Ihnen zu zeigen, wie die Bezirkseinteilung möglich ist. Die Festlegung ist Sache der Kommission, aber da Sie heute gerade zusammen sind, werden Sie wahrscheinlich wünschen, daß Sie sich jetzt schon mit den Genossen aus den Bezirken in Verbindung setzen, und dazu könnte mein Vorschlag von Nutzen sein.

Das wäre im großen und ganzen alles, was ich Ihnen vorzutragen hätte. Ich denke mir also unsere Organisation so, daß die einzelnen Bezirke ihre Vertreter wählen, daß die Zentrale ihren Sitz in Berlin hat und daß in diese Zentrale die Vertreter der einzelnen Bezirke hineingewählt werden, die dann mit den Mitgliedern der Zentrale den erweiterten Vorstand bilden, der vielleicht alle vier Wochen zusammentritt, natürlich öfter zusammentreten muß, wenn die Notwendigkeiten vorhanden sind. Der erweiterte Vorstand, die Mitglieder der Zentrale würden also eine Körperschaft bilden, die die Möglichkeit hat, momentan wenigstens, für die Zeit, bis wir wieder weiter blicken können, bis wir die politische Situation weiter überblicken, als wir augenblicklich in der Lage sind, andre Organisationsformen zu finden.

Ich weiß nicht, ob ich mich heute darauf einlassen soll, Ihnen noch eingehende weitere Schilderungen zu machen, Ihnen die Bezirkskonferenzen, die Parteitage, die Parteitagsprogramme und alles, was dazu gehört, zu schildern. Sie wissen alle, daß wir in unserm Optimismus der Auffassung sind, daß die kommenden Wochen und Monate uns Dinge bringen werden, die alle diese Diskussionen überflüssig machen können. Deshalb will ich bei der vorgeschrittenen Zeit, die uns heute noch zur Verfügung steht, Sie nicht weiter aufhalten. Ich bitte nur darum, das hier Ausgeführte mit auf den Heimweg zu nehmen, sich die Dinge durch den Kopf gehen zu lassen und uns so schnell wie möglich Ihre speziellen Vorschläge zu unterbreiten, damit die Kommission so bald wie möglich in Funktion treten kann.

Einen Passus bin ich beauftragt, Ihnen noch vorzutragen. Es betrifft die Vereinbarungen mit den ehemaligen Internationalen Kommunisten; und da die Genossen darauf Gewicht legen, will ich den Wortlaut vortragen. Er lautet:

In bezug auf ihre Publikationen sind die Ortsgruppen des Spartakusbundes autonom. Die Zentrale ... Einspruch zu erbeben. [24]

Das wäre also das, was die Genossen gewünscht haben. Sie haben gehört, daß ich in meinen Ausführungen weiter gegangen bin, als die Genossen selbst wünschen, und es werden in der Kommission sobald wie möglich Wege zu finden sein, eine Organisationsform zu schaffen, wie wir sie brauchen. Aber es ist doch zu berücksichtigen, daß wir in diesen Tagen unser Hauptgewicht nicht auf diese kleinen Dinge der Organisation legen dürfen und sollen. Wir wollen, soweit es möglich ist, in den nächsten Wochen und Monaten Ihnen in den Orten das alles selbst überlassen. Warten Sie also nicht, bis von seiten der Zentrale nun die Verfügung kommt: Ihr müßt das Mitgliedsbuch so oder so gestalten, sondern gehen Sie jetzt in Ihre Orte zurück, sammeln Sie die Mitglieder um sich, geben Sie Mitgliedskarten heraus und Marken und Sammellisten oder wie Sie sich das denken. Genossen, darauf kommt es in der Hauptsache in diesem Moment gar nicht an. Die Hauptsache ist – und ich wiederhole das am Schlusse meiner Ausführungen – jetzt nicht ein schönes gedrucktes Mitgliedsbuch, die Hauptsache ist nicht, daß wir ein Mitgliedsbuch haben, in dem die Marken recht schön glatt eingeklebt sind, wie das früher der Fall war – die Hauptsache ist, daß wir jetzt eine Organisation schaffen, in der wir Mitglieder bekommen, die überzeugt sind von den Lehren des Sozialismus, die überzeugte Anhänger unsrer Partei sind, die aber auch in der Lage und befähigt und gewillt sind, uns zur Seite zu stehen, und die für die kommenden Tage der Aktionen bereit sind, die ihre ganzen Gedanken auf die Aktionen der nächsten Zeit lenken. Dann werden wir über die kleinen Schwierigkeiten der Organisierung und der Organisationsform leicht hinwegkommen. (Lebhafter Beifall.)

Vorsitzender Pieck: Genossen und Genossinnen! Es sind Bestrebungen hier in der Berliner Arbeiterbewegung, und zwar in den aktivsten Teilen der Arbeiterbewegung, im Gange, neben der von uns jetzt gebildeten Kommunistischen Partei eine eigene Partei zu bilden. Diese Bestrebungen gehen aus von dem Kreis der revolutionären Obleute. Dieser Kreis ist an uns herangetreten mit dem Ersuchen, mit ihnen eine Verhandlung aufzunehmen über eine eventuelle Einigung, die zwischen ihren Bestrebungen und der von uns gebildeten Kommunistischen Partei herbeigeführt werden soll. Die revolutionären Obleute sind zusammen, sie wünschen eine sofortige Verhandlung. Wir schlagen Ihnen deshalb vor, unsre Beratungen auf eine halbe Stunde zu unterbrechen. Wir werden ohnehin ja noch längere Zeit tagen müssen, wenn wir die Tagesordnung heute erledigen wollen. Ich glaube, den Delegierten wird eine halbstündige Erholungspause erwünscht sein, und ich hoffe, daß wir danach nicht nur Ihnen das Resultat mitteilen können, daß dieser Kreis der revolutionären Obleute mit uns zu einer Einigung gelangt ist, sondern daß wir dann auch den übrigen Teil der Tagesordnung heute noch erledigen können, damit die Delegierten dann wenigstens morgen früh in ihre Heimat zurückkehren können. Sind Sie mit dieser halbstündigen Unterbrechung einverstanden? (Zustimmung.)

Widerspruch erhebt sich nicht; dann ist die Sitzung um eine halbe Stunde vertagt, und ich bitte Sie, um ¾8 Uhr hier wieder zur Stelle zu sein. (Die Sitzung wird vertagt.)

 

 

Vorsitzender [Pieck]: Genossen und Genossinnen! Wir haben der Körperschaft, mit der wir soeben verhandelt haben, den Vorschlag gemacht, um eine Einigung herbeizuführen, daß wir ihnen die Möglichkeit geben, mit 3 Mitgliedern in die eingesetzte Programm- und Organisationskommission einzutreten, indem wir ihnen erklärten, daß sowohl das Programm wie die Organisation in ihren Einzelheiten auf diesem Kongreß nicht festgelegt wird, sondern daß es der Beratung dieser Kommission vorbehalten bleibt, einem demnächst einzuberufenden Parteitag Bericht zu erstatten, und daß schließlich in dieser Kommission den Berliner revolutionären Obleuten die Möglichkeit gegeben ist, in ihrem Sinne dort zu wirken.

Die Genossen selbst führten als Differenzpunkte für die Einigung an, daß der beschlossene Wahlboykott zur Nationalversammlung einer der Punkte sei; der andre Punkt der Name der neugegründeten Partei. Wir haben ihnen erklärt, daß an diesen Beschlüssen der Konferenz sowohl hinsichtlich des Wahlboykotts wie des Namens nichts zu ändern sei, sondern daß dies schließlich dem nächsten Parteitage vorbehalten sei, wenn die Programm- und Organisationskommission auf Grund ihrer Beratungen zu andern Vorschlägen kommen sollte. Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen, sie werden von einem Teil der Zentrale weiter geführt. Ich weiß nicht, wie die Verhandlungen auslaufen werden. Wir werden also in Kürze den Bericht erhalten.

Soviel über die Gründe der eben eingetretenen Unterbrechung der Tagung. Ich bedaure, daß sich unsre Reihen infolge dieser Verhandlungen so gelichtet haben; aber wir müssen doch versuchen, unsre Tagesordnung heute noch zu Ende zu führen. Um das möglich zu machen, bitte ich Sie, daß wir von einer Diskussion über die Organisation Abstand nehmen, daß wir genauso wie bei den Vorschlägen zum Programm auch sämtliche Vorschläge zur Organisation der Kommission überweisen, in der ja doch nicht nur die Bezirke, sondern auch die meisten Sprecher, die hier in der Konferenz sich zu den Fragen geäußert haben, vertreten sind. Ich glaube auch, eine weitere Beratung der Organisationsvorschläge würde uns nicht weiter führen, weil wir endgültige Beschlüsse hier zu fassen kaum in der Lage sind, um so weniger, als unsre Reihen sehr gelichtet sind. Ich würde Ihnen also empfehlen, daß wir die vorliegenden Anträge zur Organisation der gewählten Organisations- und Programmkommission überweisen. Erhebt sich gegen diesen Vorschlag Widerspruch?

[Genosse] Becker [Dresden]: Ja, Genossen, ich bin auch dafür, daß wir die Vorschläge, die hier gemacht werden, alles das, was als Material überwiesen wird, nicht mehr behandeln; aber ich bin doch der Auffassung, daß man über die Wahl der Zentrale noch spricht und Entscheidung herbeiführt. Diese Zentrale wird ja allerdings nur eine Zentrale sein, die bis zum nächsten Parteitag funktionieren wird; aber wir sind der Auffassung, daß sie trotzdem einer Ergänzung bedarf und daß wenigstens eine gewisse Änderung da eintritt.

Vorsitzender: Zunächst handelt es sich bei den Organisationsvorschlägen nicht um die Wahl der Zentrale, sondern nur um die Organisationsvorschläge, mit deren Überweisung an die Kommission ja Genosse Becker einverstanden ist.

[Genosse] Jacob [Berlin]: Genossen, so notwendig wie es wäre, über die Organisationsform oder Organisation im allgemeinen zu sprechen, so ist es doch sehr bedauerlich, daß die Versammlung sich bereits so gelichtet hat. Ich meine, notwendig ist unbedingt, vor allem für die Berliner, eine einheitliche Organisation in Bezirken und Gruppen herbeizuführen. Bedauerlich ist ja eben, daß die meisten Delegierten schon nach Hause gegangen sind.

[Genosse] Rieger [Berlin]: Genossen, ich stelle mir die Organisation Berlins, wenigstens die Vorarbeiten, so vor: Wir werden ja jetzt sofort die Beschlüsse auszuführen haben hinsichtlich der Trennung. jeder einzelne Bezirk hat seinen Berichterstatter. Dann wird zu der Organisationsfrage Stellung genommen, und dann kommen die Vertreter der Bezirke zusammen und sprechen über die einheitliche Organisation für Berlin.

Vorsitzender: Wir kommen zur Abstimmung darüber, ob Sie damit einverstanden sind, daß wir alle gemachten Organisationsvorschläge der eingesetzten Programm- und Organisationskommission überweisen und damit von jeder weiteren Debatte Abstand nehmen. Wer dafür ist, den ersuche ich, eine Hand zu erheben.

(Geschieht.)

Ich danke Ihnen. Ich bitte um die Gegenprobe!

(Die Gegenprobe erfolgt.)

Gegen zwei Stimmen angenommen.

[Genosse] Tetens [Wilhelmshaven] (persönliche Bemerkung): Genossen, ich möchte mich kurz zu den Auslassungen des Genossen Eberlein äußern, in denen eine Sinnentstellung an meinen Worten vorgenommen worden ist: Ich hätte der Zentrale hier mein Mißtrauen ausgesprochen – oder wie es von Genossen Eberlein ausgedrückt wurde. Ich stelle hier fest, daß, wenn einer Hochschätzung vor den Leuten hat, die unsrer Bewegung vorgekämpft, haben, ich eine solche Hochschätzung hege.

Dann fragte Genosse Eberlein, wo ich, der junge Genosse, denn gewesen wäre – das fragte er viermal in etwas zynischem Tone –, wo denn da die jungen Genossen gewesen waren. Genosse Eberlein, ich möchte Ihnen die Antwort darauf nicht schuldig bleiben. Ich habe mich hier in der Jugendbewegung betätigt. Im Jahre 1917 wurde mir meine Stellung unmöglich gemacht, so daß ich aus Berlin heraus mußte und mich nach Süddeutschland wenden mußte. Dann war meine Zeit soweit, daß ich zum Militär einrücken mußte. Da machte ich die Bekanntschaft einiger kommunistischer Genossen, die brachten meine Legitimationspapiere in den Stand, daß ich mich ein ganzes Jahr davon drücken konnte, als Schafottobjekt, als Kanonenfutter für den Kapitalismus in den Schützengraben zu ziehen. Dann war ich in Frankreich in einer Reparaturwerkstätte beschäftigt, da habe ich mich gegen die elenden Arbeitszustände gewandt und bin dagegen eingeschritten; da wurde ich ausgewiesen. Dann ging ein Telegramm nach Freiburg hinter mir her, wo ich festgehalten werden sollte; da war meine Zeit gekommen, daß ich nach Wilhelmshaven gehen mußte. – Es hätte also leicht kommen können, daß ich in den Schützengraben gekommen wäre, wo ich vielleicht auf Nimmerwiedersehen verschwunden wäre.

Dann halte ich es nicht für fein, jugendlichen Genossen in der Weise entgegenzutreten, wie es Genosse Eberlein getan hat. Nicht all und jeder Genosse von 17, 18 und 19 Jahren kann schon so für unsre Bewegung gearbeitet und gelitten haben, wie es unsre Vorkämpfer Liebknecht und Luxemburg getan haben. Das berechtigt aber Genossen Eberlein noch nicht zu seiner Stellung gegen meine Person. Ich halte es für wichtig, das hier festzustellen: und wenn diese Dusche etwas kalt ist, Genosse Eberlein, so ist es meine Ansicht, daß auf einen groben Klotz auch ein derber Keil gehört.

[Genosse] Ertinger [Bremen] (tatsächliche Richtigstellung): Parteigenossen, den vortrefflichen Ausführungen des Genossen Eberlein betreffs der Organisationsform usw. kann ich nur beipflichten. Ich kann aber nicht verstehen und muß hier mein Bedauern zum Ausdruck bringen, daß gerade Genosse Eberlein, der für das Zusammenarbeiten aller revolutionären Parteigenossen und Gruppen aufs wärmste eingetreten ist, es sich nicht hat verkneifen können, von einem Blatte zu sprechen in dem Sinne, daß Leute, die sehr stark nach links drängen und sehr stark den zentralen Charakter der ehemaligen Spartakusgruppe angreifen, ein Blatt herausgegeben haben, das eine Tageszeitung werden sollte, aber nachher ein Wurstblatt geworden ist. Das hat der Genosse Eberlein hier tatsächlich gesagt. Ich muß das ganz entschieden zurückweisen. Gemeint ist der Kommunist, der in Bremen herausgegeben worden ist. Der Kommunist in Bremen wird aber auf jeden Fall mit dem den Vergleich aushalten, was in Berlin von den Genossen herausgegeben worden ist: Ich meine die Rote Fahne. (Zuruf: „Als Flugblatt sehr gut, als Tageszeitung nicht zu gebrauchen!“)

Es ist keine Tageszeitung gewesen, sollte nie eine Tageszeitung sein, sondern der Kommunist war nur eine Flugzeitung, und was den Inhalt dieser Flugzeitung betrifft, so ist von allen Genossen anerkannt worden, daß diese Flugzeitung redaktionell wie theoretisch sehr gut geleitet gewesen ist. („Sehr richtig!“)

Dies muß ich hier feststellen.

[Genosse] Prudlo [Beuthen] [25] (zur Geschäftsordnung): Diese Fragen, die wir hier debattieren, sind unnütz. Wir haben in Oberschlesien eine ungeheure Masse hinter uns. Wir haben uns in vier Tagen so organisiert, daß wir darauf rechnen, daß wir in einigen Tagen auf Hunderttausende zählen könnten; und unsereiner ist damit zufrieden, was von der Zentrale ausgegeben worden ist. Wir sind in der ganzen Arbeiterschaft Oberschlesiens mit dem, was der Spartakusbund will, voll und ganz einverstanden, und wir gedenken das auch durchzuführen. Aber diese Streitigkeiten hier sind unnütz. Ich bitte die Genossen, überhaupt über diese Sachen nicht mehr zu debattieren.

Vorsitzender: Damit sind die persönlichen Bemerkungen erledigt. Wir kämen jetzt zur Wahl der Zentralleitung. In der Zentralleitung waren bisher Genossin Luxemburg, die Genossen Liebknecht, Levi, Thalheimer, Lange, Duncker, Pieck, Eberlein, Leo [Jogiches], Meyer, Käte Duncker. Es sind jetzt hier vorgeschlagen Liebknecht, Luxemburg, Levi, Thalheimer, Pieck, Eberlein, Leo [Jogiches], Frölich und Käte Duncker. Danach sind also einige Genossen der bisherigen Zentralleitung ausgeschaltet worden.

[Genosse] Meyer [Zentrale]: Genossinnen und Genossen! Ich muß noch einmal auf die Verhandlungen mit den früheren Internationalen Kommunisten zurückkommen. In diesen Verhandlungen wurde verabredet, daß auf der heutigen Reichskonferenz des Spartakusbundes die Zentrale ohne weiteres durch Vertreter aus den verschiedenen Bezirken ergänzt werden soll, und zwar sollte dieser Vorschlag von uns, von der Zentrale gemacht werden. Ich bin daher verpflichtet, entsprechend der Verabredung, die mit den früheren Internationalen Kommunisten getroffen worden ist, Ihnen diesen Vorschlag zu unterbreiten, und zwar tue ich das nicht nur, weil das einer Verabredung entspricht, sondern weil das selbst unserm Wunsche entspricht, daß die Zentrale durch einen Reichsausschuß ergänzt wird, und zwar möglichst nach 9 bis 10 Bezirken. Diese Bezirke sind, ohne daß sie im einzelnen genannt werden, in der Vorschlagsliste enthalten. die wir Ihnen zu dem vorhergehenden Punkt der Tagesordnung vorlegten. Es waren: Berlin, Schlesien, Braunschweig (Mitteldeutschland), Hamburg (Wasserkante), Hessen, Rheinland-Westfalen, Erfurt (Mitteldeutschland), München (Bayern), Stuttgart (Württemberg), Chemnitz (Sachsen). Es käme noch hinzu ein Bezirk Ost- und Westpreußen, und ich bitte Sie, entsprechend diesem Vorschlage, dem ja damals auch die Kommunisten zustimmten, die Zentrale dahin zu ergänzen, daß neben ihr ein Reichsausschuß zusammentritt. Auch jetzt schon für die Übergangszeit scheint mir das notwendig. Wir wollen nicht warten, bis der nächste Parteitag zusammentritt und dann endgültig diese Dinge vorlegt; wir halten es für zweckmäßig, schon jetzt in der Übergangszeit einen solchen Reichsausschuß zu schaffen, so daß Vertreter der 10 Bezirke Deutschlands Gelegenheit haben, mindestens alle zwei bis drei oder vier Wochen hier in Berlin zusammenzutreten und mit der Zentrale alle wichtigen politischen und taktischen Fragen zu beraten. Es ist das besonders notwendig, weil – darin werden Sie mir zustimmen – die Situation in den allernächsten Tagen, mindestens aber Wochen, sich aufs äußerste verschärfen kann, so daß die Zentrale Wert darauf legt, in diesen schwierigen Situationen eine enge Fühlung mit Vertretern der verschiedenen Bezirke zu haben.

Nun kommt nur die eine Schwierigkeit hinzu, die wir schon beim vorigen Punkt der Tagesordnung hatten: Am zweckmäßigsten wäre es, wenn diese Vertreter von den Bezirken oder Gauen selbst gewählt werden, damit sie wirklich den Wunsch und Willen der Bezirke selbst vertreten und nicht durch eine Zufallswahl Genossen, wenn auch aus den verschiedenen Bezirken, hier hereinkommen, ohne daß sie das besondere Vertrauen ihrer Bezirke genießen. Es wäre ja immerhin möglich, daß der Gesamtkonferenz noch ein Einspruchsrecht gegen irgendeinen bestimmten Vorschlag eines besonderen Bezirks gewahrt bleibt. Das wäre möglich; aber ich glaube, das wird keine besondere praktische Rolle spielen. Dagegen würde ich Sie im Auftrage der Zentrale dringend bitten, schon heute Ihrerseits – die Zahl der Teilnehmer ist ja leider keine sehr große, so daß die Verständigung leicht sein wird – Vertreter Ihrer Bezirke uns vorzuschlagen, so daß in diesem Falle nur eine Bestätigung durch die Konferenz zu erfolgen hätte. Wie gesagt, das ist ein Vorschlag für die Übergangszeit. Die endgültige Stellung der Zentrale und des Reichsausschusses und überhaupt der Zentralleitung und der besonderen Organisationsformen bliebe dann dem nächsten Parteitag vorbehalten, der ja nach unser aller Wunsch möglichst bald zusammentreten soll.

Genosse Becker [Dresden]: Genossen, ich bin der Auffassung, daß die jetzige Zentrale ja doch nicht etwa wie die englischen Lords ein Erbrecht hat und daß jedenfalls neun Personen für die Zentrale vollkommen genügen werden. Der praktische Verlauf wird ferner der sein, daß auf dem nächsten Parteitag ja erst die eigentliche organisatorische Grundlage der Partei geschaffen wird und dann erst gesehen wird, wie die ganze Leitung der Partei sich zusammensetzen wird, und daß dann auch eine entsprechende Neuwahl stattzufinden hat.

Protestieren muß ich gegen den Vorschlag des Genossen Meyer, einen solchen Reichsausschuß zu bilden, Genossen und Genossinnen, das würde genau so ein Gebilde werden wie früher der Parteiausschuß in der alten Sozialdemokratie. Der war ein Anhängsel der Parteileitung oder Zentrale, die ihn dann benutzte, wenn sie etwas machen wollte, was nach außen hin größer aussehen sollte.

Dann bin ich dafür, daß wir heute den Zustand so lassen, wie er ist, daß wir eine Zentrale wählen, wie sie war, und es dem nächsten Parteitag überlassen – wie er auch eine vollkommen neue Organisation schaffen wird –, so auch eine vollkommen neue Parteileitung zu schaffen. Auf diesem Parteitag wird auch die ganze organisatorische Frage gelöst werden müssen, die Frage, ob man einen Reichsausschuß oder dergleichen haben muß oder will. Wenn sich der Genosse Meyer auf die Verhandlungen mit der Kommission der Internationalen Kommunisten beruft, so versichere ich ihm, daß diese Dinge ja nun erledigt sind in dem Moment, wo der heutige Parteitag anders beschließt, und ich stehe da gar nicht an zu erklären, daß wir diesen Vorschlag, aus jedem Bezirk schon jemanden zu diesem jetzigen Zentralvorstand zu delegieren, gern zurückziehen würden, weil wir eben sehen, daß tatsächlich noch keine Bezirke da sind und daß diese ganze Geschichte in der Luft hängt, solange wie eben die Organisationskommission tatsächlich noch keine Organisation geschaffen hat, tatsächlich noch keine wirkliche Bezirkseinteilung vorgenommen hat, auf deren Grundlage dann Beisitzer oder überhaupt gleichberechtigte Mitglieder einer Zentrale gewählt werden könnten. Denn wir dürfen auf keinen Fall darauf hinarbeiten, daß diejenigen Genossen und Genossinnen, die von den einzelnen Bezirken delegiert werden, so eine Art Reichsausschuß oder Mitglieder der Zentrale zweiter Klasse werden. Ich bin der Auffassung, daß sämtliche Mitglieder der Zentrale, mögen sie nun in Berlin wohnen oder mögen sie Vertreter der Bezirke sein, vollkommen gleichberechtigte Mitglieder sein müssen, sie müssen ihre Lebensweise eben so einrichten, daß sie an der Arbeit der Zentrale immer teilnehmen können, wenn es notwendig ist; und wir haben ja auch einen diesbezüglichen Vorschlag, überhaupt einen ganzen Organisationsvorschlag von der Fünferkommission der IKD damals erhalten, und er liegt ja der Organisationskommission als Material vor, um mit dem andern Material zusammen bearbeitet zu werden.

Also Genossen, ich bin dafür, daß man heute eine Zentrale wählt, die so weiterarbeitet wie bisher, natürlich den neuen Verhältnissen entsprechend, und dann auf dem nächsten Parteitag die vollkommene organisatorische Grundlage und auch die neue Parteileitung schafft und von der Vertretung der Bezirke nur dann schon Gebrauch macht, wenn tatsächlich diese Bezirkseinteilung geschaffen worden ist und diese Sache auch wirklich eine reale Grundlage hat.

[Genosse] Meyer [Zentrale] (tatsächliche Feststellung): Ich habe zu den Erklärungen des Genossen Becker folgendes festzustellen. Dieses Wort „Reichsausschuß“ lag vor in der Erklärung und dem Wunsche, den die Internationalen Kommunisten uns selbst ausgesprochen haben („Hört! Hört!“), und zwar war das gedacht – vielleicht habe ich mich mißverständlich ausgedrückt – als eine Zentrale, genannt Reichsausschuß, gebildet aus der Zentrale, die in Berlin sitzt, und den Vertretern der verschiedenen Gaue. Der zweite Vorschlag, daß diese Mitglieder der Zentrale, genannt Reichsausschuß, von den Bezirken selbst gewählt werden, war ebenfalls ein Vorschlag der Internationalen Kommunisten. [26]

[Genosse] Walcher [Stuttgart]: Genossen, ich möchte Sie bitten, sowohl den Vorschlag des Genossen Meyer, der Ihnen die Einsetzung eines Reichsausschusses empfiehlt, wie auch den Antrag, der eine Änderung in der Zusammensetzung der Zentrale bezweckt, abzulehnen. Ein Reichsausschuß mag notwendig sein oder nicht: Für die Zeit, für die die Zentrale noch die Geschäfte zu führen hat, geht es jedenfalls ohne weiteres so, wie es bisher gegangen ist. („Sehr richtig!“)

Es hat ja gar keinen Zweck, sich über diese Frage jetzt lange zu unterhalten, wo wir vor der Tatsache stehen, daß in vier oder sechs Wochen ein Parteitag zusammentritt. Nun, den Genossen, die während des Krieges unter den größten persönlichen Opfern die Geschäfte geführt haben, sollen wir heute, wo wir das erste Mal zusammentreten, ein Mißtrauensvotum ausstellen und erklären: Ihr seid nicht mehr würdig, bis zur nächsten Konferenz die Geschäfte zu führen? Das geht doch nicht. Es ist gewiß richtig, wenn Genosse Meyer sagt, daß man angesichts der raschen Zuspitzung der politischen Situation mit den Genossen in der Provinz Fühlung nehmen müsse; aber diese notwendige Fühlung ist in ausreichendem Maße durch die Programmkommission hergestellt, die doch auch ihre Arbeiten aufnehmen muß und hier zusammentritt.

Ich möchte Sie also bitten, beide Anregungen abzulehnen und einfach den Zustand so lange zu belassen, vier oder sechs Wochen, bis eben der Parteitag zusammentritt. Das wäre der Konferenz unwürdig, wenn sie den Genossen jetzt in dieser Form ein Mißtrauensvotum ausstellen wollte.

[Genosse] Hirsch [Cuxhaven] (zur Geschäftsordnung): Parteigenossen, ich schließe mich den Ausführungen des Vorredners an. Ich möchte darauf hinweisen, daß wir gar keinen Beschluß fassen können. Wir sind nicht beschlußfähig, weil wir nicht auf Grund eines geordneten und anerkannten Wahlverfahrens hier zusammen sind. So sind zum Beispiel aus Cuxhaven nicht weniger als vier Delegierte anwesend – das richtet sich natürlich nicht gegen die betreffenden Herren –, aber so wird es überall sein. Wenn die Mandatsprüfungskommission auch heute die Prüfung nach den Grundsätzen vorgenommen hätte, die bei ordnungsmäßig übertragenen Mandaten maßgebend sind, so würde die Mehrzahl der anwesenden Genossen nicht berechtigt sein, an den Beschlüssen teilzunehmen.

Vorsitzender: Damit die Zeit nicht durch diese beiden Fragen unnötig in Anspruch genommen wird, will ich den Vorschlag machen, daß wir die Zentrale lassen, wie sie ist („Sehr richtig!“), und daß gemäß den Vereinbarungen, die mit den Internationalen Kommunisten getroffen sind, ein Mitglied der Kommunisten hineingewählt wird. Dafür ist Genosse Frölich vorgeschlagen. Ich glaube, damit unterbinden wir alle weiteren unbrauchbaren Diskussionen, die naturgemäß aus solchen Personenfragen entstehen. Die Zentrale hat die Geschäfte bisher zur Zufriedenheit der Mitglieder des Spartakusbundes geführt, und es liegt kein Grund vor, jetzt drei Mitglieder ausscheiden zu lassen, wo wir mit der Tatsache zu rechnen haben, in kurzer Zeit einen Parteitag, der ordnungsgemäß auf Grund der vorgenommenen Wahlen stattfindet, zu haben, der dann bindende Beschlüsse für die Zukunft fassen kann.

Wer damit einverstanden ist, daß wir so verfahren, den ersuche ich, die Hand zu erheben.

(Geschieht.)

Ich danke; die Gegenprobe.

(Die Gegenprobe erfolgt.)

Der Antrag ist gegen zwei Stimmen angenommen.

Die Zentrale besteht demnach aus folgenden 12 Genossen: Hermann Ducker, Käte Ducker, Eberlein, Frölich, Lange, Jogiches, Levi, Liebknecht, Luxemburg, Mayer, Pick, Thalheimer.

[Genosse] Becker (Dresden): Ich möchte nur sagen, daß der Antrag auf Verminderung der Zentrale durchaus nicht aus Mißtrauen gegen irgendwelche Mitglieder der Zentrale erfolgt ist. Dann hätten wir ganz andere Personen ausscheiden lassen, als es tatsächlich geschehen ist. Wir sind nur überzeugt, daß die Zentrale nicht so groß zu sein braucht, wie sie bisher war. Aber da der nächste Parteitag die Entscheidung treffen kann, wird man sich mit der vorläufigen Regelung einverstanden erklären können.

Der Genosse Meyer hat sich geirrt, wenn er sagte, daß wir einen Reichsausschuß vorgeschlagen hätten. Mit dem Wort „Zentralausschuß“ ist die Zentrale gemeint, nicht ein Reichsausschuß.

Vorsitzender: Damit ist wohl diese Auseinandersetzung erledigt.

Es ist jetzt die Kommission, die mit den revolutionären Obleuten verhandelt hat, zurückgekehrt. Dazu wird Liebknecht das Wort nehmen.

[Genosse] Liebknecht [Zentrale]: Genossen, Sie haben durch Ihre Zustimmung zu der kurzen Vertagung und durch die Freude, die Sie bei der Mitteilung von dem Vorschlag der revolutionären Obleute zeigten, deutlich zum Ausdruck gebracht, daß Sie Gewicht darauf legen, wenn es irgend möglich ist, mit den revolutionären Obleuten Hand in Hand zu gehen. („Sehr richtig!“)

Wir haben jetzt Verhandlungen gepflogen, die zu einem Ergebnis noch nicht führen konnten. Die Zeit reichte naturgemäß nicht aus, um dasjenige, was zur Grundlage der Verhandlungen dienen kann, vollständig klarzustellen und insoweit zu erledigen, daß wir einen Beschluß fassen konnten. Es ist nun von den revolutionären Obleuten, die noch im Hause versammelt sind, die Bitte an den Kongreß gerichtet, er möge sich heute bis auf morgen 11 Uhr vertagen. Inzwischen sollen die Verhandlungen gepflogen und womöglich zu Ende geführt werden.

Mit Rücksicht auf die große Wichtigkeit der Angelegenheit möchte ich – und ich glaube, im Namen aller zu sprechen die als Vertreter des Kongresses unten gewesen sind – diesen Wunsch der Obleute befürworten. Wir können noch in keiner Weise andeuten, ob die Verhandlungen zu einem Resultat führen werden oder nicht. Indessen ist die Sache von solcher Wichtigkeit, daß sie es rechtfertigt, wenn der Kongreß noch einen Tag länger zusammenbleibt. Ich bitte Sie, in diesem Sinne zu beschließen. Unter Umständen könnten wir, wenn Sie Lust haben, noch den letzten Punkt der Tagesordnung erledigen, so daß wir morgen nichts weiter zu tun haben, als den Bericht der Kommission entgegenzunehmen. Wir können natürlich auch sofort auseinandergehen.

Vorsitzender: Wenn sich kein Widerspruch gegen die Vertagung erhebt, können wir sofort darüber beschließen.

Wer damit einverstanden ist, daß wir morgen früh um 11 Uhr wieder zusammenkommen, den bitte ich, seine Hand zu erheben.

(Geschieht.)

Ich danke, ich bitte um die Gegenprobe.

(Die Gegenprobe erfolgt.)

Der Vorschlag ist angenommen.

[Genosse] Heckert (Chemnitz) (zur Geschäftsordnung): Parteigenossen, ich halte es natürlich für selbstverständlich, daß dann alle Delegierten dableiben. Ich möchte Sie dann bitten, doch heute mit der Tagesordnung abzubrechen und morgen früh um 9 Uhr wieder zu beginnen. Wir haben dann bis um 11 Uhr Zeit, den letzten Punkt der Tagesordnung ordnungsgemäß zu erledigen.

Vorsitzender: Ich kann Ihnen mitteilen, daß Genosse Duncker sich außerordentlich beschränken wird. Ich glaube, wir können das Referat noch heute abend entgegennehmen.

Ein Redner: Parteigenossen, ich möchte Sie doch ersuchen, diesen Punkt heute noch zu erledigen. Wir wissen nicht, welche Zeit diese Frage morgen in Anspruch nimmt. Wir legen doch Wert darauf, daß wir morgen wenigstens abreisen können.

Vorsitzender: Ich bitte dann das eine zu berücksichtigen. Der Genosse Duncker erklärt, daß er ungefähr zehn Minuten zu der Frage reden und dann eine Resolution vorlegen wird. Es ist doch zweckmäßig, auch für die Presse, wenn wir heute unsere Besprechung abschließen gemäß der Tagesordnung und morgen die andere Angelegenheit erledigen, inwieweit wir mit der Deputation zusammenwirken können. Ich bitte Sie daher, das Referat entgegenzunehmen. Ich halte es für richtig, daß wir im Interesse der Geschlossenheit der Versammlungen die Sache heute zu Ende führen.

Ein Redner: Ich mache darauf aufmerksam, daß ein Teil der Genossen jetzt schon fortgegangen ist und die anderen Genossen wahrscheinlich auch nicht mehr lange bleiben werden.

Dann zu der Sache selbst. Über die Frage des internationalen Kongresses wird man nicht so glatt hinweggehen können. Wir werden die Debatte doch morgen haben. Wir wissen ja, wie so etwas geht. Dann müssen wir morgen doch weiterverhandeln. Also lassen Sie den Genossen Duncker das Referat morgen halten.

Vorsitzender: Ich lasse darüber entscheiden. Wer dafür ist, daß wir das kurze Referat des Genossen Duncker noch heute entgegennehmen, den bitte ich, die Hand zu erheben.

(Geschieht.)

Ich danke; ich bitte um die Gegenprobe.

(Die Gegenprobe erfolgt.)

Die Mehrheit ist dafür, das Referat des Genossen Duncker noch heute entgegenzunehmen.

[6. Punkt der Tagesordnung: Internationale Konferenz]

[Genosse] Duncker [Zentrale]: Es handelt sich bei dieser Frage wohl um eine Frage, bei der wir mit Einstimmigkeit zu einem Beschlusse kommen werden. Wir haben bei anderen Fragen, die wir dem Kongreß vorgelegt haben, verschiedener Meinung sein können, aber in dieser Sache gibt es nur eine Meinung, und ich kann Ihnen ganz kurz die Resolution vorlegen, ein paar Worte dazu sagen, und Sie werden sehen, daß wir uns sehr schnell darüber einigen können:

Der Parteitag weist es ab, in einer internationalen Konferenz der Sozialpatrioten, wie sie jetzt von der britischen Arbeiterpartei einberufen und von den Scheidemännern mit „tiefer Genugtuung“ begrüßt worden ist, eine Körperschaft des internationalen Sozialismus zu sehen.

Diese Konferenz zum Zwecke des gegenseitigen Verzeihens des millionenfachen Brudermordes und des Versuchs der Aussöhnung der gegenseitigen kapitalistischen Interessen kann den tatsächlichen Zusammenbruch der II. Internationale nicht verschleiern. Die Verräter vom 4. August 1914, die in den vier Kriegsjahren als Zuhälter des nationalen Kapitals den Klassenkampf erdrosselt und die sozialistische Idee geschändet haben, haben das Recht verwirkt, im Namen der Arbeiter-Internationale zu sprechen und zu handeln.

Die Kommunistische Partei fordert alle sozialistischen und revolutionären Elemente auf, in ihren Ländern für die rascheste Abrechnung mit dem Imperialismus und für die Bildung von A.- und S.-Räten zu wirken, damit der Weltfriede unter dem Banner des internationalen Sozialismus durch die Aktion des Weltproletariats herbeigeführt wird.

Der Parteitag erblickt darin den einzigen wirksamen Weg zum Ausbau einer neuen Internationale, in der von nun an der Schwerpunkt der Klassenorganisation des Proletariats liegen muß und die nicht eine Internationale der Konferenzen und Resolutionen, sondern der revolutionären Tat sein muß.

Genossen, ich glaube, diese Resolution gibt klipp und klar den Standpunkt, von dem wir ganz allein die Dinge betrachten können. Was ist das für eine Internationale, die da zusammentreten soll, zu der von dem Vorwärts unter dem 22. Dezember [27] eingeladen wird? Sie ist einberufen von den Sozialisten in England, sie wenden sich an die Scheidemänner, an die Leute, die gleichzeitig Bündnis machen gegen unsere proletarischen Brüder im Osten. Es ist wirklich so, wie ... [28] einmal gesagt hat: Eine bürgerliche honette Ehe setzt sich zusammen aus zwei Prostitutionen: Die Frau prostituiert sich, um den Namen des Mannes zu bekommen, und der Mann prostituiert sich, um das Geld der Frau zu bekommen. So ist es auch hier: Die honette Internationale setzt sich zusammen aus der sozialistischen Partei Deutschlands und den Sozialisten der Entente. Wir können an einer Zusammenkunft derartig kompromittierter Leute nicht teilnehmen. Es kann nur eine Geste dabei geben, mit der wir diese Dinge wegwischen vom Tisch. Man tut der Sache zuviel Ehre an, über sie viel Worte zu machen. Wir werden deshalb für die wirkliche Internationale sorgen müssen. Im übrigen steht nichts im Wege, daß die Presse sich mit der Sache beschäftigt und den Verrat der deutschen Sozialisten, dieser Mehrheitsleute, festlegt. Dann wird der Kongreß auch in der breiten Öffentlichkeit ohne weiteres gerichtet sein.

Dann ist noch folgendes charakteristisch: In dem Artikel, mit dem der Vorwärts diese Einladung begleitet, heißt es zum Schluß: „Wir vertrauen auf den Weltsozialismus, nicht des Bolschewismus, sondern der friedlichen Arbeiterdemokratie, der früher oder später kommen und aller Ungerechtigkeit zwischen den Völkern ein Ende machen wird.“ (Lachen.)

Damit wird ausgedrückt, daß der Kongreß als gegen den Bolschewismus gerichtet gedacht ist, und in einer anderen bald darauf erschienenen Notiz des Vorwärts wird ausgeführt. „Wir sind die Freiheit den westlichen Demokratien schuldig, die hier durch den Bolschewismus vergiftet wird.“ [29]

Sie sehen also, dieser Kongreß wird zu nichts anderem dienen sollen, als die Brüder im Auslande aufzuputschen gegen den Bolschewismus. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.)

[Genosse] Levien (München): Genossen, mit der Tatsache der Ablehnung dieses Kongresses ist die Sache noch nicht gemacht. Es ist selbstverständlich, daß wir den Kongreß nach den Proben von den Aufgaben, die ihm bevorstehen, ablehnen. Aber ich möchte es doch der Zentrale nahelegen, ob es nicht möglich ist, mit den Genossen, die auf dem bolschewistisch-kommunistischen Boden stehen, Fühlung zu nehmen. Denn es ist wohl möglich, daß doch linksgerichtete Elemente auf diesem Kongreß vertreten sein werden. Vielleicht wäre es möglich, die Stellung dieser Genossen zu stärken, und es wäre auch gut, wenn eine internationale Besprechung zwischen diesen auf dem Boden des Bolschewismus stehenden Genossen der Entente und uns herbeigeführt werden könnte. Ich möchte bitten, daß die Zentrale darauf hinwirkt, daß in allernächster Zeit eine solche Besprechung stattfindet. Die Frage der Beteiligung an der Konferenz wird durch den Umstand, daß dort vielleicht linksgerichtete Elemente vertreten sein werden, nicht berührt.

Vorsitzender: Wünscht sonst noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Dann lasse ich abstimmen über die Resolution Duncker.

Wer damit einverstanden ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.

(Geschieht.)

Ich danke; die Gegenprobe.

(Die Gegenprobe erfolgt.)

Die Resolution ist einstimmig angenommen.

Damit wären wir am Schluß der heutigen Sitzung angelangt. Ich bitte Sie, morgen früh pünktlich 11 Uhr wieder hier zu sein.

 


Zuleztzt aktualisiert am 22.1.2004