MIA > Deutsch > Geschichte > International > Zweite Internationale > Protokoll des Ersten Kongresses
—100— Nach Beschlußfassung des Congresses lassen wir hier im Abriß die an den Congreß gefandten Berichte folgen, welche ans Mangel an Zeit nicht verlesen werden konnten.
Die zur republicanisch-socialistischen Demokratie gehörigen Elsaß-Lothringer haben es für eine ihnen ganz besonders obliegende Pflicht gehalten, Theil zu nehmen an dieser großen socialistischen un internationalen Kundgebung.
Die eigenartige, Unserem Lande auferlegte Situtation – so sagten sie sich, – der Mißbrauch, welchen man mit den patriotischen Gefühlen getrieben, indem man ihnen bald den Stempel eines groben Chauvinismus ausdrückte, bald sie in den Dienst persönlich-politischer Pläne und ehrgeiziger Charlatane stellte, – zwingt uns ganz besonders diesen Congreß zu besuchen, um den wirklichen Gefühlen Ausdruck zu geben, welche jeden Elsaß-Lothringer in seinem innersten Herzen beseelen müssen.
Bürger! Als Demokraten meinen wir, daß die Freiheit eines Volkes heilig ist wie die des Einzelnen. Indem am 4. September 1870 die Republik von Neuem proklamirt wurde, welche zweimal den Handstreichen der Bonapartes erlegen war, wurde damit zugleich die Solidarität aller Glieder dieser Republik proklamirt. Wir haben gegenseitig die Verpflichtung übernommen, die errungene Freiheit in allen ihren Formen und in allen Theilen des gesellschaftlichen Körpers zu vertheidigen, wo sie etwa gefährdet sein könnte. Diese Freiheit war ein gemeinschaftliches Erbe, das niemand von uns schädigen lassen durfte – die Socialdemokraten noch weniger als alle anderen, in Erwägung, daß sie der republikanischen Idee ihren wirklichen und vollkommenen Ausdruck gegeben haben, indem sie dieselbe als Quelle jeder Emanzipation ansehen, indem sie in ihr alle politischen und sozialen Forderungen zusammenfassen.
Das ist das Geheimniß der ruhmreichen Vertheidigung von 1870; das ist der Grund, warum wir Sozialisten die wir in unserem Abscheu gegen den Despotismus soweit gingen, die Niederlage der kaiserlichen Armee zu wünschen, als Männer der Vertheidigung bis zum Aeußersten auftraten von dem Tage an, wo das Vaterland die Begriffe Republik und Revolution mit umfaßte und sich mit ihnen deckte.
An diesem Tage fand unser Protest zustimmenden Widerhall bei der Socialdemokratie aller Länder, und zwar zur nämlichen Zeit, wo in Frankreich selbst die Coalition falscher Patrioten sich gegen ihn richtete. Während die Trochu, die Jules Ferry und die Jules Fabre uns ins Gefängniß warfen, weil wir den Verrath Bazaine’s rächen wollten, fanden sich in Berlin Männer, welche den Muth besaßen, den siegreichen Armeen zuzurufen: „Nicht weiter!“, welche Bismarck, der neue Credite forderte, nachdrücklichst antworteten: „Wir verweigern Ihnen unsere Zustimmung! Die Deutschen und die Franzosen sind Brüder und wir wollen nicht die Mitschuldigen eines brudermörderischen Krieges sein.“ Diese tapferen Männer sitzen heute mit uns in diesem Congreß! Wir begrüßen sie als Freunde und Brüder ebenso dankbar und herzlich, wie wir die Verräther, welche das Vaterland wehrlos auslieferten, mit unauslöschlichem Groll verfolgen.
Als das ganze Unheil über uns hereingebrochen war, da war es Elsaß-Lothringen, welches für Alle die Zeche bezahlen mußte. Man hat es behandelt, wie man in barbarischen Zeiten eroberte Länder behandelte.
Gegen diese Rechtsverletzung können wir nicht lebhaft genug protestiren.
Wir sind die Männer der Revanche, die uns von Gerechtigkeitswegen geschuldet wird. Aber wie sollen wir unsere Revanche nehmen? Wie sollen wir sie erlangen?
—101— Würdet Ihr Socialdemokraten es auf Euch zu nehmen wagen, zwei große Nationen, Deutschland und Frankreich, welche beide ruhmreich beigetragen haben zu den Werken der Civilisation und es in noch höherem Grade künftig thun werden, gegen einander zu hetzen und in einen Vernichtungskrieg zu treiben der verhängnißvoll sein würde für beide und für die ganze Menschheit? Was auch der Ausgang wäre, es wäre jedenfalls eine Niederlage der socialen Emanzipation, ein Rückfall in die Barbarei.
Wir werden uns dazu nicht hergeben, wir wünschen, daß dieser Krieg nie stattfinde. Unsere Revanche soll nicht die Völker ausrotten Und die Tyrannei befestigen, – unsere Revanche besteht im Fortschreiten der republikanischen und socialistischen Ideen, die von Frankreich aus über die Grenzen binausstrahlen und den Völkern zeigen, daß, wir nicht Feinde sondern Bruder sind, daß wir dieselben Triebe, dieselben Bedürfnisse haben, daß wir denselben Bestrebungen huldigen, und daß wir in gleicher Weise dieselben Hindernisse besiegen, denselben Feind zu bekämpfen haben. Und dieser Feind ist die Unterdrückung in allen ihren politischen und socialen Formen, es ist der brutale Militärdespotismus, es ist das zwar mehr heuchlerisch versteckte, aber nicht minder drückende Joch des Kapitals.
Das Kapital seinerseits kennt kein Vaterland, es ist ebenso rücksichtslos auf deutschem und französischem Boden, wie auf dem von Elsaß-Lothringen. Man hat viel Aufhebens gemacht von den philanthropischen Versuchen der Dolfus, Cöstlin, aber das einzige Resultat, welches dabei herauskam, war weit entfernt davon die Arbeiter zu befreien, sondern hat nur die Kette enger geschnürt und die Verknechtung vollkommen gemacht. Die Gemeinsamkeit der Interessen und der Gefahren, welche die gesammte Demokratie zusammenhält und einigt, und sie dazu treibt, ihre Anstrengungen zu vereinigen, Ihr verkündigt sie in diesem Congreß und wir Socialisten von Elsaß Lothringen begrüßen sie mit Freuden. Mit Euch übereinstimmend wünschen wir den Frieden der allein den demokratischen und socialistischen Ideen erlaubt, Wurzeln zu fassen und zu wachsen; gerade so wie Ihr wollen wir uns nicht gegenseitig die Hälse brechen, wozu politische Charlatane uns treiben möchten, sondern wir wollen uns vereinigen, uns in Gruppen organisiren, um gemeinschaftlich an der allgemeinen Befreiung, an der politischen und ökonomischen Emanzipation der großen Familie aller Proletarier zu arbeiten! Wir sagen den Franzosen und den Deutschen, wie den Belgiern, den Schweizern u.s.w.: vor der socialistischen Idee verschwinden die Vielheit und die Unterschiede der Völker. Für uns gibt es nur ein Volk: das Volk der Arbeiter, das sich sammelt unter dem Banner, welches in diesem Saale prangt und das besser als alle anderen Banner die Runde um die Welt machen wird, und zwar nicht um hinter sich Gemetzel und Wuth schnaubenden Haß einherzuführen sondern um den fruchtbringenden Samen der allgemeinen Emancipation zu verbreiten, um überall die gemeinsame Kette der Sclaverei und des Elends zu brechen.
Diese Kette verdankt ihre Dauerhaftigkeit dem Kriege, wir aber wollen den Frieden; – sie verdankt ihre Festigkeit einer Armee von Soldaten im Solde der Herrschenden und Kapitalisten. Kein stehendes Heer mehr! Aber allgemeine Volksbewaffnung! Das ist das einzige Mittel den Krieg zu unterdrücken, den Triumph der politischen und socialen Freiheit zu sichern und dadurch die Herrschaft der Brüderlichkeit unter den Menschen herzustellen.
Mit herzlicher Freude begrüßen die deutschen Socialisten der Rebublik Argentinien den Socialisten congreß der Arbeiter zweier Welten, der —102— soeben zur hundertjährigen Feier der denkwürdigen Erstürmung der Bastille eröffnet werden soll. Unglücklicherweise ist es ihnen nicht möglich, einen Delegirten zu senden wegen der großen Entfernung von Paris und der großen Reisespesen. Dennoch legen sie ungemein großen Werth darauf, auf diesem Congreß vertreten zu sein, und unterbreiten ihm einen kurzgefaßten Bericht über die Lage der Arbeiter in Buenos-Aires.
Die Arbeiterbewegung ist hier noch im Werden begriffen. Die intellektuelle Entwicklung der einheimischen Proletarier ist noch so sehr im Rückstand, daß diese noch nicht einmal die Nothwendigkeit einer Vertheidigung ihrer Interessen eingesehen haben.
Die eingewanderten Proletarier rekrutiren sich in ihrer Mehrzahl aus Italienern, Spaniern, Franzosen und nur in ihrer Minderzahl aus Schweizern, Oesterreichern, Deutschen und Nordeuropäern im Allgemeinen. Die Sprachverschiedenheit ist ein großes Hinderniß für eine allgemeine Verständigung. Und dann kommen viele hierher mit der fixen Idee, in kurzer Zeit ein großes Vermögen zu erwerben und hierauf wieder in ihr Vaterland heimzukehren. Von dieser Sorte Menschen haben wir eine ganze Masse, die einerseits sich weder um die sociale Frage kümmern, noch um irgend eine andere, und nur ihr Augenmerk der „Jagd nach dem Dollar“ widmen – und da heißt es: Wie gewonnen, so zerronnen, – und die andererseits ein im Elend schmachtendes Proletariat bilden.
Außer dem Lohnsystem ist als Grund der Arbeiterausbeutung zu nennen die verwahrloste und unredliche Verwaltung dieses von Natur so reichen Landes. Dank der elenden Verwaltung hat die Republik Argentinien alle pflügbaren Ländereien an Privatleute verschenkt, welche in einer schamlosen Weise damit spekuliren und Wucher treiben und die Einwanderer zu Tributpflichtigen auf Lebenszeit machen. Dank dieser Verwaltung hat die Republik Argentinien auch noch eine Staatsschuld von 900 Millionen Pesos (1 Peso = 5 Francs = 4 Mk); zur Verzinsung dieser Schuld gehen jährlich mehr als 60 Millionen Pesos ins Ausland. Die Staatseinnahmen werden zu neun ziehnteln durch indireite Steuern aufgebracht, welche hauptsächlich auf Lebensmitteln liegen und dieselben in einer Weite vertheuern, daß die Lage der Arbeiter unerträglich ist, namentlich wenn sie zahlreiche Familie haben.
Papiergeld ist das gesetzliche Zahlungsmittel. Laut Bericht des Präsidenten in seiner Denkschrift an den Congreß sind bei einer Bevölkerung von 3½ Millionen mehr als 151 Millionen Pesos (755 Millionen Frcs.) Banknoten im Umlauf, die nur zu 8 % mit Gold gedeckt werden können. Dieses scandalöse Mißverhältniß, welches von Tag zu Tag schlimmer wird, schuf ein Gold-Agio von 60 %, so daß also 160 Pesos in Papier nur 100 Pesos in Gold werth sind. Dieser Umstand verschlimmert natürlich ganz erheblich die Lage der Arbeiter, die ausschließlich mit Papiergeld bezahlt werden, während der Preis aller ihrer Bedarfsartikel nach dem Gold-Agio berechnet wird. Die hohen Löhne sind also bloßer Schein.
Der Tagelohn eines Arbeiters schwankt zwischen 1, 2, 2½ und 3 Pesos; nur in einigen ganz ausnahmsweise günstigen Industriebetrieben übersteigen die Löhne diesen Satz.
Die Wohnungs- und Miethsverhältnisse bilden einen anderen Krebsschaden, der am Mark des Arbeiters zehrt. Die Miethe für ein einzelnes Zimmer beträgt im Durchschnitt 20 Pesos monatlich und Dank der Spekulation mit Grund und Boden ist sie in stetem Steigen begriffen. Die Kammern sind ferner zum größten Theil ohne Fenster, mit Steinvließen gepflastert, feucht und sehr ungesund.
Das kapitalistische Raubsystem hat es glücklich dahin gebracht, dieses von der Natur so begünstigte Land zu einer Hölle für die Arbeiter und zu einem Paradies für die Ausbeuter zu machen. Kinder zu haben ist so zu sagen verboten, im Hinblick auf die Thatsache, daß vielköpfige Arbeiterfamilien nur sehr schwer und bei erheblich erhöhter Miethe Wohnung finden.
—103— Die Schulen entsprechen trotz ihrem glänzenden Aeußeren keineswegs den Anforderungen, die man an gute Schulen billigerweise stellen kann. Die Kinder laufen hier Gefahr, intellektuell verwahrlost zu werden, man muß also Familien mit unterrichtsbedürftigen Kindern von der Einwanderung nach der Republik Argentinien ernstlich abrathen. Die Kinder der Proletarier sind vom zartesten Jugendalter an gezwungen, sich ihr Brot selbst zu verdienen. Es gibt keine Arbeiterschutzgesetze zur Beschränkung der Frauen- und Kinderarbeit in den Werkstätten. Im Gegentheil, der Staat begünstigt geradezu mit Steuerbefreiungen, mit Interessenschutz und mit Ueberlassung von Grund und Boden solche Unternehmer, welche Etablissements gründen mit dem ausgesprochenen Zweck, die Frauen- und Kinderarbeit auszudeuten.
Die Rechtspflege ist kläglich; die Gönnerschaft allein diktirt die Urtheilssprüche. Strengt der Arbeiter gegen seinen Patron (Arbeitgeber) Prozeß an wegen zurückbehaltenen Lohnes, so kann er lange Jahre mit großen Kosten prozessiren ohne sein Recht zu erlangen.
Diese traurige sociale Lage, welche sich fortwährend verschlechtert, hat Ende vorigen und Anfangs dieses Jahres mehrere Arbeitseinstellungen veranlaßt, und zwar bei den Arbeitern der Eisenbahnwerkstätten. Während dieser Streiks hat die Polizei in brutaler Weise Partei genommen für die Arbeitgeber. Das Vereinigungsrecht ward für die Arbeiter unterdrückt, Streikende wurden ins Gefängniß geworfen. Einige Monate später wurden 144 Schneider verhaftet, die ruhig eine Sitzung abhielten, und zwar auf Denunziation ihrer Patrone. Ihr Verbrechen bestand darin, daß sie sich über eine Lohnerhöhung von 25 % berathen hatten. Die kapitalistische Presse forderte im Anfang dieses Jahres ein Gesetz gegen die Socialisten, die man für die Streikes verantwortlich machte, während in Wahrheit das Elend und die Noth die Streitenden zu einem hoffnungslosen Kampf trieb, welche sich dem Socialismus gegenüber zum größten Theil ganz indifferent verhielten.
Der Einfluß der Socialisten ist in der That noch sehr gering. Das Kleingewerbe wiegt vor und es fehlt an Industrieen, welche die Arbeiter zu Tausenden an die Arbeitsplätze oder in die Fabriken führen.
Nur hier und da gibt es einige Fachvereine und Korporationen; die Zahl ihrer Mitglieder ist verschwindend klein und sie können kaum leben. Man kann nur einen internationalen Verein (cercle international) nennen, der hauptsächlich Italiener, Spanier und Franzosen umschließt, welche sich wöchentlich einmal versammeln. Sie bekennen sich zu anarchistischen Tendenzen und das ausgebrachte Geld wird nach Europa geschickt zur Unterstützung der dortigen Propaganda.
Der wiederholt von Italienern gemachte Versuch, ein Arbeiterblatt in italienischer Sprache zu gründen, ist stets an der Theilnahmlosigkeit der Masse gescheitert.
Schon seit 9 Jahren haben sich die deutschen Socialisten von Buenos-Aires zu einem Verein „Vorwärts“ zusammengethan welcher von 13 Mitgliedern gegründet wurde und jetzt deren über 150 zählt. Der Verein besitzt ein eigenes Vereinslokal mit einem Saal, einer Theaterbühne und einer Bibliothek von mehreren Hundert Bänden, und die Mehrzahl dieser Bücher sind socialistische Schriften und wissenschaftliche Werke. Die Grundlage des Vereins ist das Programm der deutschen Socialdemokraten. Er hat eine Agentur für Verkauf und Verbreitung socialistischer Litteratur: er sammelt Geld, das er nach Deutschland schickt, um die Wahlen und die verfolgten und gemaßregelten Genossen zu unterstützen An den Vereinsabenden werden Diskussionen über sociale Themata veranstaltet. Daneben wird der Gesang gepflegt und die deutschen Arbeiter von Buenos-Aires besuchen die vom Verein veranstalteten Feste gern. Die Mitglieder des Vereins haben die Anregung gegeben und Hand ans Werk gelegt zur Gründung eines deutschen Arbeiterblattes „Vorwärts“, welches vom —104— Berichterstatter herausgegeben wird. Vor 3 Jahren wurde das Blatt gegründet; es fing mit 150 Abonnenten und in kleinem Format an zu erscheinen, mußte dreimal vergrößert werden und hat jetzt eine Auflage von 600 Exemplaren. Unter großen Schwierigkeiten hält sich das Blatt, dank der Beihilfe der treuergebenen Genossen.
Wir haben die sociale Lage in Buenos-Aires geschildert; in der Provinz sind die Verhältnisse ähnlich, und, weit entfernt auf dem Lande besser zu sein, müssen sie dort sogar als noch schlimmer bezeichnet werden.
Die deutschen Socialisten der La-Plata-Staaten übersenden diesen kurzgefaßten Bericht dem Congreß und versichern demselben, daß sie seine Verhandlungen mit dem lebhaftesten Interesse verfolgen und daß sie nach Kraften für die Verbreitung der socialistischen Ideen arbeiten, um die Ankunft des Tages zu beschleunigen, an welchem die Bastille des Kapitals geschleift sein wird, und Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit triumphiren werden. Es lebe die Verbrüderung der Arbeiter aller Länder!
Die große Corporation der Weber von Amiens und des Somme-Departements hat es für nothwendig erachtet, auf dem internationalen Congreß vertreten zu sein, um daselbst die unerträgliche Lage zu schildern, in der sie selbst wie die große Masse des werkthätigen Volkes sich durch Verschulden derer befinden, die stets in Ueberfluß und Müssiggang gelebt haben.
Zur Zeit der Hundertjahresfeier der Revolution von 1789 muß erklärt werden, daß für die Arbeiter nichts gethan worden ist. Nur Leute, welche die täglichen Leiden und Entbehrungen der Proletarier nicht kennen, können das Gegentheil behaupten. Diese Leute haben nie erfahren, daß wir Weber insbesondere im Elend schmachten, ohne auch nur zu wagen, Klage zu führen.
In mehr oder minder ungesunde Arbeitsräume alltäglich 12–14 Stunden eingepfercht, erhalten wir einen Lohn, der kaum hinreicht, die Hälfte unserer allernöthigsten Bedürfnisse zu bestreiten. Dagegen nimmt der sog. Nationalreichthum tagtäglich durch neue Fortschritte der Technik u. s. w. in unerhörten Proportionen zu. Aber diese Fortschritte kommen nicht der Masse der Arbeiter zu Gute; die Reichthümer, welche die Arbeiter schaffen, gereichen nur der kapitalistischen Minorität zum Vortheil. Dieser Stand der Dinge kann nicht so fortdauern. Hütten unsere leitenden Personen die Lage der Verhältnisse und ihre Pflicht begriffen, so hätten sie damit angefangen, den Arbeitstag zu verkürzen. Die lange Arbeitsdauer beeinträchtigt die Gesundheit der Arbeiter ganz ungemein, namentlich wenn die armen Lohnsclaven von früh 6 Uhr bis abends 7 oder 8 Uhr eingesperrt sind. Wenn ein Gesetz über die Arbeitszeit, wie ein solches schon lange von den Proletariern gefordert wurde, den Arbeitstag nach Maßgabe der Consumtion beschränkte, so würden auch die Arbeiter von diesen der Wissenschaft zu verdankenden Fortschritten Vortheil haben. Wenn es ein Gesetz über Verminderung der Arbeitsstunden für Frauen und Kinder – und diese letzteren werden zur Arbeit gezwungen, ehe sie noch die Kraft dazu haben! – gäbe, so herrschte weniger Elend unter der Arbeiterklasse. Die Löhne wären dann auch höher und sie würden uns gestatten, nach Maßgabe unserer Bedürfnisse mehr zu verzehren; es gäbe keine Arbeitsstockungen, die Waaren stauten sich nicht in den Magazinen an, daß sie verfaulen, während wir Arbeiter an allem Mangel leiden.
Aber diejenigen, welche uns leiden lassen, haben kein solches Gesetz gemacht!
—105— In der Stadt Amiens und in verschiedenen Industrien sind eine große Zahl Männer ohne Arbeit, während an ihren Platz Frauen getreten sind, die sich mit ihrer Wirthschaft beschäftigen sollten. Unsere Herren ziehen von diesem Umstand Vortheil, indem sie unsere Löhne noch weiter herabsetzen, in Anbetracht dessen, daß diese schwachen Geschöpfe sich gezwungener Weise mit einem noch geringeren Lohne begnügen als die Männer.
Alle Leiden, alle Ungerechtigkeiten werden den Arbeitern zu Theil, und trotzdem haben diese immer gearbeitet und ihren Schweiß und ihre Kraft dahingegeben, um diejenigen zu bereichern, welche sie in’s äußerste Elend bringen. Unsere von uns selbst gewählten Vertreter haben niemals etwas für uns gethan, im Gegentheil, sie zermalmen uns mit ihrer Macht, wenn wir unser Recht auf’s Dasein fordern. Diejenigen, welche wir uns zu Herren gesetzt haben, find aller Menschlichkeit baar, denn es gäbe sonst nicht so viele Unglückliche in einem Lande wie Frankreich, welches doppelt soviel Güter hervorbringt, als nöthig sind, um für Alle zu genügen.
Wir sind die Opfer hundertjähriger Ungerechtigkeiten seiten unserer Machthaber, wir werden ausgebeutet zu ihren Gunsten, bedroht durch Gesetze, die eigens gegen uns gemacht sind, und so kann einzig die Vereinigung dieser traurigen Lage abhelfen, welche die Folge des Elends und der gesellschaftlichen Ungleichheiten ist.
Vereinigen wir uns, wir sind die Mehrzahl; vereinigen wir uns, wir sind die Kraft. Die Stunde naht, wo wir eine socialdemokratische Republik gründen, welche allen Bürgern eine bessere Zukunft sichert, indem sie durch ihre Gesetze die Rechte aller ihrer Glieder achtet. Um dahin zu gelangen, laßt uns Vertreter wählen, welche ohne jeden Hintergedanken geradewegs in den socialen Kampf marschiren, und deren Thätigkeit im Parlament nicht eine Zeitvergeudung mit Kindereien oder mit Fragen des persönlichen Interesses sein wird, sondern der Verbesserung der Lage des Volkes dient. Wir alle kennen in unseren bezüglichen Departements Männer, die unseres Vertrauens würdig sind, Männer, die ihre ganze Kraft daran setzen, die socialdemokratische Republik herbeizuführen, in welcher Humanität, Freiheit und Gerechtigkeit mehr sein werden als leere Worte. Beweisen wir bei den nächsten Wahlen, daß wir zuverlässige Vertreter zu wählen wissen und marschiren wir alle, Hand in Hand und einmüthig, auf dasselbe Ziel los!
Der Anfang der socialistischen Bewegung im Oise-Departement datirt von Ende 1889 [MIA sic – 1884], wo unser Verein des Studiums und der Propaganda gegründet wurde. Um das Selbstbewußtsein der Massen zu wecken, veranstaltet er Vorlesungen, Debatten, Kurse der Socialökonomie für alle organisirten Gewerkschaften und Fachvereine. Um den erzieherischen Theil seiner Aufgabe zu erfüllen, bereitet der Verein private und öffentlich Versammlungen in Beauvais wie in anderen industriellen und landwirthschaftlichen Centren des Departements vor. Seit seinem Bestehen hat er allein oder mit Hilfe der Bürger Guesde, Vaillant u. s. w. über 20 Versammlungen gehabt.
Die Thätigkeit der Gruppen erstreckt sich auf das politische, das ökonomische und das internationale Gebiet.
Wenn ein Konflikt zwischen Arbeitgebern und Lohnarbeitern ausbricht, läßt der Verein durch einen Beauftragten die näheren Umstände des Streites untersuchen und bietet der bedrohten Corporation seinen intelectuellen und moralischen Beistand an, weil er es für die Pflicht eines jeden Socialisten hält, stets im Vordertreffen der Arbeiterschaft zu stehen und die Kämpfe zwischen Arbeit und Kapital für die Propaganda zu —106— verwerthen und den arbeitlosen Männern, den darbenden Frauen und Kindern beizuspringen. Wenn der Kampf einmal beschlossen ist, wird er mit aller Energie durchgeführt, mag dabei etwas herausspringen oder nicht – die Soldaten der Proletarierarmee müssen an allen Schlachten theilnehmen.
Auf diese Weise hat der Verein die Beilegung zweier im Entstehen begriffener Streikes erleichtert und 1887 theilgenommen an dem Streike von 1200 Metallarbeitern von Creil-Montalaire, der unglücklicherweise mit einer Niederlage der Arbeiter endete.
Die stete Berührung mit den Arbeitermassen hat dem Verein die große Wichtigkeit der corporativen Organisation klar gemacht, welche eine umfangreichere Propaganda und Aktion ermöglicht und eine gute Vorbereitung des Arbeiter-Soldaten zum Emanzipationskampfe abgibt. Die Gruppenbildung nach Fachvereinen trägt als Keim in ihrem Schooße diejenige Macht, welche in einer nicht allzufernen Zukunft die Regelung der Produktion und der Güter-Vertheilung übernehmen muß.
Der Verein hat also die Bildung folgender Fachvereine in Beauvais befördert:
Fachverein der Spinner und Weber |
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160 Mitglieder |
Fachverein der Kunstschreiner |
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30 Mitglieder |
Fachverein der Bauhandwerker |
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120 Mitglieder |
Fachverein der Lederarbeiter |
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25 Mitglieder |
Ein Fachverein der Bekleidungsbranche ist im Entstehen begriffen.
In Creil besteht ein Fachverein der Metallarbeiter mit 300 Mitgliedern.
In anderen kleinen Städten des Departements hat der Verein Studien- und Fachgenossen-Gruppen ins Leben gerufen.
Die politische Thätigkeit des Vereins hat sich bis jetzt auf die Stadt Beauvais beschränkt. Bei den Communalwahlen 1888 ward unser Kandidat beim ersten Wahlgang mit 1789 Stimmen gewählt. Seit seiner Ernennung hat der socialistische Abgeordnete durchgeführt:
Der Rath hat in Erwägung gezogen die Forderungen für:
Die Forderung einer Fleischtaxe und der Wunsch der Einrichtung städtischer Verwaltungsstellen für öffentliche Versorgung mit Nahrungsmitteln zum Einkaufspreis ist mit geringer Mehrheit abgelehnt worden.
Diese Maßregeln werden nicht als Mittel zur Emanzipation betrachtet, da diese ja unmöglich ist, so lange unter dem kapitalistischen System das eherne Lohngesetz seine Rolle spielen wird. Allein sie zerstören doch ökonomische Vorurtheile und bereiten die Einzelnen und die Corporationen vor auf Uebernahme der öffentlichen Dienstleistungen am Tage der Umgestaltung der Verhältnisse.
Die Kommission für Arbeitsangelegenheiten prüft die städtischen Tarifausstellungen und beabsichtigt einen Stundenlohn für den Unternehmer festzusetzen und den Vorschuß-Preis (prix de deboursé) zu bestimmen, den der Arbeitgeber seinen für die Commune thätigen Arbeitern gewährleisten muß.
Wenn diese Forderung abgelehnt wird, wird der socialistische Abgeordnete beauftragt werden, einen Maximalarbeitstag und ein Lohnminimum für die communalen Arbeitsplätze zu beantragen.
—107— Auf politischem Gebiet verwirft der socialistische Verein von Beauvais jeden Compromiß, doch bedeutet das keineswegs Enthaltungspolitik. Die Socialisten behalten immer ihren Posten bei der Avantgarde der republikanischen Reserve, weil hier unter dem kapitalistischen Regime das den socialistischen Zwecken am wenigsten ungünstige Terrain ist· Ebenso verhält es sich mit dem allgemeinen Stimmrecht, welches nicht das Allheilmittel, aber ein Mittel der Propaganda und der Agitation ist.
Seine politische Thätigkeit hat den Verein mehrfach dazu geführt, sich mit Fragen zu beschäftigen, die auf der Tagesordnung des Congresses stehen, namentlich mit denen, die sich auf die internationale Arbeitergesetzgebung beziehen.
Es ist ein schlagender Beweis für die Stärke des Socialismus und den Druck der wirthschaftlichen Kräfte, daß die Regierungen – natürlich in ihrer Weise! – sich vorgenommen haben, auf der Conferenz zu Bern die Frage einer internationalen Arbeitergesetzgebung zu studiren.
Obgleich die endgiltige Befreiung der Arbeiterklasse nur durch Unterdrückung der Ueberarbeit ermöglicht werden kann, da dies die Erzeugung des Mehrwerthes unmöglich macht, – und sie wird das gemeinsame Werk der ganzen socialistischen Welt sein! – stellt das zielbewußte Proletariat unmittelbare Forderungen, welche seit Begründung der Internationalen Arbeiter-Association schon formulirt sind: so die Herabsetzung des Arbeitstages auf 8 Stunden für Männer und Frauen, auf 6 Stunden für jugendliche Arbeiter von 14–18 Jahren. Als nothwendige Ergänzung bringt diese Maßregel die Festsetzung eines Lohnminimums mit sich, welches den Arbeiter in Stand setzt zu leben und seine Familie zu erhalten und zu erziehen.
Die Herabsetzung der Arbeitsstunden bedeutet für die Arbeiter eine Erhöhung ihres physischen, geistigen und moralischen Gesundheitsstandes, sie wird ihnen Zeit zu Studien und für das Werk der Organisation geben, sie wird dazu beitragen sie zielbewußt und fähig zu machen, ihre geschichtliche Mission zu erfüllen. Sie ist also gewissermaßen eine Vorbereitung für die endgiltige Befreiung des Proletariats, sie wird es ermöglichen, daß tüchtige, entschlossene und über die Endziele ganz aufgeklärte Arbeiterbataillone formirt werden, denn die Revolutionen fliegen uns nicht wie die gebratenen Tauben in den Mund.
Der Niederdrückung der Arbeiter durch die Bourgeoisie muß endlich Halt geboten werden, und verstummen muß endlich jener Ausruf der Verzweiflung und der ohnmächtigen Schwäche: „Es muß noch viel schlimmer werden, ehe es besser wird!“ Damit erklärt man nur die Schrecken des kapitalistischen Regimes für gerechtfertigt. Es gibt keine thörichtere Anschauung als diese, welche von einigen Genossen verfochten wird, und nach der ja gerade die schwächsten Wesen am geeignetsten wären zu revoltiren.
Verkürzung der Arbeitszeit, Erhöhung der Löhne, wachsender Wohlstand der Arbeiter bedeutet so viel wie die schnellere Herbeiführung der Revolution. Die Kämpfer, Denker und Organisatoren der Arbeiterpartei rekrutiren sich im allgemeinen aus der Schaar der weniger geknechteten besser bezahlten Arbeiter.
Die Verkürzung der Arbeitszeit ist sehr wohl möglich ohne die nationale Industrie zu schädigen: unsere Genossen in England haben den 9stündigen Arbeitstag, die amerikanischen Arbeiter, welche auf den Staatswerkplätzen beschäftigt sind, arbeiten 8 Stunden, oder 48 Stunden wöchentlich. Bei dieser Stundenzahl weben wir es bei unserer Verkürzungsforderungen zur Zeit bewenden lassen, nur für die jugendlichen Arbeiter beider Geichlechter sei die Grenze 36 Stunden.
Physiologische und sociale Gründe bestimmen uns – mit dem Vorbehalt der Ausnahme gegenüber technischer Unmöglichkeit und unter Einführung eines Compensationssystems – gänzliche Unterdrückung der Nachtarbeit, Beseitigung der Arbeit an Sonn- und Feiertagen zu fordern. Die —108— Leistungsfähigkeit der Arbeitskraft wird durch diese Maßnahme keine Verringerung erfahren. Ausgeruhte Muskelkraft leistet mehr als übermüdete, achtstündige Arbeit wird ebenso leistungsfähig sein wie 10- oder 12stündige, wie z. B. Thomas Brassen zugibt, der ganze Armeen von Erdarbeitern in’s Feld führte, um in Frankreich, Oesterreich, Canada, Indien Eisenbahnen zu bauen.
Die Verkürzung der Arbeitszeit wird die Produktion in gewissen Industrien verringern, sie wird also gestatten, auch die Armeen der Arbeitslosen zu vermindern. Damit aber die Verkürzung der Arbeitszeit in Bezug aus Verbesserung der Lage der Arbeit nicht auf eine Prellerei hinausläuft, muß in jedem Ort alljährlich ein Minimallohn festgesetzt werden und zwar durch Arbeiterkommissionen und auf Grund der Preise der nothwendigen Lebensbedürfnisse. Der Arbeiter wird dann soviel erhalten als er kostet, aber noch lange nicht so viel als er produzirt. Die Festsetzung eines Minimallohnes widerspricht durchaus nicht, wie einige behaupten, den Gesetzen des Waarenaustausches.
Um den Preis der Produkte zu bestimmen, berechnet der Kapitalist sehr richtig und genau die schwankenden Preise der Rohstoffe und der nöthigen Arbeitsmittel, warum soll er bei seiner Berechnung nicht auch den Arbeitslohn und die Personen der Arbeiter in gleicher Weise mit in Betracht ziehen? Die Waare Arbeitskraft muß ebenso wie jede andere Waare ihrem Preise nach bestimmt werden können. Unbegründet ist der Einwand, daß der Arbeiter als Käufer, als Consument, die Vermehrung seines Lohnes als Produzent verlieren werde. Die Lohnerhöhung steigert allerdings den Preis aller produzirten Waaren, da aber diese Waaren nur zum Theil vom Proletariat, zum andern Theil von der Bourgeoisie verzehrt werden, so wird ersteres nur zu einem Bruchtheil die gesteigerten Preise bezahlen, sagen wir beispielsweise zur Hälfte. Wenn das ganze Proletariat als Verkäufer von Arbeitskraft eine Zulage von 50 Millionen Frcs. täglich erhält und als Consument, als Waarenverkäufer bei gesteigerten Preisen 25 Millionen Frcs. mehr ausgibt so bleibt im Ganzen immer noch eine Verbesserung um 25 Millionen Frcs.
Ferner ist es nicht wahr, daß Lohnerhöhungen den Ruin der nationalen Industrie herbeiführen werden. Man sieht allerwärts, daß das Kapital cosmopolitisch ist, und sich, um Mehrwerth in höherem Maaße zu erzielen, sehr wenig um das Vaterland und seine Interessen scheert. Seine patriotischen Gegenvorstellungen sind einfach diktirt von seinem Egoismus. Außerdem beherrschen die Industrieländer mit hohen Arbeitslöhnen den Weltmarkt: England, die Vereinigten Staaten. Ferner gibt es auch keine nationalen Lohnsätze, sondern in jedem Land verschiedenartige, je nach den Durchschnitten ...
Wenn man weiter die Erwägung prüft, nach welcher niedrige Löhne für nothwendig erklärt werden, um die nationale Industrie in den Stand zu setzen, die Concurrenz des Auslandes aus dem Weltmarkt auszuhalten, so stellt sich heraus, daß diese Tendenz gerade für den Arbeiter den Begriff des Vaterlandes zerstört. Die Hauptwaffe im Concurrenzkampfe ist billige Produktion und Verkauf zu billigen Preisen, ja zu niedrigsten Preisen; und diese hat wieder Verfälschung der Rohstoffe, Verschlechterung der Waaren, Verringerung des Werthes der menschlichen Arbeit, die sich im Produkte kristallisirt, zur Folge. Diese Reduktion wird erzielt entweder vermittelst ausgedehnterer Verwendung mechanischer Kräfte, oder durch Ausnutzung immer schlechter und schlechter bezahlter Arbeiter. Die unerläßliche Bedingung für die Fähigkeit der nationalen Industrie, die ausländische Concurrenz zu schlagen, ist also eine stete Vermehrung des Elendes der Proletarier: Vermehrung der Arbeitslosen, Verdrängung der Männer durch die Frauen, der Frauen durch die Kinder, niedrige Löhne. Die zarte Aufmerksamkeit der Bourgeoisie für die nationale Industrie macht für die Proletarier das Land, welches ihr Vaterland ist, zu einem Land —109— des Elends. Es ist ihnen ein Thal der Thränen und Entbehrungen, welches am Fuße der goldenen Hügel liegt, die das Vaterland des Kapitals sind. Die Bourgeois-Produktion zerstört durch ihr eignes Lebensgesetz jedes Vaterland und läßt nur die Weit des Kapitals und die Welt der Arbeit bestehen – ohne Unterschied der Nation. Wenn unsere Patrioten das Vaterland wahrhaft liebten, müßten sie ihr Augenmerk auf das Wohlbefinden aller seiner Kinder richten: davon ist aber gar nicht die Rede.
Uebrigens verliert diese „patriotische“ Gegenvorstellung ihre letzte Stütze, wenn – wie dies der Fall ist – unsre Forderung von den Arbeitern zweier Welten formulirt wird.
Wir fordern außer der Bestimmung der Arbeitsstunden und eines gewährleisteten Lohnsatzes, daß die Arbeitsräume (Fabriken, Bergwerke, Contore, Arbeitsplätze, Werkstätten) den Gesetzen der Hygieine entsprechend eingerichtet und mit allen Schutzvorrichtungen für Leben und Gesundheit der Arbeiter ausgestattet sind.
Um alle diese vorbereitenden und Uebergangs-Maßnahmen durchzusetzen, dürfen die Proletarier nur auf sich selbst rechnen, obgleich es sich zuweilen zuträgt, daß die inneren, häuslichen Zwifte der Kapitalistenwelt unserer Sache Vorschub leisten.
Das erste Gebot der Nothwendigkeit fordert, daß man den Arbeitermassen die Tragweite dieser Forderungen klar macht, so daß sie dieselben begreifen. Ein einfach verständliches, energisches, kurzgefaßtes Manifest, welches der Congreß von einer Commission redigiren lassen müßte und in alle Länder entsendete, würde diese Arbeit bedeutend fördern. Die Commission würde ein Gutachten abzugeben haben über die zur Veröffentlichung und Verbreitung des Manifestes nöthigen materiellen Mittel. Alle Vertreter der Partei hätten dann in kurzer Frist bei den Bureaus ihrer bezüglichen Volksvertretungen Vorschläge im Sinne der nothwendig erachteten Reformen einzudringen. Alle Redner (Agitatoren) der Arbeiterparteien müßten einen Feldzug von Versammlungen veranstalten, die sich mit dem Gegenstand beschäftigten. Die Gewerkschaften und Fachvereine müßten sich zu gemeinsamem Handeln verständigen, und wenn diese Arbeit gethan ist, würde höchst wahrscheinlich eine allgemeine Aufforderung, die am nämlichen Tag und von allen Punkten der Welt den Gebietern der bürgerlichen Welt zuginge, von großer Tragweite und Wirksamkeit sein.
Um diese Agitation zu centralisiren und die Arbeiterwelt genau zu orientiren, macht sich die Gründung eines im Dienst dieser Bewegung stehenden Organs nöthig, weiches von bekannten Vorkämpfern unserer Sache zu redigiren wäre, und wir sind überzeugt, daß der Congreß die Frage studiren und über dieselbe Besch[l]uß fassen wird.
Die Zeit drängt: überall sehen wir die Zeichen jener Zersetzung, die jeder Neubildung und Umgestaltung vorangeht. Die jetzt in voller Kraft und in vollem Ansehen stehende Militärherrschaft wird den Zusammenbruch und den Bankrott der kapitalistischen Welt beschleunigen. Das stehende Heer, diese Schule der Knechtschaft und Unterdrückung des Geistes, ist das letzte Bollwerk der Bourgeois-Herrschaft, die Waffe, deren sich das Kapital bedient, um die Arbeiter niederzuhalten, die politische Freiheit Zu zerstören. Wir verlangen deshalb Abschaffung der stehenden Heere un an deren Stelle die direkte Volksbewaffnung.
Das Heer wird dann einfach eine Schule sein, welche jeder Wehrfähige im Zeitraum einiger Monate durchmacht, um seine Ausbildung im Waffenhandwerk zu vervollständigen. Die Jugend würde durch Leibesübungen, Uebungen im Handhaben der Waffen, im Marschiren, durch topographische Studien u. s. w. für diese Schule vorbereitet werden. Beim Austritt ans dieser Schule würden die zu lokalen Reserve-Cadres organisirten Mannschaften eine leicht mobil zu machende Streitkraft bilden, die ebenso schwer für Eroberungs- und Angriffskriege zu verwenden als unbesiegbar —110— im Vertheidigungskampf sein würde. Dem Proletariat die Waffen in die Hand geben, heißt der Ausbeutung die Macht nehmen, ihr die Spitze abbrechen, es ist der Todesstreich für die internationale Kriegführung: es ist die Friedensbürgschaft für alle Völker, die Bürgschaft für die sociale Emanzipation.
Die gewaltige Entwicklung der Streitkräfte für den Krieg und die damit zusammenhängenden finanziellen Lasten nöthigen sogar die Bourgeoisie zu einem Vorgehen in der Richtungslinie unserer Forderungen. Die Vermehrung des Effektivbestandes und die Verkürzung der aktiven Dienstzeit arbeiten der organisirten Volksbewaffnung vor.
Alle socialistischen Parteien sind einig darin, daß sie die Abschaffung der stehenden Heere fordern und diese durch allgemeine Volksbewaffnung ersetzt wissen wollen. Aber welche Garantie bieten die Arbeiterparteien derjenigen Nation, welche den Anfang machen wird mit der revolutionären Bewegung, für ein solidarisches internationales Vorgehen? Noch unserem Ermessen wird es – in Hinsicht auf die Entwicklung der socialistischen Idee und auf die Entwicklung der Organisation, die sich in der Socialdemokratie darstellt, und im Hinblick auf die mit rapider Schnelligkeit sich vollziehende Entwicklung der wirthschaftlichen Verhältnisse – Deutschland sein, welches den revolutionären Reigen eröffnen wird. Welche Garantie bietet der internationale Socialismus dem socialistischen Deutschland? An dem Tage, wo es sich erheben wird, wird es die Coalition des Kapitals von ganz Europa sich gegenüberstehn sehen, eine wahre Tripelallianz: die Allianz der Interessen. Aber am nämlichen Tage wird es auch – das ist unsere Hoffnung! – die Proletarier zweier Welten sich erheben sehen, um die erhabene Bewegung ihrer deutschen Brüder zu unterstützen!
Als Unterpfand für diese Coalition der Gleichheit ist es nöthig, jetzt und hinfort der Allianz der Kaiser und Könige den unlösbaren Bund der Arbeiter entgegenzusetzen. Möge der Congreß der deutschen Arbeiterschaft diese Garantie geben, möge er die Ausbreitung dieser Idee der Allianz der Völker, welche den Angelpunkt der internationalen Politik des Socialismus bildet, unterstützen. Die Bourgeois-Politiker haben lange genug Haß zwischen den Nationen gesäet; proklamiren wir auf diesem Congreß mit lauter Stimme die allgemeine Solidarität der Proletarierinteressen, und knüpfen wir überall und unter allen Umständen die internationalen Bande, welche die Völker mit einander verbinden, immer fester. Dann, aber auch dann nur werden die Arbeiter aufhören, ein Spielzeug in den Händen ihrer schlimmsten Feinde zu sein, und sie werden sich zu Herren ihrer Geschicke machen.
Das Syndikat der Bergleute von St. Floride benutzt die Gelegenheit, dem internationalen Congreß seine Wünsche vorzutragen angesichts der Satten des Kapitals, welche vor den Augen der Verhungerten alle Reichthümer ausbreiten, die sie zum Schaden der Arbeiter zusammengerafft haben.
Unser theures Frankreich hat große Hilfsquellen, aber auch große Nothstände. Es ist ein trauriger Unterschied zwischen Denen, die alles produziren und nichts haben, und Denen, die nichts produziren und alles haben. Unsere Syndikatkammer der Grubenarbeiter, welche an den Grenzen der Auvergne in einem Thalkessel wohnen, gehört halb dem Departement Puy de Döme, halb dem der Haute Loire an. Dort, wie anderwärts ist es das System des Kapitals, das die Arbeit untergräbt. Das geht auf folgende Art vor sich: Es sind zwei Jahre, daß der Allmächtige von Creusot, welcher sich Schneider nennt, 2 Conzessionen hatte, diejenige von Cambelle und die von Bouxhors, welche er mit den Minen von Grosménil vereinigen wollte. Indeß —111— die Munizipalitätsbehörden und die Einwohner der Orte verhinderten diese Fusionsbestrebungen, da sie erkannt hatten, daß sobald es nur einen Herrn geben würde, die Tyrannei nur noch größer und unerträglicher werden würde. Aber Schneider hielt sich nicht für geschlagen: „Ach, ihr wollt einen Willen haben, käufliche Sklaven, ihr wollt keine Fusion? Nun gut, ich, der Eigenthümer, stelle meine Minen still! Ihr habt petitioniren wollen, um die Fusion (Vereinigung) zu verhindern, ich werde Euch zwingen, zu petitioniren um dieselbe zu erlangen!“ Man hat in der That begonnen in diesem Sinne zu manövriren.
Im verflossenen Jahre wurde Cambelle zum Stillstand gebracht, und am 22. Juni dieses Jahres wurde auch Bouxhors außer Betrieb gesetzt. In einem Jahre wurden 600 Arbeiter in das schwärzeste Elend gestürzt und die ganze Gegend zu Grunde gerichtet. Bei der Versammlung fand sich eine Majorität, die servil genug war, diese unbezeichenbare Handlung zu billigen. Aber es grollt dumpfer Schmerz in der Brust der Arbeiter, und wer kann vorhersehen was sich am Tage des großen Kampfes ereignen wird.
Es sind 19 Jahre, daß man uns mit Lügen beschwindelt, daß unsere Abgeordneten mit ihren Mandaten Schacher treiben. Aber die Dinge werden sich ändern. Die Arbeiter begreifen mehr und mehr, daß ihre Befreiung nur durch ihre revolutionäre That erfolgen kann, daß, um diese auszuführen, sie sich als eine bestimmte, gesonderte Partei organisiren müssen nach dem Programm der Arbeiterpartei.
Bürger, aus der Fremde erhebt sich ein Geräusch, der Hammer erklingt auf dem Ambos, wo er Waffen schmiedet. Aber nicht das Volk läßt sie schmieden; es sind die Tyrannen aller Länder, die uns in einen brudermörderischen Krieg stürzen wollen, in eine Abschlachtung ohne Gleichen, um auf uns ein noch schwereres Joch legen zu können. Aber, halt meine Herren, die Socialisten werden das niemals dulden. Für sie heißt es: keinen Krieg, keine Grenzen; sie haben nur Genossen des Elends, Brüder mit denselben Leiden und denselben Wünschen.
Wenn die Tyrannen verschwunden sind, öffnet sich die Herrschaft der Gerechtigkeit für alle die Leiden; man schmiedet nicht mehr Waffen, um Menschen zu tödten, sondern Pflüge, um sie zu ernähren. Vorwärts! Das Land den Ackerbauern, die Bergwerke den Grubenarbeitern, den Ambos den Schmieden! An dem Tage, wo alles das verwirklicht sein wird, wirs das Reich der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen zu Ende sein. – Bürger! Die Kameraden der schwarzen Erde schicken dem Congreß einen brüderlichen Handschlag. Sie sagen den Repräsentanten des universellen Proletariats, das sie auf sie rechnen dürfen. –
Der Berichterstatter hat, indem er im Namen der Baumwollenspinner von Gent diesen kurzen Bericht an den Congreß richtet, nicht allein den Zweck, die dringende Nothwendigkeit einer Verminderung der Arbeitsstunden zu zeigen, sondern auch nachzuweisen, daß eine gesetzliche Regelung der Arbeitsstunden in allen Ländern erfolgen muß.
Seit einigen Jahren wächst die Zahl der Arbeitslosen in schrecklicher Weise. Die Vervollkommnung der Maschinen unterdrückt den Arbeiter von Tag zu Tag mehr; bald ersetzen die Maschinen und die Vervollkommnung des Mechanismus den Arbeiter. Was wird geschehen, wenn nicht bald wirksame Mittel angewendet werden, um die Lage der ganzen Arbeiterklasse zu verbessern? Jeder, der von seiner Arbeit lebt, wenn er welche hat, muß sich fragen, ob die Lage der Arbeiter so fortdauern kann, und was aus ihnen werden soll in der Zeit der Krise, der wir entgegen gehen?
Demzufolge beschäftigt die Frage der persönlichen Interessen alle Geister. Nicht die Anmaßungen der Priester, welche mehr denn je sich als die Allmacht —112— der Kirche träumen, um die Welt zu regieren, noch die schreckliche Gefahr eines europäischen Krieges, – nichts kann die allgemeine Aufmerksamkeit mehr erwecken und die menschliche Leidenschaft mehr erschüttern. Warum? Weil diese Ereignisse, selbst ein Krieg zwischen einigen Millionen Soldaten, keinen Vergleich aushalten mit diesem anderen schrecklichen Kriege auf Leben und Tod, welchen die Enterbten der ganzen Erde gegen die herrschenden Klassen begonnen haben, diesem riesenhaften Kampf, welcher seit langem sich vorbereitet und welcher eher losbrechen wird, als man es denkt.
Die französischen Arbeiter, diejenigen der Vereinigten Staaten, die englischen verlangen die Rücksendung der fremden Arbeiter. Ueberall verlangen die Geschäftsleute, die Fabrikanten, die Industriellen Schu?gesetze von ihren Regierungen, und diese bemühen sich, sie ihnen zu verschaffen. Die Concurrenz ist unmöglich wegen unerhörter Schutzzölle und Grenzzölle.
Ueberall vermehren sich die Nothstände und mit ihnen die Stockungen des Handels und der Industrie; auf der anderen Seite sehen wir die Vermehrung der Landstreicher, der Verbrecher, der unglücklichen Hungernden. Ueberall zeigen sich dieselben Symptome der Verrmung – ebenso in den Ländern mit wenig zahlreicher Bevölkerung als in den Ländern, wo die Arbeiterbevölkerung zusammengepfercht ist, wie die Häringe in der Tonne. Ueberall herrscht dasselbe Elend für den Arbeiter – ebenso in den Republiken, wie in den Monarchien, ebenso in den großen Staaten, die ihre Kräfte vergeuden, um Krieg zu führen, als in den kleinen Staaten, die dies nicht thun – ebenso in den Ländern, in denen der Bürger das allgemeine Wahlrecht genießt, als in den despotischsten Ländern – ebenso da, wo die Kirche vom Staat getrennt ist, als da, wo katholische und andere Mußiggänger vom Schweiße des Volkes leben – ebenso da wo der unentgeltliche und obligatorische Unterricht herrscht, als da, wo das Volk in der Unwissenheit verfault – ebenso da wo der Consum des Alkohols nach Litern per Kopf gezählt wird, als da, wo dieses Gift verboten ist. Unter dem warmen Klima, wie unter dem kalten Klima, überall dieselben Symptome, denn überall in der ganzen Welt existirt die nämliche Geißel für den Arbeiter: das kapitalistische System, welches als allmächtiger Herr in unserer Gesellschaft herrscht.
Wir würden zu weit gehen, wenn wir alle Uebel aufzählen wollten, unter welchen die Arbeiterklasse, in ihrer Gesammtheit, leidet. Wir beschränken uns daher auf unser Gewerbe als Baumwollenweber, um einige Zahlen von unbestreitbarer Wahrhaftigkeit zu geben.
Die Zahl der Arbeitsstunden unserer Genter Baumwollspinner ist von 69—74 Stunden wöchentlich. Die Löhne sind folgende:
Einrichterinnen (monteuses) von 12–15 Jahren |
Frs. 6 wöchentlich |
Einrichterinnen (monteuses) von 16–20 Jahren |
Frs. 7–10 wöchentlich |
Einrichterinnen Erwachsene |
Frs. 13–18 wöchentlich |
Spinner |
Frs. 20–30 wöchentlich |
Krämpelmädchen von 11–15 Jahren |
Frs. 2–5 |
Andreherinnen |
Frs. 8–12 |
Erwachsene an der Bank |
Frs. 10–14 |
Continues (an der Drockelmaschine arbeitend) von 11–16 Jahren |
Frs. 9–15< |
Krämpler (Kardätschenarbeiter) Männer |
Frs.14–17 |
Krämpler (Kardätschenarbeiter) Burschen |
Frs.10–12 |
Die Baumwollen-Arbeiter sind an Zahl 5.800, Frauen und Kinder einbegriffen. Es gibt jedoch mehr als 900 Arbeitslose. Bei jeder Vervollkommnung der Maschine werden die Männer durch Frauen oder Kinder ersetzt.
In Belgien existirt kein Gesetz über die Kinderarbeit. Viele Fabrikanten verlangen, daß das Kind seine erste Communion hinter sich habe, ohne nach seinem Alter zu fragen; Deshalb sind viele Eltern gezwungen, die erste Communion weit vor dem Alter vornehmen zu lassen, wo man sie anderwärts bewirkt. Der Priester gibt aus Fanatismus und im Einverständnis mit dem Kapitalisten seine Zustimmung unter dem Vorwand, eine Seele von der Hölle zu retten. Kaum haben die zarten Kinder den Fuß in die Fabrik gesetzt, so öffnet sich —113— die geschlossene Thür erst wieder, wenn es heim geht; und die Unglücklichen bleiben fern von der Schule, denn die Arbeitsstunden dieser kleinen Wesen sind von derselben Dauer, als diejenigen der Erwachsenen.
Das ist auch der Hauptgrund, warum man in unserem industriellen Centren so viel Verkrüppelte, so viel sieche Wesen trifft, warum es so viele Kranke gibt, warum so viel epidemien ausbrechen, und in der Blüthe des Alters unsere Arbeiterbevölkerung vom Tode hingerafft wird.
Die Baumwollenspinner von Gent lassen sich daher auf dem Congreß in der wohlüberlegten Absicht vertreten, durch energische Mittel die Geißel der Arbeitersklaverei, dieser nothwendigen Folge der Lohnarbeit entwurzeln zu helfen, damit wir unser ideales Ziel erreichen: die Produzenten zu Herren der Welt zu machen.
Das Socialistische Syndikat von Lagresle schickt einen Delegirten zum internationalen Congreß, um sich mit den übrigen Arbeitervertretern zu verständigen und um sich auf gleichen Fuß wie die anderen Arbeiter zu setzen, damit die Löhne unserer armen Arbeiter, die seit langem von der Meisterschaft, d.h. von der Kapitalistenklasse ausgebeutet werden, wieder in die Höhe gebracht werden. Die Vereinigung und die Solidarität aller Arbeiter müssen dieses Unternehmerthum zerstören, das mittelst seines Geldes, d. h. seines Kapitals, die Arbeiter einschüchtert und sie zu einer brutalen Arbeit von 15–18 Stunden täglich aus einem Baumwollenwebstuhl bringt, um einen Lohn von 1 Fr. 25 Cts. bis 1 Fr. 50 Cts. täglich zu verdienen. Von diesem geringen Lohn muß man noch 25 Cts. täglich abziehen für die Unterhaltung des Webstuhles, den der Arbeiter bezahlen muß.
Wir theilen unseren Collegen von den fremden Nationen mit, daß in Lagresle und in den ganzen genannten Syndikatsbezirk wir während 10 Tagen eine kleine Arbeitseinstellung der Baumwollenhandweber durchgeführt haben. Wenn wir dabei gesiegt haben, so ist es Dank unserer Energie. Wir haben vollständig begriffen, daß, wenn die Arbeiter nicht ganz energisch handeln, um gegen die Meisterschaft zu kämpfen, die Polizei ihnen nicht helfen würde. Ganz im Gegentheil. Man hat Gesetze über die Syndikate gemacht, aber man läßt sie nicht zu Gunsten der Arbeiter ausführen. Alle socialistischen Arbeiter aus den Bergen der Loire wollen eine socialdemokratische Regierung, um die Kapitalistenklasse abzuschaffen.
In allen Ländern Europas versteht es das Unternehmerthum prächtig, die armen Märtyrer zu unterdrücken, die den Namen Proletarier haben. Es nutzt ihre Arbeit und ihre Gesundheit aus, um sich allen Vergnügungen zu überlassen, um ein Leben schmachvoller Ausschweifungen zu führen. Sind es nicht die Ausbeuter, die mit dem der Arbeit ihrer Opfer ausgepreßten Gewinn die Prostitution schaffen und unterhalten? Die Ausbeutung der Arbeit durch das Kapitel wächst mehr und mehr.
Um diesen Zustand der Dinge zu heilen, ist es nothwendig, daß die Regierungen aller Länder so bald als möglich durch ein Gesetz den achtstündigen Arbeitstag festsetzen, ohne Herabsetzung der Löhne, ebenso wie die vollständige Unterdrückung des Faktorenwesens (marchandage).
Die zu sehr verlängerte oder zu überhastete Arbeit zieht nicht nur den Ruin der Gesundheit des Arbeiters nach sich, sondern die zu sehr verlängerte Arbeit der Einen bedingt die Arbeitslosigkeit der Andern. Ferner hindert sie —114— den Arbeiter seine Intelligenz zu kultiviren, beeinträchtigt also die menschliche Würde und das Prinzip der Brüderlichkeit. Es wäre nur Gerechtigkeit, wenn der ungeschmälerte Arbeitsertrag dem Arbeiter zukommt, der alles produzirt, indem er seine Gesundheit zusetzt. In Erwartung dessen fordern wir wenigstens, daß die Löhne bei der Verkürzung der täglichen Arbeitszeit nicht erniedrigt werden. Nur die internationale Arbeiterorganisation, der Vormarsch Hand in Hand aller Proletarier wird unseren gerechten Forderungen gehörigen Nachdruck geben; vereinigte Kraft allein wird uns helfen, unsere Menschenrechte uns zu erobern.
Diese internationale Organisation der Arbeiter ist auch die nothwendige Vorbedingung der endgiltigen Befreiung der Arbeiterklasse, die sich vollziehen wird, indem die Arbeiterklasse in den Besitz aller Produktionsmittel gesetzt wird. Also die Maschine und das Werkzeug dem Arbeiter der Hütte und der Werkstatt, und die Erde dem Landarbeiter!
Der Berichterstatter ist Delegirter an diesem ehrenwerthen Congreß, um die Lage der Arbeiter von Mandore auseinander zu setzen, die seit langem durch die Unternehmerschaft ausgebeutet werden.
Der Baumwollens-Handweber ist zu einer täglichen Arbeitszeit von 14 bis 15 Stunden verurtheilt, und das in einem feuchten Hofe, und für den geringen Lohn von 1 Fr. bis 1 Fr. 25 Cts. Er befindet sich in der absoluten Unmöglichkeit, mit dieser Summe eine ganze Familie ernähren zu können. Es sind kaum zwei Monate her, daß die Arbeiter sich in Folge dieser traurigen Arbeitsbedingungen gezwungen sahen, eine Arbeitseinstellung zu erklären, die, Dank der Energie und der Einigkeit der Weber, einen glücklichen Ausgang genommen hat. Zur Vergeltung lassen die Unternehmer die Arbeiter ihre ganze schlechte Laune fühlen.
Das Syndikat der Weber will sich mit allen französischen und fremden Organisationen vereinigen, indem es an diesem Congreß theilnimmt. Es verspricht seine Mitwirkung für den Fall einer allgemeinen Arbeitseinstellung, die der Zweck hat, das Recht der Arbeiter der ganzen Welt zu fordern.
Die Bewegung unter den jüdischen Arbeitern New-York’s, wie überhaupt von ganz Amerika datirt seit 6 bis 7 Jahren. Sie ist zurückzuführen auf die Massen-Einwanderung jüdischer Handwerker und Kleinbürger, welche aus Rußland flohen und noch fliehen, wegen der unerträglichen politischen und wirthschaftlichen Zustände dieses Landes, – Zustände, die ganz besonders schwer auf die jüdische Bevölkerung drücken. Die Zahl dieser Eingewanderten vermehrt sich von Jahr zu Jahr, und sie sind es gerade, die den eigentlichen Kern und den Mittelpunkt der jüdischen Arbeiterbewegung in Amerika bilden Diese Bewegung begann – wie übrigens jede Arbeiterbewegung in Amerika – auf dem Gebiet der reinen und einfachen gewerkschaftlichen Organisation: Verminderung der Arbeitsstunden, Steigerung der Löhne, im Allgemeinen Verbesserung der Existenzbedingungen des Proletariats innerhalb der Grenzen der kapitalistischen Gesellschaft – das sind die Tendenzen, welche die in Frage stehenden Organisationen Anfangs verfolgten.
Die Bewegung empfahl als Mittel, um zu diesen Zielen zu gelangen, die Organisation, um wirthschaftliche Kämpfe, wie Arbeitseinstellungen, Boyekotts etc. organisiren und durchführen zu können. Indeß zeigte das Fehlschlagen, —115— der Achtstundenbewegung von 1886 wie ohnmächtig derartige Bestrebungen nothwendig bleiben müssen, so lange die gewerkschaftlichen Organisationen allein als Kämpfer für dieselben austreten. Dieses Fehlschlagen war nicht allein eine Bankerotterklärung der gewerkschaftlichen Organisationen als unabhängiger socialer Macht, sie predigte andererseits dem Proletariat auch die Nothwendigkeit, sich als unabhängige und stark organisirte politische Partei zu organisiren, zu dem Zweck, sich der politischen Machst bedienen zu können, als einer wirksamen Waffe in dem Kampf für die Emanzipation des arbeitenden Volkes.
Im Bewußtsein dieser Thatsache nahmen die jüdischen Arbeiter einen relativ und absolut großen Antheil an der Bewegung, die von Henry George angeregt wurde – einer Bewegung, die an ihrem Ende ausschließlich auf eine Börsenbewegung hinauslief, aber die bei ihrem Beginn eine reine Klassenbewegung war.
Der Mittelpunkt der jüdischen Arbeiterbewegung ist in New-York. In dieser Stadt existirt eine Anzahl von Organisationen, deren jede besondere Zwecke verfolgt, die aber alle unter sich solidarisch verbunden sind in der Verfolgung allgemeiner Zwecke, und die zusammen die Vereinigung der jüdischen Gewerkschaften ausmachen. Die folgenden Organisationen bilden Theile dieser Vereinigung:
1) Der jüdische Zweig der socialistischen Arbeiterpartei von Amerika.
Diese Organisation besteht aus eine-r ziemlich hohen Zahl jüdischer Arbeiter, die besonders eine thätige Propaganda zu Gunsten des Socialismus unter der Masse Derer machen, die nur Jargon sprechen, und die darauf bedacht sind, diese auf der Basis eines socialistischen Programms wirthschaftlich und politisch zu organisiren.
2) Der russische Zweig der socialistischen Arbeiterpartei von Amerika. (Russischer Socialisten-Club.)
Dieser Club verfolgt den nämlichen Zweck, mit dein einzigen Unterschied, daß er sich an die russisch sprechende Arbeiterbevölkerung von New-York wendet. Im Uebrigen ist er darauf bedacht, materielle Mittel zu sammeln, um die revolutionäre socialistische Bewegung in Rußland zu unterstützen
3) Die Pioniere der Freiheit; sie bilden eine ziemlich beträchtliche Organisation, welche eine eifrige Agitation und Propaganda zu Gunsten des Socialismus (freilich etwas mit dem Anarchismus liebäugelnd) unter den jüdischen Arbeitern macht. Diese Organisation veröffentlicht ein Wochenblatt in russischer Sprache: „Die Wahrheit“.
4) Die Gruppe „Snamia“ (die Fahne). Der von dieser Organisation verfolgte Zweck ist die Veröffentlichung und der Vertrieb socialistischer Litteratur in russischer Sprache. Die Gruppe hat ein Wochenblatt: „Snamia“.
5) Die Union der Hemdenmacher (shirt-makers Union); sie besteht ausschließlich aus jüdischen Arbeitern und Arbeiterinnen in Wäschefabriken. Diese Organisation hat nicht nur die Verfolgung sachlicher Interessen zum Zweck, sie ist auch für die geistige Aufklärung und Entwicklung ihrer Mitglieder thätig. Außerdem entfaltet sie eine agitatorische Thätigkeit, indem sie Volksversammlungen arrangirt, in denen man die socialistischen Prinzipien den Arbeitern der verschiedenen Gewerbe erklärt.
6) Die Union der jüdischen Schriftsetzer; sie umfaßt alle jüdischen Setzer von Neue-York. Sie verdient alle Beachtung, weil sie eine vollständige Controlle über alle jüdischen Druckereien New-York’s ausübt, obgleich deren Zahl eine verhältnißmäßig große ist.
7) Die Union der Choristen.
8) Die Union der Schauspieler.
Diese beiden Organisationen rekrutiren ihre Mitglieder unter den Choristen und Schauspielern der jüdischen Theater in New York. Diese haben in ihrem Beruf erst begriffen, daß die Kunst schon lange ihre privilegirte Stellung verloren hat; daß in der gegenwärtigen kapitalistischen Gesellschaft die Künstler bezahlte Sklaven sind wie alle andern Arbeiter; und daß sie ihren Feind nur besiegen können, indem sie sich in die Reihen des kämpfenden Proletariats stellen.
—116— 9) Die russische musikalische Union, eine Gruppe russisch und jüdisch sprechender Musiker.
10) Die Vereinigung der Schneider, eine sehr starke Organisation, die aus jüdischen Schneidern besteht.
11) Die Vereinigung der Schneider für Damenkonfektion (Dress-makers Union).
12) Die Knickerbockers Union; sie besteht aus Arbeitern und Arbeiterinnen, die mit der Fabrikation von Knabenhosen (Knickerbocker) beschäftigt sind.
13) Die Vereinigung der Matratzenmacher.
14) Die Vereinigung der Seidenbandweber.
Das Programm der jüdischen Gewerkschaften, wie dasjenige der Vereinigung der deutschen Gewerkschaften mit der sie Hand in Hand marschiren, hat zur Grundlage und zum Eckstein das Prinzip des Klassenkampfes. Als Hauptziel ihrer Bestrebungen erklären sie die Unterdrückung des Lohnsystems durch die Abschaffung des persönlichen Eigenthums und die Vergesellschaftung aller Produktions- und Transportmittel.
Die Taktik der Vereinigung der jüdischen Gewerkschaften und ihre praktische Thätigkeit entspricht den Grundsätzen dieses Programms, welches von allen Organisationen anerkannt werden muß, die sich ihr anzuschließen wünschen.
Außer den erwähnten Organisationen bestehen unter den jüdischen Arbeitern und Arbeiterinnen New-York’s noch Gruppirungen, welche nicht der Organisation anhängen wie z. B.:
Alle diese Organisationen von der einen oder der andern Art arbeiten mit großem Eifer für die Verbreitung des Socialismus. Es kommt häufig vor, daß an ein und demselben Abend an verschiedenen Punkten des russischen Quartiers von New-York ein halbes Dutzend öffentlicher Versammlungen stattfinden, wo Tausende von jüdischen Arbeitern und Arbeiterinnen mit gespannter Aufmerksamkeit der Erklärung des neuen Evangeliums horchen. Die Vertretung des organisirten jüdischen Proletariats an diesem Congreß hier ist ein Beweis, wie tief die Ideen der Solidarität und der Brüderlichkeit der Ausgebeuteten aller Länder in das Herz dieses Proletariats eingedrungen ist.
Wie groß der Erfolg für die Entwicklung des Klassenbewußtseins der ganzen jüdischen Arbeitermasse ist, wird dadurch bewiesen, daß die jüdischen kapitalistischen Organe, auch die größten und mächtigsten, es im Interesse ihrer Existenz für nothwendig halten, sich mehr oder weniger mit socialistischen Federn zu schmücken.
Die Syndikatskammer der Glasarbeiter hat schon beiden Congressen in Bordeaux und Troyes, an denen sie Theil nahm; das Minimum ihrer Forderungen ausgestellt. Die auf diesen Congressen verlesenen und auf den Bureaux derselben niedergelegten Berichte sind in einem einzigen vereinigt worden, welcher der socialistischen Arbeitergruppe der Kammer einige Tage nach den Arbeitermanifestationen des 10. und des 24. Februar dieses Jahres zugestellt wurde. Die socialistischen Abgeordneten haben formell versprochen, die Dolmetscher dieser Forderungen im Parlament sein zu wollen, und wir wissen, daß sie ihr Versprechen halten werden. Aber Jeder weiß, wie die Reklamationen der Arbeiter von den maßgebenden Bourgeois ausgenommen werden. Vorschläge werden gemacht, dann an Einsargungscommissionen geschickt, die es übernehmen diese Vorschläge aus dem Boden ihrer Mappen derart —117— unterzubringen daß sie aus denselben nicht früher wieder auferstehen, als bis davon nicht mehr gesprochen wird.
Trotz des schlechten Willens unserer Geschäftsleiter lassen wir von unseren Forderungen nicht ab, und da es uns unmöglich ist, unsere Klagen und unsere Beschwerden den Machthabern zu Gehör zu bringen, so ist es an der Arbeiterklasse, den vereinigten Socialisten, denen wir unsere Wünsche aus einander setzen: die öffentliche Meinung für uns zu gewinnen, welche das durchsehen wird, was man uns heute noch verweigert.
Da alle Corporationen auf diesem Congreß vertreten sein müssen, hat jede von ihnen das Recht, die ihr eigenthümlichen Forderungen darzulegen, damit es leichter wird, die für unsere Industrie nöthigen Reformen in einer bestimmten Formel auszudrücken. Um unseren Forderungen mehr Gewicht zu geben, um die Reformen, die wir zu fordern berechtigt sind, besser rechtfertigen zu können – sowohl vor unseren täglichen Ausbeutern, als vor den öffentlichen Gewalten –, ist es gut, die zahllosen Ungerechtigkeiten offen zu legen, deren Opfer wir sind. – Die Corporation der Glasarbeiter ist um so mehr im Recht ihre Forderungen scharf zu formuliren, als sie den schlimmsten Arbeitsbedingungen unterworfen sind, die im schreiendsten Widerspruch mit den Forderungen der elementarsten Hygiene stehen.
Die Arbeit der Glasarbeiter vollzieht sich durch eine Art Von Gemeinschaften, die aus 12 bis 16 Personen bestehen und mit dem Namen „Place“ – Platz – bezeichnet werden.
Nun, wenn aus dem „Platze“ ein Arbeiter, sei es in Folge von Verbrennung, Unwohlsein, Schwäche etc. nöthig hätte, die aufreibende Thätigkeit, die er in unserer Arbeit entfalten muß, zu verlangsamen, so kann er es nichts seine Arbeit ist so abhängig von der des ganzen „Platzes“, daß es ihm nicht erlaubt ist, einen Tag weniger thätig zu sein als den andern, und das unter Arbeitsbedingungen, die denen der Galeeren-Sträflinge gleichen.
So kommt es vor, daß der Glasarbeiter im Alter von 40–50 Jahren vollständig abgenutzt ist, – unfähig seine Profession weiter zu treiben, und was noch schlimmer: eine andere zu ergreifen. Außerdem daß nach 15 bis 20jähriger Thätigkeit in unserem Gewerbe die Muskelkräfte geschwunden sind, schwächt sich auch die Sehkraft, verbrannt durch die Glut unserer Oefen, die, bis zu 1800 Grad erhitzt, unserer mißlichen Lage eine neue Qual hinzufügen.
Diese allgemeine Skizze unserer Lage wird es begreiflich machen, wie dringend nöthig es ist, daß die össentlichen Gewalten sich für eine Arbeitergesetzgebung entscheiden, welche dem empörenden Mißbrauch ein Ende machen, der täglich in unseren Hüttenwerken ausgeübt wird.
Wir wollen auch Von der Nachtarbeit sprechen und von der Kinderarbeit in unserer Industrie, besonders in den Departement der Seine und der Seine et Oise.
Die Zusammensetzung der „Plätze“ erlaubt die Verwendung von Kindern, die in großer Anzahl beschäftigt werden.
Die gesetzlichen Bestimmungen über die Kinderarbeit sind unseren Arbeitgebern nur todte Buchstaben, und in den großen Brennöfen, die uns als Werkstätten dienen, sind zahlreiche kleine Unglückliche unter 12 Jahrern. Was den Unterricht dieser armen Kleinen betrifft, so findet er unter Bedingungen statt, die vielleicht schädlicher für sie und ihre Gesundheit sind, als stärkend und nützlich. Es gibt selbst Hüttenwerke, wo gar keine Schule für die Kinder abgehalten wird, und solche, wo nur eine Klasse eingerichtet ist, und wo nach einer Tagesarbeit von 12–14 Stunden mein den Kindern 2 Stunden Schule gibt. Sie haben daher 14–16 Stunden Arbeit den Tag. Noch mehr! Da die Kinder nach der Tagesarbeit in die Schule gehen, so kommt es oft vor – wir können sogar sagen: immer –, daß sie ganz durchgeschwitzt sind, und da sie keine Möglichkeit haben, die Kleider zu wechseln, so trocknet der Schwei? ihnen auf dem Rucken. Und zu welcher Arbeit Zwinger man diese kleinen Parias!
—118— Um es richtig herauszusagen, es ist Sträflingsarbeit [1], zu der wir vom Kleinsten bis zum Größten gezwungen sind.
Aber abgesehen von der ungesunden, entkräftenden Natur unserer Arbeit haben wir noch eine Nachtarbeit zu ertragen, die um so unerträglicher ist, als es uns nicht möglich ist, auf normale Weise den großen Kräfteverbrauch, den dies Hüttenarbeit erheischt, zu ersetzen. Man urtheile! Die mittlere Zahl der von unseren Arbeitgebern verlangten Arbeitsstunden ist 12 aus 24. Man hat nun eine Art Rolle über die Tages- und Nachtarbeit eingerichtet, in der Art, daß wir Tages- und Nachtstunden arbeiten müssen, und zwar indem man die nämlichen Arbeitsstunden in jeder Abtheilung der 12 Stunden einschaltet. So haben wir nie mehr als 6 Stunden, um uns auszuruhen, wovon man noch die für den Weg zwischen dem Hüttenwerk und unserem Wohnort, und die für unsere Mahlzeiten und unsere Reinigung etc. nöthige Zeit abziehen muß!
Das, Bürger, sind – in wenige Worte gefaßt – unsere Arbeitsbedingungen, denen Knaben von 11–15 Jahren gleichfalls unterworfen sind.
Glauben Sie nicht mit uns, daß die öffentlichen Gewalten Schutzgesetze machen mußten, – wenn nicht für uns, die wir Männer sind, und folglich fähig, die Ketten zu brechen, wenn wir das Bewußtsein unseres Rechts und unserer Kraft haben, – aber für die der wildesten kapitalistischen Ausbeutungs überlieferten Kinder?
Stark durch unser Recht, versichert der Unterstützung aller Arbeiter und Socialisten, verlangen wir daher als unmittelbar einzuführende Maaßregeln:
Das sind, wir wiederholen es, unsere Mindest-Forderungen. Was unsere Ziele und unsere Bestrebungen betrifft, so denken wir im Einklang mit allen Delegirten, daß die endgiltige und vollständige Befreiung unser einziges Trachten sein muß, allein unseren Bedürfnissen entspricht, allein unser würdig ist. –
1. travail de forçiats – Arbeit von Galeerensträflingen.
Zuletzt aktualisiert am 26. Dezember 2022