G.W.F. Hegel

 

Phänomenologie des Geistes

 

V
Gewißheit und Wahrheit der Vernunft

B
Die Verwirklichung
des vernünftigen Selbstbewußtseins
durch sich selbst

Das Selbstbewußtsein fand das Ding als sich, und sich als Ding; d.h. es ist für es, daß es an sich die gegenständliche Wirklichkeit ist. Es ist nicht mehr die unmittelbare Gewißheit, alle Realität zu sein; sondern eine solche, für welche das Unmittelbare überhaupt die Form eines aufgehobenen hat, so daß seine Gegenständlichkeit nur noch als Oberfläche gilt, deren Inneres und Wesen es selbst ist. – Der Gegenstand, auf welchen es sich positiv bezieht, ist daher ein Selbstbewußtsein; er ist in der Form der Dingheit, d.h. er ist selbstständig; aber es hat die Gewißheit, daß dieser selbstständige Gegenstand kein Fremdes für es ist; es weiß hiemit, daß es an sich von ihm anerkannt ist; es ist der Geist, der die Gewißheit hat, in der Verdopplung seines Selbstbewußtseins und in der Selbstständigkeit beider seine Einheit mit sich selbst zu haben. Diese Gewißheit hat sich ihm nun zur Wahrheit zu erheben; was ihm gilt, daß es an sich und in seiner innern Gewißheit sei, soll in sein Bewußtsein treten, und für es werden.

Was die allgemeinen Stationen dieser Verwirklichung sein werden, bezeichnet sich im allgemeinen schon durch die Vergleichung mit dem bisherigen Wege. Wie nämlich die beobachtende Vernunft in dem Elemente der Kategorie die Bewegung des Bewußtseins, nämlich die sinnliche Gewißheit, das Wahrnehmen und den Verstand wiederholte, so wird diese auch die doppelte Bewegung des Selbstbewußtseins wieder durchlaufen, und aus der Selbstständigkeit in seine Freiheit übergehen. Zuerst ist diese tätige Vernunft ihrer selbst nur als eines Individuums bewußt, und muß als ein solches seine Wirklichkeit im andern fordern und hervorbringen – alsdenn aber, indem sich sein Bewußtsein zur Allgemeinheit erhebt, wird es allgemeine Vernunft, und ist sich seiner als Vernunft, als an und für sich schon anerkanntes bewußt, welches in seinem reinen Bewußtsein alles Selbstbewußtsein vereinigt; es ist das einfache geistige Wesen, das, indem es zugleich zum Bewußtsein kommt, die reale Substanz ist, worein die frühern Formen als in ihren Grund zurückgehen, so daß sie gegen diesen nur einzelne Momente seines Werdens sind, die sich zwar losreißen und als eigne Gestalten erscheinen, in der Tat aber nur von ihm getragen Dasein und Wirklichkeit, aber ihre Wahrheit nur haben, insofern sie in ihm selbst sind und bleiben.

Nehmen wir dieses Ziel, das der Begriff ist, der uns schon entstanden – nämlich das anerkannte Selbstbewußtsein, das in dem andern freien Selbstbewußtsein die Gewißheit seiner selbst, und eben darin seine Wahrheit hat –, in seiner Realität auf, oder heben wir diesen noch innern Geist als die schon zu ihrem Dasein gediehene Substanz heraus, so schließt sich in diesem Begriffe das Reich der Sittlichkeit auf. Denn diese ist nichts anders als in der selbstständigen Wirklichkeit der Individuen die absolute geistige Einheit ihres Wesens; ein an sich allgemeines Selbstbewußtsein, das sich in einem andern Bewußtsein so wirklich ist, daß dieses vollkommene Selbstständigkeit hat, oder ein Ding für es, und daß es eben darin der Einheit mit ihm sich bewußt ist, und in dieser Einheit mit diesem gegenständlichen Wesen erst Selbstbewußtsein ist. Diese sittliche Substanz in der Abstraktion der Allgemeinheit, ist sie nur das gedachte Gesetz; aber sie ist ebensosehr unmittelbar wirkliches Selbstbewußtsein oder sie ist Sitte. Das einzelne Bewußtsein ist umgekehrt nur dieses seiende Eins, indem es des allgemeinen Bewußtseins in seiner Einzelnheit als seines Seins sich bewußt, indem sein Tun und Dasein die allgemeine Sitte ist.

In dem Leben eines Volks hat in der Tat der Begriff der Verwirklichung der selbstbewußten Vernunft, in der Selbstständigkeit des Andern die vollständige Einheit mit ihm anzuschauen, oder diese von mir vorgefundene freie Dingheit eines andern, welche das Negative meiner selbst ist, als mein Für-mich-sein zum Gegenstande zu haben, seine vollendete Realität. Die Vernunft ist als die flüssige allgemeine Substanz, als die unwandelbare einfache Dingheit vorhanden, welche ebenso in viele vollkommen selbstständige Wesen wie das Licht in Sterne als unzählige für sich leuchtende Punkte zerspringt, die in ihrem absoluten Für-sich-sein nicht nur an sich in der einfachen selbstständigen Substanz aufgelöst sind, sondern für sich selbst; sie sind sich bewußt, diese einzelne selbstständige Wesen dadurch zu sein, daß sie ihre Einzelnheit aufopfern und diese allgemeine Substanz ihre Seele und Wesen ist; so wie dies Allgemeine wieder das Tun ihrer als einzelner oder das von ihnen hervorgebrachte Werk ist.

Das rein einzelne Tun und Treiben des Individuums bezieht sich auf die Bedürfnisse, welche es als Naturwesen, das heißt als seiende Einzelnheit hat. Daß selbst diese seine gemeinsten Funktionen nicht zunichte werden, sondern Wirklichkeit haben, geschieht durch das allgemeine erhaltende Medium, durch die Macht des ganzen Volks. – Nicht nur aber diese Form des Bestehens seines Tuns überhaupt hat es in der allgemeinen Substanz, sondern ebensosehr seinen Inhalt; was es tut, ist die allgemeine Geschicklichkeit und Sitte aller. Dieser Inhalt, insofern er sich vollkommen vereinzelt, ist in seiner Wirklichkeit in das Tun aller verschränkt. Die Arbeit des Individuums für seine Bedürfnisse ist ebensosehr eine Befriedigung der Bedürfnisse der andern als seiner eignen, und die Befriedigung der seinigen erreicht es nur durch die Arbeit der andern. – Wie der Einzelne in seiner einzelnen Arbeit schon eine allgemeine Arbeit bewußtlos vollbringt, so vollbringt er auch wieder die allgemeine als seinen bewußten Gegenstand; das Ganze wird als Ganzes sein Werk, für das er sich aufopfert, und ebendadurch sich selbst von ihm zurückerhält. – Es ist hier nichts, das nicht gegenseitig wäre, nichts, woran nicht die Selbstständigkeit des Individuums in der Auflösung ihres Für-sich-seins, in der Negation ihrer selbst ihre positive Bedeutung, für sich zu sein, sich gäbe. Diese Einheit des Seins für Anderes oder des Sich-zum-Dinge-machens und des Für-sich-seins, diese allgemeine Substanz redet ihre allgemeine Sprache in den Sitten und Gesetzen seines Volks; aber dies seiende unwandelbare Wesen ist nichts anders als der Ausdruck der ihr entgegengesetzt scheinenden einzelnen Individualität selbst; die Gesetze sprechen das aus, was jeder Einzelne ist und tut; das Individuum erkennt sie nicht nur als seine allgemeine gegenständliche Dingheit, sondern ebensosehr sich in ihr, oder als vereinzelt in seiner eignen Individualität und in jedem seiner Mitbürger. In dem allgemeinen Geiste hat daher jeder nur die Gewißheit seiner selbst, nichts anders in der seienden Wirklichkeit zu finden als sich selbst; er ist der andern so gewiß als seiner. – Ich schaue es in allen an, daß sie für sich selbst nur diese selbstständigen Wesen sind, als Ich es bin; Ich schaue die freie Einheit mit den andern in ihnen so an, daß sie wie durch Mich, so durch die andern selbst ist. Sie als Mich, Mich als Sie.

In einem freien Volke ist darum in Wahrheit die Vernunft verwirklicht; sie ist gegenwärtiger lebendiger Geist, worin das Individuum seine Bestimmung, das heißt sein allgemeines und einzelnes Wesen, nicht nur ausgesprochen und als Dingheit vorhanden findet, sondern selbst dieses Wesen ist, und seine Bestimmung auch erreicht hat. Die weisesten Männer des Altertums haben darum den Ausspruch getan: daß die Weisheit und die Tugend darin bestehen, den Sitten seines Volks gemäß zu leben.

Aus diesem Glücke aber, seine Bestimmung erreicht zu haben, und in ihr zu leben, ist das Selbstbewußtsein, welches zunächst nur unmittelbar und dem Begriffe nach Geist ist, herausgetreten, oder auch – es hat es noch nicht erreicht; denn beides kann auf gleiche Weise gesagt werden.

Die Vernunft muß aus diesem Glücke heraustreten; denn nur an sich oder unmittelbar ist das Leben eines freien Volks die reale Sittlichkeit, oder sie ist eine seiende, und damit ist auch dieser allgemeine Geist selbst ein einzelner, das Ganze der Sitten und Gesetze, eine bestimmte sittliche Substanz, welche erst in dem hohem Momente, nämlich im Bewußtsein über ihr Wesen, die Beschränkung auszieht, und nur in diesem Erkennen ihre absolute Wahrheit hat, nicht aber unmittelbar in ihrem Sein; in diesem ist sie teils eine beschränkte, teils ist die absolute Beschränkung eben dies, daß der Geist in der Form des Seins ist.

Ferner ist daher das einzelne Bewußtsein, wie es unmittelbar seine Existenz in der realen Sittlichkeit oder in dem Volke hat, ein gediegenes Vertrauen, dem sich der Geist nicht in seine abstrakte Momente aufgelöst hat, und das sich also auch nicht als reine Einzelnheit für sich zu sein weiß. Ist es aber zu diesem Gedanken gekommen, wie es muß, so ist diese unmittelbare Einheit mit dem Geiste oder sein Sein in ihm, sein Vertrauen verloren; es für sich isoliert, ist sich nun das Wesen, nicht mehr der allgemeine Geist. Das Moment dieser Einzelnheit des Selbstbewußtseins ist zwar in dem allgemeinen Geiste selbst, aber nur als eine verschwindende Größe, die, wie sie für sich auftritt, in ihm ebenso unmittelbar sich auflöst und nur als Vertrauen zum Bewußtsein kommt. Indem es sich so fixiert – und jedes Moment, weil es Moment des Wesens ist, muß selbst dazu gelangen, als Wesen sich darzustellen –, so ist das Individuum den Gesetzen und Sitten gegenübergetreten; sie sind nur ein Gedanke ohne absolute Wesenheit, eine abstrakte Theorie ohne Wirklichkeit; es aber ist als dieses Ich sich die lebendige Wahrheit.

Oder das Selbstbewußtsein hat dieses Glück noch nicht erreicht, sittliche Substanz, der Geist eines Volks zu sein. Denn aus der Beobachtung zurückgekehrt, ist der Geist zuerst noch nicht als solcher durch sich selbst verwirklicht; er ist nur als innres Wesen oder als die Abstraktion gesetzt. – Oder er ist erst unmittelbar; unmittelbar seiend aber ist er einzeln; er ist das praktische Bewußtsein, das in seine vorgefundene Welt mit dem Zwecke einschreitet, sich in dieser Bestimmtheit eines Einzelnen zu verdoppeln, sich als Diesen als sein seiendes Gegenbild zu erzeugen und dieser Einheit seiner Wirklichkeit mit dem gegenständlichen Wesen bewußt zu werden. Es hat die Gewißheit dieser Einheit; es gilt ihm, daß sie an sich oder daß diese Übereinstimmung seiner und der Dingheit schon vorhanden ist, nur ihm noch durch es zu werden hat, oder daß sein Machen ebenso das Finden derselben ist. Indem diese Einheit Glück heißt, wird dies Individuum hiemit sein Glück zu suchen von seinem Geiste in die Welt hinausgeschickt.

Wenn also die Wahrheit dieses vernünftigen Selbstbewußtseins für uns die sittliche Substanz ist, so ist hier für es der Anfang seiner sittlichen Welterfahrung. Von der Seite, daß es noch nicht zu jener geworden, dringt diese Bewegung auf sie, und das, was in ihr sich aufhebt, sind die einzelnen Momente, die ihm isoliert gelten. Sie haben die Form eines unmittelbaren Wollens oder Naturtriebs, der seine Befriedigung erreicht, welche selbst der Inhalt eines neuen Triebes ist. – Von der Seite aber, daß das Selbstbewußtsein das Glück in der Substanz zu sein verloren, sind diese Naturtriebe mit Bewußtsein ihres Zweckes als der wahren Bestimmung und Wesenheit verbunden; die sittliche Substanz ist zum selbstlosen Prädikate herabgesunken, dessen lebendige Subjekte die Individuen sind, die ihre Allgemeinheit durch sich selbst zu erfüllen, und für ihre Bestimmung aus sich zu sorgen haben. – In jener Bedeutung also sind jene Gestalten das Werden der sittlichen Substanz, und gehen ihr vor; in dieser folgen sie, und lösen es für das Selbstbewußtsein auf, was seine Bestimmung sei; nach jener Seite geht in der Bewegung, worin erfahren wird, was ihre Wahrheit ist, die Unmittelbarkeit oder Roheit der Triebe verloren, und der Inhalt derselben in einen höhern über; nach dieser aber die falsche Vorstellung des Bewußtseins, das in sie seine Bestimmung setzt. Nach jener ist das Ziel, das sie erreichen, die unmittelbare sittliche Substanz; nach dieser aber das Bewußtsein derselben, und zwar ein solches, das sie als sein eignes Wesen weiß; und insofern wäre diese Bewegung das Werden der Moralität, einer höhern Gestalt als jene. Allein diese Gestalten machen zugleich nur eine Seite ihres Werdens aus, nämlich diejenige, welche in das Für-sich-sein fällt, oder worin das Bewußtsein seine Zwecke aufhebt; nicht die Seite, nach welcher sie aus der Substanz selbst hervorgeht. Da diese Momente noch nicht die Bedeutung haben können, im Gegensatze gegen die verlorne Sittlichkeit zu Zwecken gemacht zu werden, so gelten sie hier zwar nach ihrem unbefangenen Inhalte, und das Ziel, nach welchem sie dringen, ist die sittliche Substanz. Aber indem unsern Zeiten jene Form derselben näher liegt, in welcher sie erscheinen, nachdem das Bewußtsein sein sittliches Leben verloren und es suchend jene Formen wiederholt, so mögen sie mehr in dem Ausdrucke dieser Weise vorgestellt werden.

Das Selbstbewußtsein, welches nur erst der Begriff des Geistes ist, tritt diesen Weg in der Bestimmtheit an, sich als einzelner Geist das Wesen zu sein, und sein Zweck ist also, sich als einzelnes die Verwirklichung zu geben und als dieses in ihr sich zu genießen.

In der Bestimmung, sich als Fürsichseiendes das Wesen zu sein, ist es die Negativität des Andern; in seinem Bewußtsein tritt daher es selbst als das Positive einem solchen gegenüber, das zwar ist, aber für es die Bedeutung eines Nichtansichseienden hat; das Bewußtsein erscheint entzweit in diese vorgefundene Wirklichkeit und in den Zweck, den es durch Aufheben derselben vollbringt, und statt jener vielmehr zur Wirklichkeit macht. Sein erster Zweck ist aber sein unmittelbares abstraktes Für-sich-sein, oder sich als dieses Einzelne in einem andern oder ein anderes Selbstbewußtsein als sich anzuschauen. Die Erfahrung, was die Wahrheit dieses Zwecks ist, stellt das Selbstbewußtsein höher, und es ist sich nunmehr Zweck, insofern es zugleich allgemeines ist, und das Gesetz unmittelbar an ihm hat. In der Vollbringung dieses Gesetzes seines Herzens erfährt es aber, daß das einzelne Wesen hiebei sich nicht erhalten, sondern das Gute nur durch die Aufopferung desselben ausgeführt werden kann, und es wird zur Tugend. Die Erfahrung, welche sie macht, kann keine andre sein, als daß ihr Zweck an sich schon ausgeführt ist, das Glück unmittelbar im Tun selbst sich findet, und das Tun selbst das Gute ist. Der Begriff dieser ganzen Sphäre, daß die Dingheit das Für-sich-sein des Geistes selbst ist, wird in ihrer Bewegung für das Selbstbewußtsein. Indem es ihn gefunden, ist es sich also Realität als unmittelbar sich aussprechende Individualität, die keinen Widerstand an einer entgegengesetzten Wirklichkeit mehr findet, und der nur dies Aussprechen selbst Gegenstand und Zweck ist.
 

a
Die Lust und die Notwendigkeit

Das Selbstbewußtsein, welches sich überhaupt die Realität ist, hat seinen Gegenstand an ihm selbst, aber als einen solchen, welchen es nur erst für sich hat, und der noch nicht seiend ist; das Sein steht ihm als eine andere Wirklichkeit, denn die seinige ist, gegenüber; und es geht darauf, durch Vollführung seines Für-sich-seins sich als anderes selbstständiges Wesen anzuschauen. Dieser erste Zweck ist, seiner als einzelnen Wesens in dem andern Selbstbewußtsein bewußt zu werden, oder dies Andre zu sich selbst zu machen; es hat die Gewißheit, daß an sich schon dies Andre es selbst ist. – Insofern es aus der sittlichen Substanz und dem ruhigen Sein des Denkens zu seinem Für-sich-sein sich erhoben, so hat es das Gesetz der Sitte und des Daseins, die Kenntnisse der Beobachtung und die Theorie, als einen grauen eben verschwindenden Schatten hinter sich, denn dies ist vielmehr ein Wissen von einem solchen, dessen Für-sich-sein und Wirklichkeit eine andere als die des Selbstbewußtseins ist. Es ist in es statt des himmlisch scheinenden Geistes der Allgemeinheit des Wissens und Tuns, worin die Empfindung und der Genuß der Einzelnheit schweigt, der Erdgeist gefahren, dem das Sein nur, welches die Wirklichkeit des einzelnen Bewußtseins ist, als die wahre Wirklichkeit gilt.

Es verachtet Verstand und Wissenschaft
des Menschen allerhöchste Gaben -
es hat dem Teufel sich ergeben
und muß zugrunde gehn.

Es stürzt also ins Leben, und bringt die reine Individualität, in welcher es auftritt, zur Ausführung. Es macht sich weniger sein Glück, als daß es dasselbige unmittelbar nimmt und genießt. Die Schatten von Wissenschaft, Gesetzen und Grundsätzen, die allein zwischen ihm und seiner eignen Wirklichkeit stehen, verschwinden, als ein lebloser Nebel, der es nicht mit der Gewißheit seiner Realität aufnehmen kann; es nimmt sich das Leben, wie eine reife Frucht gepflückt wird, welche ebensosehr selbst entgegen kommt, als sie genommen wird.

Sein Tun ist nur nach einem Momente ein Tun der Begierde; es geht nicht auf die Vertilgung des ganzen gegenständlichen Wesens, sondern nur auf die Form seines Andersseins oder seiner Selbstständigkeit, die ein wesenloser Schein ist; denn an sich gilt es ihm für dasselbe Wesen, oder als seine Selbstheit. Das Element, worin die Begierde und ihr Gegenstand gleichgültig gegeneinander und selbstständig bestehen, ist das lebendige Dasein; der Genuß der Begierde hebt dies, insofern es ihrem Gegenstande zukommt, auf. Aber hier ist dies Element, welches beiden die abgesonderte Wirklichkeit gibt, vielmehr die Kategorie, ein Sein, das wesentlich ein vorgestelltes ist; es ist daher das Bewußtsein der Selbstständigkeit; – sei es nun das natürliche, oder das zu einem System von Gesetzen ausgebildete Bewußtsein, welches die Individuen jedes für sich erhält. Diese Trennung ist nicht an sich für das Selbstbewußtsein, welches als seine eigne Selbstheit das andre weiß. Es gelangt also zum Genusse der Lust, zum Bewußtsein seiner Verwirklichung in einem als selbstständig erscheinenden Bewußtsein, oder zur Anschauung der Einheit beider selbstständigen Selbstbewußtsein. Es erreicht seinen Zweck, erfährt aber eben darin, was die Wahrheit desselben ist. Es begreift sich als dieses einzelne fürsichseiende Wesen, aber die Verwirklichung dieses Zwecks ist selbst das Aufheben desselben, denn es wird sich nicht Gegenstand als dieses einzelne, sondern vielmehr als Einheit seiner selbst und des andern Selbstbewußtseins, hiemit als aufgehobnes Einzelnes oder als Allgemeines.

Die genossene Lust hat wohl die positive Bedeutung, sich selbst als gegenständliches Selbstbewußtsein geworden zu sein, aber ebensosehr die negative, sich selbst aufgehoben zu haben; und indem es seine Verwirklichung nur in jener Bedeutung begriff, tritt seine Erfahrung als Widerspruch in sein Bewußtsein ein, worin die erreichte Wirklichkeit seiner Einzelnheit sich von dem negativen Wesen vernichtet werden sieht, das wirklichkeitslos jener leer gegenübersteht und doch die verzehrende Macht desselben ist. Dieses Wesen ist nichts anders als der Begriff dessen, was diese Individualität an sich ist. Sie ist aber noch die ärmste Gestalt des sich verwirklichenden Geistes; denn sie ist sich erst die Abstraktion der Vernunft, oder die Unmittelbarkeit der Einheit des Für-sich- und des An-sich-seins; ihr Wesen ist also nur die abstrakte Kategorie. Jedoch hat sie nicht mehr die Form des unmittelbaren, einfachen Seins, wie dem beobachtenden Geiste, wo sie das abstrakte Sein oder, als Fremdes gesetzt, die Dingheit überhaupt ist. Hier ist in diese Dingheit das Für-sich-sein und die Vermittlung getreten. Sie tritt daher als Kreis auf, dessen Inhalt die entwickelte reine Beziehung der einfachen Wesenheiten ist. Die erlangte Verwirklichung dieser Individualität besteht daher in nichts anderem, als daß sie diesen Kreis von Abstraktionen aus der Eingeschlossenheit des einfachen Selbstbewußtseins in das Element des Für-es-seins oder der gegenständlichen Ausbreitung herausgeworfen hat. Was dem Selbstbewußtsein also in der genießenden Lust als sein Wesen zum Gegenstande wird, ist die Ausbreitung jener leeren Wesenheiten, der reinen Einheit, des reinen Unterschiedes und ihrer Beziehung; weiter hat der Gegenstand, den die Individualität als ihr Wesen erfährt, keinen Inhalt. Er ist das, was die Notwendigkeit genannt wird; denn die Notwendigkeit, das Schicksal und dergleichen, ist eben dieses, von dem man nicht zu sagen weiß, was es tue, welches seine bestimmten Gesetze und positiver Inhalt seie, weil es der absolute als Sein angeschaute reine Begriff selbst ist, die einfache und leere, aber unaufhaltsame und unstörbare Beziehung, deren Werk nur das Nichts der Einzelnheit ist. Sie ist dieser feste Zusammenhang, weil das Zusammenhängende die reinen Wesenheiten oder die leeren Abstraktionen sind; Einheit, Unterschied und Beziehung sind Kategorien, deren jede nichts an und für sich, nur in Beziehung auf ihr Gegenteil ist, und die daher nicht auseinanderkommen können. Sie sind durch ihren Begriff aufeinander bezogen, denn sie sind die reinen Begriffe selbst; und diese absolute Beziehung und abstrakte Bewegung macht die Notwendigkeit aus. Die nur einzelne Individualität, die nur erst den reinen Begriff der Vernunft zu ihrem Inhalte hat, statt aus der toten Theorie in das Leben sich gestürzt zu haben, hat sich also vielmehr nur in das Bewußtsein der eignen Leblosigkeit gestürzt, und wird sich nur als die leere und fremde Notwendigkeit, als die tote Wirklichkeit zuteil.

Der Übergang geschieht aus der Form des Eins in die der Allgemeinheit, aus einer absoluten Abstraktion in die andere; aus dem Zwecke des reinen Für-sich-seins, das die Gemeinschaft mit Andern abgeworfen, in das reine Gegenteil, das dadurch ebenso abstrakte An-sich-sein. Dies erscheint hiemit so, daß das Individuum nur zugrunde gegangen, und die absolute Sprödigkeit der Einzelnheit an der ebenso harten, aber kontinuierlichen Wirklichkeit zerstäubt ist. – Indem es als Bewußtsein die Einheit seiner selbst und seines Gegenteils ist, ist dieser Untergang noch für es; sein Zweck und seine Verwirklichung, sowie der Widerspruch dessen, was ihm das Wesen war, und was an sich das Wesen ist; – es erfährt den Doppelsinn, der in dem liegt, was es tat, nämlich sein Leben sich genommen zu haben; es nahm das Leben, aber vielmehr ergriff es damit den Tod.

Dieser Übergang seines lebendigen Seins in die leblose Notwendigkeit erscheint ihm daher als eine Verkehrung, die durch nichts vermittelt ist. Das Vermittelnde müßte das sein, worin beide Seiten eins wären, das Bewußtsein also das eine Moment im andern erkennte, seinen Zweck und Tun in dem Schicksale, und sein Schicksal in seinem Zwecke und Tun, sein eigenes Wesen in dieser Notwendigkeit. Aber diese Einheit ist für dies Bewußtsein eben die Lust selbst, oder das einfache, einzelne Gefühl, und der Übergang von dem Momente dieses seines Zwecks in das Moment seines wahren Wesens für es ein reiner Sprung in das Entgegengesetzte; denn diese Momente sind nicht im Gefühle enthalten und verknüpft, sondern nur im reinen Selbst, das ein Allgemeines oder das Denken ist. Das Bewußtsein ist sich daher durch seine Erfahrung, worin ihm seine Wahrheit werden sollte, vielmehr ein Rätsel geworden, die Folgen seiner Taten sind ihm nicht seine Taten selbst; was ihm widerfährt, für es nicht die Erfahrung dessen, was es an sich ist; der Übergang nicht eine bloße Formänderung desselben Inhalts und Wesens, einmal vorgestellt als Inhalt und Wesen des Bewußtseins, das anderemal als Gegenstand oder angeschautes Wesen seiner selbst. Die abstrakte Notwendigkeit gilt also für die nur negative, unbegriffene Macht der Allgemeinheit, an welcher die Individualität zerschmettert wird.

Bis hieher geht die Erscheinung dieser Gestalt des Selbstbewußtseins; das letzte Moment ihrer Existenz ist der Gedanke ihres Verlusts in der Notwendigkeit, oder der Gedanke ihrer selbst als eines sich absolut fremden Wesens. Das Selbstbewußtsein an sich hat aber diesen Verlust überlebt; denn diese Notwendigkeit oder reine Allgemeinheit ist sein eignes Wesen. Diese Reflexion des Bewußtseins in sich, die Notwendigkeit als sich zu wissen, ist eine neue Gestalt desselben.
 

b
Das Gesetz des Herzens und der Wahnsinn des Eigendünkels

Was die Notwendigkeit in Wahrheit am Selbstbewußtsein ist, dies ist sie für seine neue Gestalt, worin es sich selbst als das Notwendige ist; es weiß unmittelbar das Allgemeine, oder das Gesetz in sich zu haben; welches um dieser Bestimmung willen, daß es unmittelbar in dem Für-sich-sein des Bewußtseins ist, das Gesetz des Herzens heißt. Diese Gestalt ist für sich als Einzelnheit Wesen, wie die vorige, aber sie ist um die Bestimmung reicher, daß ihr dies Für-sich-sein als notwendiges oder allgemeines gilt.

Das Gesetz also, das unmittelbar das eigne des Selbstbewußtseins ist, oder ein Herz, das aber ein Gesetz an ihm hat, ist der Zweck, den es zu verwirklichen geht. Es ist zu sehen, ob seine Verwirklichung diesem Begriffe entsprechen, und ob es in ihr dies sein Gesetz als das Wesen erfahren wird.

Diesem Herzen steht eine Wirklichkeit gegenüber; denn im Herzen ist das Gesetz nur erst für sich, noch nicht verwirklicht und also zugleich etwas Anderes, als der Begriff ist. Dieses Andere bestimmt sich dadurch als eine Wirklichkeit, die das Entgegengesetzte des zu Verwirklichenden, hiemit der Widerspruch des Gesetzes und der Einzelnheit ist. Sie ist also einerseits ein Gesetz, von dem die einzelne Individualität gedrückt wird, eine gewalttätige Ordnung der Welt, welche dem Gesetze des Herzens widerspricht; – und andererseits eine unter ihr leidende Menschheit, welche nicht dem Gesetze des Herzens folgt, sondern einer fremden Notwendigkeit untertan ist. – Diese Wirklichkeit, die der itzigen Gestalt des Bewußtseins gegenüber erscheint, ist, wie erhellt, nichts anders als das vorhergehende entzweite Verhältnis der Individualität und ihrer Wahrheit, das Verhältnis einer grausamen Notwendigkeit, von welcher jene erdrückt wird. Für uns tritt die vorhergehende Bewegung darum der neuen Gestalt gegenüber, weil diese an sich aus ihr entsprungen, das Moment, woraus sie herkommt, also notwendig für sie ist; ihr aber erscheint es als ein Vorgefundenes, indem sie kein Bewußtsein über ihren Ursprung hat, und ihr das Wesen ist, vielmehr für sich selbst oder das negative gegen dies positive An-sich zu sein.

Diese dem Gesetze des Herzens widersprechende Notwendigkeit, sowie das durch sie vorhandene Leiden, aufzuheben, darauf ist also diese Individualität gerichtet. Sie ist hiemit nicht mehr der Leichtsinn der vorigen Gestalt, die nur die einzelne Lust wollte, sondern die Ernsthaftigkeit eines hohen Zwecks, die ihre Lust in der Darstellung ihres vortrefflichen eigenen Wesens und in der Hervorbringung des Wohls der Menschheit sucht. Was sie verwirklicht, ist selbst das Gesetz, und ihre Lust daher zugleich die allgemeine aller Herzen. Beides ist ihr ungetrennt; ihre Lust das Gesetzmäßige, und die Verwirklichung des Gesetzes der allgemeinen Menschheit Bereitung ihrer einzelnen Lust. Denn innerhalb ihrer selbst ist unmittelbar die Individualität und das Notwendige eins; das Gesetz Gesetz des Herzens. Die Individualität ist noch nicht aus ihrer Stelle gerückt, und die Einheit beider nicht durch die vermittelnde Bewegung derselben, noch nicht durch die Zucht zustande gekommen. Die Verwirklichung des unmittelbaren ungezogenen Wesens gilt für Darstellung einer Vortrefflichkeit und für Hervorbringung des Wohls der Menschheit.

Das Gesetz dagegen, welches dem Gesetze des Herzens gegenübersteht, ist vom Herzen getrennt, und frei für sich. Die Menschheit, die ihm angehört, lebt nicht in der beglückenden Einheit des Gesetzes mit dem Herzen, sondern entweder in grausamer Trennung und Leiden, oder wenigstens in der Entbehrung des Genusses seiner selbst bei der Befolgung des Gesetzes, und in dem Mangel des Bewußtseins der eignen Vortrefflichkeit bei der Überschreitung desselben. Weil jene gewalthabende göttliche und menschliche Ordnung von dem Herzen getrennt ist, ist sie diesem ein Schein, welcher das verlieren soll, was ihm noch zugesellt ist, nämlich die Gewalt und die Wirklichkeit. Sie mag in ihrem Inhalte wohl zufälligerweise mit dem Gesetze des Herzens übereinstimmen, und dann kann sich dieses sie gefallen lassen; aber nicht das Gesetzmäßige rein als solches ist ihm das Wesen, sondern daß es darin das Bewußtsein seiner selbst, daß es sich darin befriedigt habe. Wo der Inhalt der allgemeinen Notwendigkeit aber nicht mit dem Herzen übereinstimmt, ist sie auch ihrem Inhalte nach nichts an sich, und muß dem Gesetze des Herzens weichen.

Das Individuum vollbringt also das Gesetz seines Herzens; es wird allgemeine Ordnung, und die Lust zu einer an und für sich gesetzmäßigen Wirklichkeit. Aber in dieser Verwirklichung ist es ihm in der Tat entflohen; es wird unmittelbar nur das Verhältnis, welches aufgehoben werden sollte. Das Gesetz des Herzens hört eben durch seine Verwirklichung auf, Gesetz des Herzens zu sein. Denn es erhält darin die Form des Seins, und ist nun allgemeine Macht, für welche dieses Herz gleichgültig ist, so daß das Individuum seine eigene Ordnung dadurch, daß es sie aufstellt, nicht mehr als die seinige findet. Durch die Verwirklichung seines Gesetzes bringt es daher nicht sein Gesetz, sondern indem sie an sich die seinige, für es aber eine fremde ist, nur dies hervor, in die wirkliche Ordnung sich zu verwickeln; und zwar in sie als eine ihm nicht nur fremde, sondern feindliche Übermacht. – Durch seine Tat setzt es sich in oder vielmehr als das allgemeine Element der seienden Wirklichkeit, und seine Tat soll selbst nach seinem Sinne den Wert einer allgemeinen Ordnung haben. Aber damit hat es sich von sich selbst freigelassen, es wächst als Allgemeinheit für sich fort und reinigt sich von der Einzelnheit; das Individuum, welches die Allgemeinheit nur in der Form seines unmittelbaren Für-sich-seins erkennen will, erkennt sich also nicht in dieser freien Allgemeinheit, während es ihr zugleich angehört, denn sie ist sein Tun. Dies Tun hat daher die verkehrte Bedeutung, der allgemeinen Ordnung zu widersprechen, denn seine Tat soll Tat seines einzelnen Herzens, nicht freie allgemeine Wirklichkeit sein; und zugleich hat es sie in der Tat anerkannt, denn das Tun hat den Sinn, sein Wesen als freie Wirklichkeit zu setzen, das heißt die Wirklichkeit als sein Wesen anzuerkennen.

Das Individuum hat durch den Begriff seines Tuns die nähere Weise bestimmt, in welcher die wirkliche Allgemeinheit, der es sich angehörig gemacht, sich gegen es kehrt. Seine Tat gehört als Wirklichkeit dem Allgemeinen an; ihr Inhalt aber ist die eigene Individualität, welche sich als diese einzelne dem Allgemeinen entgegengesetzte erhalten will. Es ist nicht irgendein bestimmtes Gesetz, von dessen Aufstellung die Rede wäre, sondern die unmittelbare Einheit des einzelnen Herzens mit der Allgemeinheit ist der zum Gesetze erhobene und geltensollende Gedanke, daß in dem, was Gesetz ist, jedes Herz sich selbst erkennen muß. Aber nur das Herz dieses Individuums hat seine Wirklichkeit in seiner Tat, welche ihm sein Für-sich-sein oder seine Lust ausdrückt, gesetzt. Sie soll unmittelbar als Allgemeines gelten, das heißt, sie ist in Wahrheit etwas Besonderes, und hat nur die Form der Allgemeinheit, sein besonderer Inhalt soll als solcher für allgemein gelten. Daher finden in diesem Inhalte die andern nicht das Gesetz ihres Herzens, sondern vielmehr das eines andern vollbracht, und eben nach dem allgemeinen Gesetze, daß in dem, was Gesetz ist, jedes sein Herz finden soll, kehren sie sich ebenso gegen die Wirklichkeit, welche es aufstellte, als es sich gegen die ihrige kehrte. Das Individuum findet also, wie zuerst nur das starre Gesetz, itzt die Herzen der Menschen selbst seinen vortrefflichen Absichten entgegen und zu verabscheuen.

Weil dies Bewußtsein die Allgemeinheit nur erst als unmittelbare, und die Notwendigkeit als Notwendigkeit des Herzens kennt, ist ihm die Natur der Verwirklichung und der Wirksamkeit unbekannt, daß sie als das Seiende in ihrer Wahrheit vielmehr das an sich Allgemeine ist, worin die Einzelnheit des Bewußtseins, die sich ihr anvertraut, um als diese unmittelbare Einzelnheit zu sein, vielmehr untergeht; statt dieses seines Seins erlangt es also in dem Sein die Entfremdung seiner selbst. Dasjenige, worin es sich nicht erkennt, ist aber nicht mehr die tote Notwendigkeit, sondern die Notwendigkeit als belebt durch die allgemeine Individualität. Es nahm diese göttliche und menschliche Ordnung, die es geltend vorfand, für eine tote Wirklichkeit, worin, wie es selbst, das sich als dieses für sich seiende dem Allgemeinen entgegengesetzte Herz fixiert, so die ihr angehören, das Bewußtsein ihrer selbst nicht hätten; es findet sie aber vielmehr von dem Bewußtsein aller belebt, und als Gesetz aller Herzen. Es macht die Erfahrung, daß die Wirklichkeit belebte Ordnung ist, zugleich in der Tat eben dadurch, daß es das Gesetz seines Herzens verwirklicht; denn dies heißt nichts anders, als daß die Individualität sich als Allgemeines zum Gegenstande wird, worin es sich aber nicht erkennt.

Was also dieser Gestalt des Selbstbewußtseins aus ihrer Erfahrung als das Wahre hervorgeht, widerspricht dem, was sie für sich ist. Was sie aber für sich ist, hat selbst die Form absoluter Allgemeinheit für sie, und es ist das Gesetz des Herzens, welches mit dem Selbstbewußtsein unmittelbar eins ist. Zugleich ist die bestehende und lebendige Ordnung ebenso sein eigenes Wesen und Werk, es bringt nichts anders hervor als sie; sie ist in gleich unmittelbarer Einheit mit dem Selbstbewußtsein. Dieses ist auf diese Weise, einer gedoppelten entgegengesetzten Wesenheit angehörend, an sich selbst widersprechend, und im Innersten zerrüttet. Das Gesetz dieses Herzens ist nur dasjenige, worin das Selbstbewußtsein sich selbst erkennt; aber die allgemeine gültige Ordnung ist durch die Verwirklichung jenes Gesetzes, ebenso ihm sein eigenes Wesen und seine eigene Wirklichkeit geworden; was in seinem Bewußtsein sich also widerspricht, ist beides in der Form des Wesens und seiner eignen Wirklichkeit für es.

Indem es dies Moment seines sich bewußten Untergangs und darin das Resultat seiner Erfahrung ausspricht, zeigt es sich als diese innere Verkehrung seiner Selbst, als die Verrücktheit des Bewußtseins, welchem sein Wesen unmittelbar Unwesen, seine Wirklichkeit unmittelbar Unwirklichkeit ist. – Die Verrücktheit kann nicht dafür gehalten werden, daß überhaupt etwas Wesenloses für wesentlich, etwas Nichtwirkliches für wirklich gehalten werde, so daß das, was für den einen wesentlich oder wirklich ist, es für einen andern nicht wäre, und das Bewußtsein der Wirklichkeit und Nichtwirklichkeit oder der Wesenheit und Unwesenheit auseinander fielen. – Wenn etwas in der Tat für das Bewußtsein überhaupt wirklich und wesentlich, für mich aber nicht ist, so habe ich in dem Bewußtsein seiner Nichtigkeit, zugleich da ich Bewußtsein überhaupt bin, das Bewußtsein seiner Wirklichkeit, – und indem sie beide fixiert sind, so ist dies eine Einheit, welche der Wahnsinn im Allgemeinen ist. In diesem ist aber nur ein Gegenstand für das Bewußtsein verrückt; nicht das Bewußtsein als solches in und für sich selbst. In dem Resultate des Erfahrens, das sich hier ergeben hat, ist aber das Bewußtsein in seinem Gesetze sich seiner selbst als dieses Wirklichen bewußt; und zugleich, indem ihm ebendieselbe Wesenheit, dieselbe Wirklichkeit entfremdet ist, ist es als Selbstbewußtsein, als absolute Wirklichkeit sich seiner Unwirklichkeit bewußt, oder die beiden Seiten gelten ihm nach ihrem Widerspruche unmittelbar als sein Wesen, das also im Innersten verrückt ist.

Das Herzklopfen für das Wohl der Menschheit geht darum in das Toben des verrückten Eigendünkels über; in die Wut des Bewußtseins, gegen seine Zerstörung sich zu erhalten, und dies dadurch, daß es die Verkehrtheit, welche es selbst ist, aus sich herauswirft, und sie als ein Anderes anzusehen und auszusprechen sich anstrengt. Es spricht also die allgemeine Ordnung aus, als eine von fanatischen Priestern, schwelgenden Despoten und für ihre Erniedrigung hinabwärts durch Erniedrigen und Unterdrücken sich entschädigenden Dienern derselben erfundne und zum namenlosen Elende der betrognen Menschheit gehandhabte Verkehrung des Gesetzes des Herzens und seines Glückes. – Das Bewußtsein spricht in dieser seiner Verrücktheit die Individualität als das Verrückende und Verkehrte aus, aber eine fremde und zufällige. Aber das Herz, oder die unmittelbar allgemeinseinwollende Einzelnheit des Bewußtseins ist dies Verrückende und Verkehrte selbst, und sein Tun nur die Hervorbringung dessen, daß dieser Widerspruch seinem Bewußtsein wird. Denn das Wahre ist ihm das Gesetz des Herzens – ein bloß gemeintes, das nicht, wie die bestehende Ordnung, den Tag ausgehalten hat, sondern vielmehr, wie es sich diesem zeigt, zugrunde geht. Dies sein Gesetz sollte Wirklichkeit haben; hierin ist ihm das Gesetz als Wirklichkeit, als geltende Ordnung Zweck und Wesen, aber unmittelbar ist ihm ebenso die Wirklichkeit, eben das Gesetz als geltende Ordnung, vielmehr das Nichtige. – Ebenso seine eigne Wirklichkeit, es selbst als Einzelnheit des Bewußtseins ist sich das Wesen; aber es ist ihm Zweck, sie seiend zu setzen; es ist ihm also unmittelbar vielmehr sein Selbst als Nichteinzelnes das Wesen, oder Zweck als Gesetz, eben darin als eine Allgemeinheit, welche es für sein Bewußtsein selbst sei. – Dieser sein Begriff wird durch sein Tun zu seinem Gegenstande; sein Selbst erfährt es also vielmehr als das Unwirkliche, und die Unwirklichkeit als seine Wirklichkeit. Es ist also nicht eine zufällige und fremde Individualität, sondern eben dieses Herz nach allen Seiten in sich das Verkehrte und Verkehrende.

Indem aber die unmittelbar allgemeine Individualität das Verkehrte und Verkehrende ist, ist nicht weniger diese allgemeine Ordnung, da sie das Gesetz aller Herzen, das heißt, des Verkehrten ist, selbst an sich das Verkehrte, wie die tobende Verrücktheit es aussprach. Einmal erweist sie sich in dem Widerstande, welchen das Gesetz eines Herzens an den andern Einzelnen findet, Gesetz aller Herzen zu sein. Die bestehenden Gesetze werden gegen das Gesetz eines Individuums verteidigt, weil sie nicht bewußtlose, leere und tote Notwendigkeit, sondern geistige Allgemeinheit und Substanz sind, worin diejenigen, an denen sie ihre Wirklichkeit hat, als Individuen leben, und ihrer selbst bewußt sind; so daß, wenn sie auch über diese Ordnung, als ob sie dem innern Gesetze zuwiderlaufe, klagen und die Meinungen des Herzens gegen sie halten, in der Tat mit ihrem Herzen an ihr als ihrem Wesen hängen; und wenn diese Ordnung ihnen genommen wird, oder sie selbst sich daraussetzen, sie alles verlieren. Indem hierin eben die Wirklichkeit und Macht der öffentlichen Ordnung besteht, erscheint also diese als das sich selbst gleiche allgemein belebte Wesen, und die Individualität als die Form derselben. – Aber diese Ordnung ist ebenso das Verkehrte.

Denn darin, daß sie das Gesetz aller Herzen ist, daß alle Individuen unmittelbar dieses Allgemeine sind, ist sie eine Wirklichkeit, welche nur die Wirklichkeit der für sich seienden Individualität, oder des Herzens ist. Das Bewußtsein, welches das Gesetz seines Herzens aufstellt, erfährt also Widerstand von andern, weil es den ebenso einzelnen Gesetzen ihres Herzens widerspricht, und diese tun in ihrem Widerstande nichts anders als ihr Gesetz aufstellen und geltend machen. Das Allgemeine, das vorhanden ist, ist daher nur ein allgemeiner Widerstand und Bekämpfung aller gegeneinander, worin jeder seine eigene Einzelnheit geltend macht, aber zugleich nicht dazu kommt, weil sie denselben Widerstand erfährt, und durch die andern gegenseitig aufgelöst wird. Was öffentliche Ordnung scheint, ist also diese allgemeine Befehdung, worin jeder an sich reißt, was er kann, die Gerechtigkeit an der Einzelnheit der Andern ausübt und die seinige festsetzt, die ebenso durch andere verschwindet. Sie ist der Weltlauf, der Schein eines bleibenden Ganges, der nur eine gemeinte Allgemeinheit, und dessen Inhalt vielmehr das wesenlose Spiel der Festsetzung der Einzelnheiten und ihrer Auflösung ist.

Betrachten wir beide Seiten der allgemeinen Ordnung gegeneinander, so hat die letztere Allgemeinheit zu ihrem Inhalte die unruhige Individualität, für welche die Meinung oder die Einzelnheit Gesetz, das Wirkliche unwirklich und das Unwirkliche das Wirkliche ist. Sie ist aber zugleich die Seite der Wirklichkeit der Ordnung, denn ihr gehört das Für-sich-sein der Individualität an. – Die andere Seite ist das Allgemeine als ruhiges Wesen, aber eben darum nur als ein Inneres, das nicht gar nicht, aber doch keine Wirklichkeit ist, und nur durch Aufhebung der Individualität, welche sich die Wirklichkeit angemaßt hat, selbst wirklich werden kann. Diese Gestalt des Bewußtseins, sich in dem Gesetze, in dem an sich Wahren und Guten nicht als die Einzelnheit, sondern nur als Wesen zu werden, die Individualität aber als das Verkehrte und Verkehrende zu wissen, und daher die Einzelnheit des Bewußtseins aufopfern zu müssen, ist die Tugend.
 

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Die Tugend und der Weltlauf

In der ersten Gestalt der tätigen Vernunft war das Selbstbewußtsein sich reine Individualität, und ihr gegenüber stand die leere Allgemeinheit. In der zweiten hatten die beiden Teile des Gegensatzes jeder die beiden Momente, Gesetz und Individualität, an ihnen; der eine aber, das Herz, war ihre unmittelbare Einheit, der andere ihre Entgegensetzung. Hier, im Verhältnisse der Tugend und des Weltlaufs, sind beide Glieder, jedes Einheit und Gegensatz dieser Momente, oder eine Bewegung des Gesetzes und der Individualität gegeneinander, aber eine entgegengesetzte. Dem Bewußtsein der Tugend ist das Gesetz das Wesentliche und die Individualität das Aufzuhebende, und also sowohl an ihrem Bewußtsein selbst als an dem Weltlaufe. An jenem ist die eigne Individualität in die Zucht unter das Allgemeine, das an sich Wahre und Gute, zu nehmen; es bleibt aber darin noch persönliches Bewußtsein; die wahre Zucht ist allein die Aufopfrung der ganzen Persönlichkeit, als die Bewährung, daß es in der Tat nicht noch an Einzelnheiten festgeblieben ist. In dieser einzelnen Aufopfrung wird zugleich die Individualität an dem Weltlaufe vertilgt, denn sie ist auch einfaches beiden gemeinschaftliches Moment. – In diesem verhält sich die Individualität auf die verkehrte Weise, als sie am tugendhaften Bewußtsein gesetzt ist, nämlich sich zum Wesen zu machen, und dagegen das an sich Gute und Wahre sich zu unterwerfen. – Der Weltlauf ist ferner ebenso für die Tugend nicht nur dies durch die Individualität verkehrte Allgemeine; sondern die absolute Ordnung ist gleichfalls gemeinschaftliches Moment, an dem Weltlaufe nur nicht als seiende Wirklichkeit für das Bewußtsein vorhanden, sondern das innere Wesen desselben. Sie ist daher nicht erst durch die Tugend eigentlich hervorzubringen, denn das Hervorbringen ist, als Tun, Bewußtsein der Individualität, und diese vielmehr aufzuheben; durch dieses Aufheben aber wird dem An-sich des Weltlaufs gleichsam nur Raum gemacht, an und für sich selbst in die Existenz zu treten.

Der allgemeine Inhalt des wirklichen Weltlaufs hat sich schon ergeben; näher betrachtet, ist er wieder nichts anders als die beiden vorhergehenden Bewegungen des Selbstbewußtseins. Aus ihnen ist die Gestalt der Tugend hervorgegangen; indem sie ihr Ursprung sind, hat sie sie vor sich; sie geht aber darauf, ihren Ursprung aufzuheben, und sich zu realisieren, oder für sich zu werden. Der Weltlauf ist also einerseits die einzelne Individualität, welche ihre Lust und Genuß sucht, darin zwar ihren Untergang findet, und hiemit das Allgemeine befriedigt. Aber diese Befriedigung selbst sowie die übrigen Momente dieses Verhältnisses ist eine verkehrte Gestalt und Bewegung des Allgemeinen. Die Wirklichkeit ist nur die Einzelnheit der Lust und des Genusses, das Allgemeine aber ihr entgegengesetzt; eine Notwendigkeit, welche nur die leere Gestalt desselben, eine nur negative Rückwirkung und inhaltsloses Tun ist. – Das andere Moment des Weltlaufs ist die Individualität, welche an und für sich Gesetz sein will, und in dieser Einbildung die bestehende Ordnung stört; das allgemeine Gesetz erhält sich zwar gegen diesen Eigendünkel, und tritt nicht mehr als ein dem Bewußtsein Entgegengesetztes und Leeres, nicht als eine tote Notwendigkeit auf, sondern als Notwendigkeit in dem Bewußtsein selbst. Aber wie es als die bewußte Beziehung der absolut widersprechenden Wirklichkeit existiert, ist es die Verrücktheit; wie es aber als gegenständliche Wirklichkeit ist, ist es die Verkehrtheit überhaupt. Das Allgemeine stellt sich also wohl in beiden Seiten als die Macht ihrer Bewegung dar, aber die Existenz dieser Macht ist nur die allgemeine Verkehrung.

Von der Tugend soll es nun seine wahrhafte Wirklichkeit erhalten, durch das Aufheben der Individualität, des Prinzips der Verkehrung; ihr Zweck ist, hiedurch den verkehrten Weltlauf wieder zu verkehren und sein wahres Wesen hervorzubringen. Dies wahre Wesen ist an dem Weltlaufe nur erst als sein An-sich, es ist noch nicht wirklich; und die Tugend glaubt es daher nur. Diesen Glauben geht sie zum Schauen zu erheben, ohne aber der Früchte ihrer Arbeit und Aufopferung zu genießen. Denn insofern sie Individualität ist, ist sie das Tun des Kampfes, den sie mit dem Weltlaufe eingeht; ihr Zweck und wahres Wesen aber ist die Besiegung der Wirklichkeit des Weltlaufs; die dadurch bewirkte Existenz des Guten ist hiemit das Aufhören ihres Tuns, oder des Bewußtseins der Individualität. – Wie dieser Kampf selbst bestanden werde, was die Tugend in ihm erfährt, ob durch die Aufopferung, welche sie über sich nimmt, der Weltlauf unterliege, die Tugend aber siege – dies muß sich aus der Natur der lebendigen Waffen entscheiden, welche die Kämpfer führen. Denn die Waffen sind nichts anderes als das Wesen der Kämpfer selbst, das nur für sie beide gegenseitig hervortritt. Ihre Waffen haben sich hiemit schon aus dem ergeben, was an sich in diesem Kampfe vorhanden ist.

Das Allgemeine ist für das tugendhafte Bewußtsein im Glauben oder an sich wahrhaft; noch nicht eine wirkliche, sondern eine abstrakte Allgemeinheit; an diesem Bewußtsein selbst ist es als Zweck, an dem Weltlaufe als Inneres. In eben dieser Bestimmung stellt das Allgemeine sich auch an der Tugend für den Weltlauf dar; denn sie will das Gute erst ausführen, und gibt selbst es noch nicht für Wirklichkeit aus. Diese Bestimmtheit kann auch so betrachtet werden, daß das Gute, indem es in dem Kampf gegen den Weltlauf auftritt, damit sich darstellt als seiend für ein Anderes; als etwas, das nicht an und für sich selbst ist, denn sonst würde es nicht durch Bezwingung seines Gegenteils sich erst seine Wahrheit geben wollen. Es ist nur erst für ein Anderes, heißt dasselbe, was vorher von ihm in der entgegengesetzten Betrachtung sich zeigte, nämlich es ist erst eine Abstraktion, welche nur in dem Verhältnisse, nicht an und für sich, Realität hat.

Das Gute oder Allgemeine, wie es also hier auftritt, ist dasjenige, was die Gaben, Fähigkeiten, Kräfte genannt wird. Es ist eine Weise des Geistigen zu sein, worin es als ein Allgemeines vorgestellt wird, das zu seiner Belebung und Bewegung des Prinzips der Individualität bedarf, und in dieser seine Wirklichkeit hat. Von diesem Prinzip, insofern es am Bewußtsein der Tugend ist, wird dies Allgemeine gut angewendet, von ihm aber, insofern es am Weltlauf ist, mißbraucht; – ein passives Werkzeug, das von der Hand der freien Individualität regiert, gleichgültig gegen den Gebrauch, den sie von ihm macht, auch zur Hervorbringung einer Wirklichkeit mißbraucht werden kann, die seine Zerstörung ist; eine leblose, eigner Selbstständigkeit entbehrende Materie, die so oder auch anders, und selbst zu ihrem Verderben geformt werden kann.

Indem dies Allgemeine dem Bewußtsein der Tugend, wie dem Weltlaufe auf gleiche Weise zu Gebote steht, so ist nicht abzusehen, ob so ausgerüstet die Tugend das Laster besiegen werde. Die Waffen sind dieselben; sie sind diese Fähigkeiten und Kräfte. Zwar hat die Tugend ihren Glauben an die ursprüngliche Einheit ihres Zweckes und des Wesens des Weltlaufes in den Hinterhalt gelegt, welche dem Feinde während des Kampfes in den Rücken fallen, und an sich ihn vollbringen soll; so daß hiedurch in der Tat für den Ritter der Tugend sein eignes Tun und Kämpfen eigentlich eine Spiegelfechterei ist, die er nicht für Ernst nehmen kann, weil er seine wahrhafte Stärke darein setzt, daß das Gute an und für sich selbst sei, d.h. sich selbst vollbringe, – eine Spiegelfechterei, die er auch nicht zum Ernste werden lassen darf. Denn dasjenige, was er gegen den Feind kehrt, und gegen sich gekehrt findet, und dessen Abnutzung und Beschädigung er sowohl an ihm selbst als seinem Feinde daran wagt, soll nicht das Gute selbst sein; denn für dessen Bewahrung und Ausführung kämpft er; sondern was daran gewagt wird, sind nur die gleichgültigen Gaben und Fähigkeiten. Allein diese sind in der Tat nichts anderes als eben dasjenige individualitätslose Allgemeine selbst, welches durch den Kampf erhalten und verwirklicht werden soll. – Es ist aber zugleich durch den Begriff des Kampfs selbst unmittelbar bereits verwirklicht; es ist das An-sich, das Allgemeine; und seine Verwirklichung heißt nur dieses, daß es zugleich für ein Anderes sei. Die beiden oben angegebenen Seiten, nach deren jeder es zu einer Abstraktion wurde, sind nicht mehr getrennt, sondern in und durch den Kampf ist das Gute auf beide Weisen zumal gesetzt. – Das tugendhafte Bewußtsein tritt aber in den Kampf gegen den Weltlauf als gegen ein dem Guten Entgegengesetztes; was er ihm hierin darbietet, ist das Allgemeine, nicht nur als abstraktes Allgemeines, sondern als ein von der Individualität belebtes und für ein Anderes seiendes, oder das wirkliche Gute. Wo also die Tugend den Weltlauf anfaßt, trifft sie immer auf solche Stellen, die die Existenz des Guten selbst sind, das in alle Erscheinung des Weltlaufs, als das An-sich des Weltlaufs, unzertrennlich verschlungen ist, und in der Wirklichkeit desselben auch sein Dasein hat; er ist also für sie unverwundbar. Ebensolche Existenzen des Guten, und hiemit unverletzliche Verhältnisse, sind alle Momente, welche von der Tugend selbst an ihr darangesetzt und aufgeopfert werden sollten. Das Kämpfen kann daher nur ein Schwanken zwischen Bewahren und Aufopfern sein; oder vielmehr kann weder Aufopferung des Eignen noch Verletzung des Fremden stattfinden. Die Tugend gleicht nicht nur jenem Streiter, dem es im Kampfe allein darum zu tun ist, sein Schwert blank zu erhalten, sondern sie hat auch den Streit darum begonnen, die Waffen zu bewahren; und nicht nur kann sie die ihrigen nicht gebrauchen, sondern muß auch die des Feindes unverletzt erhalten und sie gegen sich selbst schützen, denn alle sind edle Teile des Guten, für welches sie in den Kampf ging.

Diesem Feinde dagegen ist nicht das An-sich, sondern die Individualität das Wesen; seine Kraft also das negative Prinzip, welchem nichts bestehend und absolut heilig ist, sondern welches den Verlust von allem und jedem wagen und ertragen kann. Hiedurch ist ihm der Sieg ebensosehr an ihm selbst gewiß als durch den Widerspruch, in welchen sich sein Gegner verwickelt. Was der Tugend an sich ist, ist dem Weltlaufe nur für ihn; er ist frei von jedem Momente, das für sie fest und woran sie gebunden ist. Er hat ein solches Moment dadurch, daß es für ihn nur als ein solches gilt, das er ebensowohl aufheben als bestehen lassen kann, in seiner Gewalt; und damit auch den daran befestigten tugendhaften Ritter. Dieser kann sich davon nicht als von einem äußerlich umgeworfenen Mantel loswickeln und durch Hinterlassung desselben sich frei machen; denn es ist ihm das nicht aufzugebende Wesen.

Was endlich den Hinterhalt betrifft, aus welchem das gute An-sich dem Weltlaufe listigerweise in den Rücken fallen soll, so ist diese Hoffnung an sich nichtig. Der Weltlauf ist das wache seiner selbst gewisse Bewußtsein, das nicht von hinten an sich kommen läßt, sondern allenthalben die Stirne bietet; denn er ist dieses, daß alles für ihn ist, daß alles vor ihm steht. Das gute An-sich aber, ist es für seinen Feind, so ist es in dem Kampfe, den wir gesehen haben; insofern es aber nicht für ihn, sondern an sich ist, ist es das passive Werkzeug der Gaben und Fähigkeiten, die wirklichkeitslose Materie; als Dasein vorgestellt, wäre es ein schlafendes und dahinten, man weiß nicht wo, bleibendes Bewußtsein.

Die Tugend wird also von dem Weltlaufe besiegt, weil das abstrakte, unwirkliche Wesen in der Tat ihr Zweck ist, und weil in Ansehung der Wirklichkeit ihr Tun auf Unterschieden beruht, die allein in den Worten liegen. Sie wollte darin bestehen, durch Aufopferung der Individualität das Gute zur Wirklichkeit zu bringen, aber die Seite der Wirklichkeit ist selbst nichts anders als die Seite der Individualität. Das Gute sollte dasjenige sein, was an sich und dem, was ist, entgegengesetzt ist, aber das An-sich ist, nach seiner Realität und Wahrheit genommen, vielmehr das Sein selbst. Das An-sich ist zunächst die Abstraktion des Wesens gegen die Wirklichkeit; aber die Abstraktion ist eben dasjenige, was nicht wahrhaft, sondern nur für das Bewußtsein ist; das heißt aber, es ist selbst dasjenige, was wirklich genannt wird; denn das Wirkliche ist, was wesentlich für ein Anderes ist, oder es ist das Sein. Das Bewußtsein der Tugend aber beruht auf diesem Unterschiede des An-sich und des Seins, der keine Wahrheit hat. – Der Weltlauf sollte die Verkehrung des Guten sein, weil er die Individualität zu seinem Prinzip hatte; allein diese ist das Prinzip der Wirklichkeit; denn eben sie ist das Bewußtsein, wodurch das Ansichseiende ebensosehr für ein Anderes ist; er verkehrt das Unwandelbare, aber er verkehrt es in der Tat aus dem Nichts der Abstraktion in das Sein der Realität.

Der Weltlauf siegt also über das, was die Tugend im Gegensatze gegen ihn ausmacht; er siegt über sie, der die wesenlose Abstraktion das Wesen ist. Er siegt aber nicht über etwas Reales, sondern über das Erschaffen von Unterschieden, welche keine sind, über diese pomphaften Reden vom Besten der Menschheit und der Unterdrückung derselben, von der Aufopferung fürs Gute und dem Mißbrauche der Gaben; – solcherlei ideale Wesen und Zwecke sinken als leere Worte zusammen, welche das Herz erheben und die Vernunft leer lassen; erbauen, aber nichts aufbauen; Deklamationen, welche nur diesen Inhalt bestimmt aussprechen, daß das Individuum, welches für solche edle Zwecke zu handeln vorgibt und solche vortreffliche Redensarten führt, sich für ein vortreffliches Wesen gilt, – eine Aufschwellung, welche sich und andern den Kopf groß macht, aber groß von einer leeren Aufgeblasenheit. – Die antike Tugend hatte ihre bestimmte sichere Bedeutung, denn sie hatte an der Substanz des Volks ihre inhaltsvolle Grundlage, und ein wirkliches schon existierendes Gutes zu ihrem Zwecke; sie war daher auch nicht gegen die Wirklichkeit als eine allgemeine Verkehrtheit und gegen einen Weltlauf gerichtet. Die betrachtete aber ist aus der Substanz heraus, eine wesenlose Tugend, eine Tugend nur der Vorstellung und der Worte, die jenes Inhalts entbehren. – Diese Leerheit der mit dem Weltlaufe kämpfenden Rednerei würde sich sogleich aufdecken, wenn gesagt werden sollte, was ihre Redensarten bedeuten; – sie werden daher als bekannt vorausgesetzt. Die Forderung, dies Bekannte zu sagen, würde entweder durch einen neuen Schwall von Redensarten erfüllt, oder ihr die Berufung auf das Herz entgegengesetzt, welches innerhalb es sage, was sie bedeuten, das heißt, die Unvermögenheit, es in der Tat zu sagen, würde eingestanden. – Die Nichtigkeit jener Rednerei scheint auch auf eine bewußtlose Art für die Bildung unsers Zeitalters Gewißheit erlangt zu haben; indem aus der ganzen Masse jener Redensarten und der Weise, sich damit aufzuspreizen, alles Interesse verschwunden ist; ein Verlust, der sich darin ausdrückt, daß sie nur Langeweile machen.

Das Resultat also, welches aus diesem Gegensatze hervorgeht, besteht darin, daß das Bewußtsein die Vorstellung von einem an sich Guten, das noch keine Wirklichkeit hätte, als einen leeren Mantel fahren läßt. Es hat in seinem Kampfe die Erfahrung gemacht, daß der Weltlauf so übel nicht ist, als er aussah; denn seine Wirklichkeit ist die Wirklichkeit des Allgemeinen. Es fällt mit dieser Erfahrung das Mittel, durch Aufopferung der Individualität das Gute hervorzubringen, hinweg; denn die Individualität ist gerade die Verwirklichung des Ansichseienden; und die Verkehrung hört auf, als eine Verkehrung des Guten angesehen zu werden, denn sie ist vielmehr eben die Verkehrung desselben als eines bloßen Zwecks in die Wirklichkeit; die Bewegung der Individualität ist die Realität des Allgemeinen.

In der Tat ist hiemit aber ebenso dasjenige besiegt worden und verschwunden, was als Weltlauf dem Bewußtsein des Ansichseienden gegenüberstand. Das Für-sich-sein der Individualität war daran dem Wesen oder Allgemeinen entgegengesetzt, und erschien als eine von dem An-sich-sein getrennte Wirklichkeit. Indem aber sich gezeigt hat, daß die Wirklichkeit in ungetrennter Einheit mit dem Allgemeinen ist, so erweist sich das Für-sich-sein des Weltlaufs ebenso, wie das An-sich der Tugend nur eine Ansicht ist, auch nicht mehr zu sein. Die Individualität des Weltlaufs mag wohl nur für sich oder eigennützig zu handeln meinen; sie ist besser, als sie meint, ihr Tun ist zugleich ansichseiendes, allgemeines Tun. Wenn sie eigennützig handelt, so weiß sie nur nicht, was sie tut, und wenn sie versichert, alle Menschen handeln eigennützig, so behauptet sie nur, alle Menschen haben kein Bewußtsein darüber, was das Tun ist. – Wenn sie für sich handelt, so ist dies eben die Hervorbringung des nur erst Ansichseienden zur Wirklichkeit; der Zweck des Für-sich-seins also, der dem An-sich sich entgegengesetzt meint – seine leere Pfiffigkeit, sowie seine feinen Erklärungen, die den Eigennutz überall aufzuzeigen wissen, sind ebenso verschwunden als der Zweck des An-sich und seine Rednerei.

Es ist also das Tun und Treiben der Individualität Zweck an sich selbst; der Gebrauch der Kräfte, das Spiel ihrer Äußerungen ist es, was ihnen, die sonst das tote An-sich wären, Leben gibt, das An-sich nicht ein unausgeführtes, existenzloses und abstraktes Allgemeines, sondern es selbst ist unmittelbar diese Gegenwart und Wirklichkeit des Prozesses der Individualität.

 


Zuletzt aktualisiert am 31.10.2004