Eduard Bernstein

Die deutsche Revolution




XI. Der Austritt der unabhängigen Sozialdemokraten aus dem Rat der Volksbeauftragten


Die Volksbeauftragten aus der Unabhängigen Sozialdemokratie sahen begreiflicherweise die Vorgänge vom 23. und 24. Dezember mit andern Augen an, als ihre Kollegen aus den Reihen der Mehrheitssozialisten. Emil Barth war, wie wir gesehen haben, mit seinen Sympathien auf Seiten des Dorrenbach gewesen. Dittmann und Haase hatten die kritischen Vorgänge vom 23. und 24. Dezember nicht mit durchgelebt, dagegen von Barth dessen sehr subjektiv gefärbten Bericht darüber gehört, ohne seine Richtigkeit sofort in allen Punkten nachprüfen zu können. So erklärten sie denn den in der Nacht vom 23. Dezember von Ebert in Übereinstimmung mit Landsberg und Scheidemann dem Kriegsminister behufs Rettung von Wels gegebenen Auftrag für einen durch die damalige Sachlage nicht zu rechtfertigenden Schritt. Als die Angelegenheit am 27. Dezember in einer gemeinsamen Sitzung von Volksbeauftragten und Zentralrat zur Verhandlung kam, platzten die Geister ziemlich heftig aufeinander. Barth hielt eine förmliche Anklagerede gegen die drei Mehrheitssozialisten, denen er, wie er in seiner Schrift ausführt, vorbedachtes Hinarbeiten auf den blutigen Zusammenstoß und systematisches Belügen der Kollegen vorwarf. Haase und Dittmann würden wahrscheinlich weniger geneigt gewesen sein, ein ähnlich hartes Urteil zu fällen, wenn sie nicht gerade in jenen Tagen über Fragen der deutschen Ostpolitik und der Auflösung des Heeres mit Ebert und Genossen in scharfen sachlichen Gegensatz geraten wären. Die Letztgenannten wollten in Deutschland noch eine Truppenmacht zurückbehalten, die gegebenenfalls stark genug wäre, die Deutschen in den Ostprovinzen und im Baltikum gegen Polen einerseits und die Bolschewisten andererseits mit Waffengewalt zu schützen, und auf der andern Seite waren sie bereit, der obersten Heeresleitung verschiedene Zugeständnisse inbezug auf Umfang und Zeitmaß der Durchführung der Beschlüsse des Rätekongresses über Abschaffung der Rangabzeichen usw., zu machen. Die unabhängigen Volksbeauftragten lehnten es dagegen schroff ab, irgend eine kriegerische Aktion auch nur als möglich in’s Auge zu fassen, verwarfen insbesondere den Gedanken irgend einer solchen Aktion gegen Sowjet-Rußland und bestanden auf strikte Durchführung der die Militärfragen betreffenden Beschlüsse des Rätekongresses. Am Schluß der Sitzung formulierten sie ihren Standpunkt in folgenden acht Fragen, die sie dem Zentralrat zur Beantwortung übergaben:

„1. Billigt es der Zentralrat, daß die Kabinettsmitglieder Ebert, Scheidemann und Landsberg in der Nacht vom 23. zum 24. Dezember dem Kriegsminister den in keiner Weise begrenzten Auftrag erteilten, mit militärischer Gewalt gegen die Volksmarinedivision in Schloß und Marstall vorzugehen?

2. Billigt der Zentralrat das am Morgen des 24. Dezember von den Truppen des Generalkommandos Lequis mit nur 10 Minuten befristete Ultimatum, sowie die Artilleriebeschießung von Schloß und Marstall?

3. Erklärt sich der Zentralrat für die sofortige, strikte Durchführung der vom Kongreß der Arbeiter- und Soldaten-Räte gefaßten Beschlüsse über die Abschaffung der Rangabzeichen und das Untersagen des Waffentragens außerhalb des Dienstes für die Offiziere im Heimatheer?

4. Billigt es der Zentralrat, daß die oberste Heeresleitung in einem vertraulichen Telegramm an die Heeresgruppe Ober-Ost erklärt, sie erkenne diese Beschlüsse der Arbeiter- und Soldatenräte nicht an?

5. Billigt der Zentralrat die von den Kabinettsmitgliedern Ebert, Scheidemann und Landsberg befürwortete Verlegung der Reichsregierung von Berlin nach Weimar oder einem anderen Orte Mitteldeutschlands?

6. Billigt der Zentralrat, daß statt der völligen Demobilmachung des stehenden Heeres nur eine Reduzierung desselben auf den Friedensstand unter Zurückhaltung und eventueller Auffüllung der beiden Jahresklassen 1897 und 98 stattfindet?

7. Steht der Zeutralrat mit uns auf dem Standpunkt, daß die Regierung der sozialistischen Republik sich militärisch nicht schützen kann und darf auf die Generalität und die Reste des auf dem Kadavergehorsam aufgebauten, alten, stehenden Heeres, sondern nur auf eine nach demokratischen Grundsätzen aus Freiwilligen zu bildende Volkswehr?

8. Ist der Zentralrat dafür, daß die Sozialisierung der dafür reifen Industrieen durch gesetzgeberische Akte sofort in Angriff genommen wird?“

Nach dreistündiger Beratung brachte der Zentralrat seine Antwort, der er seinerseits zwei Fragen an die unabhängigen Volksbeauftragten angefügt hatte. Dies die Antworten auf die Fragen der Unabhängigen:

„1. Die Volksbeauftragten haben lediglich den Auftrag erteilt, das Nötige zur Befreiung des Genossen Wels zu veranlassen. Das ist aber auch .erst geschehen, nachdem den drei Volksbeauftragten von dem Führer der Volksmarinedivision mitgeteilt worden ist, daß er für das Leben des Genossen Wels nicht mehr garantieren kann. Das billigt der Zentralrat.

2. Die zweite Frage beantwortet der Zentralrat mit: Nein.

3. Der Zentralrat steht auf dem Standpunkt, daß die auf dem Kongreß gefaßten Beschlüsse durchzuführen sind. Der Rat der Volksbeauftragten wird beauftragt, die Ausführungsbestimmungen alsbald vorzulegen.

4. Die vierte Frage wird mit Nein beantwortet.

Zu den Fragen 5, 6 und 7: Der Zentralrat kann diese Fragen ohne vorherige eingehende Erörterungen mit dem Rat der Volksbeauftragten nicht beantworten.

8. Der Zentralrat wünscht in allernächster Zeit von der für die Vorbereitung der Sozialisierung eingesetzten Kommission einen Vortrag über den Stand ihrer Arbeiten zu hören. Er ist der Meinung, daß die Sozialisierungskommission in Ausführung der Beschlüsse des Kongresses der Arbeiter- und Soldatenräte so schnell wie möglich positive Vorschläge über die Sozialisierung der dazu reifen Betriebe (insbesondere des Bergbaues) macht.“

Die an die Unabhängigen gestellten Fragen lauteten:

„Sind die Volksbeauftragten bereit, die öffentliche Ruhe und Sicherheit, insbesondere auch das private und öffentliche Eigentum gegen gewaltsame Eingriffe zu schützen?

Sind sie mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln auch bereit, ihre eigene Arbeitsmöglichkeit und die ihrer Organe gegen Gewalttätigkeiten, ganz gleich, von welcher Seite sie erfolgen sollten, zu gewährleisten?“

Nach kurzer Zeit ward die gemeinsame Sitzung wieder eröffnet, und Hugo Haase gab für sich, Barth und Dittmann folgende Erklärung ab:

„Wir treten aus der Regierung aus und begründen diesen Schritt in folgender Weise:

1. Das Blutbad vom 24. Dezember ist dadurch verschuldet, daß die Volksbeauftragten Ebert, Scheidemann, Landsberg dem Kriegsminister den unbegrenzten Auftrag zu militärischer Gewaltanordnung gegeben haben. Zur Befreiung des Stadtkommandanten Wels war ein solcher Auftrag weder nötig noch zweckdienlich. Das Leben von Wels wurde gerade durch eine Kanonade auf das Gebäude, in dem er sich selbst befand, auf das Höchste gefährdet. Der militärische Angriff erfolgte außerdem erst 7 Stunden, nachdem dem Kriegsminister der Auftrag erteilt war, also zu einer Zeit, wo, wenn Wels’s Leben wirklich bedroht war, mit seiner Unversehrtheit kaum noch gerechnet werden konnte.

„Die Volksbeauftragten Ebert, Scheidemann und Landsberg haben während dieser ganzen Zeit keinen Schritt getan, um die Ausführung ihres Auftrages, der einer Blankovollmacht gleichkam, zu überwachen.

Wir können es nicht verantworten, daß einem Vertieter des alten Gewaltsystems die Verfügung über das Leben der Mitmenschen nach seinem Belieben übertragen wird. Der Weg der Verhandlungen, der schließlich zum Ziel geführt hat, hätte in keinem Stadium der Angelegenheit verlassen werden dürfen.

Im Gegensatz zu dieser unserer Auffassung hat der Zentralrat das Verhalten von Ebert, Scheidemann und Landsberg in dieser Frage gebilligt.

2. Wie gefährlich der dem Kriegsminister gegebene Auftrag gewesen ist, ergibt sich schon daraus, daß der Zentralrat die Art der Ausführung des Auftrages selbst in Beantwortung der Frage 2 ausdrücklich hat mißbilligen müssen.

3. Die Antwort auf die Frage 3 befriedigt uns ebenfalls nicht, da sie nicht die sofortige und strikte Durchführung der vom Kongreß der Arbeiter- und Soldatenräte gefaßten Beschlüsse verlangt, sondern lediglich die Aufforderung zur alsbaldigen Vorlage von Ausführungsbestimmungen enthält.

4. Unsere Fragen zu 5, 6 und 7 sind von entscheidender Bedeutung für die Führung der inneren und auswärtigen Politik im Geiste der Revolution. Da der Zentralrat die Beantwortung dieser grundlegenden Fragen trotz der eingehenden Erörterungen, die sie in der Verhandlung gefunden haben, hinausschiebt, so werden die Errungenschaften der Revolution nach unserer Überzeugung auch hierdurch gefährdet.

5. Die Beantwortung der Frage wegen der vom Kongreß der Arbeiter- und Soldatenräte geforderten sofortigen Sozialisierung der dazu reifen Industrien sichert durchaus nicht die Verwirklichung der Absichten des Kongresses.

6. Da wir hiermit aus der Regierung ausscheiden, haben wir die an uns als Volksbeauftragte gestellten Fragen nicht mehr zu beantworten.“

Schwerlich wird jemand bei genauer Prüfung der Sätze den so schwerwiegenden Schritt des Austrittes aus der Regierung für genügend begründet finden. Bei Punkt 1 wird völlig außer Betracht gelassen, daß Ebert und Genossen in jener Nacht in einer Zwangslage sich befanden, und daß sie nicht annehmen konnten, der Kriegsminister werde so widersinnig handeln, wie von dessen Untergebenem, dem General Lequis gehandelt worden ist. Tatsächlich hat, wie Barth selbst erzählt, Herr von Scheüch, als Dittmann ihm Tags darauf in einem Gespräch die Lächerlichkeit vorhielt, auf ein Haus mit Kanonen zu schießen, um einen darin befindlichen Mann zu befreien, erregt geantwortet, er habe einen derartig unsinnigen Auftrag weder erhalten noch gegeben. Hätte er einen solchen erhalten, so hätte er ihn ob seiner Unsinnigkeit und Zweckwidrigkeit rundweg abgeschlagen. (Barth, a.a.O., S.118.) Es lag eine sträflich widersinnige Ausdeutung des Auftrages vor, und die hatte der Zentralrat unumwunden mißbilligt. Die Sätze 3, 4 und 5 unterstellen, daß die Antwort auf die dort berührten Fragen keine Minute Aufschub vertrug, was sicherlich nicht der Fall war, und der unter 6 angegebene Grund, warum die Fragesteller die vom Zentralrat an sie gerichtete Frage nicht zu beantworten hätten, wird nur als ein verlegenes Ausweichen betrachtet werden können.

Triftigere Gründe für den Austritt ihrer Partei aus der Regierung gäbe„ die Volksbeauftragten der Unabhängigen Sozialdemokratie in einer in der Freiheit vom 29. Dezember 1918 veröffentlichte Erklärung. Dort wird dargelegt, daß die Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Regierung in wichtigen Fragen der inneren und äußeren Politik sich zunehmend gesteigert hätten. Die Vertrauensseligkeit der Mehrheitssozialisten gegenüber der obersteh Heeresleitung habe sie dazu geführt, deren Vorschläge meist unbesehen anzunehmen, wodurch die Macht der alten Militärgewalt von neuem gestärkt worden sei. Das Zögern der Mehrheitssozialisten gegenüber verschiedenen Zumutungen der obersten Heeresleitung in bezug auf Grenzschutz im Westen,. Zurückhaltung und Aufstellung zweier Jahresklassen bei der Demobilmachung, Frondieren in Sachen Abschaffung der Rangabzeichen und Verbot von Waffentragen außer Dienst habe bewirkt, daß jene „in ihrem Angriff immer kühner wurden und die gesamten Offiziere gegen die Beschlüsse des Kongresses der Arbeiter- und Soldatenräte, denen die Regierung zugestimmt hatte, und damit auch gegen die Regierung aufputschte.“

Es wird dann auf die Vorgänge am 24. Dezember hingewiesen und erklärt, daß „der Zentralrat, in den die Unabhängigen auf dem Kongreß keinen Vertreter entsandt hatten“, in seiner Antwort auf die ihm vorgelegten Fragen Ebert, Scheidemann und Landsberg gedeckt habe, „obwohl diese durch ihren Auftrag an den Kriegsminister die ungeheure Kanonade gegen Schloß und Marstall, sowie das Blutvergießen verschuldet haben.“ Damit sei „der politische Moment gekommen, in dem die Unabhängigen aus der Regierung austreten mußten.“

„Die Unabhängigen standen kurz vorher vor der Frage“, heißt es weiter, „ob sie allein die Regierung übernehmen wollten. Dazu wären sie nur in der Lage gewesen, wenn sie sich auf einen Zentralrat hätten stützen können, der ihre Anschauungen in allen wesenlichen politischen Fragen teilte. Denn jeder Regierung fehlt die Existenzgrundlage, wenn die Gewalt, von der sie selbst ihre Macht herleitet, die sie jederzeit abberufen kann, in den Grundanschauungen anders denkt, als sie selbst. Die weitere Entwicklung der inneren und äußeren Politik wird die vorhandenen Schwierigkeiten für die neue Regierung sicherlich vermehren. Läßt sie sich dazu verleiten, die Rolle des starken Mannes, die sie so unglücklich begonnen hat, weiter fortzuführen, so wird das zu Kämpfen mit unübersehbaren Folgen innerhalb des Volkes führen.“

Darin lag grundsätzlich viel Wahres. Die Frage ist nur, ob irgend etwas an der Lage dadurch gebessert wurde, daß die Unabhängigen aus der Regierung ausschieden. Sie konnten in dieser zum mindesten vieles von dem verhindern, was sie für schädlich hielten, denn man stand sich 3 zu 3 gegenüber und war übereingekommen, daß Stimmengleichheit bei einem Antrag oder Vorschlag deren Ablehnung bedeute, und in der Einleitung ihrer Erklärung heben sie selbst hervor, daß trotz der großen Verschiedenheiten in den Grundanschauungen zwischen ihnen und den Mehrheitssozialisten ein kollegiales Zusammenarbeiten bestanden habe. „Alle Beteiligten“ heißt es da, „hatten das Bestreben, die ihnen zugewiesene Aufgabe zu erfüllen und zu diesem Zweck alle persönlichen Reibungen zu vermeiden.“ „Es sei auch geglückt, das Zusammenarbeiten von dem erbitternden Moment persönlicher Vorwürfe frei zu halten.“ Hierzu hätte noch bemerkt werden können, daß, wenn es große Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Gruppen gab, so doch nicht minder große Übereinstimmung in bezug auf die positiven Aufgaben der Republik. Es ist bemerkenswert, daß in dieser letzteren Hinsicht die Erklärung keine ernsthafte Beschwerde erhebt, und in der Tat war in den sechs Wochen Zusammenwirkens ein tüchtiges Stück grundlegender Reformarbeit geleistet worden. Nein, der wahre Grund der Unmöglichkeit für die drei Unabhängigen, in der Regierung zu verbleiben, lag anderswo. Er lag in der Tatsache, daß ihnen in der eigenen Partei jeder Rückhalt für solches Zusammenarbeiten abhanden gekommen war, bei dem es nun einmal ohne gegenseitige Zugeständnisse nicht abgeht. Die Partei war physisch, d.h. in bezug auf Anhang im Volke, zu schwach, selbst die Regierung in die Hand zu nehmen, und sie war moralisch zu schwach, die Selbstentsagung üben zu können, welche die Teilnahme an der Regierung jeder Partei auferlegt und die in einer revolutionären Situation ganz besonders erforderlich ist. Es fehlte den drei unabhängigen Volksbeauftragten keineswegs nur die Deckung durch Parteigenossen im Zentralrat, es fehlte ihnen, was noch weit wichtiger war – denn der Zentralrat bestand ja doch aus Sozialisten, die keineswegs bloße Nachläufer der drei Mehrheitssozialisten in der Regierung waren, – an Verständnis in der eigenen Partei für die wirkliche Lage draußen im Lande und die aus ihr sich ergebenden politischen Notwendigkeiten. Schließlich aber, und das war vielleicht das Entscheidende, obwohl Haase und Genossen wahrscheinlich sich das nicht selbst eingestanden: der Zusammenstoß mit den Dorrenbach folgenden Matrosen war nur das Vorspiel eines sich immer deutlicher abzeichnenden Zusammenstoßes mit Karl Liebknecht und dessen wachsender Gefolgschaft. Über die Möglichkeit, den Ersteren zu vermeiden, konnte man verschiedener Meinung sein. Daß aber mit Karl Liebknecht und dessen Verbündeten, die nach bolschewistischem Muster und wahrscheinlich auch mit bolschewistischer Unterstützung arbeiteten, der gewaltsame Zusammenstoß eines Tages unvermeidlich werden würde, konnte sich niemand verheimlichen, der deren Treiben offenen Auges verfolgte. In solcher Situation auf der Seite der die dann notwendige Repression übenden Regierungsgewalt stehen zu müssen, das war eine Perspektive, die auch andere mit Grauen erfüllen konnte.

Unverkennbar war aber zugleich, daß der Austritt von Haase und Genossen aus der Regierung diese Gefahr außerordentlich steigerte. Er erschwerte die Lage der jungen Republik im Innern und nach außen. Dem Ausland gegenüber beraubte er die Regierung desjenigen Elements, das wegen seiner Haltung im Kriege ihm die größte Bürgschaft für den völligen Bruch mit den Überlieferungen des Kaisertums bieten konnte. Im Inland entzog er ihr die Sicherung gegen das Mißtrauen derjenigen radikalgesinnten Volkskreise, die unter anderen Umständen bereit gewesen wären, sie auch gegen jeden Ansturm von links her zu verteidigen. Menschlich läßt sich der Schlag, den die drei Unabhängigen der Republik durch ihren Austritt aus der Regierung versetzten, verstehen und zum mindesten entschuldigen. Politisch bedeutete er eine unrühmliche und verderbliche Kapitulation vor Spartakus.




In den Tagen der Jahrswende 1918/1919 hielt in Berlin der deutsche Spartakusbund eine Konferenz ab, auf der er sich unter Annahme eines politischen Programms, das der bolschewistischen Doktrin angepaßt war, als Kommunistische Partei Deutschlands konstituierte. Die von 114 Teilnehmern, darunter 83 Delegierte, besuchte Zusammenkunft beschloß nach sehr lebhafter Diskussion mit 62 gegen 23 Stimmen an den bevorstehenden Wahlen zur Nationalversammlung sich nicht zu beteiligen, sondern den Wahlkampf zu einer starken Agitation gegen die Wahl und den Parlamentarismus auszunutzen. Zu denen, die für die Wahlbeteiligung eingetreten waren, gehörten Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Aber trotz ihrer eindringlichen Reden blieben sie, wie man sieht, in recht schwacher Minderheit, und man muß sagen, daß die Gegner der Wahlbeteiligung, zu denen auch der bisherige Reichstagsabgeordnete Otto Rühle zählte, die stärkere Logik für sich hatten. Die Arbeiter zum Wählen in eine Kammer aufrufen, die man in jeder Hinsicht verwirft, wäre der ärgste Widerspruch gewesen. Größere Logik hatte Rosa Luxemburg, als sie in einer Rede über die politische Theorie der neuen Partei ausführte, für deren Begründung müsse man auf das Kommunistische Manifest zurückgreifen. Denn im Manifest ist der Bruch seiner Verfasser mit der Doktrin des Blanquismus nur erst halb vollzogen.


Zuletzt aktualisiert am 5.11.2008