Mao Tse-Tung


Gegen den Liberalismus

(7. September 1937)


Mao Tse-tung: Ausgewählte Werke, Band II, Peking 1968, S.27-30.
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Wir sind für einen aktiven ideologischen Kampf, denn er ist die Waffe, mit der wir die Einheit innerhalb der Partei und innerhalb der revolutionären Organisationen im Interesse unseres Kampfes herbeiführen. Jeder Kommunist und jeder Revolutionär muß zu dieser Waffe greifen.

Der Liberalismus aber verzichtet auf den ideologischen Kampf und tritt für einen prinzipienlosen Frieden ein; das Ergebnis sind ein modriges, spießbürgerliches Verhalten und die politische Entartung gewisser Einheiten und Mitglieder der Partei und der revolutionären Organisationen.

Der Liberalismus hat verschiedene Erscheinungsformen: Wenn man genau weiß, daß jemand im Unrecht ist, und sich doch mit ihm nicht prinzipiell auseinandersetzt, sondern um des lieben Friedens und der Freundschaft willen darüber hinwegsieht, weil es sich um einen Bekannten, einen Landsmann, einen Schulkameraden, einen intimen Freund, einen, den man liebhat, einen alten Arbeitskollegen oder einen alten Untergebenen handelt, oder wenn man, um das gute Einvernehmen mit ihm zu wahren, die Frage nur flüchtig streift, ohne ihre gründliche Lösung anzustreben – aus all diesem ergibt sich dann ein Schaden sowohl für das Kollektiv wie für den Einzelnen –, so ist das eine der Erscheinungsformen des Liberalismus.

Andere hinter ihrem Rücken verantwortungslos kritisieren, statt sich mit positiven Vorschlägen an die Organisation zu wenden; jemandem seine Meinung nicht offen ins Gesicht sagen, sondern hinter seinem Rücken klatschen oder statt in der Versammlung das Wort zu ergreifen, dafür hinterher schwatzen; keine Grundsätze des Gemeinschaftslebens achten und sich völlig frei gehen lassen – das ist eine zweite Erscheinungsform.

Möglichst weit von sich weg schieben, was einen nicht selbst betrifft; am besten möglichst wenig sagen, selbst wenn man genau weiß, was falsch ist; um die eigene Haut besorgt sein, nur darauf achten, daß man nicht getadelt wird – das ist eine dritte Erscheinungsform.

Weisungen nicht befolgen und die eigene Meinung allem voranstellen; an die Organisation nur Ansprüche stellen, von ihrer Disziplin aber nichts wissen wollen – das ist eine vierte Erscheinungsform.

Anstatt um der Einheit, um des Fortschritts, um der guten Erledigung einer Sache willen eine falsche Auffassung zu bekämpfen oder sich mit ihr auseinanderzusetzen, andere persönlich angreifen, einen Streit vom Zaun brechen, seinem Groll Luft machen oder Rache nehmen – das ist eine fünfte Erscheinungsform.

Gegen falsche Auffassungen, die man hört, keine Einwände machen und sogar über die Äußerungen von Konterrevolutionären nicht berichten, sondern alles ruhig mit anhören und so tun, als ob nichts geschehen wäre – das ist eine sechste Erscheinungsform.

Wenn man unter den Massen weilt, aber keine Propaganda macht, nicht agitiert, nicht zu den Massen spricht, den Dingen nicht nachgeht, sich nach nichts erkundigt, sich um das Wohl und Wehe der Massen nicht kümmert und sich ihnen gegenüber gleichgültig verhält; wenn man vergißt, daß man ein Kommunist ist, und sich so verhält, als ob ein Kommunist dasselbe wäre wie ein x-beliebiger Bürger – so ist das eine siebente Erscheinungsform.

Sich über eine Verletzung der Interessen der Massen nicht entrüsten, den Schuldigen nicht ermahnen, ihm nicht Einhalt gebieten und das Unrecht seiner Handlungsweise erklären, sondern ihn gewähren lassen – das ist eine achte Erscheinungsform.

Die Arbeit nicht gewissenhaft leisten, sie ohne einen bestimmten Plan, eine bestimmte Orientierung verrichten, alles formell und oberflächlich erledigen und nach dem Spruch „Solange einer Mönch ist, läutet er die Glocke“ in den Tag hinein leben – das ist eine neunte Erscheinungsform.

Sich für einen verdienstvollen Revolutionär halten und auf sein Veteranentum pochen; wichtigen Aufgaben nicht gewachsen sein, weniger wichtige aber ablehnen; Gleichgültigkeit bei der Arbeit und Nachlässigkeit beim Studium zeigen – das ist eine zehnte Erscheinungsform.

Einen Fehler, den man begangen hat, zwar erkennen, aber nicht daran denken, ihn zu korrigieren; eine liberale Haltung sich selbst gegenüber einnehmen – das ist eine elfte Erscheinungsform.

Man könnte noch andere aufzählen, diese elf aber sind die wichtigsten. Das alles sind Erscheinungsformen des Liberalismus.

In revolutionären Kollektiven ist der Liberalismus äußerst schädlich. Er ist ein Ätzmittel, das die Einheit anfrißt, den Zusammenhalt lockert, Passivität in der Arbeit sowie Zwistigkeiten hervorruft. Er raubt den revolutionären Reihen die straffe Organisation und Disziplin, verhindert die gründliche Durchführung der politischen Richtlinien und führt eine Entfremdung zwischen der Parteiorganisation und den von ihr geführten Massen herbei. Das ist eine ernstzunehmende üble Tendenz.

Der Liberalismus hat seinen Ursprung in der Selbstsucht des Kleinbürgertums, die das persönliche Interesse an die erste und das der Revolution an die zweite Stelle setzt, wodurch ein Liberalismus auf ideologischem, politischem und organisatorischem Gebiet entsteht.

Liberale betrachten die Grundsätze des Marxismus als abstrakte Dogmen. Sie erklären sich zwar für den Marxismus, sind aber nicht bereit, ihn in die Praxis umzusetzen oder dies in vollem Maße zu tun; sie sind nicht bereit, anstelle ihres Liberalismus den Marxismus zu setzen. Diese Leute haben einiges sowohl vom Marxismus als auch vom Liberalismus: Sie führen den Marxismus im Mund, handeln aber im Sinne des Liberalismus; anderen gegenüber sind sie marxistisch, sich selbst gegenüber aber liberal. Sie führen beide Sorten von Waren, und jede hat ihren eigenen Verwendungszweck. Das ist die Denkweise gewisser Leute.

Der Liberalismus ist eine Äußerung des Opportunismus und gerät von Grund auf in Kollision mit dem Marxismus. Er ist etwas Negatives und hilft objektiv dem Feind deshalb würde der Feind es begrüßen, wenn wir den Liberalismus in unserer Mitte konservierten. Weil der Liberalismus seinem Wesen nach so beschaffen ist, darf es in den Reihen der Revolution keinen Raum für ihn geben.

Wir müssen den negativen Liberalismus kraft des positiven Geistes des Marxismus überwinden. Ein Kommunist soll offenherzig, ehrlich und aktiv sein, das Interesse der Revolution muß ihm teurer sein als sein eigenes Leben, er hat seine persönlichen Interessen den Interessen der Revolution unterzuordnen; er soll immer und überall an den richtigen Grundsätzen festhalten und einen unermüdlichen Kampf gegen alle falschen Ideen und Handlungen führen, um so das kollektive Leben der Partei und die Verbindung zwischen der Partei und den Massen zu festigen; er muß sich mehr um die Partei und um die Massen kümmern als um die eigene Person, mehr um andere Menschen als um sich selbst. Nur dann kann er als Kommunist angesehen werden.

Alle der Partei treu ergebenen, offenherzigen, aktiven und aufrechten Kommunisten müssen vereint gegen die liberalen Tendenzen gewisser Menschen auftreten, um sie auf den richtigen Weg zu bringen.

Das ist eine der Aufgaben an der ideologischen Front.


Zuletzt aktualisiert am 11.8.2008