(/16. Nassau Senior. Verherrlichung aller der Bourgeoisie nuetzlichen Taetigkeiten als produktiv. Liebedienerei vor der Bourgeoisie und dem buergerlichen Staat/)

W. Nassau Senior, "Principes fondamentaux de l'econ. polit.", traduits par Jean Arrivabene, Paris 1836. Nassau Senior setzt sich aufs hohe Pferd.

"Nach Smith war der Gesetzgeber der Hebraeer ein unproduktiver Arbeiter." (l.c. p. 198.)

War es Moses von Aegypten oder Moses Mendelssohn? Moses wuerde sich schoen bei Herrn Senior bedankt haben, ein Smithscher "travailleur productif" zu sein. Diese Menschen sind so unter ihre fixen Bourgeoisideen unterjocht, dass sie glauben wuerden, den Aristoteles oder den Julius Caesar zu beleidigen, wenn sie dieselben "travailleurs improductifs" nennten. Diese wuerden schon den Titel "travailleurs" als eine Beleidigung betrachtet haben.

"Der Arzt, der durch eine Verordnung ein krankes Kind heilt und ihm so das Leben fuer viele Jahre erhaelt, produziert er nicht ein dauerhaftes Resultat?" (l.c.)

Fadaise! Wenn das Kind stirbt, ist das Resultat nicht minder durable413. Und wenn das Kind ganz beim alten bleibt, muss sein service nicht minder bezahlt werden. Nach Nassau muessten die Aerzte nur bezahlt werden, sofern sie kurieren, und die Advokaten, soweit sie Prozesse gewinnen, und die Soldaten, soweit sie siegen.

Jetzt aber wird er wahrhaft erhaben:

"Haben die Hollaender, als sie sich der Tyrannei der Spanier widersetzten, oder die Englaender, als sie sich gegen eine Tyrannei empoerten, die noch viel schrecklicher zu werden drohte, zeitweilige Resultate produziert?" (l.c. p. 198.)

Belletristische Scheisse! Hollaender und Englaender revoltierten auf ihre eignen Kosten. Niemand zahlte sie dafuer, dass sie "in Revolution" arbeiten. Bei travailleurs productifs oder improductifs handelt es sich aber immer um Kaeufer und Verkaeufer von Arbeit. Welcher Bloedsinn also!

Diese fade Belletristerei der Burschen, sobald sie gegen Smith polemisieren, zeigt nur, dass sie den "gebildeten Kapitalisten" vertreten, waehrend Smith den offenherzig brutalen bourgeois parvenu414 auslegte. Der gebildete Bourgeois und sein Wortfuehrer sind beide so stupid, dass sie die Wirkung jeder Taetigkeit nach ihrer //411/ Wirkung auf den Beutel abmessen. Andrerseits sind sie so gebildet, dass sie auch die Funktionen und Taetigkeiten, die nichts mit der Produktion des Reichtums zu tun haben, anerkennen, und zwar anerkennen, indem auch diese ihren Reichtum "indirekt" vermehren etc., kurz, eine fuer den Reichtum "nuetzliche" Funktion ausueben.

Der Mensch selbst ist die Basis seiner materiellen Produktion, wie jeder andren, die er verrichtet. Alle Umstaende also, die den Menschen affizieren, das Subjekt der Produktion, modifizieren plus ou moins415 alle seine Funktionen und Taetigkeiten, also auch seine Funktionen und Taetigkeiten als Schoepfer des materiellen Reichtums, der Waren. In dieser Hinsicht kann in der Tat nachgewiesen werden, dass alle menschlichen Verhaeltnisse und Funktionen, wie und worin sie sich immer darstellen, die materielle Produktion beeinflussen und mehr oder minder bestimmend auf sie eingreifen.

"Es gibt Laender, wo es ganz unmoeglich ist, das Land zu bebauen, ohne von Soldaten beschuetzt zu werden. Nun gut! Nach der Klassifikation von Smith ist die Ernte nicht das Produkt der gemeinsamen Arbeit des Mannes, der hinter dem Pfluge geht, und des Mannes, der mit der Waffe in der Hand nebenherschreitet; nach ihm ist nur der Landmann ein produktiver Arbeiter, und die Taetigkeit des Soldaten ist unproduktiv." (l.c. p. 202.)

Erstens ist das falsch. Smith wuerde sagen, dass der soin du soldat est productif de defense416, aber nicht du grain de ble417. Stellte sich die Ordnung im Lande her, so wuerde der labourer nach wie vor das ble produzieren, ohne gezwungen zu sein, das Leben, weil den Unterhalt der soldiers into the bargain418, zu produzieren. Der soldier gehoert zu den faux frais de production419, wie ein grosser Teil der unproduktiven Arbeiter, die nichts selbst produzieren, weder geistig noch materiell, sondern nur nuetzlich, noetig sind wegen der mangelhaften sozialen Verhaeltnisse -- social evils420 ihr Dasein verdanken.

Aber Nassau koennte sagen, erfinde eine Maschine, wodurch von 20 labourers 19 ueberfluessig werden, so sind diese 19 auch faux frais de production. Aber der Soldat kann wegfallen, obgleich die materiellen Produktionsbedingungen, die Bedingungen der Kultur als solche, dieselben bleiben. Die 19 Arbeiter koennen nur wegfallen, wenn die Arbeit des uebrigbleibenden 1 labourer 20mal produktiver wird, also nur durch eine Revolution in den gegebnen materiellen Produktionsbedingungen. Uebrigens bemerkt schon Buchanan:

"Wenn zum Beispiel der Soldat ein produktiver Arbeiter genannt werden soll, weil seine Arbeit die Produktion unterstuetzt, koennte der produktive Arbeiter mit demselben Recht auf militaerische Ehren Anspruch erheben, da es gewiss ist, dass ohne seinen Beistand keine Armee je ins Feld ruecken koennte, um Schlachten zu schlagen oder Siege zu erringen." (D. Buchanan, "Observations on the Subjects treated of in Dr. Smith's Inquiry" etc., Edinb. 1814, p. 132.)

"Der Reichtum einer Nation haengt nicht von der zahlenmaessigen Proportion zwischen jenen sh. die Dienstleistungen, und jenen, die Werte produzieren, sondern von derjenigen Proportion zwischen ihnen, die die geeignetere ist, die Arbeit jedes von beiden moeglichst wirksam zu machen." (Senior, l.c. p. 204.)

Dies hat Smith nie geleugnet, da er die "notwendigen" travailleurs improductifs, wie Staatsbeamte, lawyers421, Pfaffen etc, auf das Mass reduzieren will, worin ihre Dienste unvermeidlich. Und dies ist jedenfalls die "Proportion", worin sie machen le plus efficace le travail des travailleurs productifs422, Was aber die andren "travailleurs improductifs" angeht, deren Arbeiten jeder nur freiwillig kauft, um ihre services zu geniessen, also als einen in seinem Belieben stehenden Konsumtionsartikel, so ist a distinguer423. Ist die Anzahl dieser von Revenue lebenden Arbeiter gross im Verhaeltnis zu den "produktiven", so entweder, weil der Reichtum ueberhaupt klein oder einseitig ist, z.B. mittelaltrige Barone mit ihren retainers424. Statt Manufakturwaren zu irgendwelchem grossen Belang zu verzehren, assen sie mit den Retainers ihre Agrikulturprodukte auf. Sobald sie statt dessen Manufaktur(/waren/) verzehrten, mussten die retainers sich ans Arbeiten setzen. Die Zahl der von der Revenue Lebenden war nur gross, weil ein grosser Teil des jaehrlichen Produkts nicht reproduktiv konsumiert wurde. Bei alledem war die Gesamtbevoelkerung klein. Oder die Zahl der von der Revenue Lebenden gross, weil die Produktivitaet der travailleurs productifs gross ist, also ihr surplus produce which the retainers feed upon425. In diesem Falle die Arbeit der travailleurs productifs nicht produktiv, weil so viele retainers, sondern umgekehrt so viele retainers, weil die Arbeit der erstren so produktiv.

Zwei Laender nun genommen von gleicher Bevoelkrung und gleicher Entwicklung der Produktivkraefte der Arbeit, waere es immer richtig, zu sagen mit A. Smith, dass der Reichtum der beiden Laender zu messen nach dem Verhaeltnis zwischen produktiven und unproduktiven Arbeitern. Denn das heisst nichts, als dass in dem Lande, wo die verhaeltnismaessig groessere Zahl von produktiven Arbeitern, ein verhaeltnismaessig groessres Quantum der jaehrlichen Revenue reproduktiv konsumiert, also eine groessere Masse von va1ues426 jaehrlich produziert wird. Also umschreibt Herr Senior nur den Satz //412/ Adams, statt ihm a novelty427 gegenueberzustellen. Ferner macht er hier selbst den Unterschied zwischen den producteurs von services428 und den producteurs von valeurs429, und so geht es ihm wie den meisten dieser Polemiker gegen die Smithsche Unterscheidung, dass sie dieselbe annehmen und selbst brauchen, waehrend sie sie verwerfen.

Charakteristisch, dass alle economistes "improductifs"430, die nichts in ihrem eignen Fach leisten, gegen die Unterscheidung des travail productif et travail improductif. Aber dem Bourgeois gegenueber drueckt es einerseits den Servilismus aus, alle Funktionen als im Dienst der Produktion des Reichtums fuer ihn darzustellen; dann andrerseits, dass die buergerliche Welt die beste aller Welten, alles in ihr nuetzlich ist, und der Bourgeois selbst so gebildet ist, dies einzusehn.

Den Arbeitern gegenueber, dass die grosse Masse (/Produkte/), die die Unproduktiven essen, ganz in der Ordnung, da sie ebensoviel zur Produktion des Reichtums beitragen wie die Arbeiter, wenn auch in their own way431.

Endlich aber berstet Nassau aus und zeigt, dass er kein Wort von der wesentlichen Unterscheidung Smiths verstanden hat. Er sagt:

"Es scheint in Wirklichkeit, dass Smith in diesem Fall seine Aufmerksamkeit voellig auf die Verhaeltnisse der Grossgrundbesitzer richtete, die einzigen, auf die seine Bemerkungen ueber die unproduktiven Klassen ueberhaupt angewendet werden koennen. Anders kann ich mir seine Voraussetzung nicht erklaeren, dass das Kapital nur zum Unterhalt produktiver Arbeiter angewandt werde, waehrend die unproduktiven von der Revenue leben. Der groesste Teil derjenigen, die er im wahrsten Sinne des Wortes unproduktiv nennt -- die Lehrer, diejenigen, die den Staat regieren -- werden auf Kosten des Kapitals erhalten, das heisst von den Mitteln, die im voraus fuer die Reproduktion ausgegeben werden." (l.c. p. 204, 205.)

Hier steht in fact der Verstand still. Die Entdeckung des Herrn Nassau, dass Staat und Schulmeister auf Kosten des Kapitals leben und nicht auf Kosten der Revenue, bedarf keiner weitern Glosse. Will Herr Senior uns damit sagen, dass sie vom Profit des Kapitals leben, also insofern au moyen du capital432, so vergisst er nur, dass die Revenue des Kapitals nicht das Kapital selbst ist und dass diese Revenue, das Resultat der kapitalistischen Produktion, n'est pas depense d'avance pour la reproduction, dont eile est au contraire le resultat433. Oder meint er, weil gewisse Steuern in die Produktionskosten bestimmter Waren eingehn? Also in die depenses434 bestimmter Produktionen? So wisse er, dass dies nur eine Form ist, um die Steuer auf die Revenue zu erheben.

Mit Bezug auf Storch bemerkt Nassau Senior, der Klugscheisser, noch:

"Herr Storch irrt sich ohne jeden Zweifel, wenn er ausdruecklich behauptet, dass diese Resultate" (Gesundheit, Geschmack etc.) "wie die anderen Dinge, die Wert haben, einen Teil der Revenue derjenigen bildeten, die sie besitzen, und dass sie ebenso austauschbar seien" (sofern sie naemlich von ihren Produzenten gekauft werden koennen). "Wenn dem so waere, wenn Geschmack, Sittlichkeit, Religion wirklich Dinge waeren, die man kaufen kann, so haette der Reichtum eine ganz andere Bedeutung, als die Oekonomisten ... ihm beimessen. Was wir kaufen, ist keineswegs Gesundheit, Wissen oder Froemmigkeit. Der Arzt, der Priester, der Lehrer ... koennen nur die Werkzeuge produzieren, womit diese Ergebnisse schliesslich mit groesserer oder geringerer Gewissheit und Vollkommenheit erreicht werden ... Wenn in jedem besonderen Falle die geeignetsten Mittel angewendet wurden, einen Erfolg zu erzielen, hat der Produzent dieser Mittel ein Recht auf eine Belohnung, selbst wenn er nicht Erfolg gehabt oder nicht die Resultate hervorgebracht hat, die man erwartete. Der Austausch ist vollzogen, sobald der Rat oder der Unterricht erteilt und der Lohn dafuer empfangen worden ist." (l.c. p. 288, 289.)

Schliesslich nimmt der grosse Nassau selbst wieder die Smithsche Unterscheidung an. Er unterscheidet naemlich, statt zwischen travail productif et improductif, zwischen

"der produktiven Konsumtion und der unproduktiven Konsumtion" (p. 206).

Nun ist der Gegenstand der Konsumtion entweder Ware -- davon handelt es sich hier nicht -- oder direkt Arbeit.

Die Konsumtion waere produktiv, die solche Arbeit anwendet, die entweder das Arbeitsvermoegen selbst reproduziert (was z.B. die Arbeit von Schulmeister oder Arzt tun moegen) oder die den Wert der Waren, womit sie gekauft wird, reproduziert. Unproduktiv waere die Konsumtion solcher Arbeit, die weder das eine noch das andre bewerkstelligt. Und nun sagt Smith, die Arbeit, die nur produktiv (i.e. industriell) konsumiert werden kann, nenne ich produktive Arbeit, und die, die unproduktiv konsumiert werden kann, deren Konsumtion nicht ihrer Natur nach industrielle Konsumtion ist, nenne ich unproduktive Arbeit. Damit hat Herr Senior also seinen Witz bewiesen durch nova vocabula rerum435. Im ganzen schreibt Nassau den Storch ab.

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