Bismarck u. Lassalle: Briefwechsel

 

Anlage A

Lassalle an den Justizminister Grafen zur Lippe

(Abschrift)

 

Berlin, den 20. Januar 1864.

Ew. Excellenz!

Dringendes Gesuch um ein schleuniges In hibitorium gegen einen instruktionsrichterlichen Vorführungsbefehl, sowie Beschwerde über den Königlichen Instruktionsrichter Lützeler in Düsseldorf.

Ew. Excellenz

habe ich folgende höchst dringende Beschwerde zu unterbreiten.

Auf Grund meiner Rheinischen Rede: Die Feste, die Presse und der Frankfurter Abgeordnetentag hat die K. Ratskammer zu Düsseldorf eine Untersuchung auf Grund der §§ 100 und 101 des St.G.B. gegen mich eröffnet. In dieser Untersuchung wurde ich zunächst, wie in der Ordnung, auf Requisition des Dusseldorfer Gerichts von dem hiesigen Stadtgericht requisitorisch vernommen, und zwar sogar zum Schluß vernommen.

Plöblich erhalte ich vor kurzem Insinuation eines Erscheinungsbefehls des K. Instruktionsrichters zu Diisseldorf, worin ich auf den 18. Januar nachträglich zu einem neuen Verhörtermin, diesmal aber nach Düsseldorf und zwar unter Androhung eines zwangsweisen Vorführungsbefehls vorgeladen werde.

Schon durch Krankheit – auf deren Grund mich sogar die hiesige K. Ratskammer in dem gegen mich schwebenden Hochverratsprozesse gegen Kaution in Freiheit setzte – gehindert. im strengen Winter eine Reise anzutreten, richtete ich eine Eingabe an den Instruktionsrichter Herrn Lützeler, von der ich hier Kopie beilege.

Zu meiner nicht geringen Verwunderung höre ich jetzt aus sicherster Quelle, daß der Instruktionsrichter nichtsdestoweniger einen zwangsweisen Vorführungsbefehl nach Düsseldorf gegen mich erlassen hat, der entweder zur Zeit, wo ich dies schreibe, hier schon eingetroffen ist oder unverzüglich hier eintreffen wird.

Meine Beschwerdegründe hierüber sind doppelte:

II. kann meiner Auffassung nach in dem hier vorliegenden Fall gar kein mandat d’amener gegen mich erlassen Werden. Nach Art. 91 code d’instruction criminelle 3ten Alinea soll nämlich der Instruktionsrichter ein mandat d’amener nur erlassen „contre toute personne de quelle qualité qu’elle soit, inculpée d’un délit emportant peine afflictive ou infamante“ also nur bei einer Kriminal(Assisen)-Anklage, nicht bei einer Korrektionsklage.

Ebenso heißt es in Art. 94 daselbst der Instruktionsrichter könne nur dann (s’il pourra) einen Verhaftsbefehl erlassen „lorsque le fait emportera peine afflictive ou infamante, ou emprisonnement correctionel.“

Also korrektionelles Gefängnis wenigstens muß die notwendige Folge der Anklage sein, um einen Verhaftsbefehl zu begründen.

Dies ist aber vorliegend nicht der Fall, da die §§ 100 und 1012 des St.G.B., auf die ich angeklagt bin, sich auch in eine bloße Geldstrafe auflösen können und der Praxis nach in der Regel auflösen.

Auch die Alinea 1 und 2 des Art. 91 widersprechen dieser Auffassung durchaus nicht. Dem wenn das Alinea 1 schließt: „sauf, après l’avoir interrogé à convertir le mandat (de comparution) en tel autre mandat, qu’il appartiendra“, so ist doch eben in diesen Worten „qu’il appartiendra“ nichts entschieden, sondern auf jene andern Bestimmungen hinverwiesen, die ich bereits citiert habe. Ebensowenig kann das 2te Alinea: „Si l’inculpé fait défaut, le juge d’instruction décernera contre lui un mandat d’amener“ auf mich bezogen werden. Denn meine auf so gute Gründe gestützte und mit dem Anerbieten, mich hier requisiorisch vernehmen zu lassen, begleitete Eingabe an den Instruktionsrichter kann doch nicht einem „faire défaut“ gleichgesetzt werden.

II. Wollte man aber auch annehmen, daß der Instruktionsrichter, so oft er verhören will, ein mandat d’amener erlassen kann, so soll er das doch darum noch nicht tun, wenn die Distanzen so groß sind wie zwischen Düsseldorf und hier und die Anschuldigung eine solche ist, die sogar meistens nur zu einer Geldstrafe führt. Sondern in solchem Fall wird der Instruktionsrichter angemessener Weise die Verneinung eben durch Requisition eintreten zu lassen haben, wie dies auch in diesem Prozeß im Oktober bereits der Fall war.

Würden es Ew. Excellenz nicht als eine Gewissenlosigkeit betrachten, dem beschuldigten durch Reisen von hier nach Düsseldorf zu 1, 2, 3 Verhören 50, 100, 150 Taler Kosten entstehen zu machen, während die Verurteilung selbst in der Regel nur 50 Rt. beträgt oder betragen kann, also von geringerem Nachteile ist, als die bloßen Verhöre?

Ich will nicht behaupten, Excellenz, daß dieses, mit Aufgabe des früher von ihm selbst eingesdilagenen Weges, mich reguisitorisdi hier vernehmen zu lassen, plötzlich eingeschlagene System der Erscheinungs- und Vorführungsbefehle nach Düsseldorf fortschrittlicher Zorn und Verfolgungssucht gegen mich zu seinem Grunde hat. Ich überlasse es Ew. Excellenz selbst, Sich hierüber eine Meinung zu bilden. Aber ich will jedenfalls behaupten, daß in jenem Vorführungsbefehl unter den angegebenen Umständen ein, wenn selbst nicht rechtlicher, so doch tatsäcjlicher Mißbrauch der Amtsgewalt vorliegt.

Da Ew. Excellenz die höchste prozeßleitende Behörde im Staat und nach Art 57 code d’instruction criminelle der oberste Vorgesetzte des Instruktionsrichters sind, so richte ich demgemäß an Ew. Excellenz die folgenden Anträge:

I. um geneigtest schleunigste Erteilung eines Inhibitoriums gegen das gedachte mandat d’amener, resp. vorläufige Benachrichtigung der betreffenden hiesigen Gerichts- und Polizeibehörden.

II. um Erteilung des angemessenen und ernsten Verweises an den K. Instruktionsrichter für seine den Umständen nach so unangemessene Maaßregel.

Mit ausgezeichnetster Hochachtung
Ew. Excellenz
ergebenster
(sig.) F. Lassalle.

 


Zuletzt aktualisiert am 18.2.2002