N. Bucharin

Die politische Ökonomie des Rentners

* * *

I. Kapitel

Die methodologischen Grundlagen der
Grenznutzentheorie und des Marxismus

Jede einigermaßen ordentlich aufgebaute Theorie muß ein bestimmtes Ganzes darstellen, dessen Teile durch ein festes logisches Band zusammengehalten werden. Deshalb muß eine folgerichtige Kritik unvermeidlich auf die Grundlage der Theorie, auf deren Methode stoßen, denn gerade diese ist es, die die einzelnen Teile des theoretischen Gesamtsystems zusammenfügt. Infolgedessen beginnen wir mit der Kritik der methodologischen Voraussetzungen der Grenznutzentheorie, worunter wir keineswegs ihren deduktiven Charakter verstehen, sondern ihre charakteristischen Züge im Rahmen der abstrakt deduktiven Methode. Für uns ist jede Theorie der NationalÖkonomie, sofern sie eben Theorie ist, etwas abstraktes – darin stimmt der Marxismus vollständig mit der österreichischen Schule überein. [1] Diese Uebereinstimmung ist jedoch nur formaler Art; wäre sie nicht da, so könnte man die Theorie der Oesterreicher der von Marx überhaupt nicht gegenüberstellen. Uns interessiert hier nämlich derjenige konkrete Inhalt der abstrakten Methode, der der österreichischen Schule eigen ist und sie in einen so scharfen Gegensatz zum Marxismus setzt.

Die politische Oekonomie ist nämlich eine Gesellschaftswissenschaft und hat zur Voraussetzung – ob sich dessen die Theoretiker der politischen Oekonomie bewußt werden oder nicht – irgendwelche Vorstellung über das Wesen der Gesellschaft und deren Entwicklungsgesetze. Anders gesagt: Jede Wirtschaftstheorie beruht auf gewissen Voraussetzungen, die einen soziologischen Charakter besitzen und von denen aus die wirtschaftliche Seite des sozialen Lebens untersucht wird. Solche Voraussetzungen können klar ausgesprochen werden oder unklar bleiben, sie können als wohlgefügtes System aufgestellt werden oder „unbestimmte Ansichten“ bleiben – auf alle Fälle müssen sie aber da sein. Die politische Oekonomie von Marx hat eine derartige Grundlage in der soziologischen Theorie des historischen Materialismus. Dagegen kennt die österreichische Schule keine abgeschlossene oder einigermaßen präzise soziologische Grundlage; die Spuren einer solchen muß man erst aus der Wirtschaftstheorie der Oesterreicher konstruieren. Dabei stößt man mitunter auf Widersprüche zwischen den allgemeinen Grundgedanken über die Natur der „Volkswirtschaft“ und den tatsächlichen Grundlagen der österreichischen Wirtschaftstheorie. [2] Auf diese richten wir deshalb unser Hauptaugenmerk. Für den Marxismus sind folgende soziologische Grundlagen der ökonomischen Wissenschaft charakteristisch: Die Anerkennung des Primats der Gesellschaft über das Individuum, die Anerkennung des historischen, vorübergehenden Charakters einer jeden Wirtschaftsstruktur und endlich die Anerkennung der dominierenden Rolle der Produktion. Dagegen ist für die österreichische Schule ihr methodologischer Individualismus bezeichnend, der unhistorische Standpunkt und der Ausgangspunkt vom Verbrauch. In der Einleitung versuchten wir für diesen grundsätzlichen Unterschied zwischen dem Marxismus und der österreichischen Schule eine sozial-genetische Erklärung zu geben: diesen Unterschied oder, richtiger gesagt: diesen Gegensatz, charakterisierten wir als einen sozial-psychologischen Gegensatz. Hier soll er von der logischen Seite aus analysiert werden.
 

1. Der Objektivismus und der Subjektivismus in der politischen Oekonomie

Werner Sombart bezeichnet in seinem bekannten Aufsatz, den er anläßlich des Erscheinens des III. Bandes des Kapital von Marx veröffentlichte, bei seiner Gegenüberstellung der zwei Methoden der NationalÖkonomie, der subjektivistischen und der objektivistischen, das System von Marx als den Ausfluß eines „extremen Objektivismus“; dagegen sei die österreichische Schule seiner Ansicht nach „die konsequenteste Fortbildung der entgegengesetzten Richtung“. [3] Diese Charakteristik ist unseres Erachtens völlig zutreffend. In der Tat kann man an das Studium der gesellschaftlichen Erscheinungen überhaupt und der wirtschaftlichen im besonderen in zweierlei Weise herantreten: einmal kann man annehmen, daß die Wissenschaft von der Analyse der Gesellschaft als eines Ganzen ausgeht, das in jedem gegebenen Moment die Erscheinung des individuellen Wirtschaftslebens bestimmt – in diesem Falle ist die Aufgabe der Wissenschaft, die Zusammenhänge und die Gesetzmäßigkeit aufzudecken, die zwischen den verschiedenen Erscheinungen gesellschaftlicher Art bestehen und die die individuellen Erscheinungen bestimmen; zweitens kann man aber annehmen, daß die Wissenschaft von der Analyse der Gesetzmäßigkeit des individuellen Lebens auszugehen habe, da die gesellschaftlichen Erscheinungen ein gewisses Ergebnis von individuellen Erscheinungen bilden – in diesem Falle würde es die Aufgabe der Wissenschaft sein, von den Erscheinungen und der Gesetzmäßigkeit des individuellen Wirtschaftslebens die Erscheinungen und die Gesetzmäßigkeit der sozialen Wirtschaft abzuleiten.

In diesem Sinne ist Marx zweifelsohne ein „extremer Objektivist“, und zwar sowohl in der Soziologie als auch in der politischen Oekonomie. Deshalb muß auch seine grundlegende Wirtschaftslehre – die Lehre vom Wert – von der der Klassiker, insbesondere aber von der A. Smith’ streng geschieden werden. Die Arbeitswerttheorie von A. Smith basiert auf einer individuellen Schätzung der Güter, entsprechend der Quantität und Qualität der aufgewendeten Arbeit; das ist eine subjektivistische Arbeitswerttheorie. Umgekehrt ist die Werttheorie von Marx ein objektives, d. i. gesellschaftliches Preisgesetz, seine Theorie ist demnach eine objektivistische Arbeitswertheorie, die sich keinesfalls auf irgendwelche individuellen Wertschätzungen stützt, sondern lediglich den Zusammenhang zwischen den gegebenen gesellschaftlichen Produktivkräften und den Warenpreisen ausdrückt, wie letztere am Markte bestimmt werden. [4] Gerade am Beispiel der Wert-und Preistheorie zeigt Sombart sehr gut den Unterschied zwischen den beiden Methoden. „Nicht als ob Marx auch nur daran dächte – sagt Sombart – nach den individuellen Motiven der Tauschenden zu forschen oder auch nur von der Produktionskostenberechnung auszugehen. Nein, sein Gedankengang ist dieser: die Preise werden gebildet durch die Konkurrenz, wie, bleibt dahingestellt. Aber: die Konkurrenz ihrerseits wird geregelt durch die Profitrate, die Profitrate durch die Mehrwertsrate, diese aber durch den Wert, der selbst der Ausdruck einer gesellschaftlich bedingten Tatsache, der gesellschaftlichen Produktivkraft, ist. Das stellt sich nun im System in umgekehrter Folge dar: Wert – Mehrwert – Profit – Konkurrenz – Preise usw. Wollen wir ein Schlag wort haben, so können wir sagen: es handelt sich nie bei Marx um Motivation, sondern immer um Limitation der individuellen Willkür der Wirtschaftssubjekte. [5] Umgekehrt die subjektivistische Schule: Hier ist „überall die ‚Motivation‘ der (individuellen) wirtschaftlichen Handlung in den Mittelpunkt des Systems getreten“. [6]

Dieser Unterschied ist sehr treffend hervorgehoben. In der Tat, während Marx „die gesellschaftliche Bewegung als einen naturgeschichtlichen Prozeß (betrachtet), den Gesetze lenken, die nicht nur von dem Willen, dem Bewußtsein und der Absicht der Menschen unabhängig sind, sondern vielmehr umgekehrt deren Wollen, Bewußtsein und Absichten bestimmen“ [7], ist für Böhm-Bawerk der Ausgangspunkt der Analyse das individuelle Bewußtsein des wirtschaftlichen Subjekts.

„Die sozialen Gesetze – schreibt Böhm – deren Erforschung die Aufgabe der National-Oekonomie ist, beruhen auf übereinstimmenden Handlungen der Individuen. Die Uebereinstimmung im Handeln ist wieder eine Folge des Wirkens übereinstimmender Motive, die das Handeln leiten. Bei dieser Sachlage kann nicht leicht ein Zweifel darüber bestehen, daß die Erklärung der sozialen Gesetze bis auf die treibenden Motive, welche die Handlungen der Individuen leiten, zurückgehen, bzw. von ihnen ihren Ausgangspunkt nehmen muß.“ [8]

Und so ist der Gegensatz zwischen der objektivistischen und der subjektivistischen Methode nichts anderes als ein Gegensatz zwischen der sozialen und der individualistischen Methode. [9] Indessen bedarf die oben angeführte Definition der beiden Methoden einer weiteren Vervollständigung. Vor allem muß noch die Unabhängikeit vom Willen. Bewußtsein und der Absicht des Menschen betont werden, von der bei Marx die Rede ist; zweitens muß auch das „Wirtschaftssubjekt“ näher bestimmt werden, das den Ausgangspunkt der österreichischen Schule bildet. „ ... Diese bestimmten sozialen Verhältnisse (sind) ebensogut Produkte der Menschen, wie Tuch, Leinen usw. [10] Doch folgt daraus noch keinesfalls, daß das soziale Ergebnis, jenes „Produkt“, von dem bei Marx die Rede ist, im Bewußtsein der Subjekte als Ziel oder treibendes Motiv enthalten sei. Die anarchisch aufgebaute moderne Gesellschaft – die Theorie der politischen Oekonomie macht eben diese Gesellschaft zum Gegenstand ihrer Forschung – mit ihren elementar wirkenden Kräften des Marktes (Konkurrenz, Schwankung der Preise, Börse usw.) bietet zahlreiche Illustrationen für die Annahme, daß das „soziale Produkt“ über seine Schöpfer herrsche, daß ferner das Ergebnis der Motive der individuellen (doch nicht isolierten) Wirtschafts-Subjekte nicht nur diesen Motiven selbst nicht entspricht, sondern sogar mitunter in einen krassen Gegensatz zu denselben gerät. [11] Dies wird am besten am Beispiel der Preisbildung klar. Eine Anzahl von Käufern und Verkäufern treten auf den Markt mit einer gewissen (annähernden) Wertschätzung ihrer eigenen sowohl wie der fremden Ware; als Ergebnis ihres Kampfes bildet sich ein gewisser Marktpreis, der keinesfalls mit den individuellen Schätzungen der überwiegenden Mehrzahl der Vertragschließenden zusammenfällt. Noch mehr, für eine Reihe von „Wirtschaftssubjekten“ kann der gebildete Preis geradezu vernichtend wirken, da niedrige Preise sie zwingen können, ihre Unternehmertätigkeit aufzugeben; sie werden „ruiniert“. Noch ausgeprägter tritt diese Erscheinung auf dem Wertpapiermärkte hervor, worauf gerade das „Hazardspiel“ der Börse beruht. In all diesen Fällen, die für die moderne sozial-wirtschaftliche Organisation typisch sind, kann man von der „Unabhängigkeit“ der sozialen Erscheinungen vom Willen, Bewußtsein und den Absichten des Menschen sprechen; doch ist diese Unabhängigkeit keinesfalls so aufzufassen, als ob es sich um zwei Erscheinungen handle, die völlig unabhängig voneinander wären; es ist lächerlich, anzunehmen, daß die menschliche Geschichte nicht durch den Willen der Menschen hindurch gemacht wird, sondern außerhalb dieses Willens (eine solche „materialistische Geschichtsauffassung“ ist eine bourgeoise Karikatur des Marxismus); gerade das umgekehrte ist der Fall: beide Erscheinungsreihen – die Individualhandlungen und die sozialen Erscheinungen – sind auf das engste genetisch miteinander verbunden. Diese Unabhängigkeit ist ausschließlich in dem Sinne aufzufassen, daß die objektiv gewordenen Ergebnisse der individuellen Handlungen über jeden ihrer Teile im einzelnen herrschen. Das „Produkt“ beherrscht seinen „Schöpfer“, wobei der individuelle Wille in jedem gegebenen Moment durch die bereits gebildete Resultante der Willensbeziehungen der einzelnen „Wirtschaftssubjekte“ bestimmt wird: der im Konkurrenzkampf besiegte Unternehmer oder der bankrotte Finanzmann sind gezwungen, das Kampffeld zu räumen, obwohl sie vorher als aktive Größen, als „Schöpfer“ des gesellschaftlichen Prozesses auftraten, der sich schließlich gegen sie selbst wandte. [12] Diese Erscheinung ist der Ausdruck der Irrationalität, des „elementaren“ Charakters des wirtschaftlichen Prozesses im Rahmen der Warenwirtschaft, was sich so deutlich in der Psychologie des Warenfetischismus ausdrückt, der zuerst von Marx aufgedeckt und glänzend analysiert wurde. Gerade in der Warenwirtschaft findet der Prozeß der „Verdinglichung“ der Beziehungen zwischen den Menschen statt, wobei diese „Dingausdrücke“ infolge des elementaren Charakters der Entwicklung ein besonderes „selbständiges“ Dasein führen, das einer spezifischen, diesem Dasein allein zukommenden Gesetzmäßigkeit unterworfen ist.

Und so haben wir verschiedene Reihen individueller Erscheinungen und die aus ihnen entstehenden Reihen sozialer Art: zwei felsohne existiert eine gewisse Gesetzmäßigkeit sowohl zwischen diesen beiden Kategorien (der individuellen und der sozialen) als auch zwischen den verschiedenen Reihen derselben Kategorie, insbesondere zwischen den verschiedenen Reihen der voneinander abhängigen sozialen Erscheinungen. In der Bestimmung der Gesetzmäßigkeit der Beziehungen zwischen den verschiedenen sozialen Erscheinungen besteht eben die Methode von Marx. Mit anderen Worten: Marx untersucht die Gesetzmäßigkeit der Ergebnisse der verschiedenen Einzelwillen, ohne diese selbst als solche zu untersuchen; er untersucht die Gesetzmäßigkeit der sozialen Erscheinungen, wobei er von ihrer Relation zu den Erscheinungen des individuellen Bewußtseins abstrahiert. [13]

Wenden wir uns nun den „Wirtschaftssubjekten“ Böhm-Bawerks zu.

In seinem Aufsatz über K. Mengers Buch (Untersuchungen usw.) gibt Böhm-Bawerk, in Uebereinstimmung mit den Gegnern der österreichischen Schule und Menger selbst zu, daß die „Wirtschaftssubjekte“ der Vertreter der neuen Richtung nichts anderes als Atome der Gesellschaft sind. Die Aufgabe der neuen Schule ist „... die Absetzung der historischen und der organischen Methoden als herrschender Methoden der theoretischen Forschung in den Sozialwissenschaften ... und ... die Wiedereinsetzung der exakten, atomistischen Richtung.“ [14] (Gesperrt vom Verfasser.)

Zum Ausgangspunkte der Analyse wird hier nicht das einzelne Mitglied einer gegebenen Gesellschaft im sozialen Zusammenhang mit seinen Mitmenschen gemacht, sondern das isolierte „Atom", der wirtschaftliche Robinson. Dementsprechend sind auch die von Böhm-Bawerk zur Erläuterung seiner Ansichten gewählten Beispiele. „Ein Mann sitzt an einer reichlich sprudelnden Quelle guten Trinkwassers“ – so beginnt Böhm-Bawerk seine Analyse der Werttheorie. [15] Dann führt er vor: einen Reisenden in der Wüste [16], einen von der ganzen Welt isolierten Landwirt [17], einen Kolonisten, „dessen Blockhütte einsam im Urwalde steht“ [18] usw. Aehnliche Beispiele begegnen uns bei K. Menger: „Der Bewohner eines Urwaldes“ [19], „die Bewohner einer Oase“ [20], „ein kurzsichtiges Individuum auf einer einsamen Insel“! [21], „ein isoliert wirtschaftender Landmann“ [22] usw.

Wir finden hier denselben Standpunkt, den ehemals Bastiat. der „süßlichste“ aller Wirtschaftler, so sorgfältig formulierte. In seinen Wirtschaftlichen Harmonien schrieb er:

„Die wirtschaftlichen Gesetze wirken in derselben Weise, ob es sich nun um eine Gesamtheit von vielen Menschen handelt oder nur um zwei Individuen, oder sogar um ein einziges Individuum, das durch Umstände gezwungen wäre, isoliert zu leben. Wenn das Individuum eine Zeitlang allein leben könnte, so würde es Kapitalist, Unternehmer, Arbeiter, Produzent und Konsument zugleich sein. Die gesamte wirtschaftliche Entwicklung würde sich an ihm selbst vollzogen haben. Indem er jeden Bestandteil derselben beobachten könnte, nämlich: das Bedürfnis, die Anstrengung, die Befriedigung, die freie Nutznießung und den Nutzen, der Arbeit kostet, würde er sich einen Begriff über den gesamten Mechanismus, wenn auch in seiner einfachsten Form, bilden können.“ [23]

Und vorher:

„Ich behaupte, daß die politische Oekonomie ihr Ziel erreichen und ihre Mission erfüllen würde, wenn sie definitiv folgendes gezeigt hätte: was richtig in bezug auf eine einzelne Person ist, ist auch richtig in bezug auf die Gesellschaft.“ [24]

Genau dasselbe sagt auch Jevons: „Die allgemeine Form der Gesetze der politischen Oekonomie gilt sowohl für einzelne Individuen als auch für ganze Völker.“ [25]

So alt und ehrwürdig dieser Gesichtspunkt auch sein mag, so ist er doch absolut falsch. Die Gesellschaft ist (wie man bewußt oder unbewußt annimmt) keine arithmetische Summe isolierter Individuen; umgekehrt setzt die wirtschaftliche Tätigkeit eines jeden Individuums eine bestimmte soziale Umgebung voraus, in der der soziale Zusammenhang der einzelnen Wirtschaften seinen Ausdruck findet. Die Motive des isoliert lebenden Menschen sind von denen des „Gesellschaftswesens“ („Zoon politikon“) durchaus verschieden: Ersterer hat als Umgebung nur die Natur, die Dinge in ihrer ursprünglichen Unberührtheit, letzterer nicht nur die „Materie“, sondern auch das besondere soziale Milieu. Der Uebergang vom isolierten Menschen zur Gesellschaft ist nur durch das soziale Milieu möglich. Und in der Tat: würde es sich lediglich um eine Summe von Einzelwirtschaften handeln, ohne irgendwelche Berührungspunkte zwischen denselben, würde das besondere Milieu, das Rodbertus zutreffend „Wirtschaftliche Gemeinschaft“ nannte, fehlen, so würde auch jede Gesellschaft fehlen. Freilich ist es theoretisch durchaus möglich, auch eine Summe isolierter und getrennter Wirtschaften in einen einheitlichen Begriff zusammenzufassen, sie in eine „Gesamtheit“ sozusagen hineinzudrängen. Doch würde diese „Gesamtheit“ ganz etwas anderes sein als die Gesellschaft, die ein System von miteinander eng verknüpften und in fortwährender Wechselwirkung stehenden Wirtschaften ist. Während der Zusammenhang im ersten Falle von uns selbst gebildet wird, ist er im zweiten Falle in Wirklichkeit gegeben.“ [26] Und so kann das einzelne Wirtschaftssubjekt allein als Mitglied eines sozialen Wirtschaftssystems betrachtet werden, nicht aber als isoliert dastehendes „Atom“. In seinen Handlungen paßt sich das Wirtschaftssubjekt an den gegebenen Zustand der sozialen Erscheinungen an; letztere setzen seinen individuellen Motiven Schranken oder, mit Sombart gesprochen, „limitieren“ sie. [27] Dies gilt nicht nur für die „ökonomische Gesellschaftsstruktur“, d. h. die Produktionsverhältnisse, sondern auch für die sozialwirtschaftlichen Erscheinungen, die auf der Grundlage einer gegebenen Struktur entstehen. So passen sich z. B. die individuellen Wertschätzungen immer den bereits gebildeten Preisen an; das Bestreben, das Kapital in einer Bank anzulegen, hängt von der jeweiligen Zinshöhe ab; die Anlage eines Kapitals in dem einen oder anderen Industriezweig wird von dem Profit, den dieser Industriezweig bringt, bestimmt; die Wertschätzung einer Landparzelle hängt von ihrer Rente und der Zinshöhe ab usw. Freilich üben individuelle Motive eine „entgegengesetzte Wirkung“ aus; doch muß betont werden, daß sie selbst bereits schon vorher sozialen Inhalt besitzen, folglich kann man aus den Motiven des isolierten Subjekts keine „sozialen Gesetze“ ableiten. [28] Gehen wir aber bei unserer Forschung nicht vom isolierten Individuum aus, sondern setzen in seinen Motiven das soziale Moment als gegeben voraus, so würden wir in einen circulus vitiosus geraten: Wir wollen das „Soziale“, d. h. „Objektive“ vom „Individuellen“, d. h. „Subjektiven“ ableiten, in Wirklichkeit aber leiten wir es vom Sozialen ab, das nennt man: „von Pontius zu Pilatus schicken“.

Wie wir oben sahen, bilden die Motive des isolierten Individuums den Ausgangspunkt für die österreichische Schule (Böhm-Bawerk). Freilich begegnen uns in den Arbeiten ihrer Vertreter auch ziemlich richtige Betrachtungen über das Wesen des sozialen Ganzen. Doch in Wirklichkeit beginnt sie ihre Forschung gleich mit der Analyse der Motive der wirtschaftenden Subjekte, unter Abstraktion von jeglichem sozialen Zusammenhang. Ein derartiger Gesichtspunkt ist eben für die neuen Theoretiker der Bourgeoisie charakteristisch, und gerade diesen Gesichtspunkt führt die österreichische Schule in ihren gesamten Konstruktionen folgerichtig durch. Daraus erhellt, daß sie in die individuellen Motive ihrer „Gesellschaftsatome“ das „Soziale“ unvermeidlich einschmuggeln muß, sobald sie nur irgendwelche sozialen Erscheinungen abzuleiten versucht. In diesem Falle muß sie aber unvermeidlich in einen ungeheuren circulus vitiosus geraten.

Und in der Tat zeigt sich dieser unvermeidliche logische Fehler bereits bei der Analyse der subjektiven Werttheorie der österreichischen Schule, jenes Ecksteins des gesamten theoretischen Gebäudes, auf das ihre Vertreter so stolz sind. Indessen vernichtet schon allein dieser Fehler den Sinn der mit so viel Pfiffigkeit aufgebauten wissenschaftlich-ökonomischen Ideologie des modernen Bourgeois, „denn – wie Böhm-Bawerk selbst richtig bemerkt – es ist eine methodische Todsünde, wenn man in einer wissenschaftlichen Untersuchung dasjenige ignoriert, was man erklären soll“. [29]

Und so kommen wir zum Schluß, daß der „Subjektivismus" der österreichischen Schule, die absichtliche Isolierung des „Wirtschaftssubjektes“, die Abstrahierung von den sozialen Zusammenhängen [30] unvermeidlich zum logischen Bankrott des gesamten Systems führen muß; dieses System ist genau so wenig befriedigend wie die alte Theorie der Produktionskosten, die sich hilflos in einem verzauberten Kreise drehte.

Es entsteht freilich die Frage, ob es überhaupt möglich ist, das Wirtschaftsleben theoretisch zu erfassen, dessen Gesetzmäßigkeiten festzustellen, ohne daß Gesetzmäßigkeiten der individuellen Motive bestimmt werden; mit anderen Worten, ist der „Objektivismus“, der die Grundlage der Marxschen Theorie bildet, möglich?

Diese Frage wird sogar von Böhm-Bawerk bejaht: „... zwar nicht gesetzmäßige Handlungen ohne gesetzmäßige Motivation, wohl aber Kenntnis von gesetzmäßigen Handlungen ohne Kenntnis der zugehörigen Motivation!“ [31] Doch nimmt Böhm an, daß „die objektivistische Quelle der Erkenntnis ... bestenfalls nur einen recht ärmlichen, zumal für sich allein durchaus ungenügenden Teil der gesamten erreichbaren Erkenntnis beisteuern kann, da wir es im Wirtschaftsgebiet vorwiegend mit bewußten, berechneten menschlichen Handlungen zu tun haben.“ [32]

Demgegenüber sahen wir bereits, daß gerade die von der österreichischen Schule propagierte individualistisch-psychologische Abstraktion eine sehr kärgliche Ernte abwirft. [33] Und es handelt sich hier nicht nur um die Abstraktion als solche. Oben betonten wir gerade, daß die Abstraktion ein notwendiges Element eines jeden Erkenntnisaktes ist. Der Fehler der Oesterreicher besteht eben darin, daß sie bei der Erforschung der sozialen Erscheinungen gerade von diesen Erscheinungen selbst abstrahieren. Sehr gut wird dieser Tatbestand von R. Stolzmann formuliert: „Mag man die Wirtschaftstypen durch Isolieren und Abstrahieren so einfach gestalten, wie es nur angeht, aber sozial müssen sie sein, eine soziale Wirtschaft müssen sie zum Gegenstand haben.“ [34] Denn es geht nicht an, daß man vom rein Individuellen zum Sozialen übergeht; selbst wenn es in Wirklichkeit so einen historischen Uebergangsprozeß gegeben hätte, d. h. wenn die Menschen aus einem isolierten Zustand zum „gesellschaftlichen Sein“ tatsächlich übergegangen wären, so wäre es auch dann einzig und allein möglich, diesen Prozeß historisch und konkret zu beschreiben, das Problem somit nur rein idiographisch (kinematographisch) zu lösen; auch in diesem Falle wäre es also unmöglich, eine Theorie vom nomographischen Typus aufzustellen. Denken wir uns z. B., daß einzelne isolierte Produzenten in Verkehr miteinander träten, durch den Warentausch verbunden wären und nach und nach eine modern entwickelte Tauschgesellschaft bildeten. Nehmen wir jetzt die subjektiven Wertschätzungen des modernen Menschen. Sie gehen von den früher gebildeten Preisen aus (was weiter unten ausführlich bewiesen wird); diese Preise würden ihrerseits aus den Motiven der Wirtschaftssubjekte einer mehr oder weniger entfernt liegenden Zeit gebildet; doch waren diese Preise ihrerseits von den Preisen abhängig, die zu einer noch früheren Zeit gebildet waren; diese letzteren waren wiederum das Resultat von subjektiven Wertschätzungen, die noch auf früheren Preisen fußten usw. Wir kommen so zu allerletzt auf die Wertschätzungen der isolierten Produzenten, – Wertschätzungen, die in sich in Wahrheit gar keine Preiselemente mehr enthalten, da hinter ihnen jegliches soziale Band, jegliche Gesellschaft fehlt. Doch würde eine solche Analyse von subjektiven Wertschätzungen, die mit dem modernen Menschen beginnt und mit dem hypothetischen Robinson abschließt, nichts anderes bedeuten als eine einfache historische Beschreibung des Verwandlungsprozesses der Motive des isolierten Menschen in die des modernen Menschen, nur daß dieser Prozeß in umgekehrter Folge geschieht. Eine derartige Analyse gibt lediglich eine einfache Beschreibung; ebensowenig könnte auf einer derartigen Grundlage eine allgemeine Preistheorie oder eine Tauschwerttheorie auf gebaut werden. Die Versuche eines solchen Aufbaus einer Theorie müssen im System unvermeidlich zu fehlerhaften Kreisen führen, denn sofern wir innerhalb des Rahmens einer allgemeinen Theorie bleiben wollen, müssen wir, statt das soziale Element zu erklären, es gerade als gegebene Größe annehmen; über diese Größe hinauszugehen – dies würde, wie wir bereits sahen, bedeuten, die Theorie in Historie zu verwandeln, d. h. ein ganz anderes Gebiet der wissenschaftlichen Forschung betreten. Es bleibt uns somit nur eine Forschungsmethode übrig, und zwar ist es die Verbindung der deduktivabstrakten mit der objektiven Methode; diese Verbindung ist für die marxistische politische Oekonomie höchst charakteristisch. Nur so wird es möglich, eine Theorie aufzustellen, die nicht immer wieder Widersprüche in sich selbst birgt, sondern ein tatsächliches Forschungsmittel für die kapitalistische Wirklichkeit liefert.
 

2. Der historische und der unhistorische Gesichtspunkt

In den Theorien über den Mehrwert schrieb Marx über die Physiokraten:

„Es war ihr großes Verdienst, daß sie diese Formen (d. h. die Formen der kapitalistischen Produktionsweise, N. B.) als physiologische Formen der Gesellschaft auf faßten: als aus der Naturnotwendigkeit der Produktion selbst hervorgehende Formen, die von Willen, Politik usw. unabhängig sind. Es sind materielle Gesetze. Der Fehler der Physiokraten ist nur der, daß das materielle Gesetz einer bestimmten historischen Gesellschaftsstufe als abstraktes, alle Gesellschaftsformen gleichmäßig beherrschendes Gesetz auf gefaßt wird.“ [35]

Hiermit ist der Unterschied zwischen dem schlechthin gesellschaftlichen Gesichtspunkt und dem geschichtlich-sozialen sehr gut bezeichnet. Man kann die „soziale Wirtschaft im ganzen“ betrachten und doch die ganze Bedeutung der spezifischen, historisch gewordenen Gesellschaftsformen nicht erfassen. Freilich pflegt in der modernen Zeit Hand in Hand mit dem unhistorischen Gesichtspunkt auch der Mangel an Verständnis für die sozialen Zusammenhänge zu gehen; dennoch muß man zwischen diesen beiden methodologischen Fragen unterscheiden, denn die Möglichkeit des „Objektivismus“ gibt noch keineswegs die Garantie dafür, daß die Probleme historisch aufgestellt werden. Ein Beispiel dafür liefern die Physiokraten. In der modernen wirtschaftlichen Literatur wiederholt sich der Fall bei Tugan-Baranowsky, dessen „soziale Verteilungstheorie“ für jede aus Klassen aufgebaute Gesellschaft paßt (und deshalb überhaupt nichts erklärt). [36]

Marx hebt strikt den historischen Charakter seiner Wirtschaftstheorie und die Relativität ihrer Gesetze hervor. „Nach seiner Meinung besitzt ... jede historische Periode ihre eigenen Gesetze ... Sobald das Leben eine gegebene Entwicklungsperiode überlebt hat, aus einem gegebenen Stadium in ein anderes übertritt, beginnt es auch, durch andere Gesetze gelenkt zu werden.“ [37] Daraus folgt freilich noch nicht, daß Marx die Existenz von jeglichen allgemeinen Gesetzen in Abrede stellte, die den Gang des gesellschaftlichen Lebens auf seinen verschiedenen Entwicklungsstufen lenken. Die materialistische Geschichtstheorie stellt z. B. Gesetze auf, die sich zur Erklärung der gesellschaftlichen Entwicklung schlechthin eignen. Doch schließt dies nicht die besonderen geschichtlichen Gesetze der politischen Oekonomie aus, die, im Gegensatz zu den soziologischen Gesetzen, das Wesen einer bestimmten gesellschaftlichen Struktur, nämlich die der kapitalistischen Gesellschaft, ausdrücken. [38]

Hier wollen wir einem Einwand vorbeugen, der möglicherweise erhoben werden könnte; man könnte nämlich sagen, daß die Annahme des historischen Prinzips unvermeidlich zum idiographischen, rein beschreibenden Typus der Theorie führe, d. h. gerade zum nämlichen Gesichtspunkt, den die sogenannte „historische Schule“ vertritt. Doch ein derartiger Einwand würde die Vermengung von verschiedenen Dingen bedeuten. Nehmen wir z. B. irgendeinen allgemeinen Satz einer solchen par excellence idiographischen Wissenschaft, wie dies die Statistik ist, so stellt die Bevölkerungsstatistik folgendes „empirische Gesetz“ auf: auf je 100 Mädchengeburten entfallen 105 bis 108 Knabengeburten. Dieses „Gesetz“ besitzt einen rein beschreibenden Charakter, es drückt gar keine allgemeine Kausalität aus. Umgekehrt läßt sich ein theoretisches Gesetz der politischen Oekonomie in die Kausalitätsformel bringen: Ist A, B, C vorhanden, so muß auch D eintreten; mit anderen Worten: Das Vorhandensein von bestimmten Bedingungen. „Ursachen“, zieht den Eintritt von bestimmten Folgen nach sich. Es ist klar, daß diese „Bedingungen“ auch historischen Charakter besitzen können, d. h., daß sie in Wirklichkeit nur zur bestimmten Zeit eintreten. Vom rein logischen Gesichtspunkt aus ist es völlig belanglos, wo und wann diese Bedingungen in Wirklichkeit vorkommen, noch mehr, ob sie überhaupt eintreten – in diesem Sinne haben wir es mit „ewigen Gesetzen“ zu tun; andererseits sind sie, sofern sie real vorkommen, „historische Gesetze“, denn sie hängen mit den "Bedingungen“ zusammen, die lediglich auf einer bestimmten historischen Entwicklungsstufe vorkommen. [39] Doch sind nun einmal diese Bedingungen vorhanden, so sind damit auch ihre Folgen gegeben. Eben dieser Charakter der theoretischen ökonomischen Gesetze macht deren Anwendung auf Länder und Epochen, in denen die soziale Entwicklung bereits eine entsprechende Höhe erreichte, möglich; deshalb konnten z. B. die russischen Marxisten richtig das „Schicksal des Kapitalismus in Rußland“ voraussagen, obwohl die Marxsche Analyse sich auf ein konkretes empirisches Material stützte, das sich auf England bezog. [40]

Also, der „historische“ Charakter der Gesetze der politischen Oekonomie verwandelt diese noch keineswegs in eine Wissenschaft vom idiographischen Typus. Andererseits kann aber auf diesem Gebiete lediglich der historische Gesichtspunkt allein von Erkenntniswert sein.

Die politische Oekonomie als Wissenschaft kann zu ihrem Gegenstand nur die Waren- resp. die kapitalistische Warengesellschaft haben. Würden wir es mit einer auf irgendwelche Art organisierten Wirtschaft zu tun haben, so z. B. die Oikos-Wirtschaft von Rodbertus, oder die urkommunistische Gesellschaft, das feudale Landgut oder die organisierte vergesellschaftete Wirtschaft des sozialistischen „Staates“, so würden wir da kein einziges Problem finden, dessen Lösung in das Aufgabengebiet der theoretischen politischen Oekonomie fällt; diese Probleme beziehen sich auf die Warenwirtschaft, besonders auf deren kapitalistische Form: so die Probleme des Wertes, Preises, Kapitals, Profits, der Krisen usw. Dies ist zweifelsohne kein Zufall: gerade gegenwärtig, bei der mehr oder weniger ausgesprochenen Herrschaft des Systems der „freien Konkurrenz“ kommt der elementare Charakter des Wirtschaftsprozesses besonders klar zum Ausdruck, bei dem der Individualwille und -zweck ganz in den Hintergrund tritt gegenüber der sich objektiv abwickelnden Kette der sozialen Erscheinungen. Nur für die Warenproduktion als solche und ihre höchste Form, die kapitalistische Produktion, ist jene Erscheinung charakteristisch, die Marx den „Fetischcharakter der Ware“ nannte und im Kapital glänzend analysierte. Gerade hier wird das persönliche Verhältnis der Menschen selbst im Produktionsprozeß zu einem unpersönlichen Verhältnis von Dingen, wobei diese die Form der „gesellschaftlichen Hieroglyphe“ [41] des Wertes (Marx) annehmen. Daher der „rätselhafte“ Charakter, der der kapitalistischen Produktionsweise anhaftet und die Eigentümlichkeit der hier für die theoretische Forschung zum erstenmal auftauchenden Probleme. „Nicht wegen des ,charaktere typique de la liberté économique‘, sondern wegen der erkenntnistheoretischen Eigenart des Konkurrenzsystems, welches sowohl die größte Zahl der theoretischen Rätsel als die größte Schwierigkeit, sie zu lösen, mit sich führt” [42], bietet die Analyse der kapitalistischen Gesellschaft ein besonderes Interesse und verleiht eine besondere logische Form der ökonomischen Wissenschaft, die die Gesetzmäßigkeit des elementaren Lebens der modernen Gesellschaft erforscht, Gesetze aufstellt, die von menschlichem Bewußtsein unabhängig sind, – „regelnde Naturgesetze – ähnlich dem Gesetz der Schwere, wenn einem das Haus über dem Kopfe zusammenpurzelt“. [43]

Dieser elementare Charakter, der eine Folge höchst verwickelter Verhältnisse ist, ist selbst eine geschichtliche Erscheinung, die nur der Warenproduktion als solcher zukommt. [44] Nur die unorganisierte gesellschaftliche Wirtschaft zeitigt solche spezifische Erscheinungen, bei denen die gegenseitige Anpassung der verschiedenen Teile des „Produktionsorganismus“ unabhängig von dem bewußt darauf gerichteten menschlichen Willen erfolgt. Bei einer planmäßigen Führung der gesellschaftlichen Wirtschaft stellt die Verteilung und die Wiederverteilung der gesellschaftlichen Produktionskräfte einen bewußten, auf statistischen Angaben fußenden Prozeß dar; bei der gegenwärtigen Produktionsanarchie erfolgt dieser Prozeß durch einen ganzen Uebertragungs-mechanismus der Preise, durch deren Fallen und Steigen, durch deren Druck auf die Profite, durch eine ganze Reihe von Krisen usw., mit einem Worte, nicht die bewußte Berechnung der Gesamtheit, sondern die blinde Kraft des sozialen Elementes, die sich in einer ganzen Reihe von sozial-wirtschaftlichen Erscheinungen – darunter vor allem im Marktpreis – kundgibt, dies alles charakterisiert die moderne Gesellschaft und dies bildet den Gegenstand der politischen Oekonomie. In einer sozialistischen Gesellschaft wird die politische Oekonomie ihre Daseinsberechtigung verlieren: es wird nur eine „Wirtschaftsgeographie“ übrigbleiben – eine Wissenschaft von idiographischem Typus, und eine „ökonomische Politik“, eine normative Wissenschaft; denn die Beziehungen zwischen den Menschen werden einfach und klar sein, die fetischisierte dingliche Formulierung dieser Beziehungen wird wegfallen und an Stelle der Gesetzmäßigkeiten des Elementarlebens wird die Gesetzmäßigkeit der bewußten Handlungen der Gesellschaft treten. Schon daraus allein ist ersichtlich, daß bei der Erforschung des Kapitalismus seine Grundzüge beachtet werden müssen, die den kapitalistischen „Produktionsorganismus“ von jedem anderen unterscheiden: denn die Erforschung des Kapitalismus ist eben die Erforschung dessen, was den Kapitalismus von jeder anderen gesellschaftlichen Struktur unterscheidet. Sobald wir von den für den Kapitalismus typischen Besonderheiten abstrahieren, kommen wir zu allgemeinen Kategorien, die auf alle möglichen gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse angewandt werden können und demgemäß den historisch bestimmten, ganz eigentümlichen Entwicklungsprozeß des „modernen Kapitalismus“ nicht zu erklären vermögen. Gerade in dem Vergessen dieses Grundsatzes. – sagt Marx – „liegt ... die ganze Weisheit der modernen Oekonomen, die die Ewigkeit und Harmonie der bestehenden sozialen Verhältnisse beweisen [45]).“ Dabei ist zu beachten, daß der Kapitalismus die entwickelte Form der Warenproduktion ist. Sie wird nicht durch Tausch schlechthin, sondern durch den kapitalistischen Tausch charakterisiert. Bei diesem erscheint die Arbeitskraft als Ware auf dem Markte und die Produktionsverhältnisse („die ökonomische Struktur der Gesellschaft“) schließen nicht nur die Beziehungen zwischen den Warenproduzenten untereinander, sondern auch die zwischen der Klasse der Kapitalisten und der der Lohnarbeiter in sich. Die Analyse des Kapitalismus erfordert deshalb außer der Untersuchung der allgemeinen Bedingungen der Warenwirtschaft (das Vorhandensein dieses Elementes allein würde der Theorie der einfachen Warenproduktion entsprechen) noch die Untersuchung der spezifischen Struktur des Kapitalismus selbst. Nur wenn die Fragen so auf gestellt werden, kann eine wirklich wissenschaftliche ökonomische Theorie gegeben werden. Will man nicht auf eine Verherrlichung und Verewigung der kapitalistischen Verhältnisse ausgehen, sondern diese theoretisch erforschen, so muß man ihre typischen Eigenschaften herausheben und analysieren. Gerade so verfährt Marx. Sein Kapital leitet er mit folgenden Worten ein: „Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine „ungeheure Warensammlung“, die einzelne Ware als seine Elementarform. Unsere Untersuchung beginnt daher mit der Analvse der Ware.“ [46]

Und so wird von Anfang an die Untersuchung auf das historische Gleis gebracht. Die darauf folgende Marxsche Analyse zeigt, daß nun die gesamten grundlegenden ökonomischen Begriffe einen historischer Charakter haben. [47] „Das Arbeitsprodukt – schreibt Marx über den Wert – ist in allen gesellschaftlichen Zuständen Gebrauchsgegenstand, aber nur eine historisch bestimmte Entwicklungsepoche, welche die in der Produktion eines Gebrauchsdinges verausgabte Arbeit als seine gegenständliche’ Eigenschaft darstellt, d. h. als seinen Wert, verwandelt das Arbeitsprodukt in Ware.“ [48]

Dasselbe sagt Marx über das Kapital:

„... das Kapital ist kein Ding, sondern ein bestimmtes, gesellschaftliches, einer bestimmten historischen Gesellschaftsformation angehöriges Produktionsverhältnis, das sich an einem Ding darstellt und diesem Ding einen spezifischen gesellschaftlichen Charakter gibt. Das Kapital ist nicht die Summe der materiellen und produzierten Produktionsmittel. Das Kapital, das sind die in Kapital verwandelten Produktionsmittel, die an sich so wenig Kapital sind, wie Gold oder Silber an sich Geld ist.“ [49]

Es ist interessant, damit die Definition zu vergleichen, die Böhm-Bawerk für das Kapital gibt:

„Kapital überhaupt nennen wir einen Inbegriff von Produkten, die als Mittel des Gütererwerbes dienen. Aus diesem allgemeinen Kapitalbegriff löst sich als engerer Begriff der des Sozialkapitals ab. Sozialkapital nennen wir einen Inbegriff von Produkten, die als Mittel sozialwirtschaftlichen Gütererwerbes dienen; oder ... kurz gefaßt, einen Inbegriff von Zwischenprodukten.“ [50]

Wir haben es somit hier mit einem völligen Gegensatz der Ausgangspunkte zu tun. Wo Marx den historischen Charakter einer gewissen Kategorie als Hauptmerkmal hervorhebt, dort sehen wir bei Böhm-Bawerk eine Abstrahierung vom historischen Element; wo es sich bei Marx um historisch-bestimmte Verhältnisse zwischen den Menschen handelt, dort treten bei Böhm allgemeine Formen der Verhältnisse des Menschen zu den Dingen. In der Tat, man braucht bloß von den geschichtlich sich verändernden Verhältnissen der Menschen untereinander zu abstrahieren, dann bleiben nur die Verhältnisse zwischen Mensch und Natur übrig; mit anderen Worten: statt der sozial-historischen die „natürlichen“ Kategorien. Doch ist es klar, daß die „natürlichen“ Kategorien nicht im geringsten die sozial-historischen Kategorien erklären können, denn, wie Stolzmann durchaus richtig bemerkt, „geben die natürlichen Kategorien nur technische Möglichkeiten für die Ausbildung von ökonomischen Phänomenen.“ [51]

Und in der Tat verläuft der Arbeitsprozeß, der Prozeß der Gütererzeugung und -verteilung immer in bestimmten geschichtlich, verschiedenen Formen, die allein bestimmte sozial-wirtschaftliche Phänomene hervorrufen. Es ist doch ein ganz unhaltbarer Standpunkt, wenn man, wie es „Oberst Torrens“ und auch Böhm-Bawerk tun, im „Steine des Wilden – den Ursprung des Kapitals“ [52] und in dem Wilden – den Kapitalisten sieht. Erst als auf der Grundlage der Warenproduktion >[53] die Produktionsmittel voneiner einzigen Klasse als Eigentum monopolisiert und dem Eigentum derArbeiter, der einzigen in ihrem Besitz verbleibenden Ware – derArbeitskraft – entgegengestellt werden, erst dann entsteht daseigentliche Phänomen, das man Kapital nennt, folglich kann aucherst dann der „Profit des Kapitalisten“ entstehen.Dasselbe gilt für die Rente. Die Tatsache des verschiedenenBodenertrages bei verschiedenen Bodenparzellen allein oder, wie dieberühmte Formel lautet: „Das Gesetz des abnehmendenBodenertrages“ würde keinesfalls (selbst wenn es in derForm existierte, in der es die radikalsten Malthusianer vertreten)die Erscheinung der Grundrente verursachen. Sie entsteht erst dann,als auf der Grundlage der Warenproduktion der Grund und Boden von derKlasse der Grundeigentümer als Eigentum monopolisiert wird. Wasden Unterschied im Ertrag der verschiedenen Parzellen und das besagte„Gesetz“ anbetrifft, so spielen sie lediglich die Rolleder technischen Bedingungen, indem sie das soziale Phänomen,nämlich die Rente, überhaupt erst möglich machen. [54] Deshalb sind auch die Klagen Böhms über manche seiner Kritiker, denen er vorwirft, daß sie das „Wesen der Sache“ nicht von der „Erscheinungsform“ unterscheiden, unbegründet. Das Wesen des Kapitals besteht nicht darin, daß es der „Inbegriff von Zwischenprodukten“ ist (was doch das „Wesen“ der Produktionsmittel ist), sondern darin, daß es ein eigenartiges gesellschaftliches Verhältnis darstellt, das eine Reihe von ökonomischen Erscheinungen zur Folge hat, die anderen Epochen vollständig fremd blieben. Man kann natürlich sagen, daß das Kapital eine Erscheinungsform der Produktionsmittel in der gegenwärtigen Gesellschaft ist, doch darf nicht behauptet werden, daß das moderne Kapital die Erscheinungsform des Kapitals schlechthin und dieses mit den Produktionsmitteln identisch ist. Einen historischen Charakter besitzt auch das Wertphänomen. Wenn man sogar die individualistische Methode der österreichischen Schule als richtig anerkennt, und versucht, aus dem „subjektiven Wert“, d. h. aus individuellen Wertschätzungen der einzelnen Personen den Wert schlechthin abzuleiten, so ist auch in diesem Falle der Umstand zu berücksichtigen, daß in der modernen Wirtschaft die Psyche des „Produzenten“ einen ganz anderen Inhalt hat als die des Produzenten in der Naturalwirtschaft (und insbesondere als die Psyche eines „am Bache sitzenden“ oder in der Wüste hungernden Menschen). Der moderne Kapitalist, gleichgültig, ob er Vertreter des Industrie- oder des Handelskapitals ist, interessiert sich ganz und gar nicht für den Gebrauchswert der Produkte: er „arbeitet“ mit Hilfe gedungener „Hände“ ausschließlich des Profits wegen, ihn interessiert nur der Tauschwert.

Daraus ist ersichtlich, daß sogar das Grundphänomen der politischen Oekonomie, nämlich das des Wertes, nicht mit dem für alle Zeiten und Völker gemeinsamen Umstand, daß die Güter irgendein menschliches Bedürfnis befriedigen, erklärt werden kann. Dies ist aber die „Methode“ der österreichischen Schule. [55]

Und so kommen wir zum Schluß, daß die österreichische Schule sich auf völlig falschem methodologischen Wege befindet, indem sie von den Besonderheiten des Kapitalismus abstrahiert. Eine politische Oekonomie, die die sozial-ökonomischen Verhältnisse, d. h. die Beziehungen zwischen den Menschen erklären will, muß eine geschichtliche Wissenschaft sein. „Wer die politische Oekonomie Feuerlands – bemerkt Engels treffend und bissig – unter dieselben Gesetze bringen wollte mit der des heutigen Englands, würde damit augenscheinlich nichts zutage fördern als den allerbanalsten Gemeinplatz. [56] Diese „Gemeinplätze“ können auf einem mehr oder weniger geistreichen Fundament auf gebaut werden, doch kann auch dies nicht die zuvor ausgeschalteten Besonderheiten der kapitalistischen Gesellschaits-ordnung erklären. Und so ist die hypothetische „Wirtschaft“, die Böhm-Bawerk „aufbaut“, und deren „Gesetze“ er untersucht, so entfernt von unserer sündhaften Wirklichkeit, daß sie nicht mehr an ihr gemessen werden kann.

Dies kommt auch den Schöpfern der neuen Richtung einigermaßen zum Bewußtsein. So schreibt z. B. Böhm-Bawerk in der letzten Ausgabe seines Kapital:

„Insbesondere hätte ich gerne eine Lücke ausgefüllt ..., es handelt sich um die Untersuchung, was die Einflüsse der sogenannten ‚sozialen Kategorie‘, was die aus den sozialen Einrichtungen stammenden Macht- und Gewaltverhältnisse ... bedeuten und vermögen ... Dieses Kapitel der SozialÖkonomie ist noch nicht befriedigend geschrieben worden ... Auch von der Grenzwerttheorie nicht.“ [57]

Man kann freilich im voraus sagen, daß dieses „Kapitel“ von den Vertretern der Grenzwerttheorie „befriedigend“ nicht geschrieben werden kann, da sie die „soziale Kategorie“ nicht als einen organischen Bestandteil der „rein ökonomischen Kategorie“ betrachten, sondern in ihr eine äußere, jenseits der Oekonomik stehende Größe sehen.

Im Gegensatz zu Böhm bemerkt Stolzmann, einer der Vertreter der „sozial-organischen“ Methode, auf den wir uns hier wiederholt berufen haben: „Der ,Objektivismus‘ tritt damit in ein neues Stadium, er wird nicht nur sozial, er wird ‚historisch‘; es bleibt keine Kluft mehr zwischen der systematisch-logischen und der historisch-realistischen Forschung, das Arbeitsfeld wird für beide gemeinsam, sie haben beide die Erkenntnis der geschichtlichen Wirklichkeit zum Gegenstand.“ [58] Doch diese Aufgabe, die abstrakte klassische Methode mit dem „Objektivismus“ und dem „Historismus“ zu verbinden, wurde bereits, und zwar ohne jede ethische Verbrämung, lange vor Stolzmann von Karl Marx gelöst.

Und so schreitet auch hierin die „veraltete“ Theorie des Proletariats allen anderen voran. [59]
 

3. Der Gesichtspunkt der Produktion und der Gesichtspunkt der Konsumtion

„Die erste theoretische Behandlung der modernen Produktionsweise – schreibt Marx – ... ging notwendig aus von den oberflächlichen Phänomenen des Zirkulationsprozesses ... Die wirkliche Wissenschaft der modernen Oekonomie beginnt erst, wo die theoretische Betrachtung vom Zirkulationsprozeß zum Produktionsprozeß übergeht.“ [60]

Umgekehrt macht Böhm-Bawerk und die gesamte österreichische Schule die Konsumtion zum Ausgangspunkt ihrer Analyse.

Während Marx die Gesellschaft vor allem als „Produktionsorganismus“ und die Wirtschaft als „Produktionsprozeß“ betrachtet, tritt die Produktion bei Böhm-Bawerk völlig in den Hintergrund; an erster Stelle steht bei ihm die Analyse der Konsumtion, der Bedürfnisse und Wünsche des Wirtschaftssubjektes. [61] Und so ist es nicht zu verwundern, daß zum Ausgangspunkt der Analyse nicht die Wirtschaftsgüter als Produkte gemacht werden, sondern ein (a priori) gegebenes Quantum derselben, ein „Vorrat“, von dem man nicht weiß, woher er plötzlich kommt. Damit wird fernerhin auch die ganze Werttheorie als der Zentralpunkt des theoretischen Systems vorausbestimmt. Da der Produktionsfaktor von vornherein ausgeschaltet wird, ist es klar, daß eine Werttheorie Zustandekommen muß, die außerhalb jeder Produktion liegt. Im Zusammenhang damit steht auch die eigentümliche Anwendung der Methode der „isolierenden Abstraktion“: so läßt Böhm-Bawerk bei der Wertanalyse seine Robinsons nicht etwa Güter produzieren, sondern dieselben verlieren, auf sie „verzichten“. Dabei wird die Produktions- oder Reproduktionsmöglichkeit nicht als ein Phänomen, das vor allem der Analyse unterliegen muß, sondern als ein erschwerendes Moment betrachtet. [62] Es ist deshalb nur folgerichtig, daß der „Nutzen“ zum Grundbegriff der österreichischen Schule wird, aus dem dann der Begriff des subjektiven und daraufhin auch des objektiven Wertes abgeleitet wird. Der Nutzbegriff setzt ja weder irgendeinen „Arbeitsaufwand“ noch eine Produktion voraus; er drückt kein aktives, sondern ein rein passives Verhältnis zu den Dingen aus, keine „gegenständliche Tätigkeit“, sondern eine gewisse Beziehung zu einem gleichhleibenden Gegebenen. Deshalb kann auch dieser Nutzbegriff in solchen Beispielen mit Erfolg angewandt werden, in denen als handelnde Personen „Schiffbrüchige“, „Kurzsichtige“ auf unbewohnten Inseln, hungernde „Reisende“ und ähnliche Mißgeburten einer Professorenphantasie erscheinen.

Es ist jedoch klar, daß ein derartiger Gesichtspunkt von vornherein jede Möglichkeit ausschließt, die gesellschaftlichen Phänomene, sowie deren Entwicklung zu begreifen. Die Triebkraft der letzteren ist das Wachstum der Produktivkräfte, der Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit, die Erweiterung der produktiven Funktionen der Gesellschaft. Ohne Konsumtion gibt es keine Produktion – dies steht außer jedem Zweifel: die Bedürfnisse bilden immer den Beweggrund einer jeden wirtschaftlichen Tätigkeit. Andererseits wirkt aber auch die Produktion auf das entschiedenste auf die Konsumtion ein. In dreierlei Weise macht sich nach Marx dieser Einfluß geltend: erstens, in dem die Produktion das Material für die Konsumtion schafft, zweitens, indem sie ihre Weise, d. h. ihren qualitativen Charakter bestimmt, und endlich drittens, indem sie neue Bedürfnisse schafft. [63]

So ist der Tatbestand, wenn wir die Wechselbeziehungen zwischen Produktion und Konsumtion im allgemeinen betrachten, d. h. ohne irgendwelche Beziehung auf eine bestimmte, geschichtlich gegebene Struktur. Bei der Betrachtung des Kapitalismus kommt aber noch ein wichtiges Moment hinzu, und zwar, mit Marx gesprochen: „... das ‚gesellschaftliche Bedürfnis‘, d. h. das, was das Prinzip der Nachfrage regelt, (ist) wesentlich bedingt durch das Verhältnis der verschiedenen Klassen zueinander und durch ihre respektive ökonomische Position, namentlich also erstens durch das Verhältnis des Gesamtmehrwerts zum Arbeitslohn und zweitens durch das Verhältnis der verschiedenen Teile, worin sich der Mehrwert spaltet (Profit, Zins, Grundrente, Steuern usw. [64] Dieses Verhältnis der Klassen zueinander wird aber wiederum unter dem Einfluß des Wachstums der Produktivkräfte formiert und verändert.

Und so sehen wir vor allem: die Dynamik der Bedürfnisse wird durch die Dynamik der Produktion bestimmt. Daraus folgt erstens: der Ausgangspunkt bei der Analyse der Dynamik der Bedürfnisse muß die Dynamik der Produktion sein. Zweitens: die gegebene Menge von Produkten, die die Statik in der Produktion voraussetzt, setzt auch die Statik in der Konsumtion, mit anderen Worten, die Statik im Gesamtkomplex des ökonomischen, mithin auch des Lebens schlechthin voraus. [65]

Gerade die „Entwicklung der Produktivkräfte“ stellte Marx obenan: war doch das Ziel seiner ganzen riesenhaften theoretischen Arbeit, nach seinen eigenen Worten, „das ökonomische Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft zu enthüllen.“ [66] Doch „das Bewegungsgesetz“ da zu enthüllen, wo es überhaupt keine Bewegung gibt, wo ein Quantum von Produkten „vom Himmel“ fällt, ist ziemlich schwierig. [67] Deshalb kann von vornherein angenommen werden, daß der Gesichtspunkt der Konsumtion, der dem österreichischen System zugrunde liegt, in all den Fragen, die die soziale Dynamik betreffen, d. h. die wichtigsten Probleme der politischen Oekonomie, sich als völlig unfruchtbar erweisen wird. „Wie sich die Technik in einer kapitalistischen Gesellschaft entwickelt, – sagt Charasoff, – woher der kapitalistische Profit stammt – all diese grundlegenden Fragen sind sie (d. h. die Vertreter der österreichischen Schule. N. B.) nicht imstande, richtig zu stellen, geschweige denn zu lösen.“ [68] In dieser Beziehung sind die Geständnisse eines der eifrigsten Vertreter der Grenznutzentheorie, Joseph Schumpeter, interessant. Er hatte den Mut, offen zu erklären, daß in allen Fällen, in denen es sich um Entwicklung handelt, die österreichische Schule nichts zu sagen vermag.

„Sodann sehen wir, daß unser statisches System – sagt er – bei weitem nicht alle wirtschaftlichen Erscheinungen erklärt, nicht z. B. Zins und Unternehmergewinn.“ [69]

„... unsere Theorie, soweit sie fest begründet ist, den wichtigsten Erscheinungen des modernen Wirtschaftslebens gegenüber versagt.“ [70]

„Weiter versagt sie jeder Erscheinung gegenüber, welche sich ... nur vom Standpunkt der Entwicklung verstehen läßt. Dahin gehören die Probleme der Kapitalbildung und andere, so besonders das des ökonomischen Fortschritts und der Krisen.“ [71]

Und so zeigt sich, daß die neueste Theorie der bürgerlichen „Gelehrten“ gerade bei den allerwichtigsten Grundfragen der Gegenwart versagt. Die riesenhafte und schnelle Kapitalansammlung, die Konzentration und Zentralisation derselben, der ungemein rasche technische Fortschritt, endlich die regelmäßige Wiederkehr der Industriekrisen – diese spezifisch kapitalistische Erscheinung, die das sozial-wirtschaftliche System bis auf die Grundlage erschüttert – dies alles ist, nach dem Geständnis Schumpeters, „ein Buch mit sieben Siegeln“. Und gerade auf dem Gebiete, auf dem das Denken des gelehrten Bourgeois halt macht, leistet die Marxsche Theorie besonders viel, soviel, daß die verstümmelten Teile der Marxschen Lehre selbst bei den grimmigsten Feinden des Marxismus mitunter als das letzte Wort der Weisheit gelten. [72]
 

4. Ergebnisse

Wir untersuchten bisher die drei falschen Ausgangspunkte der österreichischen Schule: den Subjektivismus, den unhistorischen Gesichtspunkt und den Gesichtspunkt der Konsumtion. Diese drei logischen Ausgangspunkte, die mit den drei psychischen Grundeigenschaften des Bourgeois-Rentners Zusammenhängen, ziehen die drei Grundfehler der Theorie der österreichischen Schule unvermeidlich nach sich, die sich in den verschiedenen Teilen des allgemeinen theoretischen „Systems“ immerfort wiederholen: es sind die „fehlerhaften Kreise“, die mit der subjektivistischen Methode Zusammenhängen; ferner das Unvermögen, die spezifisch historischen Formen des Kapitalismus zu erklären, was seinen Ursprung in dem unhistorischen Gesichtspunkt hat, und endlich der völlige Bankrott in sämtlichen Problemen der ökonomischen Entwicklung – ein Bankrott, der notwendigerweise mit dem Gesichtspunkt der Konsumtion zusammenhängt. Es wäre jedoch falsch, anzunehmen, daß alle diese „Motive“ unabhängig voneinander wirken; sowohl die psychischen als auch die logischen Komplexe stellen komplizierte Größen dar. in denen verschiedene Elemente sich verschiedenartig verbinden und verschmelzen, wobei sich die Wirkung derselben je nach den anderen begleitenden Elementen bald stärker, bald schwächer nach außen kundgibt.

Deshalb wird jeder konkrete Fehler, der sich bei der weiteren eingehenden Analyse der Theorie Böhm-Bawerks zeigen wird, sich nicht nur auf ein „Denkmotiv“ der neuen Theoretiker der Rentner stützen, sondern auf mehrere zugleich. Doch hindert dies uns nicht, aus der Reihe der zusammenhängenden Momente die drei Grundmomente hervorzuheben, die in ihrer verschiedenen Zusammensetzung eine Quelle der unzähligen „Mißgriffe“ Böhm-Bawerks bilden. Diese „Mißgriffe“ zeugen zugleich von der völligen Unfähigkeit der Bourgeoisie des fin de siede zum theoretischen Denken.

* * *

Fußnoten

1. Im Vorwort zum I. Band des Kapital bezeichnet Marx seine Methode als die deduktive Methode der klassischen Schule. Es wäre übrigens widersinnig, anzunehmen, wie dies die Vertreter der historischen Schule tun, daß jedes abstrakte Gesetz mit der konkreten Wirklichkeit nichts gemein habe. ,.Ein exaktes wissenschaftliches Gesetz“, meint einer der Vertreter der österreichischen Schule, Emil Sax, „ist ein Induktionsschluß höchster und allgemeinster Art: als solcher, nicht als apriorisches Axiom, ist es der Ausgangspunkt der Deduktion“ (Conrads Jahrbücher für NationalÖkonomie und Statistik, 1894, III. Folge, 8. Bd., S. 116). Eine genaue Analyse dieser Frage gibt Alfr. Ammon: Objekt und Grundbegriffe der theoretischen NationalÖkonomie, Wien und Leipzig 1911.

2. Vgl. z. B. S. 259 der Untersuchungen K. Mengers, wo ziemlich richtige Definitionen von einem wirklichen Ausgangspunkt der Theorie aus gegeben werden. Die höchste Stufe ihrer Selbsterkenntnis fand die Grenznutzentheorie bei Liefmann: Ueber Objekt, Wesen und Aufgabe der Wirtschaftswissenschaft, Conrads Jahrb. 13, S. 106.

3. W. Sombart: Zur Kritik des ökonomischen Systems von Karl Marx, Brauns „Archiv für soziale Gesetzgebung und Statistik“, Bd. VII, S. 591–592. Vergl. auch R. Liefmann, 1. c., S. 5 „Das künftige methodologische Hauptproblem scheint mir der Gegensatz von individualistischer und sozialer Betrachtungsweise oder vom privaten und volkswirtschaftlichen Gesichtspunkt zu sein.“ Wir empfehlen dem Leser die Arbeit von Liefmann als diejenige, die am konsequentesten und klarsten die individualistische Methode durchführt.

4. Siehe z. B. A. Smith: An inquiry into the nature and causes of the wealth of nations, London 1895. vol. I, S. 129: „Equal quantities of labour, at all times and places, may be said to be of equal value to the labourer. In his ordinary state of health, strength, and spirits; in the ordinary degree of his skill and dexterity, he must always lay down the same portion of his ease, his liberty and his happiness (vom Verfasser gesperrt). Es ließen sich noch eine Reihe ähnlicher Zitate anführen. Deshalb ist die Behauptung G. Charasoffs in seiner Polemik gegen Kautsky vollständig unzutreffend, wenn er sagt: „Für uns kann kein ernstlicher Zweifel bestehen, daß die klassische Schule in ihrer Lehre von dem Wertgesetze keineswegs einen individualistischen, sondern einen konsequenten gesellschaftlichen Standpunkt, ganz so wie Marx selbst, vertreten hat (vgl. Charasoff: Das System des Marxismus, Berlin 1910, S. 253). Andererseits trifft die Behauptung des Autors völlig zu, daß es auch marxistische Arbeiten gibt, die eine subjektivistische Deutung der Marxschen Theorie enthalten. Doch dies gehört nicht hierher.

5. W. Sombart 1. c., S. 591 (vom Verfasser gesperrt).

6. Ib., S. 592.

7. Karl Marx: Kapital, Bd. I, S. XVI. Das Zitat ist einer Rezension Kaufmanns entnommen, die Marx selbst anführt und mit der er vollständig einverstanden ist.

8. Böhm-Bawerk: Grundzüge der Theorie des wirtschaftlichen Güterwerts, Hildebrands Jahrbücher für NationalÖkonomie und Statistik, 13. 13. N. F., S. 78. Ebenso Menger: Untersuchungen über die Methoden der Sozialwissenschaften usw. Liefmann, l. c., S. 40.

9. Vgl. R. Stolzmann: Der Zweck in der Volkswirtschaftslehre, Berlin 1909, S. 59.

10. Karl Marx: Das Elend der Philosophie, Deutsch von Bernstein und K. Kautsky, S. 91.

11. Schon dieser Umstand allein zerstört völlig die teleologische Auffassung von der Gesellschaft als eines „Zweckgebildes“, die wir besonders ausgeprägt bei Stolzmann finden. „Ebenso wie man im Leben der Natur jede Zweckrichtung, jede systematische Absicht. Ersparnis, Oekonomie der Kräfte ... vermißt, so auch bei den Beziehungen der Menschen untereinander“ (Prof. Wipper: Grundzüge einer Theorie der geschichtlichen Erkenntnis, Moskau 1911, S. 162). Siehe auch die glänzende Darstellung der „Unabhängigkeit“ des Ergebnisses individueller Handlungen bei Engels: Ludwig Feuerbach. R. Liefmann klammert sich in seiner Kritik der „sozialen“, d. h. der objektivistischen Methode, gerade an die Kritik der teleologischen Auffassung, wobei er behauptet, daß dies von jedem Vertreter dieser Methode konsequenterweise akzeptiert werden müßte. Sogar die Marxisten (z. B. Hilferding) klagt er der Teleologie an, über die er dann einen leichten Sieg davonträgt. In der Tat aber handelt es sich beim Marxismus um die Gesellschaft als einem subjektlosen System.

12. „In wirtschaftlichen Beziehungen, schreibt Struve, wird das Wirtschaftssubjekt in seinen Beziehungen zu den anderen, ebensolchen Subjekten, betrachtet, die zwischenwirtschaftlichen Kategorien (d. h. die Kategorien der Warenwirtschaft N. B.) drücken die objektiven (oder die sich objektivierenden) Ergebnisse solcher Beziehungen aus: sie enthalten nichts „Subjektives“, obwohl sie vom „Subjektiven“ stammen; andererseits enthalten sie auch keinen unmittelbaren Ausdruck für die Beziehungen der Wirtschaftssubjekte zur Natur, zur Außenwelt; in diesem Sinne enthalten sie nichts „Objektives“ oder „Natürliches“ (P. Struve: Wirtschaft und Preis, Moskau 1913, S. 25, 26). Andererseits weist Struve auf das „naturalistische“ Element in der Werttheorie („geronnene Arbeit“) hin und konstruiert so einen Widerspruch zwischen demselben und dem „soziologischen“ Element. Vergl. damit Marx: Theorien über den Mehrwert, 1, S. 277: „Die Materialisation der Arbeit ist jedoch nicht so schottisch zu nehmen, wie A. Smith es faßt. Sprechen wir von der Ware als Materiatur der Arbeit – in dem Sinne ihres Tauschwertes –, so ist dies selbst nur eine eingebildete, d. h. bloß soziale Existenzweise der Ware, die mit ihrer körperlichen Realität nichts zu schaffen hat“. „Hier kommt die Täuschung daher, daß sich ein gesellschaftliches Verhältnis in der Form eines Dinges darstellt“ (S. 278).

13. Eine derartige „universalistische“ Methode bringt Struve mit dem logischen Realismus (im Gegensatz zur „singularistischen“ Methode, die in der Logik mit dem Nominalismus zusammenhängt) in Verbindung. „In der Sozialwissenschaft – sagt Struve – äußert sich die realistische Gedankenrichtung vor allem darin, daß das System der psychischen Beziehungen zwischen den Menschen, das ist die Gesellschaft, nicht nur als eine reale Einheit, als eine Summe oder (!) ein System betrachtet wird, sondern auch als eine lebendige Einheit, als ein lebendiges Wesen gedacht wird. Solche Begriffe, wie Gesellschaft, Klasse, erscheinen oder werden jedenfalls leicht (!!!) zu „Universalitäten“ des soziologischen Denkens. Sie werden leicht hypostasiert“ (1. c., S. XI). Dies alles wird von Struve nicht etwa zum Beweis der Untauglichkeit der Marxschen Untersuchungsmethode angeführt, die er mit dem „logisch-onthologischen Realismus von Hegel und ... der Scholastiker“ (S. XXVI) identifiziert. Indessen ist es klar, daß bei Marx auch nur der leiseste Hinweis darauf fehlt, daß die Gesellschaft und die gesellschaftlichen Gruppierungen als ein „lebendiges Wesen“ (der Ausdruck „lebendige Einheit“ ist doch etwas anderes und unbestimmteres) betrachtet werden. Es genügt, in diesem Zusammenhang die Methode von Marx etwa mit der Methode der „sozialorganischen“ Richtung zu vergleichen, die zuletzt in der Arbeit Stolzmanns vertreten wird. Marx selbst war sich vollkommen über die Fehler des Hegelschen logischen Realismus klar. „Hegel geriet ... auf die Illusion, das Reale als Resultat des sich in sich zusammenfassenden, in sich vertiefenden und aus sich selbst sich bewegenden Denkens zu fassen, während die Methode, vom Abstrakten zum Konkreten aufzusteigen, nur die Art für das Denken ist, sich das Konkrete anzueignen, es als ein Konkretes geistig zu reproduzieren. Keineswegs aber ist es der Entstehungsprozeß des Konkreten selbst“ (K. Marx: Einleitung zu einer Kritik der politischen Oekonomie, II. Auflage; „Zur Kritik“, Stuttgart 1907, S. XXXVI).

14. Böhm-Bawerk: Zeitschrift für Privat- und öffentliches Recht der Gegenwart, Wien 1884, Bd. XI, S. 220.

15. Böhm-Bawerk: Grundzüge der Theorie des wirtschaftlichen Güterwerts, Hildebrands Jahrbücher für NationalÖkonomie und Statistik. Bd. 13, S. 9.

16. Ib., S. 9.

17. Ib.

18. Ib., S. 30.

19. K. Menger: Grundsätze der Volkswirtschaftslehre, Wien 1871, S. 82.

20. Ib., S. 85.

21. Ib., S. 95.

22. Ib., S. 96.

23. Fr. Bastiat: Harmonies économiques, Bruxelles 1850, S. 213: „Les lois économiques agissent sur le meme principe, qu’il s’agisse d’une nom-breuse agglomeration d’hommes, de deux individus, ou meme d’un seul, condamné par les circonstances à vivre dans l’isolement. L’individu s’il pouvait vivre quelque temps isolé serait ä la fois capitaliste, entrepreneur, ouvrier, producteur et consommateur. Toute l’évolution économique s’accomplirait en lui. En observant chacun des elements, qui la composent: le besoin, l’efforl, la satisfaction, l’ulilité gratuite et l’utilité onereuse, il se ferait une idée du mécanisme tout entier, quoique réduite à sa plus grande simplicité.“

24. „... J’affirme que l’economie politique aura atteint son but et rempli so mission quand ella aura définitivement démontré ceci: Ce qui est vrai de l homme est vrai de la société.“ (ibid., S. 74)

Hervorgehoben sei, daß Bastiat vom isolierten Menschen als einer methodologisch nützlichen Abstraktion spricht. Historisch ist er aber für ihn nur „eine trügerische Vision von Rousseau“. (s. auch S. 93, 94).

25. „The general form of the laws of Economy is the same in the case of individuals and nations“, W. Stanley Jevons: The theory of political economy, London and New York 1871, S. 21. Die „Mathematiker“ und die „Amerikaner“ lassen dies zum großen Teil fallen. Vergl. Walras: Etudes d’economie sociale (Théorie de la repartition de la richesse sociale), Lausanne, Paris 1896: „Il ne faut pas dire que l’individu est la base et le fin de toute société sans ajouter immédiatement que l’état social est aussi la base et le milieu de toute individualité“ (S. 90). Bei Clark dominiert der Objektivismus. Wie undurchdacht aber dies alles ist, erhellt z. B. aus folgender Definition des amerikanischen Wirtschaftlers Thomas Nixon Carver: „The method pursued is that of an analytical study of the motives which govern men in business and industrial life.“ (The distribution of wealth, New York 1904, S. XV) Doch andererseits „objektiviert“ derselbe Carver die Werttheorie.

26. „Solchen von uns selbst gebildeten Gesamtheiten, die außerhalb unseres Bewußtseins gar nicht existieren, können reale, vom Leben selbst geschaffene Gesamtheiten gegenübergestellt werden. Unter den Säuglingen des gesamten europäischen Rußlands existiert kein anderer Zusammenhang als derjenige, der von unseren statistischen Tabellen gebildet wird; die Bäume im Walde befinden sich in gegenseitiger fester Wechselwirkung und bilden eine gewisse Einheit, unabhängig davon, ob sie von einem Oberbegriff erfaßt werden oder nicht.“ (A. Tschuprow: Grundzüge einer Theorie der Statistik, St Petersburg 1909, S. 76.)

27. Gehen wir also induktiv vom Gegebenen aus, so stoßen wir bei der Betrachtung der volkswirtschaftlichen Wirklichkeit ... auf ganze Berge von Tatsachen, die uns vor Augen führen, wie das wirtschaftende Individuum bei all’ seinem Wägen und Handeln vom gegebenen Bestände eines objektiven Gefüges der bestehenden Wirtschaftsordnung abhängig ist.“ (R. Stolzmann, 1. c., S. 35.)

28. „Der Ausgangspunkt jeder gesellschaftlichen Erscheinung ist stets das Individuum; aber nicht das vereinzelte Individuum, das die Marx-Kritiker ebenso wie Forscher des 18. Jahrhunderts ... untersuchten, sondern das Individuum in Verbindung mit anderen Individuen, die Masse der Individuen ... in der der einzelne selbst ein anderes Geistesleben entwickelt wie in der Vereinsamung.“ L. Boudin: Das theoretische System von K. Marx, Stuttgart 1909, Vorwort von K. Kautsky, S. XIII. Marx selbst hat öfter die Notwendigkeit eines sozialen Gesichtspunktes sehr anschaulich geschildert. „In Gesellschaft produzierende Individuen, daher gesellschaftlich bestimmte Produktion der Individuen, ist natürlich der Ausgangspunkt. Der einzelne und vereinzelte Jäger und Fischer... gehört zu den phantasielosen Einbildungen des 18. Jahrhunderts.“ (Einleitung zu einer Kritik usw., S. XIII.) „Die Produktion der vereinzelten Einzelnen außerhalb der Gesellschaft ... ist ein ebensolches Unding als Sprachentwicklung ohne zusammen lebende und zusammensprechende Individuen.“ (Ib.) Sehr richtig bemerkt dazu R. Hilferding: „Aus den Motiven der handelnden Wirtschaftssubjekte, die selbst aber durch die Natur der wirtschaftlichen Beziehungen determiniert werden, läßt sich nie mehr als die Tendenz zur Herstellung der Gleichheit der ökonomischen Bedingungen ableiten: gleiche Preise für gleiche Waren, gleicher Profit für gleiches Kapital, gleicher Lohn und gleiche Ausbeutungsrate für gleiche Arbeit. Aber zu den quantitativen Beziehungen selbst komme ich auf diese Weise, ausgehend von den subjektiven Motiven, nie.“ (Das Finanzkapital, S. 235, Fußnote.)

29. Böhm-Bawerk: Zum Abschluß des Marxschen Systems, in Festgaben für Karl Knies. Berlin 1896, S. 172.

– Ins Russische übersetzt von Georgiewski unter dem Titel: Die Theorie Karl Marx’ und ihre Kritik, St. Petersburg 1897.

30. Daß es sich nur um eine Abstraktion handelt, erkennen freilich auch die Österreicher an: „Der Mensch wirtschaftet nicht als isoliertes Wesen; eine Einzelwirtschaft im strikten Sinne des Wortes ist eine Abstraktion.“ (Emil Sax: Das Wesen und die Aufgabe der NationalÖkonomie, Wien 1884, S. 12.) Doch ist nicht jede Abstraktion zulässig: Böhm-Bawerk bemerkt selber dazu: daß „in der Wissenschaft auch die Gedanken und die ‚Logik’ sich nicht ganz ungebunden von den Tatsachen entfernen dürfen ... daß man jeweils nur von jenen Besonderheiten abstrahieren darf, welche für die der Erforschung zu unterziehende Erscheinung irrelevant sind, notabene wirklich, tatsächlich irrelevant sind“. Böhm-Bawerk, Zum Abschluß des Marxschen Systems, S. 194.

31. Böhm-Bawerk: Zum Abschluß des Marxschen Systems, S. 201, Anm.: „Struve“, der diese Erkenntnismethode scholastisch nennt (siehe Anm. zur S. XXV und S. XXXII der russischen Ausgabe), spricht an anderer Stelle von der empirisch rechtmäßigen Anwendung der universalistischen Methode. Dies hindert aber denselben Autor nicht daran, zu erklären, daß der in der politischen Oekonomie notwendige soziologische Gesichtspunkt zu allerletzt doch nur vom Menschen, aus dessen Psyche ausgehen darf (d. h. vom „Individuum“, N. B., S. 26). Dabei will Struve „den Feinheiten des psychologischen Subjektivismus keine besondere Bedeutung“ beimessen, als ob diese ..Feinheiten“ nicht notwendig logisch mit den „Grundlagen“ zusammenhingen. Wie der Leser sieht, hat sich Struve eine sehr bequeme Position gewählt. – Negativ beantwortet die Frage Böhm-Bawerks Liefmann, l. c.

32. Böhm-Bawerk: Zum Abschluß usw., S. 202.

33. Sogar der Anhänger der Grenznutzentheorie, John Keynes, nimmt an, daß die „Erscheinungen des industriellen Lebens in ihrem ganzen Umfange lediglich auf deduktivem Wege aus wenigen Elementargesetzen der Natur erklärt werden können“: Der Gegenstand und die Methode der politischen Oekonomie. Zitat nach der russischen Uebersetzung unter Redaktion von Manuilow. Moskau 1899, S. 70.

34. R. Stolzmann, 1. c., S. 63; auch die Soziale Kategorie, S. 291 u. 292. Vgl. auch D. Lifschitz: Zur Kritik der Böhm-Bawerkschen Werttheorie, Leipzig 1908, Kap. IV, besonders S. 90 u. 91.

35. K. Marx: Theorien über den Mehrwert, Bd. I, S. 34.

36. Siehe Tugan-Baranowsky: Grundlagen der NationalÖkonomie. Es ist jedoch dazu zu bemerken, daß, während die Physiokraten tatsächlich den Kapitalismus richtig, wenn auch ohne sich dessen bewußt zu werden, auffaßten, Tugan-Baranowsky zwar bestrebt ist, ihn zu verstehen, doch dabei nur nichtssagende Formeln aufstellt. (Siehe N. Bucharin: Eine Oekonomie ohne Wert, Neue Zeit, 1914, S. 22 u. 23.

37. Das Zitat ist einer Rezension von Kaufmann entnommen, die Marx im Vorwort zur 2. Auflage des Kapital (Bd. I, S. XVI) anführt.

38. Das begreifen sogar die „wohlwollenden“ Kritiker nicht. Siehe Charasoff 1. c.,, S. 260 u. 261.

39. In seiner Geschichte der NationalÖkonomie unterscheidet Prof. Oncken drei Methoden: die exakte oder philosophische, die historische oder besser historisch-statistische und endlich die historisch-philosophische, welche einen synthetischen Charakter besitzt (S. 9). Und ferner: „Auf sozialistischem Gebiete hat die historisch-philosophische Methode einesteils durch Saint-Simon und sodann in extrem materialistischer Richtung durch Karl Marx und Friedrich Engels Vertretung gefunden ... Erfolgreich bekämpft werden kann er (der historische Materialismus. N. B.) nur auf dem gleichen, d. h. historisch-philosophischen Boden.“ (Ibid.)

Hiermit wird gerade die Fruchtbarkeit der Marxschen Methode anerkannt, die freilich nach Oncken mit dem Idealismus von Kant vereinigt werden müßte, um die Verderblichkeit der Marxschen materialistischen Theorie besser bekämpfen zu können.

40. Das begreift freilich Bulgakow ganz und gar nicht. Siehe seine Kritik der Marxschen Prognose in der Philosophie der Wirtschaft.

41. Karl Marx: Kapital, Bd. I, S. 40.

42. Heinrich Dietzel: Theoretische Sozialökonomik, S. 90.

43. Karl Marx: Kapital, Bd. I. S. 39 (Volksausgabe).

44. „Gesetzmäßige Erscheinungen heutiger Art ... erst entstanden, als jede Isolierung, aber auch diejenige örtliche Abgeschlossenheit überwundene Dinge waren.“ (Neumann: Naturgesetz und Wirtschaftsgesetz, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, herausgegeben von Schäffle, 1892. Jahrg. 48. Heft 3, S. 446). Herr Struve lobt sehr Marx für seine Analyse des Warenfetischismus, doch glaubt er, daß Marx sowohl wie die ganze Schule des wissenschaftlichen Sozialismus einen Fehler begingen, indem sie dieser Erscheinung einen geschichtlichen Charakter beilegten. Doch hinderte dieser letzte Umstand denselben Autor übrigens nicht, den Fetischismus in Verbindung mit der Warenwirtschaft zu bringen, die nach seiner eigenen Ansicht eine historische Kategorie darstellt. (Siehe sein Wirtschaftssystem, 1. c.

45. Einleitung zu einer Kritik usw., S. XVI. Dies ist im Jahre 1857 geschrieben, doch paßt es vollkommen für das „zwanzigste Jahrhundert“.

46. Karl Marx: Kapital, Bd. I, S. 1.

47. Eine Zusammenfassung der methodologischen Ansichten von Marx gibt die öfters von uns zitierte Einleitung. Hinsichtlich der historischen und unhistorischen „Bedingungen der Produktion“ faßt Marx seine Gedanken wie folgt zusammen: „zu resümieren: es gibt allen Produktionsstufen gemeinsame Bestimmungen, die vom Denken als allgemein fixiert werden, aber die sogenannten allgemeinen Bedingungen aller Produktion sind nichts als diese abstrakten Momente, mit denen keine wirkliche geschichtliche Produktionsstufe begriffen ist.“ (S. XX)

48. Karl Marx: Kapital, Bd. I, S. 28.

49. Karl Marx: Bd. III, 2. Teil, S. 349.

50. Böhm-Bawerk: Kapital und Kapitalzins, 1909, Bd. II, Teil 1, S. 54 u. 55. Struve, der die Mansche Schule durchgemacht, vertritt gleichfalls diesen äußerst oberflächlichen Standpunkt: „Das reine Wirtschaften – schreibt er – kennt auch solche Kategorien, wie Produktionskosten, Kapital, Profit, Rente“ (1. c., S. 17); dabei versteht er unter reinem Wirtschaften „das ökonomische Verhältnis des Wirtschaftssubjektes zur Außenwelt.“ (ibid.) Eine feinere Variante von ähnlichen Gedanken nimmt ihren Ausgangspunkt von Rodbertus, der zwischen dem logischen und dem historischen Kapitalbegriff unterscheidet In Wirklichkeit bedeutet eine derartige Terminologie eine Verhüllung der apologetischen Töne der bürgerlichen Oekonomisten, denn ihrem Wesen nach ist sie völlig überflüssig, da man für die „logischen Kategorien“ einen Terminus hat, wie Produktionsmittel. Ausführliches darüber weiter unten, bei der Analyse der Profittheorie.

51. R. Stolzmann: Der Zweck usw., S. 131.

52. „In dem ersten Stein, den der Wilde auf die Bestie wirft, die er verfolgt, in dem ersten Stock, den er ergreift, um die Frucht niederzuziehen, die er nicht mit den Händen fassen kann, sehen wir die Aneignung eines Artikels, zum Zweck der Erwerbung eines anderen und entdecken so – den Ursprung des Kapitals.“ (R. Torrens: An Essay on the Production of Wealth usw., S. 70, 71.) (Siehe Karl Marx: Kapital, Bd. 1, S. 147, Anm.) Die Böhm-Bawerksche Definition des Kapitals als den „Inbegriff von Zwischenprodukten“ deckt sich folglich mit der Ansicht von Torrens, die Marx bereits in seinem ersten Bande des Kapitals verspottete (vgl. Böhm-Bawerk: Kapital und Kapitalzins, Bd. 2, Teil 1, S. 587.

53. Dies lassen oft die Kritiker Marx’ außer acht. Siehe z. B.: Fr. Oppenheimer: Die soziale Frage und der Sozialismus, besonders der Abschnitt: Robinson – Kapitalist.

54. Vgl. Stolzmann, 1. c., S. 26, und John Keynes, 1. c., S. 66: „... selbst das Gesetz des abnehmenden Bodenertrages kann, als natürliche Erscheinung betrachtet, streng genommen, nicht als ökonomisches Gesetz angesehen werden.“

55. „Den Ausgangspunkt, die Grundlage des ‚Systems‘ bildet die Analyse der elementaren Erscheinungen des Gesamtgebietes der ökonomischen Betätigung des Menschen in abstracto, abgesehen also von Besonderheiten der sozialen Beziehungen.“ (Emil Sax: Das Wesen und die Aufgaben der NationalÖkonomie, S. 68.)

56. Fr. Engels: Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft, III. Aufl., Stuttgart 1894, S. 150. Der unhistorische Charakter des Objektivismus der „Mathematiker“ und „Anglo-Amerikaner“ bringt sie zu einer rein mechanischen Auffassung, bei der in Wirklichkeit keine Gesellschaft besteht, sondern nur sich bewegende Dinge.

57. Vorwort zur dritten Auflage des Kapital und Kapitalzins, Bd. II, S. XVI bis XVII.

58. R. Stolzmann, 1. c., Vorwort, S. 2. Vgl. damit R. Liefmann, l. c., S. 5: „die sogenannte soziale Betrachtungsweise ... schon vor einem halben Jahrhundert von Karl Marx ... angewandt worden ist.“ Gleichzeitig hebt Liefmann die Besonderheiten der Marxschen Methode durchaus zutreffend hervor.

59. Stolzmann hält es für notwendig, die sozialen Phänomene als sozial-ethische zu betrachten. Dabei vermengt er die Ethik als Gesamtheit von Normen, von deren Standpunkt aus die ökonomische Wirklichkeit betrachtet wird, und die Ethik als eine Tatsache, die in Zusammenhang mit der Tatsache der ökonomischen Erscheinungen steht. Von der politischen Oekonomie als einer ethischen Wissenschaft im ersten Falle zu sprechen, würde nichts geringeres bedeuten, als diese Wissenschaft in Rezepte zu verwandeln; wollte man im zweiten Falle dem Beispiel Stolzmanns folgen, so könnte man auch mit demselben Recht von der politischen Oekonomie als von einer philologischen Wissenschaft sprechen, und zwar wäre der „zureichende Grund“ dafür der, daß die Erscheinungen der Sprache ebenfalls in einem Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben stehen. Wie groß die Abgeschmacktheit der „Ethik“ der Herren „Kritiker“ mitunter ist, zeigt z. B. folgende Stelle: „Der Lohn bedeutet eine moralische Größe“ (S. 198, Sperrdruck vom Verfasser). Er wird nicht nur durch Sitte und Recht bestimmt, „sondern auch durch die Stimme des Gewissens und den Zwang von innen, d. h. durch den eigenen Imperativ des Herzens“. (S. 198) Aehnliche sauersüße Betrachtungen begegnen uns noch mehr (vgl. S. 199, 201 u. a.). Der „praktische Verstand“ des Herrn Stolzmann veranlaßt ihn, die Menschen vor der Umarmung des Sozialismus zu schützen (siehe S. 17). Zu diesem Zweck ist er nicht abgeneigt, auch Demagogie zu treiben: „Freilich“ – führt Stolzmann gegen die Marxisten aus – „ist es bei weitem einfacher und minder verantwortlich, sich auf die Diskreditierung des Bestehenden zu beschränken und, indem man den Hungernden Steine statt Brot bietet, sie auf die kommende Umwälzung zu vertrösten ... Doch wird der Arbeiter nicht warten wollen“ usw. – Dieses Gewäsch ist dem Herrn Geheimrat anscheinend auch vom „Imperativ des Herzens“ diktiert worden. Insoweit Stolzmann interessant ist, ist er mit der Marxschen Theorie und Methode verbunden; dagegen kann seine überaus geschwollene Ethik nur noch die Herren Bulgakow, Frank und Tugan-Baranowsky locken.

60. Karl Marx: Kapital, Bd. III, 1. Teil, S. 321.

61. Aehnlich auch Jevons: „Political Economy must be founded upon a full and accurate investigation of the conditions of utility: and, to understand this element, we must necessarily examine the character of the wants and desires of men. We, first of all, need a theory of the consumption of wealth.“ (The theory of politic. economy, London and New York 1871, S. 46, Sperrdruck vom Verfasser) L. Walras (Etudes d’écon. sociale, p. 51) zählt zur reinen Oekonomie nur die Betrachtung „de la richesse“, während die Analyse der Produktion nach ihm ins Gebiet der angewandten Oekonomie (économie politique appliquée) fällt. Bei Carver sehen wir eine noch weitere Annäherung an den Standpunkt der Produktion. Darin ist er mit Marshall solidarisch: „In other words, économic activities, rather than économic goods form the subject-matter of the science.“ (XI) An einer anderen Stelle desselben Werkes The distribution of wealth ordnet er diese „activities“ folgendermaßen: Produktion, Konsumtion und Wertschätzung. (Production, consumtion, valuation.) Bei all diesen Autoren finden wir verschiedene Nuancen, die einen Eklektizismus bedeuten, einerseits in bezug auf Marx, andererseits – auf Böhm-Bawerk.

62. Kautsky hat mit seiner Bemerkung recht, daß die österreichische Schule die Robinsonaden des 18. Jahrhunderts noch dadurch verbesserte, daß sie Robinson seine Verbrauchsgegenstände nicht durch Arbeit herstellen, sondern sie ihm vom Himmel fallen läßt. (L. Boudin, l. c., Vorwort v. Kautsky, S. X) Die bekannten Tauschgleichungen von Leon Walras schließen sich vollständig dem österreichischen Standpunkt an. (Vgl. L. Walras: Principe d’une théorie mathematique de l’échange, S. 9): „Etant données les quantités des marchandises, formuler le Systeme d’équation dont les prix des marchandises sont les racines,“ – so formuliert er seine Aufgabe. Wie der Leser sieht, ist hier von Produktion ebenfalls nicht die Rede.

63. „Die Produktion produziert die Konsumtion .., 1. indem sie ihr das Material schafft, 2. indem sie die Weise der Konsumtion bestimmt, 3. indem sie die erst von ihr als Gegenstand gesetzten Produkte als Bedürfnis im Konsumenten erregt“. Karl Marx: Einleitung zu einer Kritik usw., S. XXV.

64. Karl Marx: Kapital, Bd. III, 1. Teil, S. 160.

65. Nach Marx ist die Produktion „der wirkliche Ausgangspunkt und darum auch das übergreifende Moment“ (Einleitung, S. XXVII). Hier ist der Zusammenhang der ökonomischen Theorie von Marx mit seiner soziologischen Theorie klar ausgesprochen (dies zur Kenntnisnahme für diejenigen, die es für möglich halten, sich mit der einen Seite der Marxschen Lehre „einverstanden“ zu erklären, die andere aber zu verwerfen).

66. Karl Marx: Kapital, Bd. I, S. XIII.

67. Herr Frank begreift nicht, warum die Arbeit aus den übrigen „Produktionsbedingungen“ hervorgehoben wird: Ist doch der Besitz an Grund und Boden sowie eine bestimmte Verteilungsform der Produkte usw. eine „ewige Notwendigkeit für den Menschen“. Warum gerade die Arbeit als konstituierendes Merkmal der ökonomischen Erscheinungen dienen sollte – dies bleibt völlig unbewiesen. (Die Werttheorie von Marx und ihre Bedeutung, S. 147–148.) Die Verteilungsformen stellen eine Größe dar, die von der „Produktionsart“ abgeleitet wird; was nun aber den Grund und Boden anbetrifft, so können aus dem rein statischen Moment „des Besitzes an Grund und Boden“ keine Veränderungen, keine Dynamik erklärt werden.

68. G. Charasoff: Das System des Marxismus, Berlin 1910, S. 19. Die bereits erwähnten „Tauschgleichungen“ von Walras sind statisch. Aehnlich auch Vilfrado Pareto, Cours d’Economie politique, tome 1, Lausanne 1896, p. 10.

69. Josef Schumpeter: Das Wesen und der Hauptinhalt der theoretischen NationalÖkonomie, Leipzig 1908, S. 564.

70. Ib., S. 587.

71. Ib., S. 587.

72. Das gilt z. B. auch von Tugan-Baranowsky, der als „Autorität“ auf dem Gebiete der Krisentheorie angesehen wird.


Zuletzt aktualisiert am 12. Juni 2020