Tony Cliff und Colin Barker

 

Revolte der Arbeiter

 

VIII. Anti-Gewerkschafts-Gesetzgebung

 

Einkommenspolitik heißt Verhinderung von wilden Streiks

Vor einigen Jahren legten zwei Mitglieder der Fabian Society, die die Idee der Einkommenspolitik unterstützen, sehr deutlich die Bedeutung einer solchen Politik für das Streikrecht in Großbritannien dar:

Die Billigung einer Einkommenspolitik wird auch Auswirkungen auf das Streikrecht haben. Damit sie durchführbar ist, kann eine solche Politik nicht der Gefahr des Streiks von unzufriedenen Gewerkschaften ausgesetzt werden. [1]

Auch The Economist hat das gleiche klar und deutlich formuliert: „Der Preis einer solchen Einkommenspolitik in Großbritannien wird die Bereitwilligkeit sein, sich gegen Streiks auszusprechen.“ [2]

Eine andere Waffe gegen wilde Streiks ist, ganz unverblümt, Streikbrecher wieder zu rehabilitieren. [3]

Und ein Volkswirtschaftler empfahl in den Wahlen 1964 für die Labour Party zu stimmen, da er der Meinung war, die Labour Party sei besser als die Tories dazu in der Lage, eine Einkommenspolitik erfolgreich zu betreiben. Er erklärte seine Empfehlung folgendermaßen: „Paradoxerweise ist eines der besten ökonomischen Argumente für eine Labour Regierung, daß diese, mit Samthandschuhen, besser für eine endgültige Auseinandersetzung mit den Gewerkschaften vorbereitet ist.“ [4]

Die gleiche Ansicht wurde von vielen anderen Leuten vertreten.

 

 

Erste Schritte

In letzten Jahr überredete die TUC die Einzelgewerkschaften dazu, ihr freiwilig die Lohnforderungen zur „genauen Überprüfung“ zu übergeben. Dies freiwillige rechtzeitige Warnsystem war der erste Schritt zur Einführung eines entsprechenden obligatorischen Gesetzes, um die Lohnforderungen in der Schwebe zu halten. Wie sehr auch die „Führer“ der Gewerkschaften die Idee einer Einkommenspolitik unterstützen mögen, sie können doch nicht gänzlich das Drängen ihrer eigenen Mitglieder nach höheren Löhnen ignorieren, und unter einem System, das noch individuelle Entscheidungsfreiheit läßt, kann sich die Regierung nicht darauf verlassen, daß die Gewerkschaftsführer sich immer fügen werden. Es wird daher eine neue Gesetzgebung für die Gewerkschaften notwendig, in erster Linie um sicherzustellen, daß die Gewerkschaftsbosse ihre Rolle richtig spielen. Die Gesetzgebung wird unbedingt erforderlich, wenn die Einkommenspolitik auch nur die geringste Bedeutung haben soll.

In diesem Kapitel werden wir zuerst den neuen Gesetzesentwurf von George Brown untersuchen, der das rechtzeitige Warnsystem durchsetzen soll, und dann die Vorschläge für eine neue Gesetzgebung, die der Royal Commission on Trade Unions (Untersuchungskommission für die Gewerkschaften ) unterbreitet worden sind.

 

 

Ein verschärfter Gesetzesentwurf

Am 24. Februar legte George Brown dem Parlament seinen neuen Gesetzentwurf für Preise und Einkommen vor. Dieser Gesetzentwurf soll die Einkommenspolitik vorantreiben.

Das neue Gesetz soll auf alle Zahlungs- und sonstigen Forderungen angewandt werden, die Arbeitsweise und -bedingungen betreffen. [5] Innerhalb von 5 Tagen nach der Lohnforderung muß diese dem zuständigen Minister zur Kenntnis gegeben werden. Wird das von einer Gewerkschaft versäumt, so hat sie eine Geldstrafe bis zu 50 Pfund (ca. DM 500.– [nach dem damaligen Wechselkurs – REDS – Die Roten]) zu zahlen. In dem Gesetzentwurf [6] heißt es ausdrücklich, daß nicht nur Grundlohnforderungen, sondern auch alle lokalen Forderungen, die verbesserte Löhne oder Arbeitsbedingungen betreffen, unter dieses Gesetz fallen. Wenn eine Entscheidung gefallen oder ein Übereinkommen zustandegekommen ist, muß der Minister innerhalb von 7 Tagen davon unterrichtet werden, andernfalls hat der Unternehmer eine Strafe in Höhe von 50 Pfund zu zahlen. [7] Warum sollte sich irgendein Unternehmer dieser Bestimmung widersetzen? Natürlich wird er hoffen, daß die Regierung sich mit der Begründung, sie sei zu hoch, gegen eine Lohnerhöhung entscheidet!

Wir werden in dieser Angelegenheit nicht viele gerichtliche Verfolgungen zu erwarten haben.

Keine Entscheidung kann vor 30 Tagen nach Unterrichtung des Ministers in Kraft treten. Der Minister kann alle Entscheidungen dem Preis- und Einkommensausschuß übergeben; wenn dies geschieht, kann die Entscheidung nicht vor drei Monaten in Kraft treten, während derer der Ausschuß darüber berät. [8] Jeder Unternehmer der seinen Arbeitern den zusätzlichen Lohn, den sie in den Verhandlungen erzielt haben, auszahlt, bevor die Regierung ihre Zustimmung gegeben hat, kann mit einer Geldstrafe bis zu 500 Pfund bestraft werden – ein nicht sehr wahrscheinlicher Fall! Und jede Gewerkschaft oder Gruppe von Gewerkschaftlern, die versucht, den Unternehmer durch irgendeine Aktionsform – Streik, Arbeitsverlangsamung, Weigerung zur Überstundenarbeit usw. – zu zwingen versucht, den Lohn sofort zu zahlen, kann ebenfalls mit 500 Pfund Strafe belegt werden. [9]

Was die Presse als eine „Konzession an die TUC“ bezeichnet, wurde in den Gesetzentwurf einbezogen: keine gerichtlichen Verfahren können ohne Zustimmung des Kronanwalts vom Staat eingeleitet werden. Dies soll eine Vorsichtsmaßnahme sein ...

Noch ein anderer Punkt dieses Gesetzes ist bemerkenswert: Gewerkschaftsfunktionäre unterliegen nur dann dem Gesetz, wenn bewiesen werden kann, daß sie einem Streik zustimmten oder ihn gewähren ließen, oder wenn irgendeine Unterlassung ihrerseits bewiesen werden kann. [10]

Es besteht also ein zusätzlicher Druck auf die Gewerkschaftsfunktionäre, sich aktiv jeden wilden Streik zu widersetzen und den Mitgliedern, deren Interessen sie eigentlich vertreten sollen, keine Unterstützung zu gewähren. Das neue Gesetz wird daher die Trennung zwischen den Funktionären und den Mitgliedern der Gewerkschaften noch vergrößern. The Observer schrieb dazu: „Es kommt darauf an, daß die Gefahr der legalen Aktion so gelenkt werden sollte, daß die Gewerkschaften gezwungen sind, ihr eigenes Haus in Ordnung zu halten – daß ihnen Einfluß auf die Verhandlungen mit ihren eigenen Mitgliedern gegeben wird, den sie bisher nicht hatten.“ [11]

Das neue Gesetz wird den Gewerkschaftsfunktionären eine weitere Entschuldigung für die geringe Unterstützung ihrer Mitglieder und die Weigerung zu offiziellen Streiks geben.

Das Gesetz gibt dem Ausschuß für Preise und Einkommen keine Gesetzesbefugnisse, die in ihren Berichten enthaltenen Entscheidungen durchzuführen. Noch nicht. Aber wie The Economist es darlegte: „Dies stellt nur den ersten Schnitt dar, um zu prüfen, ob eine Gesetzgebung verhindern kann, daß eine Politik des Zuwachses-ohne-Inflation durch die große Macht der Gewerkschaften unmöglich gemacht wird.“ [12]

The Economist legt der Regierung nahe, das Gesetz besonders auf die Fälle anzuwenden, die wir in Kapitel 5 als „Schlüssel-Übereinkommen“ bezeichnet haben, oder was sie die „echten jährlichen Lohnforderungen in der Wirtschaft“ nennen. [13] Und ohne Zweifel wird das Gesetz zu allererst auf diese zentralen Forderungen angewandt werden. Aber es kann auch leicht auf alle lokalen Verhandlungen über Löhne oder Arbeitsbedingungen angewandt werden.

 

 

Weitere Vorschläge für eine Anti-Gewerkschafts-Gesetzgebung

Die Labour Regierung hat einen Untersuchungsausschuß für Gewerkschaften und Unternehmerverbände gebildet, der von interessierten Verbänden Schriftstücke erhalten hat. Dieser Untersuchungsausschuß hat eine Flut von Vorschlägen für die Form einer heuen Gewerkschafts-Gesetzgebung erhalten. Alle möglichen Ideen sind vorgetragen worden, vom Arbeitsministerium, von der Konföderation Britischer Industrien, dem Verband der Unternehmer des Maschinenbaus, von der AEU, den Tones usw. usw. Diese Vorschläge müssen näher betrachtet werden.

Die Vorschläge der Tories sind in ihrem Wahlpamphlet Putting Britain Right Ahead (Großbritannien an die Spitze) enthalten: „Gewisse Arten von Kollektivübereinkommen, besonders diejenigen über den Instanzenweg sollten durchgesetzt werden.“

Wir schlagen außerdem neue Arbeitsgerichte vor. Diese sollten sich nur auf das Beilegen von Arbeitskontroversen beschränken ...

Unser Vorschlag ist es, eine neue und mächtige Registratur der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände einzurichten ... [14]

The Economist erläutert noch einmal für diejenigen, die noch zweifeln, die Rolle dieser neuen und mächtigen Registratur:

Die Tatsache, daß nur eingetragene Gewerkschaften nach dem Gesetzbuch für Arbeitskontroversen zuständig sind, würde bedeuten, daß Leute, die zu wilden Streiks aufrufen, ohne die Abkommen zu beachten für den verursachten Schaden aufkommen müssen. [15]

Mit anderen Worten, die gesetzliche Unantastbarkeit der Streikaktionen, die nach langem Kampf im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts gewonnen wurde, würde durch Gewerkschaftler, die zu Streikaktionen aufrufen und den Instanzenweg verletzten, gefährdet. Das würde beispielsweise bedeuten, daß die Arbeiter der Automobilindustrie mindestens 3 Monate warten müßten, bevor ihr Fall bei der zentralen Verhandlungsstelle in York bearbeitet wird, weil sie sich an den Instanzenweg halten müssen oder hohe Geldstrafen bei Gericht zu erwarten haben.

Der Verband der Unternehmer des Maschinenbaus gebrauchte auch eine harte Sprache in seinen Vorschlägen an die Untersuchungskommission: „Der Verband der Unternehmer des Maschinenbaus, der 4.500 Firmen in Großbritannien mit mehr als 2 Mill. Arbeitern vertritt, hat vorgeschlagen, daß wild Streikende bestraft werden sollen. Sie sollen für jeden Tag, den sie an einem Streik oder an einen anderen Aktion unter Mißachtung des Instanzenwegs teilgenommen haben, eine Geldstrafe zahlen ...“

Die Unternehmer des Maschinenbaus unterstützen in ihrem Bericht an die Kommission die Vorschläge der Konföderation der Britischen Industrien, die Gesetze für die Gewerkschaften so eng wie möglich zu fassen. Sie stimmten der Einstellung eines Registrators für die Gewerkschaften mit der Begründung zu, man müsse dafür sorgen, daß die Verordnungen richtig ausgeführt werden und in Fällen von Mißachtung, die Gewerkschaften zu ihren Erfüllung zwingen. Der Registrator hat die Befugnis, Gewerkschaften aus dem Register zu streichen und Strafen aufzuerlegen.

Der Verband ist der Meinung, daß das Verbot der Ausgabe von Streikgeldern bei Streiks, die das Übereinkommen mißachten, den Gewerkschaften helfen könnte, dem Drängen ihrer Mitglieder nach Zahlung solcher Gelder zu widerstehen; er nimmt an, es werde die Gewerkschaften stärken, wenn man sie dazu auffordert, ihre Mitglieder bei wilden Streiks zu bestrafen. [16]

Die Unternehmer der Motorindustrie sind ebenfalls um ein Verbot der wilden Streiks bemüht. Im Herbst 1965 baten sie Ray Gunter, ein Gesetz einzuführen, das es einem Ausschuß von Unternehmern und Gewerkschaftsfunktionären ermöglichen würde, den Arbeitern, die Abkommen gebrochen hatten, Strafen auf zu- erlegen, und weiterhin eine geschlossene Organisierung in der Motorindustrie zu bilden, damit die Gewerkschaften die Arbeiter besser in Zucht halten könnten. Aber Ray Gunter erklärte ihnen, daß es schwer sein würde, das Gesetz nur für die Motorindustrie, in der die meisten Streiks stattfinden, zu schaffen. Daher erklärten sie dem Untersuchungsausschuß im Februar 1966, daß sie Arbeitsgerichte wünschten mit dem gesetzlich verbrieftem Recht, die Gewerkschaftler (oder Unternehmer!), die sich nicht an die Bestimmungen hielten, zu bestrafen. Ihr schriftlicher Bericht erklärte deutlich: „Gerichtliche Sanktionen werden erforderlich, wenn wilde Streiks wirksam verhindert werden sollen.“ [17]

Anders als der Verband der Arbeitgeber der Maschinenbauindustrie sprechen sich die Unternehmer der Motorindustrie für geschlossene Werkgruppen aus, vorausgesetzt, daß dann die Gewerkschaftsfunktionäre einen größeren Einfluß auf ihre Mitglieder ausüben.

Die Unternehmer er Motorindustrie wurden, als sie ihre Vorschläge vorlegten, gefragt, was geschehen würde, wenn die wild Streikenden durch Lohnabzug bestraft würden und die Arbeiter dies als Grund zu einem weiteren Streik ansähen.

„Dann wären wir in Schwierigkeiten,“ gab R.R. Hopkins, der Personaldirektor von Vauxhall, zu. Aber er und andere Vertreter der Unternehmer argumentierten weiterhin, daß die Geldstrafen eine abschreckende Wirkung haben würden ... [18]

Andere Unternehmer bezweifelten (las und schlugen Alternativen vor. So argumentierte Stanley Raymond, Aufsichtsratsvorsitzender der British Railways in seiner Stellungnahme, daß „... es nicht durchführbar sei, durch Gesetz erzwungene Sanktionen einzuführen gegen Leute, die an inoffiziellen Aktionen teilgenommen haben.„ Diese Leute würden es sich zweimal überlegen, gäbe es Bestimmungen in dem Übereinkommen mit den Gewerkschaften, die einem Mann, der an einem wilden Streik teilgenommen hat, einige seiner Sozialleistungen entziehen würden, wie z.B. Fahrtkosten, Krankengeld oder Jahresurlaub. Er war der Meinung, daß darüber eine Art Arbeitsgericht entscheiden müsse – das allerdings kein Gerichtshof wäre.

Der Bericht des Aufsichtsrats enthielt auch den Vorschlag, die Gewerkschaften sollten die Verpflichtung übernehmen, die Arbeiter, die an einem wilden Streik teilgenommen hatten, zu bestrafen. [19]

Dazu Ray Gunter, Arbeitsminister, der die Schwierigkeiten eines Gewerkschaftsführer zu kennen scheint, in Arbeiter in einem Memorandum an die Gewerkschaftsführer und Unternehmer: „Arbeiter in der Autoindustrie, die für wilde Streiks verantwortlich sind, könnten aus dem Industriezweig entlassen werden.“

Dieser Vorschlag soll mit einem anderen zusammenfallen, den die Unternehmer erwägen, daß nämlich alle Industriearbeiter Mitglieder der Gewerkschaft sein sollen, Die vorgeschlagene 100 %ige Mitgliedschaft soll es den Gewerkschaften ermöglichen, die Männer zu bestrafen, die die Gewerkschaftspolitik mißachten und zu inoffiziellen Aktionen auffordern. [20]

Unglücklicherweise hat der Vorschlag Ray Gunters, geschlossene Werkgruppen in der Motorindustrie einzurichten und Störenfriede durch Gewerkschaftsfunktionäre, die sich als unbezahlte Aufsehen betätigen, auszuschließen, eine Reihe Haken.

Vorläufige Reaktionen führender Leute der Konföderation weisen darauf hin, daß nur geringe Hoffnung besteht, ein geschlossenes Werkgruppen-Schema durchzuführen, Bei einer solchen Anzahl von konkurrierenden Gewerkschaften in der Motorindustrie würde sicher ein offner Krieg unter ihnen ausbrechen über die Aufteilung der „Pflicht“gewerkschaftler, und es gibt keine Anzeichen dafür, daß die Gewerkschaften der Autoindustrie in der Lage sind, drastische Maßnahmen, wie sie ein geschlossenes Werkgruppensystem erfordern würde gegen ihre Mirglieder zu ergreifen. [21]

Ray Gunter erhielt jedoch Unterstützung von Sir Wiiliam Carron, Direktor der Bank of England und Präsident der AEU. Tatsächlich ging Sir William. noch weiter als Gunter. Er empfahl eine geschlossene Werkgruppe nicht nur für die Motorindustrie, sondern für die gesamte Maschinenbauindustrie und das Recht für Gewerkschaften, Störenfriede überall auszuschließen. In einem Memorandum an die Untersuchungskommission legt der AEU Funktionär dar, „... daß, wenn die Gesetzgebung eingeführt würde, um die geschlossenen Werkgruppen und die Lohneinbehaltung (vom Unternehmer durchgeführter Abzug des Gewerkschaftsbeitrags vom Lohn) durchzusetzen, die Gewerkschaften sicherlich auch zustimmen würden, wilde Streiks für immer als gesetzwidnig zu erklären.“

Unter diesen Umständen hätten die Gewerjkschaften größere Macht, ihre Mitglieder in Zucht zu halten, denn der Ausschluß und als äußerste Strafmaßnahme der endgültige Verlust der Arbeitsstelle ist mehr als ein hinreichendes Auschreckmittel gegen Mißachtung der Gewerkschaftsvorchtriften. [22]

Aber auch bei diesem Vorschlag von Sir William gibt es einige Haken. Wer kann bei 32 Gewerkschaften in der Konföderation der Schiffs- und Maschinenbau-Gewerkschaften garantieren, daß alle Gewerkschaften den gleichen Weg gehen? Und vor allem, ist die Leitung irgendeiner Gewerkschaft mächtig genug, eine Arbeitermasse, die streikt, auszuschließen? The Times schreibt in einem Kommentar zu dem Angebot des AEU Funktionärs, als besonderer Zuchtmeister be wilden Streiks zu agieren, folgendes:

Die Zustimmung der Gewerkschaft, wilde Streiks als gesetzwidrig zu erklären würde nur deren gute Absichten deutlich machen. Einige wilde Streiks richten sich ebenso gegen die Gewerkschaften wie sie sich gegen die Unternehmer richten; und es wäre kaum weniger schwierig für die Gewerkschaften, eine Mehrzahl der Arbeiter auszuschließen, als es für die Regierung schwierig wäre, diese ins Gefängnis zu stecken. [23]

 

 

Haken

Das Arbeitsministerium war mit seinen Empfehlungen an die Untersuchungskommission sehr vorsichtig. Sehr sorgfältig untersuchte es die verschiedenen Vorschläge, die vorgebracht worden waren, indem es die Absurditäten einiger der weitgehendsten Vorschläge, die Streiks zu unterbinden, darlegte. Ein erster Vorschlag, der behandelt wurde, ist derjenige, daß wilde Streiks als kriminelle Handlungen verfolgt werden sollten:

Es gibt eine Gruppe, die der Meinung ist, daß die Antwort auf dieses Problem darin besteht, diese wilden Streiks für illegal zu erklären. Dieser Vorschlag ist undurchführbar. Die Erfahrung während des Krieges würde diese Ansicht bestätigen. Er ist ganz einfach als letzter Ausweg nicht durchführbar, noch wäre es für die Stimmung in den Betrieben förderlich, eine große Anzahl von Arbeitern ins Gefängnis zu stecken. [24]

Ein anderer Vorschlag, wilde Streiks sollten bestraft werden durch Verlust der Rechte, die auf der Kontinuität der Beschäftigung beruhen, wie Pensionsrecht, Krankengeld usw. – der Vorschlag von Stanley Raymond – hat auch einige bedauernswerte Haken: „Abgesehen von der Schwierigkeit, einen wilden Streik zu definieren ... und der Gefahr, ein unbewegliches Element in die Situation einzufügen, liegt der schwerste Fehler bei Vorschlägen dieser Art darin, daß die Strafe keine sofortige ist. Wenn ein Arbeiter entlassen wird, kann er nicht von Rechten profitieren, die ihm normalerweise zustehen, Und es ist zweifelhaft, ob das ein wirkungsvolles Abschreckmittel ist.“ [25]

Und auch noch ein anderer Vorschlag hat haken, nämlich der daß anstatt Streiks durch Gesetz zu untersagen, das Gesetz eine „Abkühlungs“-Zeitspanne zwischen dem Zeitpunkt, an dem die Gewerkschaft ihr Vorhaben bekanntgibt und den tatsächlichen Beginn des Streiks vorschreiben sollte:

Wenn in den Vereinigten Staaten ein Streik einen nationalen Notstand zu verursachen droht, hat der Präsident die Befugnis, ein Verfahren einzuleiten, das eine unabhängige Untersuchung und Abstimmung der Arbeiter über das letzte Angebot des Unternehmers umfaßt, und das beendet sein muß, bevor der Streik beginnen kann. Die Erfahrungen mit diesen Verfahren sind nicht ermutigend gewesen. Es hat sich herausgestellt, daß während dieser Zeitspanne sich die Haltungen der beiden Seiten verhärten und daß jede auf das letzte Angebot des Unternehmers e g folgte Abstimmung sich gegen die Annahme ausgesprochen hat. [26]

Und:

Es scheint nicht durchführbar zu sein, eine Abkühlungszeitspanne. oder eine geheime Abstimmung im Falle eines wilden Streiks zu fordern, da solche Forderungen nicht durchgesetzt werden können. Aus diesem Grunde sind die Vorschläge nur im Hinblick auf offizielle Streiks untersucht worden. [27]

So bleibt nach: Ansicht des Arbeitsministeriums zum Schluß nur der eine Vorschlag realisierbar, die Gewerkschaft selbst zu verpflichten, ihre Mitglieder in Zucht zu halten: „Der Versuch, die Gewerkschaften zu veranlassen, mehr als im Augenblick gegen wilde Streiks zu unternehmen, indem sie Übereinkommen für die Beilegung von Uneinigkeiten gesetzlich zur Durchführung bringen, scheint am vielversprechendsten zu sein.“ [28]

Ähnlich schrieb auch der Devlin Report über die Gewerkschaft der Transport- und allgemeinen Arbeiter in den Docks: „Wenn ihre Funktionäre im Interesse der Dockarbeiter mit dem Unternehmern verhandeln, fehlt den Unternehmern jede Sicherheit, daß die erarbeiteten Übereinkommen von den Dockarbeitern angenommen werden. Zuallererst muß die T&G ihre Macht und ihren Einfluß in den drei Haupthäfen wieder herstellen ... Sie muß die Andersdenkenden in ihren eigenen Reihen bekämpfen. Dies wird große Unruhen mit sich bringen, denen die Gewerkschaften mit allen verfügbaren Reserven in den Docks begegnen sollten. [29]

Um die Gewerkschaftsfunktionäre zu ermutigen, aktiver gegen die Mitglieder vorzugehen, wann immer diese irgendeine Unabhängigkeit in ihren Aktivitäten zeigen, werden Arbeitsgerichte eingerichtet werden müssen, um die kollektiven Vereinbarungen, die die Funktionäre mit den Unternehmern verhandeln, zur Durchführung zu bringen.

Kollektive Übereinkommen können im Vereinigten Königreich nicht. durch Gerichtssprüche erzwungen werden, Kollektive Streitigkeiten werden beigelegt durch den von den kollektiven Übereinkommen errichteten Mechanismus, der allgemein als „Instanzenweg“ bekannt ist. Ein durch Gesetz eingerichtetes Schlichtungstribunal, der Gewerbegerichtshof, steht denjenigen, die davon Gebrauch machen wollen, zur Verfügung. Wenn Arbeitsgerichte für kollektive Übereinkommen zuständig wären, und Streitigkeiten auf Ersuchen einer Partei vorgetragen werden könnten und die Entscheidung des Gerichtes dann gesetzlich verbindlich wäre, so wäre dies gleichbedeutend mit einer gesetzlichen Durchführung dieser Übereinkommen. [30]

Um sicherzustellen, daß Gewerkschaftsfunktionäre nicht zögern, ihre Mitglieder zu bestrafen, sollten ihnen Geldbußen auferlegt werden, wenn sie nicht beweisen können, daß sie ihr Möglichstes in dieser Richtung unternommen haben:

Der Einwand wäre dann, daß es wünschenswerter sei, statt Druck auf die Gewerkschaften auszuüben, den Aktivitäten der Shop Stewards und anderer untergeordneter Gruppen mehr Beachtung zu schenken. Der Vorschlag, zu dem dieser Einwand führt, wäre, daß bei wilden Streiks (oder Streiks in Mißachtung des Instanzenwegs, was in der Praxis das gleiche ist) der betreffenden Gewerkschaft entsprechend der Dauer des Streiks bestimmte Strafen auferlegt werden, wenn sie nicht einem unabhängigen Gericht beweisen kann, daß sie alle nötigen Schritte unternommen hat, den wilden Streik zu verhindern oder so schnell wie möglich zu beenden. [31]

Die Umrisse der Arbeitsgesetzgebung haben sich noch nicht vollständig herausgebildet, wenn auch die Hauptzüge schon sehr deutlich sind: der Hauptfeind ist der wilde Streik; und um wilde Streiks zu bekämpfen, müssen sich die Gerichte und die Gewerkschaftsfunktionäre die Hände reichen.

 

 

Weitere Schritte

Da die Kritik an den Gewerkschaften von seiten der Unternehmer, ihrer Regierung und ihrer Presse im den letzten Jahren zugenommen hat, waren viele Gewerkschaftsführer eifrig bemüht, zu zeigen, daß ihre Auffassungen genauso achtbar sind wie die eines anderen Menschen – ob der andere nun ein Unternehmer der Maschinenbauindustrie oder ein Pressemagnat ist.

So beispielsweise die Reaktion von Sir William Carron auf einen wilden Streik der BEA Arbeiter:

Ich wünsche eine genaue Untersuchung der Ereignisse am Londoner Flughafen, entweder unter Leitung des Arbeitsministeriums oder eines anderen Gremiums.

Soviel ich weiß, ist die MI5 [der Staatssicherheitsdienst – Anm. von REDS – Die Roten] genauso geeignet wie jede andere.

Eine Untersuchung ist dringend notwendig ... [32]

In einigen Industriezweigen sind mehrere Abkommen von Gewerkschaften und Unternehmen unterzeichnet worden, die Strafen bei Teilnahme an wilden Streiks vorsehen. So ist bei den städtischen Bus-Betrieben, die 77.000 Leute beschäftigen, ein vorläufiges Abkommen zwischen der Betriebsleitung und den Gewerkschaftsfunktionären erreicht worden, welches besagt, daß den Teilnehmern an wilden Streiks Geldstrafen auferlegt werden. [33] Folgende Gewerkschaften sind daran beteiligt: TGWU, NU, GMW, AEU, ETU, NUVB, NUR, Und die NUGMW unterzeichnete mit der Firma Ilford Limited (eine Gesellschaft, die teilweise zu ICI gehört) ein Abkommen, in welchem der Gesellschaft versichert wird, daß sie von wilden Streiks und Lohnforderungen unbehelligt bleibt, Die Gewerkschaft will das Übereinkommen dadurch einhalten, daß alle Störenfriede aus der Gewerkschaft und der Fabrik ausgeschlossen werden. Die Gewerkschaft wird sich als Aufseher für Ilford Limited betätigen, und mit einem Schlag zur höheren Produktivität beitragen.

Wie The Guardiam über dieses Abkommen schrieb, wird die Folge sein „... eine autoritäre Gewerbesituation, in der die Gewerkschaft größere Macht über ihre Mitglieder ausübt ... aber der Vorteil für den einzelnen Arbeiter ist weniger ersichtlich.“ [34]

 

 

Einseitige Gesetze [1*]

Bei allen Vorschlägen für Änderungen der Arbeitsgesetze, die Gesetzesvorlage von George Brown einbezogen, wird eins ganz deutlich: Unternehmern und Arbeitern werden nicht die gleichen Maßnahmen auferlegt. So wird in der Gesetzesvorlage von George Brown ganz deutlich, daß nur die Forderungen der Arbeiter nach Lohnerhöhungen oder Änderungen der Arbeitsbedingungen der Regierung zu übergeben sind. Es gibt nicht einen einzigen Vorschlag, daß ein Arbeitgeber, der Arbeitsbeschleunigung einführen oder die Stücklöhne kürzen will, zuerst die Regierung um Zustimmung fragen muß. [35] Aber Arbeiter, die ihre Arbeitsgeschwindigkeit verringern, oder Stücklöhne erhöhen wollen, müssen zuerst George Brown davon unterrichten.

Wenn das rechtzeitige Warnsystem vom den Arbeitern nicht befolgt wird, brechen sie die Gesetze und können zu Geldstrafen verurteilt werden. Natürlich, jedes Gesetz, das keine Strafe vorsieht, ist nutzlos, Die vorgeschlagenen Strafen sind Geldstrafen, aber was geschähe, wenn Streikende oder Gewerkschaftsfunktionäre sich weigerten zu zahlen? Dann würde natürlich ihr Eigentum eingezogen und sie müßten ins Gefängnis gehen. Aber nichts dergleichen droht den Unternehmern, die Lohnforderungen zurückweisen, die die Arbeitsgeschwindigkeit erhöhen, Arbeiter entlassen oder so widerwärtige Arbeitsbedingungen schaffen, daß sie die Arbeiter zum Streik provozieren, Auch sind alle Vorschläge, die Arbeiter an den Instanzenweg zu binden, sehr voreingenommen, denn die Übereinkommen über den Instanzenweg sind zugunsten der Unternehmer festgelegt, wie wir zu Beginn des Kapitels 7 darlegten

Es kann kaum ein Zweifel darüber bestehen, daß die Vorschläge einer neuen Gesetzgebung einen direkten Angriff auf die Organisationen der Arbeiterklasse darstellen, Das ist unbedingt notwendig, wenn die Einkommenspolitik durchführbar sein soll, Und es ist gleichermaßen selbstverständlich, daß, wenn sie erfolgreich sein soll, dies unausweichlich zu einen engeren Zusammenschluß der Gewerkschaftsbürokratien und dem Staat auf der Seite der Unternehmer führen muß, Sie benötigen die Unterstützung des Gesetzes, um ihren Willen den Arbeitern aufzuzwingen, Wenn zu Beginn die neuen Gesetze auch noch ziemlich schwach und zaudernd scheinen, so ist doch sicher, daß die härter und härter gemacht werden müssen.

 

 

Anmerkungen

1. Michael Stewart u. Rex Winsbury, An Incomes Policy For Labour, Fabian Tract 350, Oktober 1963, S.18

2. The Economist, 5. Juni 1965

3. a.a.O., 4. September 1965

4. S. Brittan, The Treasury Under the Tories .1951-64, Harmondsworth 1965, S.276

5. Gesetzesentwurf für Preise und Einkommen, 24. Februar 1966, § 11

6. siehe besonders § 11, Punkt 4

7. § 12, Punkt 2

8. § 12, Punkt 6

9. § 14

10. § 20, Punkt 3

11. The Observer, 27. Februar 1966

12. The Economist, 26. Februar 1966, S. 770

13. ebenda

14. The Times, 7. Oktober 1965

15. The Economist, 4. September 1965

16. The Times, 25. Januar 1966

17. The Guardian, 16. Februar 1966

18. ebenda

19. The Times, 5. Januar 1966

20. The Times, l6. September 1965

21. The Financial Times, 16. September 1965

22. The Financial Times, 9. November 1965. Die Praktik der Lohneinbehaltung und der geschlossenen Werkgruppen ist in den USA wohlbekannt, Ihr wichtigstes Ziel bestand darin, die Shop Stewards von der direkten Zusammenarbeit mit ihren Mitgliedern zu entfernen, da sie dann nicht länger Beitrage sammeln müssen. Es ist in den USA auch allgemein üblich, daß die Shop Stewards von der Betriebsleitung bezahlt werden – wie Jim Conway von der AEU vorschlug, in Großbritannien die Shop Stewards von der Gewerkschaft zu bezahlen. Ein amerikanischer Gewerkschaftler bemerkte dazu: „Von ihrer regelmäßigen Arbeit und dem direkten Kontakt mit den Arbeitern entfernt, sind die Steward, von den Vorarbeitern nur darin zu unterscheiden, daß sie schwerer zu finden sind, wenn sie gebraucht werden.“ Siehe Martin Glaberman, The American Working Class in the Sixties, International Socialism 21, Sommer 1965

23. The Times, 9. November 1965

24. Royal Commission on Trade Unions and Employers Associations, Written Evidence of the Ministry of Labour, London 1965, S.7

25. a.a.O., S.79

26. a.a.O., S.79

27. a.a.O., S.80

28. a.a.O., S.43

29. Abschließender Bericht des Untersuchungsausschusses unter Rt. Hon Lord Devlin über Angelegenheiten der Hafen-Transport-Industrie, Cmnd 2734, August 1965, S.105

30. Schriftliche Erklärung des Arbeitsministeriums, S.13

31. a.a.O., S.7

32. Sunday Mirror, 13. Juni 1965

33. The Financial Times, 4. November 1965

34. The Guardian, 29. Oktober 1965

35. Gesetzesentwurf für Preise und Einkommen, § 11, Punkt 1

 

Anmerkung von REDS – Die Roten

1*. Dieser Untertitel haben wir geändert. In der 1968 veröffentlichten Übersetzung heißt es: „Übervorteilung der Arbeiter durch die Gesetze“, obwohl der Titel auf Englisch „Laws with Bias“ heißt. Unserer Meinung nach bedeutet das nicht dasselbe wie die deutsche Formulierung.

 


Zuletzt aktualisiert am 23.8.2003