Duncan Hallas

 

Trotzki

Eine politische Kurzbiographie

(August 1970)


Ursprünglich veröffentlicht in Socialist Worker (GB), August 1970.
Deutsche Übersetzung: Sozialistische Arbeitergruppe.
Alle Rechte liegen beim Autor.
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Im Mai 1940 schrieb Leo Trotzki einen Artikel mit dem Titel Stalin trachtet nach meinem Leben. Das war eine genaue Voraussage. Drei Monate später, am 20. August hieb der stalinistische Agent Ramon Mercador, alias Frank Jackson, einen Eispickel in den Schädel Trotzkis in Coyoacan, Mexiko.

Dieser Mord war der letzte der Massenmorde, mit denen die stalinistische Bürokratie die Alte Garde der Bolschewisten liquidierte. Rykow, Lenins Nachfolger als Vorsitzender des Rats der Volkskommissare, wurde erschossen. Sinowjew, Vorsitzender der Kommunistischen Internationale zu Lenins Lebzeiten wurde erschossen. Bucharin und Pjatakow, nach Lenins Testament „die fähigsten der jungen Mitglieder des Zentralkomitees“ wurden erschossen. Rakowski und Radek kamen um. In den „Arbeitslagern“ der Arktis verschwanden für immer zehntausende alter Parteimitglieder. Die Kämpfer, die die Oktoberrevolution gemacht hatten, wurden praktisch ausgerottet.

Nur eine der führenden Persönlichkeiten der Jahre der Revolution und des Bürgerkriegs überlebte. Joseph Stalin, der Mann, dessen Absetzung als Generalsekretär der Partei Lenin verlangt hatte, regierte nun Rußland despotischer als Iwan der Schreckliche es jemals getan hatte.

Trotzki schrieb sein abschließendes Urteil über diese Ereignisse ein Jahr vor seinem Tod:

Der Stalinismus mußte die führenden Kader der Bolschewisten zuerst politisch und dann physisch auslöschen, um das zu werden, was er jetzt ist: ein Apparat der Privilegierten, ein Bremsklotz für den geschichtlichen Fortschritt, eine Agentur des Weltimperialismus.

Die Hoffnungen der Oktoberrevolution waren durch den stalinistischen Terror beerdigt worden. Das war kein übliche Konterrevolution. Die Landbesitzer, die Kapitalisten und die Adligen aus dem Zarismus hatten ihre Besitztümer nicht zurückgewonnen. Stalin gründete keine Dynastie, und die führenden Mitglieder der Bürokratie erwarben keine legalen Ansprüche auf das „öffentliche“ Eigentum. Doch das arbeitende Volk, die offiziell proklamierte „herrschende Klasse“, war aller politischen Rechte beraubt, selbst der kleinsten Rechte, die es sich unter dem Zarismus erkämpft hatte.

Die Gewerkschaften waren zu einem Züchtigungsinstrument der Arbeiterschaft geworden. Und was für eine Züchtigung! Am 28. Dezember 1938 unterzeichnete Stalin ein Dekret, in dem festgelegt wurde, daß „Arbeiter oder Angestellte, die ihre Arbeitsstelle ohne Erlaubnis verlassen, oder die sich schwerer Vergehen gegen die Arbeitsdisziplin schuldig machen, der Vertreibung durch die Polizei aus ihrer Wohnung innerhalb von 10 Tagen unterliegen, ohne daß sie mit einer Unterkunft versorgt werden.“ Die Arbeiter in einem „Arbeiterstaat“ wurden unter die Bedingungen frühkapitalistischer Rechtlosigkeit gezwungen!

Dasselbe Dekret hob das Recht des Arbeiters auf einen bezahlten freien Tag nach fünfeinhalb Monaten Arbeit auf und behandelte das Zuspätkommen wie folgt. „Ein Arbeiter oder Angestellter, der sich schuldig macht, zu spät zur Arbeit zu kommen, zu früh zu Mittag zu gehen oder zu spät zurückzukommen oder während der Arbeitszeit faul ist, wird ohne Gerichtsverfahren abgeurteilt.“ Manager, die es versäumen, die Anklage zu erheben, „werden selbst entlassen oder angeklagt“. Das alles galt natürlich für den „freien“ Arbeiter. Für die wirklich hartnäckigen Missetäter gab es die Arbeitslager.

Große Ungleichheiten in den Löhnen wurden eingeführt. Selbstverständlich war das kein Ergebnis von Verhandlungen. Leistungslohnsysteme wurden allgemein üblich.

Die privilegierten Bürokraten und Manager bekamen immer höhere Gehälter plus den Vorrechten – Autos, Landhäuser, Ferien auf der Krim, u.s.w. Wie Stalin sagte: „Wir dürfen nicht mit Phrasen über die Gleichheit spielen. Das ist ein Spiel mit dem Feuer.“

Aus der ersten erfolgreichen, eine ganze Nation umfassenden Arbeiterrevolution war eine Gesellschaft entstanden, die die Ungleichheiten und die Unterdrückung des Kapitalismus wieder hervorbrachte, und die von einer eisernen Diktatur regiert wurde, nicht von einer Diktatur der Arbeiterklasse, sondern einer Diktatur über die Arbeiterklasse.

Der ganze letzte Abschnitt von Trotzkis politischem Leben war dem Kampf gegen diese Reaktion gewidmet. Er analysierte sie, erklärte ihre Ursachen und kämpfte dafür, die revolutionäre sozialistische Tradition gegen den zermalmenden Druck des Stalinismus in Rußland und der ganzen Welt am Leben zu erhalten.

Trotzki wurde 1879 in der Ukraine als Sohn eines jüdischen Bauern geboren. Zu dieser Zeit existierte im zaristischen Reich noch keine Arbeiterbewegung. Tatsächlich gab es fast noch keine industrielle Arbeiterklasse.

Es gab einige wenige Familien des Großadels, eine etwas umfangreichere Schicht des niederen Adels, die die Armee und den Staatsapparat besetzten, eine Mittelklasse aus Händler, Anwälten, Ärzten, u.a. und eine riesige Landbevölkerung. Das war das russische Reich dieser Zeit, und darüber herrschte der Zar so absolut wie Ludwig XIV. in Frankreich geherrscht hatte.

Es gab kein Parlament, keine freie Presse, keine Freizügigkeit, keine Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz. Bis 1861 war die große Masse des russischen Volkes, die Landbevölkerung, unfreie Leibeigene gewesen, die das Land, auf dem sie geboren waren, nicht verlassen durften und die von ihren Herren zusammen mit dem Land gekauft und verkauft wurden.

Rußland war rückständig, mittelalterlich; so rückständig, daß es in vielem mehr dem Frankreich vor der großen Revolution von 1789 glich als den kapitalistischen Ländern in West- und Mitteleuropa. Aber ein großer Wandel stand bevor. In den Jahren von Trotzkis Kindheit und Jugend entwickelte sich in Rußland die Industrie sehr schnell, angeheizt durch ausländische Anleihen und ausländische Techniker. Neue Klassen entstanden, eine Kapitalistenklasse, die immer noch sehr viel schwächer war als im Westen, und eine wirklich industrielle Arbeiterklasse.

Das Wachstum dieser Klassen bedeutete langfristig, daß das zaristische Regime nicht bestehen bleiben konnte. Noch 1895 konnte ein zaristischer Finanzminister schreiben: „Glücklicherweise besitzt Rußland keine Arbeiterklasse in gleichem Sinn wie der Westen; folglich haben wir kein Arbeiterproblem.“ Er hinkte schon seiner Zeit hinterher. 1837 gab es schon 103.000 Metallarbeiter in Rußland, 1897 waren es 642.000. 1914 gab es schon 5.000.000 Arbeiter in einer Bevölkerung von 160.000.000.

Diese junge Arbeiterklasse entwickelte einen starken Kampfgeist. Es kam zu Massenkämpfen in einem Ausmaß, die mit nichts vergleichbar waren seit der heldenhaften Periode der englischen Arbeiterklasse in den Jahren 1830 bis 1850. In den ersten Jahren dieses Jahrhunderts erschütterte eine Welle von Massenstreiks den Zarismus bis in seine Grundfesten. Diese Massenstreiks führten zur Explosion von 1905.

Eine neue Form der Selbstregierung der Arbeiterklasse, der „Sowjet“ oder der Arbeiterrat, wurde durch unbekannte russische Arbeiter erfunden. Eine Zeitlang bestand eine „Doppelherrschaft“, die Macht der Arbeiter, organisiert in den Sowjets, stand der in Panik versetzten Regierung des Zaren gegenüber.

Das ganze Regime wankte. Aber schließlich konnte es seine Macht wieder aufrichten. Die revolutionären Arbeiter standen der Bauernarmee gegenüber, und die Landbevölkerung war dem Zaren noch ergeben. Eine mörderische Unterdrückung folgte.

Trotzki wuchs mit der Bewegung heran. Während seiner Jugendzeit trat er einer revolutionären Gruppe in Nikolajew bei, dem Südrussischen Arbeiterbund; 1898 wurde er verhaftet, und er saß in verschiedenen Gefängnissen, bis er im Jahre 1900 nach Sibirien deportiert wurde.

Im Sommer 1902 floh er, und im Herbst hatte er sich Lenin in London angeschlossen. Zu dieser Zeit war Trotzki Marxist geworden und ein Schriftsteller mit einem gewissen Ruf. Lenin hieß ihn willkommen und schlug vor, Trotzki in die Redaktion der Iskra (der Funke) aufzunehmen, der Zeitung der sozialistischen Partei, die in London gedruckt und nach Rußland geschmuggelt wurde.

Gegen den Vorschlag erhob das älteste Mitglied der Redaktion, Plechanow, Einspruch. Plechanow war einer der Parteigründer und ein späterer Menschewist. Die russische sozialistische Partei sollte sich in wenigen Monaten spalten, und die Beziehung zwischen Lenin und einigen seiner Mitherausgeber war schon gespannt.

Die Partei bestand zu dieser Zeit aus einer Handvoll Emigranten in London, Zürich und anderen europäischen Großstädten und einer Anzahl illegaler Gruppen von Arbeitern und Studenten in einigen russischen Industriezentren und im sibirischen Exil.

Auf dem 2. Parteitag, der in Brüssel und dann in London 1903 abgehalten wurde, kam es zur Spaltung. Die Spaltung entstand an einer an der Oberfläche vergleichsweise unwichtigen organisatorischen Frage. Tatsächlich waren jedoch die zugrundeliegenden Differenzen von lebenswichtiger Bedeutung.

Lenin und seine Gruppe (die die Bolschewisten, d. h. die Mehrheit, wurden) traten ein für eine straff organisierte revolutionäre Partei, die fähig ist, Illegalität und Unterdrückung zu überleben. Sie glaubten, daß allein die Arbeiterklasse im Bündnis mit den Bauern den Zarismus stürzen könnte und „ihre Ersetzung durch die Republik auf der Grundlage einer demokratischen Verfassung, die die Selbstherrschaft des Volkes gewährleistet, d. h. die Konzentrierung der gesamten obersten Staatsgewalt in Händen einer gesetzgebenden Versammlung, die aus Vertretern des Volkes besteht.“ (Lenins Entwurf für das Programm der sozialdemokratischen Partei Rußlands, 1902; Ges. Werke, Bd. 6, S. 15)

Die Minderheit (Menschewisten) entwickelte die Auffassung, daß die russische Kapitalistenklasse diesen Kampf anführen könnte, und sie befürworteten deshalb eine lockere Organisation, die sich an halblegaler politischer Arbeit ausrichtete. Keine Seite nahm an, daß eine sozialistische Revolution in einem Land möglich sei, daß so rückständig und unterentwickelt wie Rußland war. Diese sozialistische Revolution würde später kommen, nach einer Periode kapitalistischer Entwicklung unter der demokratischen Republik.

1903 waren die Unterschiede nicht so klar wie sie es später wurden. Nicht alle verstanden vollständig die Folgen der Entscheidung, die sie trafen. Plechanow, der spätere Führer des extrem rechten Flügels der Menschewisten, stand an der Seite von Lenin. Trotzki stand in Opposition zu Lenin. Es war diese Entscheidung, von der er später sagte, „das war der größte Irrtum meines Lebens“.

1905 konnten die revolutionären Emigranten zurückkehren. Trotzki, nun ein Menschewist, spielte eine große Rolle in der nicht erfolgreichen Revolution von 1905. Gegen Ende des Jahres wurde er Vorsitzender des Petrograder Sowjets der Arbeiterdeputierten, damals die wichtigste Arbeiterorganisation Rußlands.

Ihre Zerschlagung durch die wiedererstarkende zaristische Militär- und Polizeimaschine markierte den Wendepunkt der Revolution. Trotzki kam wieder ins Gefängnis. Unter Drohung der Todesstrafe forderte er den Zaren von der Anklagebank aus heraus: „Die Regierung hat schon längst mit der Nation gebrochen ... Was wir besitzen ist keine nationale Regierungsgewalt, sondern ein Automat für Massenmorde“.

Die immer noch glimmende revolutionäre Bewegung machte die Regierung vorsichtig. Der Hauptanklagepunkt – der bewaffnete Aufstand – wurde fallen gelassen. Aber Trotzki und 14 andere wurden zu lebenslänglicher Verbannung nach Sibirien und zum Verlust aller Bürgerrechte verurteilt.

In der Jahren der Reaktion nach 1906 verdorrten und verfielen die revolutionären Organisationen, aufgerieben durch Polizeispitzel und unaufhörliche Unterdrückung. Die menschewistischen Organisationen in Rußland verschwanden nahezu. Selbst Lenins Gruppe schrumpfte auf einen Schatten ihrer früheren Stärke.

In den Emigrantenzirkeln entwickelten sich scharfe fraktionelle Auseinandersetzungen. Trotzki gelang 1907 wieder die Flucht aus Sibirien, und er sah sich bald fast völlig isoliert. Zurückgestoßen von der Wendung der Menschewisten nach Rechts und unfähig, seine Feindseligkeit gegenüber den Bolschewisten zu überwinden, wurde er zum einsamen Wolf.

Seine einzige positive Leistung in diese Jahren war die Ausarbeitung seiner Theorie der „Permanenten Revolution. Ihr zentraler Gedanke war, daß die kommende Revolution in Rußland nicht auf der Stufe der „demokratischen Republik“ stehen bleiben könnte, sondern in eine Arbeiterrevolution für Arbeitermacht übergehe und sich mit den Arbeiterrevolutionen in den fortgeschritteneren kapitalistischen Ländern verbünden würde oder unterliegen müsse.

Das war nicht so sehr verschieden von Lenins späteren Vorstellungen. Doch Trotzkis Mißtrauen und Antipathie gegenüber Lenin verhinderte, daß er seine Kraft mit der einzigen wirklich revolutionären Organisation, den Bolschewisten, verband.

Am 4. August 1914 wurde die Welt verwandelt. Der lang vorausgesagte imperialistische Krieg brach aus, und die Führer der großen sozialdemokratischen Parteien vergaßen ihren Marxismus und Internationalismus und kapitulierten vor „ihren eigenen“ Regierungen. Die Sozialistische Internationale zerbrach in Stücke.

In jedem kriegsführenden Land trennte sich die Bewegung in Überläufer zur Bourgeoisie und Internationalisten. Im September 1915 trafen sich 38 Delegierte aus 11 Ländern in Zimmerwald in der Schweiz, um die Prinzipien des internationalen Sozialismus zu bekräftigen. Trotzki schrieb das internationale Manifest, das von dieser Konferenz herausgegeben wurde.

In Zimmerwald waren Revolutionäre und Pazifisten. Es kam bald zum Bruch. Der revolutionäre Kern wurde der Vorläufer der Dritten (Kommunistischen) Internationale.

In allen kriegsführenden Ländern wuchs die revolutionäre Opposition, aber in Rußland kam der Ausbruch. Im Februar 1917 stürzten Massenstreiks und Demonstrationen den Zaren. Es war die kämpfende Arbeiterklasse Petrograds, viele davon Bolschewisten, die die Bewegung führte.

Von Anfang an waren die Führer der Sowjets der Arbeiter-, Bauern- und Soldatendeputierten in der Lage gewesen, die brüchige Fassade der „Provisorischen Regierung“ einzureißen und die Macht zu übernehmen. Aber das taten sie nicht, weil sie in ihrer Mehrheit Menschewisten und Sozialrevolutionäre (die Bauernpartei) waren, die glaubten, daß eine „demokratische Republik“ notwendig sei, um das Wachstum des Kapitalismus möglich zu machen und damit die Grundlage für den Sozialismus in einer fernen Zukunft zu legen. Das bedeutete Fortsetzung des Krieges und „Disziplinierung“ der Arbeiter und Bauern.

Selbst einige der Bolschewisten schwankten, insbesondere Kamenew und Stalin, die zwei Mitglieder des Zentralkomitees, die aus Sibirien geflohen waren, um die Verantwortung für die Partei in Petrograd zu übernehmen. Aber als Lenin im April zurückkehrte, wollte er nichts damit zu tun haben.

„Nieder mit der Provisorischen Regierung“, „Frieden, Land und Brot“ waren seine Parolen. Zunächst in der Minderheit in seiner eigenen Partei, gewann Lenin zuerst die Partei und dann die Mehrheit in den Sowjets für seine revolutionäre Position. Das war durchaus die gleiche wie Trotzkis „Permanente Revolution“, und im Juli trat Trotzki mit einer Gruppe ehemaliger Menschewisten in die bolschewistische Partei ein.

Im Herbst unterstützte die Mehrheit der Arbeiter die Bolschewistischen. Unter der Parole „Alle Macht den Räten“ wurde die Provisorische Regierung gestürzt. In Petrograd hob sich kaum eine Hand, um sie zu unterstützen.

Die nächsten Jahre waren die Jahre von Trotzkis größtem Ruhm. Zunächst als Volkskommissar für Außenpolitik und dann als Volkskommissar für das Kriegswesen war er als zweiter Mann hinter Lenin der bewegende Geist der Revolution.

Das waren die Jahre des revolutionären Optimismus. Alles schien möglich. Obwohl die Sowjetregierung verzweifelt gegen die massive ausländische Intervention kämpfen mußte – die Armeen von 14 Mächten kämpften gegen die Revolution – und gegen die vom Ausland bewaffneten und finanzierten Weißen Armeen, schien ganz Europa am Rande der Revolution.

Revolutionäre Sowjetregierungen wurden in Ungarn, Bayern, Finnland und Lettland errichtet. Der deutsche Kaiser, der österreichische Kaiser und der türkische Sultan wurden gestürzt.

Ganz Deutschland schien kurz vor der Roten Revolution. In Italien lähmten Massenstreiks und gewaltsame Demonstrationen den kapitalistischen Staat.

Selbst der besonnene Lenin schrieb 1918:

Die Geschichte hat uns, den russischen arbeitenden und ausgebeuteten Klassen, die ehrenvolle Rolle des Vorreiters der internationalen sozialistischen Revolution gegeben; und heute können wir klar sehen, wie weit die Revolution gehen wird. Die Russen begannen; die Deutschen, Franzosen und Engländer werden sie beenden und der Sozialismus wird siegreich sein.

Für Trotzki gab es keine Zweifel. Dies war der „letzte Konflikt“. Als die Dritte Internationale 1919 gegründet wurde, schrieb er in ihrem ersten Manifest:

Die Opportunisten, die vor dem Weltkrieg die Arbeiter aufgefordert haben, sich zu mäßigen zum Wohle des allmählichen Übergangs zum Sozialismus ... verlangen wieder vom Proletariat Selbstverleugnung ... Finden diese Predigten Gehör innerhalb der arbeitenden Massen, dann wird die kapitalistische Entwicklung in neuen, noch konzentrierteren und grausamen Formen auf den Knochen mehrerer Generationen restauriert werden – mit der Aussicht auf einen neuen und unvermeidlichen Weltkrieg. Das ist für die Menschheit glücklicherweise nicht mehr möglich.

In der Tat, der Erfolg der deutschen Revolution stand auf Messers Schneide. Die sich bekämpfenden Kräfte waren nahezu gleich stark. Ein Sieg hätte den Weg Europas und der Weltgeschichte verändert. Eine Niederlage bedeutete den Triumph der Reaktion, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Rußland.

Denn der Bürgerkrieg hatte die schon rückständige russische Wirtschaft ruiniert und die russische Arbeiterklasse auseinandergetrieben. Die Weiße Konterrevolution wurde geschlagen, weil die große Mehrheit des russischen Volkes, die Landbevölkerung, wußte, daß die Revolution ihnen das Land gegeben hatte, und eine Restauration ihnen es wieder nehmen würde.

Doch am Ende des Bürgerkriegs hatten die Arbeiter an Macht verloren, weil sie als Klasse vernichtet worden waren. 1921 war die Zahl der Arbeiter in Rußland auf 1.240.000 gefallen. Petrograd hatte 57,5 Prozent seiner Bevölkerung verloren. Die Produktion aller industriellen Güter war auf 13 Prozent des schon schlechten Standes von 1913 gefallen. Das Land war ruiniert, hungerte, und wurde nur zusammengehalten durch die Partei und durch den während des Bürgerkriegs entwickelten Staatsapparat.

Diese Lage war nicht vorausgesehen worden. Zur Zeit des Brest-Litowsker-Friedensvertrags mit Deutschland 1918 schrieb Lenin: „Das ist eine Lehre, denn es ist eine absolute Wahrheit, daß wir ohne die deutsche Revolution verloren sind.“ Denn es war keine Frage, daß die russische Arbeiterklasse, eine kleine Minderheit mit einer schwachen ökonomischen Grundlage, auf Dauer nicht einen Arbeiterstaat aufrechterhalten konnte, ohne die russische Wirtschaft mit der eines entwickelten sozialistischen Lande zu verbinden.

Später auf dem 3. Weltkongreß der Dritten Internationale 1921 bezog sich Lenin wieder auf diesen Gesichtspunkt.

Es war uns klar, daß ohne die Unterstützung der internationalen Weltrevolution der Sieg der proletarischen Revolution unmöglich ist. Schon vor der Revolution und auch nachher dachten wir: Entweder sofort oder zumindest sehr rasch wird die Revolution in den kapitalistischen entwickelten Ländern stattfinden, oder aber wir müssen zugrunde gehen.

Trotz dieses Bewußtseins taten wir alles, um das Sowjetsystem unter allen Umständen und um jeden Preis aufrechtzuerhalten, denn wir wußten, daß wir nicht nur für uns, sondern auch für die internationale Revolution arbeiten.

1921 war die internationale Revolution zurückgeschlagen und das kommunistische Regime stand vor einer weiteren hoffnungslosen Krise. Die Bauernmassen, befreit von der Furcht vor der Herrschaft der Gutsherren, gerieten in eine gewaltsame Opposition. Bauernaufstände in Tambow, der Kronstädter Aufstand und die Streiks zu seiner Unterstützung zeigten dem Regime, daß es nicht länger die Unterstützung der Volksmassen genoß. Es war dabei, eine Diktatur [der Partei] über die Bauernschaft und die Überbleibsel der Arbeiterklasse zu werden.

Ein Rückzug war unvermeidlich. Seit 1921 schuf die „Neue Ökonomische Politik“ (NÖP) von neuem einen inneren Markt und gab der Bauernschaft die Freiheit, für den Profit zu produzieren, zu kaufen und zu verkaufen, wie sie wollte. Die private Produktion von Konsumgütern mit Profit wurde ebenfalls erlaubt, und die Großindustrie in Staatsbesitz wurde angewiesen, nach kommerziellen Gesichtspunkten zu arbeiten.

Das Ergebnis war eine langsame, aber beständige wirtschaftliche Erholung bei gleichzeitiger Massenarbeitslosigkeit, von der immer mindestens ein Fünftel der langsam wieder auflebenden industriellen Arbeiterklasse betroffen war. Und es entstand aus der breiten Masse der Landbevölkerung eine Klasse kapitalistischer Bauern, die Kulaken.

Mitte der zwanziger Jahre erreichte das Wirtschaftsergebnis den Stand von 1913 und in einigen Fällen wurde es überschritten. Zu dieser Zeit hatte sich das Gleichgewicht der sozialen Kräfte grundlegend verändert.

Was für eine Gesellschaft war im Entstehen? Schon 1920 hatte Lenin argumentiert:

Der Genosse Trotzki spricht vom „Arbeiterstaat“. Mit Verlaub, das ist eine Abstraktion. Als wir 1917 vom Arbeiterstaat schrieben, war das verständlich; sagt man aber jetzt zu uns: „Wozu und gegen wen soll die Arbeiterklasse geschützt werden, wo es doch keine Bourgeoisie gibt, wo wir doch einen Arbeiterstaat haben,“ so begeht man offensichtlich einen Fehler ... Wir haben in Wirklichkeit nicht einen Arbeiterstaat, sondern einen Arbeiter- und Bauernstaat. Das zum ersteren ... Aber nicht genug damit, aus unserem Parteiprogramm ist bereits ersichtlich, daß ... unser Staat ein Arbeiterstaat mit bürokratischen Auswüchsen ist.

Seitdem wucherten die „bürokratischen Auswüchse“ außerordentlich, und die herrschende Partei war sehr stark gewachsen, und die herrschende Partei selbst war bürokratisiert worden. In Abwesenheit einer Arbeiterklasse mit der Stärke, dem Zusammenhalt und dem Willen zu herrschen, mußte die Partei die Klasse ersetzen, und der Parteiapparat ersetzte zunehmend die Parteimitglieder.

Eine neue Gruppe von „Apparatschiks“ war neben den Kulaken und dem „NÖP-Mann“ (Kleinkapitalist) entstanden. Trotzki beschreibt in einer seiner schlagendsten Wendungen die Politik als „Kampf um das Mehrprodukt“. Zwischen diesen drei Gruppen entwickelte sich ein Kampf über den Köpfen der Masse der armen Bauern und gegen die Arbeiterklasse.

Dieser Kampf spiegelte sich in den Reihen der nun bürokratisierten Partei, insbesondere unter ihren Führern. Trotzki, der nun gründlich aufgeschreckt war durch die Rechtsentwicklung, wurde der Hauptsprecher einer Strömung, die den Kampf aufnahm für die Demokratisierung der Partei und die Wiederbelebung der Sowjets als die wahren Organe der Arbeiter und Bauern. Diesen Kampf hatte Lenin in den letzten Monaten seines Lebens begonnen.

Ein wesentlicher Teil des Programms der Linken Opposition (wie Trotzkis Gruppe genannt wurde) war eine schnellere und geplantere Entwicklung der russischen Industrie. Für Marxisten war es keine Frage, daß die Demokratisierung nicht erfolgreich sein konnte ohne eine Zunahme der Zahl, des Selbstvertrauens und des „spezifischen Gewichts“ der Arbeiterklasse.

Gegner der Linken war eine rechte Strömung, deren Sprecher Bucharin wurde. Er trat ein für Stabilität, für Akkumulation „im Schneckentempo“ und für die Priorität, die Bauernschaft einschließlich der Kulaken zufrieden zu halten.

Und es gab eine dritte Strömung, das „Zentrum“, das die Apparatschiks, die Bürokraten vertrat. Es war damals mit der Rechten verbündet. Seine führende Persönlichkeit war J.W. Stalin, ein alter Bolschewist, ein fähiger Organisator und ein Mann mit schrankenlosem Ehrgeiz und eisernem Willen.

Stalin schweißte die Bürokratie zu einer Klasse zusammen, ihrer eigenen Interessen bewußt und mit einer eigenen Ideologie – des „Sozialismus in einem Land“.

Die Perspektive der Opposition war die einer friedlichen Reform. Sie dachte, der Druck der Ereignisse und die Opposition könnte die Partei und das Land reformieren.

Im Ergebnis zeigte sich das Ausmaß der bürokratischen Degeneration in der Leichtigkeit, mit der die Opposition besiegt wurde. Obwohl sie einige der hervorragendsten Mitglieder der Partei in ihren Reihen hatte, und ihr nach 1926 die Gruppe um Sinowjew, Lenins engster Mitarbeiter im Exil, und Krupskaja, Lenins Witwe, wie auch die „ultralinke“ demokratisch-zentralistische Gruppe, beitraten, wurde sie mit überwältigender Mehrheit auf Parteitreffen, vollbesetzt mit Stalins Ja-Sagern, niedergestimmt.

Im Oktober 1927 wurden Trotzki und Sinowjew aus der Partei ausgeschlossen. Bald begann für sie und tausend andere Oppositionelle die Reise in die Verbannung. Die Opposition war zerschlagen worden, und von ihren Verbannungsorten sagten ihre Führer eine schreckliche Gefahr von Rechts voraus.

Der Sowjetische „Thermidor“, der Sturz der Partei durch die Vertreter der Kulaken und NÖP-Leute drohte. Tatsächlich stand das Regime vor einer Gefahr von Rechts. 1928 führten die Kulaken, ermutigt durch die Beseitigung der Linken, einen Kornstreik herbei, eine Hortungsaktion, die die Städte mit dem Hungertod konfrontierte. Die Auswirkungen zeigten, wie stark die Partei – und die Opposition ? sich bei der Einschätzung der rivalisierenden Kräfte verschätzt hatte.

Die Bürokratie führte einen gewaltsamen Kurswechsel durch. Nach Jahren der Befriedung der reichen Bauern griff sie zur Zwangskollektivierung, der „Beseitigung der Kulaken als einer Klasse.“

Unter der Maske der Einparteien-Herrschaft regierte eine kleine Clique von Bürokraten Rußland. Und sie wurden bald die Marionetten eines einzigen Mannes. 1930 war Stalin der neue Zar, wenn auch nicht der Form, so doch den Tatsachen nach.

Mit der Zwangskollektivierung war ein wahnsinniges Programm der verstärkten Industrialisierung verbunden. Pläne, die die ehrgeizigsten Entwürfe der optimistischsten Mitglieder der Opposition weit übertrafen, wurden in Gang gesetzt, nur um von anderen, noch weitreichenderen übertroffen zu werden. „Erfülle den 5-Jahres-Plan in 4 Jahren“ war die Parole.

Der Mann, der sich gestern über die bescheidenen Pläne der Opposition lustig machte, weil er sie für utopisch hielt, wollte nun die fortgeschrittensten kapitalistischen Länder in wenigen Jahren „einholen und überholen“. Der erste 5-Jahres-Plan hatte Erfolg, indem er die Grundlage für eine industrielle Gesellschaft legte. Er erreichte das durch die allerbrutalste Ausbeutung der Arbeiter und Bauern. Die Reallöhne fielen drastisch. Die drakonisch reglementierten „freien“ Arbeiter wurden ergänzt durch ein Heer von Zwangsarbeitern, meistens ehemalige Bauern, die unter erschreckenden Bedingungen bei Großbauprojekten beschäftigt wurden. Jede Spur von demokratischen Rechten verschwand. Ein ausgewachsenes totalitäres Regime entstand.

Diese Ereignisse lösten die vertriebene Opposition auf. Viele von ihren bekanntesten Mitglieder machten ihren Frieden mit Stalin.

Auf dem anderen Extrem kamen viele Mitglieder an der Basis der Opposition dazu, mit den „Demokratischen Zentralisten“ übereinzustimmen, daß eine neue Revolution nötig sei. „Die Partei“, schrieb Viktor Smirnow, ein Führer der Demokratischen Zentralisten, „ist ein stinkender Leichnam“.

Seiner Meinung nach war der Arbeiterstaat Jahre zuvor zerstört und der Kapitalismus restauriert worden. Trotzki konnte keine dieser Vorstellungen akzeptieren. Gegen die Kapitulanten bestand er auf der Notwendigkeit der Sowjetdemokratie. Gegen die Linke bestand er auf der Möglichkeit friedlicher Reformen.

Das war eine unrealistische Einschätzung, und Trotzki gab sie 18 Monate später auf. Der Anstoß zu diesem Wandel ging von den Ereignissen in Deutschland aus. Die linke Opposition beschäftigte sich mindestens ebenso stark mit der Politik der Kommunistischen Internationale wie mit der Politik in Rußland.

In ihren frühen Jahren war die Dritte Internationale weit davon entfernt, ein Werkzeug Moskaus zu sein. Aber mit dem Zurückweichen der revolutionären Stimmung in Europa banden sich die Parteien immer stärker an die überlebende „Sowjet“herrschaft und wurden zunehmend von ihr abhängig.

Ratschläge aus Moskau wurden die wichtigste Quelle für ihre politischen Ideen. Zunehmend mischte sich die russische, und folglich von Apparatschiks, beherrschte Exekutive der Internationale in das politische Leben der nationalen Parteien ein.

Der Mythos vom „sowjetischen Vaterland“ wurde für europäische und asiatische Kommunisten immer wichtiger. Nach und nach wurden die unabhängigen Geister und die ernsthafteren Marxisten aus der Führung entfernt. Es dauerte 10 Jahre, bis die Weltbewegung zur Fremdenlegion Moskaus heruntergekommen war. 1929 war der Prozeß vollendet.

Während der Block „Rechte-Zentrum“ Rußland regierte, wurde die Politik der Internationale nach rechts gedrängt. Halbrefomistische Politik wurde gefördert, und das führte zu einer Anzahl von vermeidbaren Niederlagen.

Die Opposition kritisierte scharf die Politik der Kommunistischen Internationale und versuchte, Verbindungen mit abweichenden Mitgliedern der ausländischen Parteien aufzunehmen. Aber nachdem Stalin seine früheren „rechten“ Verbündeten in Rußland ausgeschaltet hatte, machte die kommunistische Internationale eine heftige Linkswendung, eine wahnsinnige Linkswendung. Eine Periode der „allgemeinen revolutionären Offensive“, die „dritte Periode“ wurde verkündet.

Die Theorie des „Sozialfaschismus“ wurde erfunden. Die Sozialdemokratie war „sozialfaschistisch“, Gruppen links von ihr waren „linke Sozialfaschisten“.

In Deutschland, wo eine sehr reale Gefahr des Faschisten bestand, führte diese Position zur Ablehnung jedes gemeinsamen antifaschistischen Widerstandes mit der Sozialdemokratie und der unter ihrem Einfluß stehenden Gewerkschaften. Denn diese waren selbst Faschisten! In der Tat, jeder, der nicht ein loyaler Stalinist war, war ein Faschist: „Deutschland lebt schon unter faschistischer Herrschaft“, sagte die Tageszeitung der KPD. „Hitler kann die Dinge nicht schlimmer machen als sie schon sind.“

Trotzki, seit 1929 im Exil in der Türkei, schrieb gegen diese unheilvolle Politik einige seiner brillantesten Schriften. Wenn Vernunft die stalinistischen Führer der KP hätte bewegen können, wäre Hitler geschlagen worden – die Gelegenheit bestand. Eine siegreiche Einheitsfront war möglich. Aber die stalinistischen Führer waren jenseits jeder Vernunft. Die einzige Stimme, die sie hörten, war die von Stalin, die anstimmte: „Sozialdemokratie und Faschismus sind keine Gegensätze: sie sind Zwillinge.“

Die deutsche Arbeiterbewegung wurde zerschlagen. Die Kommunistische Partei ergab sich ohne einen Kampf. Hitler kam an die Macht und die Vorbereitung des 2. Weltkrieges begann.

Diese schreckliche Niederlage veranlaßte Trotzki zum Bruch mit der Internationale. „Eine Organisation, die nicht durch den Donnerkeil des Faschismus aufgerüttelt wird, ist tot und kann nicht wiederbelebt werden.“

Bald darauf gab er seine reformistische Position gegenüber Rußland auf. Eine neue Revolution ist notwendig, um die bürokratische Diktatur zu beseitigen.

Doch er änderte nicht seine Ansicht, daß Rußland ein „degenerierter Arbeiterstaat“ sei. Die wenigen verbliebenen Jahre seines Lebens klammerte er sich an diese Abstraktion – ein „Arbeiterstaat“, in dem die Arbeiter nicht nur keine Macht haben, sondern in dem die Arbeiter der elementarsten politischen Rechte beraubt sind. Dieser Irrtum hatte einen nachhaltigen und verderblichen Einfluß auf die revolutionäre Linke.

Trotzki war nun fast allein. Bald nach der deutschen Katastrophe begannen die großen Säuberungen in Rußland. Stalin festigte seine persönliche Herrschaft durch einen Massenmord an früheren Kapitulanten, den früheren Rechten und den meisten seiner eigenen früheren Helfer.

Alle wurden wie Trotzki als Agenten Hitlers, Konterrevolutionäre, Spione und Saboteure öffentlich angeklagt. Eine Serie grotesker „Schauprozesse“ fand statt, in denen bekannte Führer der Revolution aus Lenins Zeit dazu gebracht wurden, ihre Schuld – und die des Monstrums Trotzki – zuzugeben.

Ein Klima wurde erzeugt, in dem es für Trotzki unmöglich wurde, Arbeiter auf dem linken Flügel zu beeinflussen. „Die stalinistische Bürokratie hat es jetzt erreicht, sich selbst mit dem Marxismus gleichzusetzen... Kämpferische französische Dockarbeiter, polnische Bergleute und chinesische Guerrillakämpfer sahen gleichermaßen in denjenigen, die in Moskau herrschten, die besten Kenner der sowjetischen Interessen und die verläßlichsten Anwälte des Weltkommunismus.“

Die Kommunistische Internationale pendelte nun wieder nach rechts. Stalins Außenpolitik verlangte das Bündnis mit den „westlichen Demokratien“. Die „Volksfront“ – die Unterordnung der Arbeiterparteien unter liberale und „fortschrittliche“ Konservative – war die neue Linie.

Das ermöglichte Stalin, eine weitere Revolution abzuwürgen – Spanien. Trotzki nannte die spanische Niederlage „die letzte Warnung“. Die gesamte Energie in den letzten Jahren seines Exils in Frankreich, Norwegen und dann in Mexiko verwandt er darauf, den Kern einer neuen Internationalen, der Vierten, zu schaffen. Ihre Gründungskonferenz fand 1938 im Schatten der zahlreichen Niederlagen der Arbeiterklasse statt. Trotzki sollte nur noch zwei Jahre leben.

Es war seine unvergängliche Leistung, die Tradition des revolutionären Marxismus in den Jahrzehnten, in der sie fast von ihren vorgeblichen Trägern ausgelöscht wurde, am Leben zu erhalten.

Trotzki war weit davon entfernt, unfehlbar zu sein. Lenin hatte in seinem Testament von Trotzkis „zu weitreichendem Selbstvertrauen“ geschrieben, und es war Trotzkis Unglück in seinen letzten Jahren, daß nur wenige seiner Anhänger fähig waren, unabhängig zu denken.

Daß er seine Genossen überragte, war gleichzeitig seine Stärke und seine Tragödie. Vielleicht hätte niemand anders der Isolation und den Angriffen Widerstand leisten können, wie er es tat.

Sein Beitrag zum revolutionären Sozialismus und zur Arbeiterbewegung ist unübertroffen. Er war einer der Handvoll wahrhaft großen Persönlichkeiten, die die Bewegung hervorgebracht hatte.

 


Zuletzt aktualisiert am 8. Februar 2017