Chris Harman


Globalisierung: Kritik einer neuen Orthodoxie

(Winter 1996)


Chris Harman, Globalisation: A Critique of a New Orthodoxy, International Socialism 73 (2. Serie), Winter 1996.
Übersetzung © Verein fü Geschichte und Zeitgeschichte der Arbeiterbewegung (VGZA) e.V.
Kopiert mit Dank von der Webseite REDS – Die Roten.
HTML-Markierung: Einde O’Callaghan für das Marxists’ Internet Archive.


„Globalisierung“ ist eine der Orthodoxien der 1990er Jahre geworden. Das Wort taucht auf in den Wirtschaftsseiten der Zeitungen und in den Jahresberichten von Firmen, man hört es in den Reden fast aller Politiker in den parlamentarischen Parteien von John Redwood zu Tony Blair, es ist ein allgemeiner Begriff in den Rundschreiben von Konzernen und bei Versammlungen von Betriebsräten. Überall wird es verwendet, um zu bezeichnen, daß sie Weltwirtschaft eine neue Stufe erreicht hat, der Regierungen sowie Arbeiter fast ohnmächtig gegenüberstehen und sich nicht widersetzen können.

Diese neue Stufe sollte aus einer wachsenden Internationalisierung der Produktion und der Vermarktung entstehen. Firmen, wird behauptet, sind viel abhängiger als je zuvor von ihrer Fähigkeit, im Ausland trotz der „globalen Konkurrenz“ zu verkaufen. Sie können das erfolgreich machen, nur wenn sie multinationale Korporationen werden, die Produktion selbst in einem internationalen Ausmaß organisieren und nationale Grenzen ignorieren. Sie können dann jeder Kontrolle durch Nationalstaaten oder Arbeiterbewegungen entkommen, die innerhalb nationalen Grenzen funktionieren. Sie sind frei dazu, ihr Kapital dahin zu verschieben, wo die Arbeitskräfte am billigsten sind, und daher können sie alle Versuche durchkreuzen, Löhne und Bedingungen durch gewerkschaftliche Aktion zu verteidigen.

Dieser Konsens wird normalerweise von „neoliberalen“ Befürwortern der freien Marktwirtschaft artikuliert [ausgedrückt]. Sie bestehen darauf, daß die neue Weltordnung jeden Versuch ausschließt, das System durch den Keynesianismus oder den Staatskapitalismus zu regeln, geschweige denn vom Sozialismus zu sprechen. Jeder solche Versuch, behaupten sie, kann nur zu einer rückständigen Belagerungswirtschaft, eigentlich zu einer schrecklichen Wiederholung des Jahres Null in Kambodscha führen. Aber nicht bloß weitreichende Änderung wird dadurch ausgeschlossen. So auch die mildesten Reformen – ein Mindestlohn von mehr als ein Drittel des Zentralwerts, jede weitere Kürzung der Arbeitsstunden [Arbeitswoche], jeder Versuch, Arbeitsplätze gegen die welkenden Wirkungen der Rezession zu verteidigen. Wenn Arbeiter ihre Forderungen zu hart drängen, dann werden die Firmen einfach ihr Zeug einpacken und irgendwo anders umziehen. Wenn Regierungen bedeutende Reformen durchführen, dann wird neue Investition einfach zu rentableren Teilen der Welt fließen. Alles, was man machen kann, ist, Politik [Pläne] zu entwickeln, die eine bestimmte Gruppe Arbeiter produktiver und kostengünstiger machen wird [werden] als die Arbeiter anderswo in der Welt, oder die es einer Regierung ermöglicht [ermöglichen], andere beim Garantieren der Rentabilität zu überbieten.

Diese Behauptungen untermauern die Erklärungen, die von den orthodoxen „neoklassischen“ Ökonomen für die zunehmende Kluft in fast jedem Land zwischen den Einkommen der Reichen und denen der Masse der Bevölkerung liefern. Die Reichen, wird behauptet, werden dafür „belohnt“, daß sie Fertigkeiten haben, die knapp sind, während die Arbeiter den Preis bezahlen, weil sie Fertigkeiten haben, die durch den weltweiten Arbeitsmarkt leicht zu ersetzen sind. Aber das Argument über „Globalisierung“ hat einen größeren Widerhall. sie wird von einigen auf der revolutionären Linke sowie einigen vom protektionistischen Rechtsaußen wiederholt. So schrieb ein ehemaliger Redakteur dieser Zeitschrift Nigel Harris vor mehr als einem Jahrzehnt von:

einem einzigen weltweiten Arbeitsmarkt, der sich in Richtung eines Preises für die Arbeitskraft in jedem Fertigkeitsgrad bewegt, egal ob die Länder mehr oder weniger entwickelt sind ... Das deutet darauf hin, daß Gruppen von Arbeitern in verschiedenen Ländern miteinander um Beschäftigung konkurrieren und bieten den Unternehmern den niedrigsten Preis bei einem gegebenen Niveau der Arbeitsproduktivität an. Die Macht der Gewerkschaften, diesen Handel zu beeinflussen ..., existiert im internationalen Zusammenhang kaum. [1]

Kürzlicher behauptete James Goldsmith, der Milliardär und rechte Geißel der britischen Konservativen Partei, in einem Interview in der sozialdemokratischen Zeitung Tribune:

Etwas schuf die Arbeitslosigkeit. Es war nicht die Hochtechnik, die die normale Entschuldigung ist. Was man hat, ist die Massenbewegung des verarbeitenden Gewerbes ins Ausland ... Das System bezahlt den Besitzern einer Firma dafür, Fabriken zu schließen, allen ihren Arbeitsplätze wegzunehmen und sie ins Ausland umzulegen. Und das passiert über das ganze Spektrum. Es gilt für das verarbeitende Gewerbe und für Dienstleistungen ... Transnationale Korporationen sind heute zahlenmäßig wenig, aber sie ziehen mit großer Geschwindigkeit Dänin um, wo die Arbeitskräfte billig sind. [2]

So mächtig ist dieser Konsens über „Globalisierung“ geworden, daß diejenigen, die die Logik des Weltsystems herausfordern wollen, oft als einen Rückgriff auf die Vergangenheit behandelt werden. Das ist eine besonders ungewöhnliche Situation für revolutionäre Sozialisten, denn es ist nicht lange her, seitdem wir von einem großen Teil der Orthodoxie wegen unserer Betonung auf die Macht des internationalen Kapitalismus völlig abgetan wurden.

Es gibt jedoch einige wenige Stimmen außerhalb der revolutionären Linke, die bereit sind zu sagen, daß der König wenige Kleider hat. Der radikale amerikanische Ökonom David Gordon forderte den Konsens in einem wichtigen Artikel vor acht Jahren heraus. Kürzlicher haben die akademischen Reformisten Paul Hirst und Grahame Thompson, der einflußreiche nichtmarxistische Soziologe Michael Mann sowie W. Ruigrok und R. Van Tulder die Golbalisierungsthese frontal herausgefordert. [3] Die Mehrheit ihrer praktischen Schlußfolgerungen sind von unseren sehr unterschiedlich: Mann, Hirst und Thompson insbesondere wollen Platz für die alte Art Reformismus finden und Argumente ordnen, die Hirst z. B. schon in einer Debatte vor 18 Jahren verwendete. [4] Trotzdem lohnt es sich, ihre Herausforderungen des Konsenses zu überprüfen, weil sie wirklich einige seiner größeren Behauptungen lochen, auch wenn sie absolut darüber verwirrt sind, womit sie ihn ersetzen sollten..

Das Gegenargument

Der Kern ihres Arguments besteht darin, daß die „Globalisierung“-Orthodoxie vielleicht mit einigen unbestreitbaren Tatsachen anfängt, aber einige davon sind überhaupt nichts Neues. Und die Orthodoxie geht weiter und errichtet auf ihnen eine Darstellung der Weltwirtschaft und des Verhaltens von Firmen darin, sie sich von der Realität in vielen wichtigen Hinsichten unterscheidet. allzu oft verwechseln ihre Anhänger das, was laut der „neoklassischen“ Theorie der freien Marktwirtschaft der Fall sein sollte, mit dem, was wirklich passiert.

Der internationale Charakter des Kapitalismus ist nichts Neues. Die Suche nach Märkten, die so weit wie möglich über die Welt verstreut sind, und die Umlegung [Umlagerung] von Geldern über Staatsgrenzen sind ein Merkmal des Kapitalismus seit seinen Ursprüngen im Mittelalter gewesen. [5] Der klassische Nationalökonom David Ricardo bestand darauf so weit zurück wie 1821, daß der Staat nicht versuchen sollte, Arbeitsplätze durch Einmischung mit Investition zu schützen, weil: „Wenn man einem Kapital nicht erlaubt, das größte Nettoeinkommen zu bekommen, das die Anwendung von Maschinerie hier ermöglichen wird, wird sie ins Ausland getragen“, was zu „ernsthafter Abhaltung von der Nachfrage für Arbeitskraft“ führen wird. [6]

Bis zur Zeit des Kommunistischen Manifests in 1848 konnten Marx und Engels über das System schreiben mit Worten, die denen sehr ähneln, die heute von Leuten verwendet werden, die die Globalisierung als radikale neue Entwicklung betrachten:

Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muß sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen.

Die Bourgeoisie hat durch ihre Exploitation des Weltmarktes die Produktion und die Konsumtion aller Länder kosmopolitisch gestaltet. Sie hat zum großen Bedauern der Reaktionäre den nationalen Boden der Industrie unter den Füßen weggezogen. Die uralten nationalen Industrien sind vernichtet worden und werden noch täglich vernichtet. Sie werden verdrängt durch neue Industrien, deren Einführung eine Lebensfrage für alle zivilisierten Nationen wird, durch Industrien, die nicht mehr einheimische Rohstoffe, sondern den entlegensten Zonen angehörige Rohstoffe verarbeiten und deren Fabrikate nicht nur im Lande selbst, sondern in allen Weltteilen zugleich verbraucht werden. An die Stelle der alten, durch Landeserzeugnisse befriedigten Bedürfnisse treten neue, welche die Produkte der entferntesten Länder und Klimate zu ihrer Befriedigung heischen. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander. [7]

Das Wachstum der globalen Operationen des Kapitalismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war gut und gerne ebenso groß wie das, was man in den letzten drei Jahrzehnten beobachtet hat. Der Welthandel wuchs um 900 Prozent bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs – mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von etwa 3,4 Prozent pro Jahr zwischen 1870 und 1913. Daneben gab es ein enormes Wachstum der internationalen Finanz, da das Finanzsystem sich auf dem unbeschränkten Goldfluß von einem Land zum anderen. Bis die 1880er und 1890er Jahre floß etwa die Hälfte der Investitionen aus Großbritannien – immer noch dem mächtigsten kapitalistischen Land – ins Ausland. [8]

Die Wachstumsrate des internationalen Handels in den letzten Jahren ist bloß etwa um das gleiche Tempo wie vor einem Jahrhundert, während Regierungen viel mehr einmischen, um den Fluß von Waren und Kapital zu beeinflussen, als sie damals machten. Exporten haben sich vielleicht verdoppelt zwischen 1960 und 1990, bis sie etwa 20 Prozent des weltweiten Ausstoßes bilden. Aber das bedeutet, daß 80 Prozent des Ausstoßes für Märkte innerhalb der Länder bestimmt sind, wo er produziert wird.

Der internationale Handel wuchs in der Tat schneller während der 1950er und 1960er Jahre als während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – um etwa 9,9 Prozent pro Jahr bis 1973 –, aber das hat kürzlicher nicht gestimmt. Und der Anteil der Importe und Exporte für die drei wichtigeren Teile der fortgeschrittenen Welt – die USA, Japan und die EU – ist seit 15 Jahren mehr oder weniger gleich geblieben. [9] Eigentlich ist die Ausnahme, was die Geschichte des Kapitalismus betrifft, nicht das Wachstum des internationalen Handels gewesen, sondern die Tatsache, daß er stagnierte und sogar fiel für mehr als 30 Jahre nach 1914. Das heißt: Wenn der internationale Handel 1914 gleich 100 war; dann fiel er 1920–25 auf 82; bis 1931–35 war sie bloß auf 93 gestiegen, und erst 1948 stieg er auf 103, gerade über dem Niveau von 1913.

Der Fall im Außenhandel während dieser Jahre wurde von zwei Zusammenbrüchen im alten auf Gold gestützten internationalen Währungssystem begleitet – mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs und dann wieder während der Großen Depression Anfang der 1930er Jahre. Ein neues auf dem Dollar wie auch Gold gestütztes internationales Währungssystem, daß sie auf die Regierungen verließ, um Den Versuch zu machen, ihre Wechselkurse festzulegen, das „Bretton Woods“-System, entstand erst gegen Ende des Zweiten Weltkriegs. Seitdem ist es auch Anfang der 1970er Jahre zusammenbrach, sind die Währungen frei dazu, wertmäßig in Verhältnis miteinander zu „schweben“, aber Regierungen (in der Form der Zentralbanken) haben großen Einfluß durch Intervention ausgeübt, um Währungen zu kaufen und zu verkaufen. Das Ergebnis ist, daß die Wechselkurse zu einem bedeutenden Teil von Verhandlungen zwischen Regierungen (oder Zentralbanken) abhängen, eher als von reinen Marktkräften. Wie Mann bemerkt.

Inländische Ersparnisse und Investition stehen immer noch miteinander in Verhältnis auf einem Niveau von 75 Prozent unter den OECD-Ländern, was darauf andeutet, daß ausländisches Kapital nicht so mobil [beweglich] ist ... Und die Unterschiede in realen Zinsraten in den verschiedenen Ländern sind etwa denen vor einem Jahrhundert gleich. In der Tat, es läßt sich zweifeln, ob in vielen Hinsichten das Kapital transnationaler ist als vor 1914, außer im Sonderfall der Europäischen Union. [10]

Bedeutender als das Wachstum des Handels ist das Wachstum der direkten Investition im Ausland, die viermal so schnell wie der Handel Mitte der 1980er Jahre wuchs und seitdem zweimal so Schnell wie Handel gewachsen ist. [11] Ein großer Teil der Glaubwürdigkeit der Orthodoxie über „Globalisierung“ entsteht aus dieser Erscheinung. Sie ermöglicht der Orthodoxie, ein Bild des Kapital zu malen, das gleichmäßig über die Oberfläche der Erde fließt, sich unaufhörlich von einem Ort zum anderen verlegt auf der Suche nach niedrigeren Löhnen und höheren Profiten mit einer Tendenz dazu, Produktionsanlagen gleichmäßig über die fünf Kontinente zu streuen.

Tatsächlich aber unterscheidet sich das wahre Bild der Erörterung des Kapitals davon sehr. Fast alle größeren multinationalen Firmen investieren mehr in einem Land als in allen anderen. Von den 100 größten Firmen, die in der Zeitschrift Fortune aufgelistet werden, machen 40 die Hälfte ihrer Verkäufe oder mehr in ausländischen Märkten, aber bloß 18 erhalten die Mehrheit ihres Vermögens im Ausland und 19 mindesten die Hälfte ihrer Arbeiterschaft. [12] Noch dazu, diese Minderheit, die sich in dieser weise internationalisiert hat, besteht normalerweise aus denjenigen, die ihren Sitz Hohn den kleineren europäischen Ländern – der Schweiz, den Niederlanden, Schweden – haben und die „Internationalisierung“ nimmt normalerweise die Form der Investition in industriellen Regionen in enger Nähe zur eigenen an (Niederländisches Kapital, das nach Großbritannien und Deutschland schaut, schweizerisches Kapital, das nach benachbarten Regionen in Deutschland und Frankreich schaut, usw.). Was hier stattfindet ist oft eher eine „Regionalisierung“ als eine Internationalisierung des Kapitals.

Die größten multinationalen Firmen investieren nicht gleichmäßig über die ganze Welt. Die Mehrheit des Handels und der Investition findet zwischen fortgeschrittenen Ländern statt. So war Anfang der 1990er Jahre die Hälfte der kumulativen Investition Großbritanniens in den USA, 27 Prozent in Westeuropa. Für weltweite Gesamtinvestition im Ausland waren drei Viertel in Nordamerika, Westeuropa oder Japan konzentriert. Die zehn wichtigsten Schwellenländer machten bloß 16,5 Prozent aus (das wär’s, was die Geschichte darüber betrifft, daß Firmen ihr ganzes Geld nach Singapur oder Taiwan verlegen), während die übrige Welt neu 8,5 Prozent bekommt. Mit anderen Worten, weit davon entfernt, ein homogenes „globales“ Spielfeld für Investition zu sein, wird fast zwei Drittel der Welt praktisch von der Karte abgeschrieben, was direkte Investition betrifft. Wie Stopford und Stange darauf hingedeutet haben:

Als Firmen die Kraft der neuen Technik [Technologie] anspannen, um neue Systeme der Tätigkeit zu schaffen, die direkt über Grenzen verbunden sind, so konzentrieren sie sich auf diejenigen Territorien, die das größte Potential dafür anbieten, ihre Investition zurückzugewinnen. Außerdem verschiebt sich in einer wachsenden Anzahl von Schlüsselbranchen die Basis der Konkurrenz, um Produktqualität zu betonen, nicht nur Kosten. attraktive Standorte für neue Investition sind zunehmend diejenigen, die Fachkräfte und effiziente Infrastruktur anbieten ... [13]

Noch dazu konzentriert sich der Großteil der Investition der Firmen eines Landes im gleichen bzw. in benachbarten Ländern, wie folgende Tabelle für die größeren multinationalen Firmen im Jahr 1992–93 zeigt:

Anteil des Geschäfts der multinationalen Firmen
im eigenen Land (Prozentsatz) [14]

Verkäufe
Verarbeitung

Verkäufe
Dienstleistungen

Vermögen
Verarbeitung

Vermögen
Dienstleistungen

USA

64

75

70

74

Japan

75

77

97

74

Deutschland

48

65

n. vorh.

n. vorh.

Frankreich

45

69

55

50

Großbritannien

36

61

39

61

Das Vermögen der multinationalen Korporationen der USA sind hauptsächlich zu Hause konzentriert, und das Vermögen der japanischen ist überwiegend da konzentriert. Im Fall der europäischen Mächte ist das Bild nicht sehr viel anders, wenn man sich auf den Standort des „ausländischen“ Vermögens achtet – es ist überwiegend in den anderen europäischen Staaten. So sind 31 Prozent des Vermögens im verarbeitenden Gewerbe und 35 Prozent des Vermögens im Dienstleistungssektor in anderen europäischen Ländern – was kumulativen Zahlen von 86 bzw. 85 Prozent des Vermögens in dem, was man als Frankreichs „Heimatregion“ nennen könnte. Zahlen sind für die Verteilung des Vermögens der deutschen und italienischen Firmen vorhanden, aber Studien über ihr Verhalten deuten darauf hin, daß sie dazu neigen, den gleichen „regionalen“ Ansatz zu verfolgen wie die Franzosen. [15]

Für Europa wird dieses Bild durch eine 1990er Untersuchung „unter den führenden Managern von 200 großen europäischen Firmen“ bestätigt. Sie zeigte, sie „planten in den nächsten fünf Jahren, 93 Prozent ihrer gesamten Produktion innerhalb Europas durchzuführen, 80 Prozent ihrer Zufuhr von europäischen Quellen zu kaufen und 83 Prozent ihres Ausstoßes an europäische Kunden zu verkaufen“. [16] Wie Hirst und Thompson erklären:

Die extreme Konzentration des Vermögens im Heimatland ist für Japan und die USA offensichtlich ... Die multinationalen Korporationen verlassen sich immer noch auf ihren „Heimatstandort“ [„Home Base“] als das Zentrum ihrer ökonomischen Aktivitäten trotz der ganzen Spekulation über Globalisierung. [17]

Das Bild ist ein bißchen wenige deutlich im Falle der europäischen multinationalen Firmen, weil viele damit angefangen haben, in benachbarten europäischen Ländern zu investierten, aber wenn man die Europäische Union als „Heimatregion“ behandelt, findet man Konzentrationsgrade die mit denen in den USA und Japan vergleichbar sind. Britische multinationale Firmen bilden eine Ausnahme, insofern 20 Prozent ihres Vermögens in den USA sind, eine Zahl, die der für das kontinentale Europa ähnelt. Beide Zahlen sind jedoch viel höher als die für in der ganzen übrigen Welt erörtertes Vermögen (einschließlich den sehr hochgespielten asiatischen „Tigern“).

Das Bild deutet darauf hin, daß wir nicht vor einer globalen Integration stehen, sondern vor einer regionalen Integration innerhalb jeweils der nordamerikanischen, japanischen und europäischen Teile der fortgeschrittenen industriellen Welt. Wenn das so wäre, müßte man das Modewort „Globalisierung“ durch das Wort „Regionalisierung“ ersetzen. [18]

Die multinationalen Firmen

Der „gesunde Menschenverstand“ über Globalisierung betont den unerbittlichen Aufstieg der multinationalen Firmen, die von ihm als Organisationen dargestellt werden, die auf der Suche nach dem billigsten Ort für Investition in jeder Stufe der Produktionsprozesse die Welt durchkreuzen.

Diese Behauptung scheint vielen wahr, weil er von wirklichen Entwicklungen in einer Reihe wichtiger Industrien anfängt. Die Behauptung kann man auch nicht widerlegen, indem man auf die oben zitierten Zahlen für Handel und Investition hindeutet – ein Fehler die Hirst und Thompson begehen. Die Tatsache, daß das Niveau des Außenhandels und der ausländischen Investition 1914 höher waren als heute, beweist nicht an sich, daß sich nichts in bezug auf die Organisation der Produktion geändert hat. Die gleiche Milliarde Pfund könnte Investition in 100 Fabriken darstellen, die gegeneinander konkurrieren, oder sie könnte Investition in einer Gruppe von Fabriken darstellen, die je verschiedene Teile eines einzigen Produktionsprozesses durchführen.

Tatsächlich hat es bestimmte Änderungen in der Produktion gegeben, die die rohe Zahlen für Investition nicht zeigen. Bis 1880 bestanden die meisten Industrien aus einer Vielzahl von kleinen verarbeitenden Einheiten. am Ende des Jahrhunderts fang dieses an, sich mit der Konzentration der Produktion innerhalb jedem Land zu Trusts und Kartellen (?) zu ändern, die dann damit anfingen, die Welt von ausländischen Rivalen zu erobern. Aber es gab kaum internationale Integration des verarbeitenden Gewerbes, und die frühen multinationalen Firmen neigten dazu, entweder sich auf der Gewinnung von Rohstoffen aus der Dritten Welt für Verarbeitung im Westen (wie z. B. Unilever oder die Ölkonzernen) zu stützen oder sich auf dem Besitz von ausländischen Tochterfirmen zu stützen, die sich an völlig lokale Produktion beteiligten (wie z. B. Ford).

So blieb das Bild durch und durch bis Ende der 1960er Jahre. Eine Handvoll Firmen mit einheimischem Sitz (auch wenn sie manchmal in ausländischem Besitz waren), die oft eng mit dem Staat verbunden waren, dominierte jede größere Industriebranche in jedem Land. Aber dann fing die Entstehung von neuen Produktionsmustern an. Es gab eine Umstrukturierung der Industrie in Weisen, die über nationale Grenzen hinaus strecken konnten und die dazu neigten, mit dem Aufstieg einer neuen Welle von europäischen multinationalen Firmen verbunden zu sein. Die Umstrukturierung der Industrien nach den Rezessionen Mitte der 1970er und Mitte der 1980er Jahre war zum großen Teil im internationalen Ausmaß, vielmehr als bloß in einem nationalen Ausmaß.

Aber diese als Entwicklungen von größerer Bedeutung anzuerkennen, die eine neue Phase in der Geschichte des Kapitalismus genau wie die nationale Konzentration am Anfang des Jahrhunderts einleiten, heißt nicht, die „Globalisierungs“-Orthodoxie zu akzeptieren. Ruigrok und van Tulder, obwohl sie in einem äußerst akademischen Stil schreiben, haben den Vorzug über Hirst und Thompson, weil sie sehen, daß größere Änderungen stattgefunden haben, aber darauf bestehen, daß sie nicht zu den Schlußfolgerungen der Orthodoxie über Globalisierung führen.

Sie deuten darauf hin, daß die Rationalisierung der Produktion, um mit der zugenommenen internationalen Konkurrenz zurechtzukommen, nicht heißt, daß alle, oder sogar die meisten, multinationalen Firmen integrierte Produktionsprozesse über die ganze Welt – was man vielleicht „globale Montagebänder“ [19] nennen könnte – gegründet haben. Verschiedene multinationale Firmen reagieren in verschiedenen Weisen auf dem Zwang zu Umstrukturierung. Die Gründung von globalen Montagebändern ist bloß eine besondere Reaktion, nicht die häufigste. Und viele Versuche, sie zu erreichen, sind schiefgegangen. Es schien Ende der 1970 Jahre, als ob Ford und Generals Motors in diese Richtung gingen, als sie zum ersten Mal über das „Weltauto“ sprachen. Aber die Vorstellung wurde nicht Wirklichkeit, und beide Korporationen fuhren mit dem System fort, wo die Fließbänder in Europa sehr unterschiedliche Autos mit ganz anderen Bestandteilen produzieren als die Fließbänder in Nordamerika.

In einer Schrift vor acht Jahren deutete Gordon darauf hin, daß Zahlen für amerikanische multinationale Firmen nicht die Behauptungen unterstützen, daß im allgemeinen sie sich auf Bestandteilen verließen, die sie in ihren Werken in anderen Weltteilen produzierten:

Im Jahre 1966 kam der Handel innerhalb von Firmen, der aus Importen von die ausländischen Tochterfirmen mit Mehrheitsanteilnahme von amerikanischen transnationalen Firmen mit ihren amerikanischen Mutterfirmen bestand, auf 16,8 Prozent der gesamten Importe der USA. Bis 1982 hatte sich das Verhältnis kaum geändert, ein Aufstieg auf 17,1 Prozent.

Noch dramatischer kam der Anteil der gesamten US-amerikanischen Importe von verarbeiteten Gütern, wo transnationale Korporationen in irgendwelcher Form beteiligt waren, auf 75 Prozent. Bis 1977 war dieser Prozentsatz auf 58 zurückgegangen. Bis 1983 war er noch weiter zurückgegangen auf 46,3 Prozent.

Ähnlicherweise kam unter den US-Importe, die von den Steuerbestimmungen über Teilbau im Ausland geregelt werden, der Anteil des gesamten Importwerts, den der ausländische Mehrwert darstellte, auf 51,7 Prozent 1966 und auf 50,9 Prozent 1979, was darauf andeutet, daß es kein Wachstum des Anteils des Mehrwerts gibt, der aus überseeischen Standorte stammt. [20]

Er deutet darauf hin: „Auch in der Dritten Welt richtet sich die Investition der US-amerikanischen Multinationalen in der Verarbeitung auf die Produktion für den einheimischen Markt, nicht für Export ...“ [21] Die Elektronik war eine Industrie, die anscheinend mehr als alle andere als Beispiel für den weltweiten [globalen] Fließband-Ansatz während der 1970er und Anfang der 1980er Jahre, wobei Chips und andere Bestandteile in einigen Ländern der Dritten Welt produziert wurden, die Montage in anderen stattfand und die Produkte schließlich in den fortgeschrittenen Ländern verkauft wurden – aber mindesten eine Studie deutetet darauf hin, daß es eine Umkehrung dieses Trends Mitte der 1980er Jahre gab:

Als die Integration der Chips größer wird, wird verhältnismäßig die Menge der Montagearbeit, die zu tun ist, kleiner ... Diese Änderungen reduzieren die Bedeutung der Arbeitskosten und daher die Anziehungskraft der Standorte in der Dritten Welt im Verhältnis zu den Einsparungen, wenn man die Standorte für halbautomatisierte Montagen und Waferherstellung in den entwickelten Ländern zusammenstellt. Obwohl Werke in der Dritten Welt allen Anschein nach nicht aufgegeben werden, es scheint, als ob Standorte in den fortgeschrittenen Ländern für neue Montagewerke bevorzugt werden ... Viele der Merkmale der Geographie der Herstellung von Halbleitern passen nicht den landläufigen radikalen Stereotypen der Standortsstrategien der multinationalen Firmen und der sich verändernden internationalen Arbeitsteilung. [22]

Eigentlich verlassen sich die meisten multinationalen Firmen immer noch weniger auf dem weltweiten [globalen] Fließband-Ansatz als auf dem alten, wo sie ihre Investitionen in einem bestimmten fortgeschrittenen Land und seinem Nachbarn konzentrierten, und dann verlassen sie sich auf dem reinen Ausmaß der Investition, der Forschung und der Entwicklung da, um einen Vorteil über alle Konkurrenten zu liefern, ob in einem Land basiert oder multinational. Gerade in dieser Weise z. B. kam Boeing zur Vorherrschaft im Weltmarkt für Zivilflugzeuge, erreichten die japanischen Autohersteller ihre riesigen Exporte (erst während der 1990er Jahre fingen die Firmen Toyota und Nissan mit ernsthaften Investitionen im Ausland an), und baute sich die südkoreanische Werftindustrie einen riesigen Anteil des Weltmarkts auf. Gordon deutete darauf hin: „Seit Mitte der 1960er Jahre sind die größten Gewinne der Schwellenländer in Industrien gekommen, die höchst kapitalintensiv sind, wie Stahl, Schiffbau, Chemikalien und in letzter Zeit Autos. Der Schlüssel zu diesen großen Fortschritte ist der massive staatliche Investition und das dramatische Wachstum der Produktivität der Arbeit gewesen.“ [23]

Von steigender Wichtigkeit ist ein dritter Ansatz. er bricht mit der vorwiegend nationalen Basis der Produktion, ohne daß er sich jedoch zum Stereotyp des „weltweiten [globalen] Fließbands“ wendet. Er bedeutet, daß eine vorher national basierte Firma versucht, den ausländischen Widerstand gegen ihren Exporterfolg zu überwinden, indem sie Werke vor Ort gründet. Diese fangen vielleicht als „Schraubenzieher-Werke“ an, die sich einfach zur Montage von Bestandteilen widmen, die aus dem einheimischen Standort der multinationalen Firma importiert werden. Aber dann gibt es eine Tendenz dazu, daß sie sich an Firmen vor Ort für die Lieferung dieser Bestandteile wenden. Die Firmen werden effektiv zu Satelliten der multinationalen Firma innerhalb des Landes und sie kämpfen um ihre Interessen gegen andere lokale bzw. regionale Konkurrenten. Dieser Muster ist laut Ruigrok und van Tulder nicht die „Globalisierung“, wie sie normalerweise verstanden wird, sondern die Glokalisierung.

Eine solche Strategie hat für die betroffene Firma den Vorteil, daß ihre Wirkung auf dem lokalen Markt beträchtlich größer sein kann als die Investition, die sie macht, da praktisch sie das Kapital ihrer lokalen Lieferanten für die eigenen Zielen im Konkurrenzkampf mobilisiert. Die eigenen Kapitalaufwände können viel niedriger sein als unter dem „weltweiten [globalen] Fließband“-Ansatz. Sie ermöglicht es auch der Firma, die Kosten bei der Lieferung ihrer lokalen Fabriken mit Bestandteilen enorm zu senken – was der Grund ist, warum sie, unter dem Namen „Outsourcing“ [1*], von Ford und General Motors in den Vereinigten Staaten sowie in Europa angenommen wird. [24] Wie der Geschäftsführer der schottischen Tochterfirma von Samsung erklärt:

Samsungs europäische Investitionen beginnen ihr Leben mit einem durchschnittlichen Anteil des Stammkapitals von 30 Prozent aus der koreanischen Muttergesellschaft. Der Rest wir vor Ort finanziert ... Samsung hat ehrgeizige Ziele dafür, ihre europäische Operationen unabhängig zu machen.

Es dauert 40 bis 50 Tage, um Produkte aus Korea zu transportieren. Die Reaktion der Lieferungskette ist für unseren Erfolg kritisch. Die Lieferungskette ist das größte einzige Element in unseren Kosten. [25]

Das erklärt zum Teil die Tatsache, daß Löhne nicht das Hauptmerkmal sind, das bestimmt, wo Samsung investiert. Ihre durchschnittlichen Stundenlohnkosten schwanken zwischen $3 in Malaysia, $10 in Korea und Schottland, $13 in Barcelona und $27 in Berlin. [26] Eine solche „toyotaistische“ oder „Glokalisierungs“-Ansatz führt zu einem ganz anderen Verhalten zu dem, das vom Konsens über Globalisierung mit seinem Glauben an dem Weitermarsch der globalen Fließbänder angenommen wird.

Erstens ist eine multinationale Firma, die einen solchen Ansatz annimmt, wahrscheinlich weniger darauf erpicht, eine jede individuelle Investition anderswohin zu tun, da sie dazu dient, das zusätzliche Kapital der lokalen Lieferanten an sich zu binden, als eine Firma, für die eine bestimmte Investition bloß eine kleines Bestandteil einer weltweiten Produktionskette ist. Zweitens, während eine multinationale Firma, die einen „globalen Fließband“-Ansatz annimmt, sich protektionistische Versuche durch einzelne Regierungen oder Gruppen von Regierungen entgegenstellen wird, da diese ihre globalen Kalkulationen stören kann, können „toyotaistische“ multinationale Firmen als „lokale“ Hersteller gegenüber protektionistischen Maßnahmen des Staats, wo sie Tochtergesellschaften haben, gleichgültig sein – und auch gelegentlich solche Maßnahmen gutheißen als eine Weise, wie sie Konkurrenz von anderen multinationalen Firmen abwehren können, die anderswo gesiedelt sind. Daher z. B. investieren japanischen und koreanische Firmen in Großbritannien aus Furcht davor, daß die Europäische Union protektionistische Maßnahmen einführen wird, die ihre Export einschränken. Aber einmal hier gegründet, können sie zum Gefühl gelangen, daß sie aus solchen Maßnahmen positiv gewinnen werden, da diese sie als „lokale Hersteller“ nicht, aber andere ausländische Konkurrenten doch betreffen werden.

Die Globalisierungs-Orthodoxie unterscheidet nicht zwischen diesen ganz verschiedenen Weisen, wobei multinationale Firmen auf die steigende Konkurrenz reagieren kann, weil sie annimmt, daß der Fortschritt der Innovation auf einer Weltebene auch die Integration der Produktion auf einer Weltebene benötigt. Aber das stimmte überhaupt nicht immer.

Firmen in bestimmten Ländern können es nicht leisten, von den Fortschritten abgeschnitten zu werden, die man erst vom Ausmaß der Forschung und der Entwicklung bekommen kann, der weltweit nur einer Handvoll von Firmen zur Verfügung steht, die mit dem Geld locker sein können. Ein Grund für das schließliche Scheitern dabei, national selbstgenügsame Industrien im alten Ostblock und in vielen Entwicklungsländern zu entwickeln, bestand darin, daß ohne Zugang zu vielen neuen in den USA und Japan entwickelten Techniken [Technologien] (besonders in Bereichen wie Mikroelektronik und Computern), ihre Produktionskosten weit über dem Weltdurchschnitt lagen. Aber globale Fließbänder sind nicht eine notwendige Voraussetzung für die Anwendung der neuen Technologien [Techniken]. Oft besteht alles, was benötigt wird, darin, daß eine national bzw. regional basierte Industrie mit einem globalen Zentrum der Innovation verbunden ist., während sie weiter vor Ort die Produktion konzentriert. Eine multinationale Firma muß vielleicht riesige Summen für Forschung und Entwicklung ausgeben, die sie nur ausgleichen kann, wenn sie in so vielen Teilen der Welt wie möglich produziert. Aber das heißt nicht, daß sie einen integrierten weltweiten Produktionsprozeß bilden muß. Sie kann ihre Ausgaben ebenso gut decken, wenn sie ihre neuen Technologien [Techniken] gleichzeitig in Operationen einführt, die in anderen Hinsichten unabhängig voneinander in verschiedenen Weltteilen stattfinden. [27]

Es gibt auch Fälle, wo Firmen, die früher nach dem Muster des „globalen Fließbands“ arbeiteten, die jetzt zu diesem anderen Ansatz gewechselt haben. Ein typisches Beispiel ist die Erdölindustrie. Jahrzehnte lang wurde sie von den berüchtigten Sieben Schwestern dominiert, multinationalen Firmen, die darauf zielten, jeden Schritt im Produktionsprozeß vom Auspumpen des Erdöls aus dem Boden bis zum Tanken der Autos zu besitzen. Während des letzten Vierteljahrhunderts sind sie dazu gezwungen wurden, ihren Ansatz in einigen Weisen zu ändern, unter der Wirkung von Forderungen der Regierungen in der Erdöl produzierenden Ländern für die Übernahme der Ölfelder und der Gründung von Raffinerien und vom Aufstieg von staatlich gesponserten Firmen wie Elf in Frankreich und AGIP in Italien. Aber das heißt nicht, daß die Sieben Schwestern gelitten haben. Sie haben ihre Fähigkeit benutzen können, Ressourcen und Technik [Technologie] weltweit [global] zu mobilisieren, um zu versichern, daß, auch wenn sie nicht unmittelbar Ölfelder bzw. Raffinerien besitzen, sie die Kontrolle über ihre Operationen ausüben und einen schönen Anteil der Profite bekommen.

Theoretiker der Globalisierung können solche Entwicklungen nicht erkennen. Trotzdem versuchen sie oft, die eigene Argumentation zu stärken durch Hinweise auf Investitionen wie die der japanischen Autofirmen in Großbritannien, die von dieser Art sind. Sie beziehen sich oft auf die „flexible Produktion, die z. B. ein Merkmal eines Teils der italienischen Strickwarenindustrie ist, und auf Methoden der „Just-In-Time“-Produktion [2*] als typische Beispiele der Globalisierung, obwohl, wie Mann ganz zurecht bemerkt hat, beide lokalisierte bzw. regionale, eher als globale Produktion implizieren. [28]

Multinationale Firmen und die Bewegung des Kapitals

Ein zentraler Grundsatz des gesunden Menschenverstands über „Globalisierung“ heißt, daß die multinationalen Firmen ihr Kapital bewegen können, wohin auch immer sie sollen, und dabei die Versuche der Regierungen, sie unter Kontrolle zu halten, oder die der Arbeiter, Löhne und Bedingungen zu verbessern, durchkreuzen können. Es ist sehr leicht für Firmen, die im internationalen Handel tätig sind, Geld international zu bewegen. Aber Geld zu bewegen, ist nicht der Bewegung des produktiven Kapitals gleich.

Das produktive Kapital besteht aus Fabriken und Maschinerie, Bergwerken, Docks [Häfen], Büros usw. Es dauert Jahre, um diese aufzubauen, und man kann sie nicht einfach nehmen und abtransportieren. Manchmal kann eine Firma Maschinerie und Anlagen befördern. Aber das ist normalerweise ein anstrengender Prozeß, und bevor man irgendwo anders mit der Arbeit anfangen kann, muß die Firma eine ausreichend fachlich begabte Arbeiterschaft einstellen und ausbilden. Inzwischen muß man nicht bloß die Investition in den alten Gebäuden abschreiben, sondern es gibt auch keinen Ertrag aus der Investition in der Maschinerie.

Noch dazu: wenige Produktionsprozesse sind je völlig selbstgenügsam. Sie hängen von Zufuhr von außerhalb und von Verbindungen mit Verteilungsnetzen ab. also, wenn eine Firma ein Autowerk gründet, muß sie versichern, daß es sichere Quellen für Schrauben, Bolzen und Schraubenmutter, Stahl von der richtigen Qualität, eine Arbeiterschaft mit dem richtigen Ausbildungsniveau, zuverlässige Strom- und Wasserversorgung, ein vertrauenswürdige Finanzsystem, freundliche Bankiers, und ein Straßen und Bahnnetz gibt, das fähig ist die fertigen Produkte zu befördern. Sie muß andere Menschen – andere Firmen oder Regierungen – überzeugen, diese Sachen zu liefern, und der Prozeß der Sammlung dieser Bedingung kann Monate oder sogar Jahre von Verhandlungen brauchen, was Ausprobieren wie auch Zukunftsplanung umfaßt. Multinationale Firmen werfen diese Vorzüge [Haben] nicht einfach weg in der Hoffnung, daß sie die wiederfindet Tausende von Kilometern weg, weil die Arbeitskräfte ein bißchen billiger sind oder die Regierungen ein bißchen kooperativer sind. Solche Umzüge brauchen Zeit und Anstrengung und fassen die Abschreibung der bestehenden „ausgelegten Kosten“ um. Das produktive Kapital kann nicht einfach ungebunden sein.

In der Praxis arbeiten die meisten kapitalistischen Unternehmen nicht einfach auf der Basis von Marktkalkulationen, sondern auch auf der Basis der langfristigen Verhältnisse, die sie mit anderen Unternehmen bilden, die ihnen verkaufen und von ihnen kaufen. Sonst würden sie in ständiger Angst davor leben, daß jede Änderung in den Marktbedingungen ihre Lieferanten dazu bringen würde, anderswo zu verkaufen, und daß diejenigen, die ihre Waren transportieren oder im Einzelhandel verkaufen, plötzlich Interesse an ihnen verlieren würden. Sie versuchen, diese ändern Firmen durch eine Mischung aus finanziellen Anreizen, geschäftlichen Gefälligkeiten und persönlichem Kontakt „einzuschließen“.

Ruigrok und van Tulder betonen diesen Punkt, indem sie darauf bestehen, daß die Produktion nicht in einzelnen Firmen stattfindet, sondern in „industriellen Komplexen“, die über Jahre hin gewachsen sind und die nicht leicht stückweise abzubauen sind: „Weder einzelne Firmen noch Staaten, sondern industrielle Komplexe bilden den Schwerpunkt des internationalen Wettrennens über Umstrukturierung.“ [29]

Natürlich verschieben Firmen die Standorte ihrer Werke und zukünftige Investitionen finden nicht immer in den gleichen Orten statt, wo frühere Investitionen stattfanden. Die Umstrukturierung faßt oft die Schließung von alten Werken und die Eröffnung von neuen um. Aber Entscheidungen darüber, solche Sachen zu machen, werden nie leichtfertig getroffen und Kosten werden immer dadurch verursacht. Aus diesem Grund bevorzugen Firmen, wenn sie sich umstrukturieren, normalerweise den Weg des „Gradualismus [Allmählichkeit]“ – den stückweisen Umzug von einem alten Werk zum neuen, wobei sie die alten Lieferungs- und Verteilungsnetze unversehrt halten und die Beeinträchtigung des „Komplexes“ um sie minimiert.

Arbeitsplatzverluste und die Bewegung des Kapitals

Die Behauptung, daß die Bewegung des Kapitals in die weniger entwickelten Länder auf der Suche nach niedrigen Lohnkosten, die Hauptursache der steigenden Arbeitslosigkeit in den fortgeschrittenen Ländern gewesen ist, wird kaum von den Tatsachen bestätigt. Natürlich hat es einige Stellenverluste gegeben. Die Publicity, die einigen Fällen gegeben wird – wie z. B. dem Fall von British Airways, die einen Teil ihrer Computerarbeit nach Indien verlegte –, sollte niemanden zum Glauben führen, daß diese die Haupterklärung für das hohe Niveau der Arbeitslosigkeit ist. Schließlich beträgt auch bei British Airways die Zahl der Entlassungen seit der Privatisierung 17.000; die Zahl der in Indien eingestellten Computerbedienungskräfte bloß 130. [30] Etwas anderes steht hinter der Verlust der anderen 16.870 Arbeitsplätze.

Das Muster der Investitionen durch die multinationalen Firmen liefert sicherlich nicht ein Bild der massiven Investition in Ländern mit billigen Arbeitskräfte auf Kosten der Arbeitsstellen in den fortgeschrittenen Ländern. Ganz im Gegenteil, wie oben bemerkt – die Mehrheit der direkten ausländischen Investition durch die multinationalen Firmen findet in den fortgeschrittenen Ländern statt. Das ist so wegen des einfachen Grundes, daß die multinationalen herausgefunden haben, daß diese die rentabelsten Länder sind, wo sie investieren können:

Mitte der 1970er Jahre betrug die durchschnittliche Ertragsrate der US-amerikanischen Korporationen für ihre ausländischen Investitionen im verarbeitenden Gewerbe in den Schwellenländern etwas mehr als die entsprechende Ertragsrate für die entwickelten Länder; bis 1985 war die Ertragsrate im verarbeitenden Gewerbe für direkte US-amerikanische Investitionen im Ausland in den weniger entwickelten Ländern auf bloß zwei Drittel ihres Niveaus in den entwickelten Ländern zurückgegangen. [31]

Noch dazu: Die Schwellenländer, die den größten Aufstieg der Investition erlebt haben, sind nicht im allgemeinen diejenigen gewesen, die die niedrigsten Löhne haben. Also, während der größte Teil des ärmsten Kontinents, Afrika, stagniert und einen Abfluß des Kapitals erfährt, hat das Wachstum sich mit einer verhältnismäßig raschen Tempo in Ländern wie Südkorea fortgesetzt, die verhältnismäßig hohe Löhne haben (durchschnittlich nur etwas niedriger als in Großbritannien). Es hat eine beträchtliche Bewegung von Industrien mit einem relativ niedrigen Fachinhalt, wie billige Textilien und Schuhwerk, Kleidung und grundsätzliche Haushaltswaren (die Art Waren, die in „Pfennigmärkten“ verkauft werden), nach Wirtschaften mit niedrigen Löhnen in Indien und besonders in China. Aber die Herstellung von Textilien und Schuhwerk von höherer Qualität, von weißen Waren (wie Kühlschränken, Herden usw.), von Autos, Flugzeugen, Werkzeugmaschinen usw. bleibt innerhalb der fortgeschrittenen Ländern konzentriert., während es auch eine Tendenz für Elektronik gegeben hat, sich zurück zu den fortgeschrittenen Ländern zu verlegen.

Gesamtimporte in die fortgeschrittenen OECD-Länder aus den Nicht-OECD-Ländern wuchsen von etwa 1 Prozent bis auf etwa 2 Prozent des Bruttosozialprodukts zwischen 1982 und 1992. Aber diese zahlen können nicht das Niveau der Arbeitslosigkeit erklären, das von 6 Prozent bis auf 20 Prozent überall in den fortgeschrittenen OECD-Ländern reicht. Maximal einige Hunderttausende der Zehnmillionen von Arbeitsplätzen, die während der letzten zwei Jahrzehnten vernichtet worden sind, lassen sich direkt der Fertigimporte zuschreiben, die einheimisch hergestellten Produkte ersetzt haben.

Es gibt andere Beweise, die den gleichen Punkt zeigen. Die Arbeitslosigkeit während der letzten beiden Jahrzehnten hat nicht bloß Arbeitsplätze in Industrien betroffen, die der ausländischen Konkurrenz ausgesetzt sind. Die Nachfrage nach ungelernten Arbeitskräften insbesondere ist gefallen in fast allen Industrien. Unter den am härtesten Betroffenen sind die, wo das Eindringen von Importen notwendigerweise klein oder nicht existent ist – im Baugewerbe, im Zeitungsdruck, in der Hafenarbeit, im öffentlichen Dienst, in der Polizei und Telekommunikation, im Müllabfuhr und in einer Menge von anderen. Stellenverluste in diesen Industrien lassen sich nur einerseits der Tatsache, daß Firmen versuchen, die Profite die Senkung von Kosten und neue Technologie [Technik] zu erheben, und andererseits den immer wiederkehrenden Rezessionen zuschreiben.

Dies wurde von zwei Studien über Stellenverluste in den USA Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre bestätigt. Eine schaute Änderungen bei der Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe zwischen 1972 und 1980 an. Sie fand heraus, daß die Stagnation der Wirtschaft für einen Rückgang von 1,5 Prozent bei der Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe verantwortlich war, während Änderung beim Außenhandel ein Wachstum von 2,1 Prozent verursachte. Die andere Studie behauptet, daß 20 Prozent der Stellenverluste zwischen 1972 und 1980 unmittelbar Importen zuzuschreiben waren, aber 64 Prozent der Mangel an Nachfrage in der US-amerikanischen Wirtschaft. [32]

Der Ökonom Adrian Wood von der Universität Sussex behauptet, daß Exporte aus der Dritten Welt für einen beträchtlichen Teil der Arbeitslosigkeit in den fortgeschrittenen Ländern, er behauptet, sie haben zu „einem Fall von 20 Prozent in der Nachfrage nach ungelernten Arbeitskräften überall in der entwickelten Welt“ geführt haben. [33] Aber auch er versucht nicht, den Schuld direkt auf Importe zuzuschieben, die Arbeitsplätze ersetzen. Statt dessen behauptet er, daß sie indirekt die Zahl der Arbeitsstellen reduzieren, indem sie Firmen dazu veranlassen, sich zu neuer arbeitssparenden Technik [Technologie] umzustellen, um rentabel und konkurrenzfähig zu bleiben. Mit anderen Worten: Es ist hauptsächlich die Rationalisierung, die Arbeitsplätze vernichtet, nicht Importen aus bzw. die Bewegung des Kapitals nach, Wirtschaften mit niedrigen Löhnen.

Multinationale Firmen und Staaten

Die Argumentation für Globalisierung nimmt an, daß das Kapital zunehmend auf die Dienste eines Nationalstaats verzichtet. Hirst und Thompson sowie Ruigrok und van Tulder stellen diese Behauptung in Frage, indem sie eine Masse von Beweisen über die weitere Abhängigkeit jeder multinationalen Firma von einem „nationalen Stützpunkt“ und von den Operationen des Staats innerhalb dieses nationalen Stützpunkts liefern:

(i) Erstens, wie gesehen, konzentriert die Mehrheit der multinationalen Firmen weiter die Mehrheit ihrer Produktion innerhalb des einen Staats, oder mindestens innerhalb des einen Staats und seiner engen Nachbarn.

(ii) Auch die Investition, die in Richtung Standorte mit „billigen Arbeitskräfte“ außerhalb der fortgeschrittenen Länder fließt, ist nicht von den Operationen im heimischen Staat unabhängig. Hirst und Thompson deuten darauf hin, daß die multinationalen Firmen aus jedem der größeren Staaten dazu neigen, ihre Investitionen und ihre Verkäufe in der Dritten Welt und in den Schwellenländern auf bestimmte Länder zu konzentrieren, wo der Staat Einfluß ausübt. Also fließt das deutsche Kapital nach Osteuropa; das französische nach Mittel-, West- und Nordafrika; das US-amerikanische nach bestimmten Ländern in Lateinamerika, Japan nach Ländern am Rande des Pazifiks usw. „Die Richtung der Verhältnisse der direkten Investitionen im Ausland ist zwischen dem einer oder der anderen ... Großmacht und ihre um sich scharenden ‚Klient‘-Staaten, eher als zwischen den Klientstaaten selbst.“ Ruigrok und van Tulder merken, daß mindestens zehn „führende Kernfirmen“ ihre Internationalisierungsstrategie „teilweise nach den geopolitischen Mustern der kolonialen Herrschaft (Royal Dutch Shell, British Petroleum, Unilever, Elf-Aquitaine, Alcatel-Alsthom, Total, ICI, British Aerospace, Petrofina, BTR)“ aufgebaut haben.

(iii) Auch wo die Produktion international stattfindet, konzentrieren sich Forschung und Entwicklung im heimischen Stützpunkt. So auch bei den am meisten internationalisierten Firmen, den aus den Niederlanden, Schweden und der Schweiz, sie „führen die Mehrheit ihrer Forschung und Entwicklung zu Hause – zwei Drittel im Falle der schweizerischen Firmen, 75 Prozent im Falle von 20 führenden schwedischen multinationalen Firmen“. Patel und Pavitt fanden in Studien über die Globalisierung der Technik [Technologie], daß „in den meisten Fällen die technologischen [technischen] Aktivitäten von großen Firmen in ihrem Heimatland konzentriert werden“. [34]

(iv) Der Staat spielt weiter eine Schlüsselrolle bei der Gründung und der Aufrechterhaltung viele Schlüsselfirmen:

Mindestens 20 Firmen in der 1993 „Fortune 100“-Liste hätten überhaupt nicht als unabhängige Firmen überlebt, wenn sie nicht von ihren entsprechenden Regierungen während der letzten anderthalb Jahrzehnte gerettet worden wären. Unter den wichtigsten Fällen sind die britischen, französischen und italienischen Stahlkonzerne Anfang der 1980er Jahre, Chrysler Anfang der 1980er Jahre, und McDonnel Douglas, die SEAT-Tochtergesellschaft von VW.

So spät wie 1993 kam die schwedische Regierung zur Unterstützung der Skandinavska Enskilda Banken (der Familienbank des Wallenberg-Konsortiums) und der Handelsbanken, Schwedens beider größerer Banken mit großen Anteile in schwedischen Produktionsfirmen wie Volvo, Electrolux, Ericsson, Asea, Stora und SKF. Das Wallenberg-Konsortium allein macht 40 Prozent der Stockholmer Börse aus. [35]

Ähnlicherweise war es der südkoreanische Staat, der Daewoo 1987 vor der Pleite rettete. Zusätzlich dazu hängen alle der wichtigsten Telekommunikationsfirmen für ihre größeren Verträge von Regierungen ab – sowie von Verhandlungen zwischen Regierungen und internationalen Konsortien –, was auch natürlich der Fall ist für Firmen in der Rüstungsindustrie. „Alle früher bzw. gegenwärtig führenden US-amerikanischen Hersteller von Computern, Halbleitern und Elektronik in der 1993er „Fortune 100“-Liste haben enorm von bevorzugten Rüstungsverträgen profitiert.“ [36]

(v) Nicht zuletzt waren 23 aus der „Fortune 100“-Liste des Jahres 1993 „unmittelbar an der Erdölindustrie beteiligt“ [37] – einer Industrie, die berüchtigt abhängig von der durch die US ausgeübte militärische Hegemonie ist, um Drohungen gegen ihre Operationen im Nahen Osten abzuwehren.

Die Umstrukturierung der Industrie, um zunehmender internationaler Konkurrenz zu begegnen, bedeutet keineswegs das Ende der Abhängigkeit der Firmen von Staaten, auf denen sie einen besonderen Einfluß ausüben. Eigentlich kann gerade die von der Konkurrenz geprägte Lage der globalen Wirtschaft die Abhängigkeit der multinationalen Firmen von Regierungen steigern, wie Stopford und Strange in einer Studie über die Verhältnisse zwischen den beiden darauf bestanden haben:

Wachsende gegenseitige Abhängigkeit heißt jetzt, daß die Rivalität Zeichen Staaten und die Rivalität zwischen Firmen über einen sicheren Platz in der Weltwirtschaft viel erbitterter, viel intensiver geworden ist. Als Ergebnis davon sind Firmen mehr mit Regierungen verwickelt geworden und Regierungen sind zur Erkenntnis gekommen, daß sie zunehmend von den knappen Ressourcen unter der Kontrolle von Firmen abhängig sind. [38]

Daher können die „toyotaistischen“ Firmen, die parallele Produktionseinheiten in verschiedenen Weltteilen bauen, können erst Hegemonie über die lokalen Firmen (vielmehr als ihrem Druck unterworfen werden), wenn die Vorherrschaft in Schlüsselbereichen wie Forschung und Entwicklung, ihnen die obere Hand gibt, wenn es zu Verhandlungen kommt. Aber das heißt, daß man diese Aktivitäten da hält, wo man sie unter strenger Kontrolle stellen kann, im Land ihres „heimischen Stützpunkts“ mit einem Staat, auf dem sie sich verlassen können, um ihre Interessen in internationalen Verhandlungen über „intellektuelles Urheberrecht“ zu verteidigen.

Aber nicht nur die „heimischen“ Regierungen sind für die multinationalen Firmen wichtig. Wenn auch immer sie eine beträchtliche Investition in irgendwelchem Land gemacht haben, werden die Politiken seiner Regierung für sie ein wichtiger Faktor – sie liefert ihnen Subventionen, schafft ein zugängliches Steuersystem für sie, liefert infrastrukturellen Verbindungen, bildet eine Arbeiterschaft mit den notwendigen Fertigkeiten aus uns so fort. Sie können beträchtliche Verluste machen, wenn sie die Regierung ihrem Willen geringfügig machen kann, und daher neigen sie dazu, von ihr abhängig zu werden, gerade wie sie von ihnen abhängig wird. Das gibt Regierungen etwas Einfluß über multinationale Firmen, auch wenn aus politischen Gründen sie oft das Gegenteil behaupten. Wieder, wie Stopford und Strange merken:

Nur wenige Firmen können in einem „grenzenlosen“ Welt [einer Welt „ohne Grenzen“] funktionieren. Regierungen, sowohl im Gastland als auch zu Hause, spielen weiter eine äußerst wichtige und, vielleicht paradoxerweise, eine wachsende Rolle. [39]

Eine Welt aus nichtnationalen Kapitalien?

„Die Nationalitäten von Firmen wird zunehmend irrelevant“, behauptete Großbritanniens Schatzkanzler [Finanzminister], als er 1988 Industrieminister war. [40] Es ist eine Behauptung, die von vielen Befürwortern der Globalisierungs-These wiederholt worden ist. Trotzdem sind die empirischen Beweise, die sie untermauern sollten, in Wirklichkeit äußerst spärlich. Die Kapitalisten eines jeden Landes heute fliegen wirklich von einem Weltteil zum anderen und verhandeln Geschäfte, sie führen wirklich Tarnfirmen in Dutzenden Finanzzentren und Off-shore und schieben Gelder von der einen zur anderen, während sie von der einen Ferienwohnung zur anderen pendeln. Es entsteht das, was Stopford und Strange „eine privilegierte transnationale Geschäftszivilisation“ [41] nennen, der Embryo einer einzigen weltumspannenden herrschenden Klasse.

Aber die Kontrolle über jede multinationale Firma bleibt in den Händen von Kapitalisten aus einem bestimmten Land fest verankert, wie Ruigrok und van Tulder durch eine Masse Forschung beweisen. Von 30 US-amerikanischen „Kern“firmen hatte 1991 nur fünf ein ausländisches Mitglied im geschäftsführenden Vorstand, und bloß 2 Prozent der Mitglieder der Vorstände von großen amerikanischen Firmen waren Ausländer. Bloß zwei aus 20 großen japanischen Firmen hatten ein Ausländer in ihrem Vorstand. Von 15 deutschen „Kern“firmen hatte bloß vier einen Ausländer im Vorstand. [42]

Auch der Besitz von Aktien ist viel nationaler konzentriert, als durch das ganze Gerede über „globale Märkte“ impliziert wird. Ruigrok und van Tulder merken, daß wenige „Kernfirmen haben über 10 Prozent ihrer Aktien im ausländischen Besitz haben“, und die meisten japanischen und koreanischen kümmern sich überhaupt nicht darum, um zu sichern das ihre Aktien in ausländischen Börsen zugelassen werden, während die meisten ausländischen Anteile von deutschen Aktien in der deutschsprachigen Schweiz und Österreich sind. [43] Niederländische, schwedische und schweizerische multinationale Firmen sind wegen der Kleinheit [Bescheidenheit] der nationalen Stützwirtschaft gezwungen worden, ihre produktive Aktivitäten zu internationalisieren, aber: „Viele von ihnen bleiben in vielen Hinsichten bemerkenswert nationalistische ... Sie unterscheiden sich nicht durch ihre Zulassung in ausländischen Börsen ...“, und sie „neigen dazu nur wenige Leute in den oberen Vorständen und Aufsichtsräten zu haben, die nicht Staatsbürger sind ... Bis 1994 hatte bloß Phillips einen wirklich internationalisierten Vorstand und Aufsichtsrat.“ [44]

Wenn Firmen nicht den internationalen Aktienbesitz und die internationale Kontrolle ermutigen, machen sie es auch nicht leicht für einzelne Investoren in dem einen Land, rentabel in multinationalen Firmen anderswo zu investieren. Wie Peter Martin von der Financial Times vor kurzem in einem Artikel merkte, die „die Schaffung einer homogenen globalen Wirtschaft“ pries:

Es wird immer leichter sein, das herauszufinden, was innerhalb einer lokal basierten Firma passiert, als ein Geschäft mit Sitz auf der anderen Seite der Welt zu überprüfen ... Das Risiko bei einer Währung ist noch schwieriger. Ein Investor ... würde ... vor einem potentiellen Mißverhältnis stehen zwischen der Währung, worin seinen Besitz bezeichnet wird, und der Währung, worin am wahrscheinlichsten seine Ausgaben stattfinden. [45]

Die Bewertung der Argumentation

Der Kern des Beweismaterials, die sich gegen den Konsens über „Globalisierung“ zurechtlegen, läßt sich nicht herausfordern. Das System ist international, aber so ist es immer gewesen. Firmen werden die rentabelsten Standorte für Investitionen international aufsuchen, aber das heißt nicht, daß sie „ungebunden“ sind und bestehende Standorte kurzfristig verlassen können, noch heißt es, daß sie irr dahin gehen, wo die Arbeitskräfte am billigsten sind. Es gibt eine Tendenz dazu, die Produktion über nationale Grenzen hinweg umzustrukturieren, aber das hindert nicht die multinationalen Firmen daran, sich auf nationale bzw. regionale Stützpunkte zu verlassen, woher sie sich in die breite Welt lancieren, und es impliziert keineswegs immer die Gründung von weltweiten Fließbändern. Kapitalistische Staaten werden in ihrer Fähigkeit eingeschränkt, das Funktionieren des Systems, das sie unterstützen, unter Kontrolle zu halten, aber das heißt nicht, daß sie dafür irrelevant sind.

Trotzdem sind die von Mann, Hirst und Thompson gezogenen Schlußfolgerungen in zweierlei Hinsicht falsch.

Erstens betrachten sie, daß die Beschränkungen des gesunden Menschenverstands über Globalisierung Platz für eine Wiederkehr an den nationalen Reformismus lassen – oder auch den regionalen bzw. globalen Reformismus. So schlägt Mann vor, daß es eine „nordische“ Weise gibt, wie man mit der zugenommenen globalen Konkurrenz zurechtkommen kann durch „eine Strategie des hohen Niveaus der Fertigkeiten und der Bildung sowie der High-Tech, die große Regierungsausgaben braucht“, die zu „einem größeren nationalen Reichtum“ führen würde [46], während die Stabilität international möglich ist durch „trilaterale [dreiseitige] Vereinbarungen zwischen US-amerikanischen, japanischen und doppelt deutsch-europäischen Regierungseinrichtungen, manchmal in den breiteren G7-Staaten verankert“, die es für den „Kernpunkt der Modernität der Aufklärung, den Weltfrieden“ möglich macht, endlich „mindestens in einem Weltteil Wirklichkeit“ zu werden. [47]

Hirst und Thompson sind noch expliziter über ihren fortdauernden Glauben an der Wirksamkeit der stückweisen Reform.

Sie glauben, Regierungen können Ordnung in die Wirtschaft durch eine geringe Anpassung der traditionellen Verfahren bringen. Alles, was benötigt wird, argumentieren sie, ist, daß diese Regierungen ihre gegenwärtigen „ökonomischen Gipfeltreffen“ zur systematischen Zusammenarbeit auszubreiten. Wenn nur die „G3“ (die USA, Japan und „Europa“) Regeln für die Geldmärkte und die direkte Investition festlegen, wird die daraus ergebende „Herrschaft“ das System zur Ordnung bringen. Dann werden andere Nationalregierungen, und innerhalb deren Landes- und Kommunalbehörden, „den Konsens orchestrieren“ können, worin „die verschiedenen Faktoren der Produktion eine Beziehung zueinander nicht bloß zu Marktbedingungen haben, d. h. Arbeit und Management und Kapitalgeber und Firmen.“

Das ist alles ein Hirngespinst – und ein Hirngespinst, das zu reaktionären Schlußfolgerungen führt. Die ökonomischen Gipfeltreffen kein Zeichen, daß sie die Weltwirtschaft regeln, noch weniger sie in eine rationale Richtung lenken können. Die sind ein großer Kuhhandel, wo die konkurrierenden Regierungen die Interessen der mit ihnen verbundenen konkurrierenden Firmen fördern. Sie handeln konzertiert, wenn zufällig ihre Interessen miteinander übereinstimmen (z. B. wenn es dazu kommt, ein Land irgendein anderes Land für die gemeinsame Ausbeutung zu eröffnen), oder wenn die mächtigste von ihnen (die USA) erfolgreich die anderen dazu einschüchtert, ihre Hegemonie zu akzeptieren (was als „eine neue Weltordnung“ verkleidet wird). Meistens ist jedoch das Ergebnis nicht konzertierte Aktion, sondern die Unfähigkeit, eine Übereinstimmung zu erreichen – „die neue Weltunordnung“.

Den Aufruf zu machen, daß diese Körperschaften größere „Herrschaft“ ausüben sollten, heißt, daß man fordert, daß sie mehr Macht dafür haben sollten, die übrige Welt im Interesse der mächtigsten Kapitalisten unterzuwerfen, und daß man innerhalb dieser Situation eine noch größere Vorherrschaft des US-amerikanischen Kapitalismus fordert. Das Gerede über „Europa“ als eine „ökonomische“ Macht ist auch im Reich der Phantasie. Europa ist nicht eine einzige Einheit, sondern eine sich miteinander streitende Koalition aus konkurrierenden Staaten, deren Kapitalisten sich gegenüberstehen, ebenso sehr wie sie denen aus den USA und Japan gegenüberstehen. Zu Gelegenheiten heißt diese Konfrontation Bündnisse, um Märkte untereinander aufzuteilen, aber zu anderen Gelegenheiten heißt sie erbitterte Streiten als diese Bündnisse auseinanderbrechen und neue konkurrierende Bündnisse gebildet werden.

Es gibt natürlich mächtige Interessen die auf einen integrierteren europäischen Kapitalismus drängen, und damit auf die Anfänge eines zusammenhängenden europäischen Staates. Aber diese Interessen rechnen nicht mit einer friedlichen, harmonischen und humanen Welt, der die Art „Herrschaft“ vorsteht, die das Leben der Menschen verbessern würde. Vielmehr sind sie darauf erpicht, ein Europa zu bilden, wo die uneingeschränkte Vorherrschaft des Kapitals durch die Maastrichter Kriterien und einer vor jeder Art der demokratischen Kontrolle sicheren Zentralbank geschützt wird.

Der zweite Fehler in ihrer Darstellung betrifft ihre Interpretation der Geschichte des Systems während des 20. Jahrhunderts. Wie gesehen, ignoriert die Betonung von Hirst und Thompson auf quantitativen Wachstumszahlen für den internationalen Handel und Investition wichtige Änderungen, die von einer Periode zur anderen bei der qualitativen Organisation der Produktion ereigneten. Sie machen auch keinen wirklichen Versuch, eine Erklärung dafür zu geben, was während der Periode vom Ersten Weltkrieg bis Anfang der 1950er Jahre hindurch passierte, wo der internationale Handel und Investition sank – eine Periode, die eine Tendenz überall in der Welt zur wachsenden Integration zwischen Kapital und Staat oder zum „Staatskapitalismus“, wie Lenin und Bucharin sie nannten, bezeugte.

Hirst und Thompson teilen in ihrer Bewertung dieser Periode die gleich Meinung mit den meisten Theoretikern der Globalisierung. Sie betrachten die staatliche Intervention als die Aktion der Regierungen unter dem Druck der öffentlichen Meinung, um durch die Anwendung von „keynesianistischen“ Methoden der ökonomischen Lenkung eine Depression zu abzuwehren. Aber während die Theoretiker der Globalisierung glauben, daß es eine radikale Änderung gegeben hat, die solche Macht von den Staaten abgenommen hat, glauben Hirst und Thompson, daß Staaten immer noch die Macht haben, wenn sie sich bloß dazu bringen können, sie anzuwenden.

Zugrundeliegend bei den beiden Positionen ist ein Mißverständnis darüber, was während der Blütezeit des Staatskapitalismus stattfand. Regierungen überall in der Welt sprachen von „ökonomischer Planung“, verstaatlichten bestimmte Industrien und brachten mehr oder weniger Entscheidungen über Investition den einzelnen Kapitalisten ab. [48] Und während des letzteren Teils dieser Periode, ab den 1940er bis Anfang der 1970er Jahre gab es einen beispiellosen Aufschwung sowie einen beispiellosen Aufstieg im Lebensstandard der Arbeiter – was von einigen Schriftstellern als „das goldene Zeitalter des Kapitalismus“ bezeichnet worden ist.

Aber der Aufschwung und der steigende Lebensstandard waren nicht das Ergebnis des Keynesianismus bzw. der Einmischung der Regierungen unter dem Druck der öffentlichen Meinung. Regierungen fanden sich völlig unfähig dazu, die Wirtschaft anzukurbeln, als ihre Hauptmotivation dazu die Beseitigung der durch den ökonomischen Abschwung verursachten Massenarbeitslosigkeit und Armut war. Mann bemerkt ganz zurecht, daß, lange bevor überhaupt jemand über „Globalisierung“ sprach:

Es ist zweifelhaft, ob reformistische Politiker ihre „potentielle“ Macht dazu, Wechselkurse oder Zinsraten zu manipulieren, viel angewandt hatten, um frei Gelder auszugeben und eine Umverteilung einzuleiten. Sie machten es am meisten in den merkwürdigen Umständen der Nachwirkungen von zwei Weltkriege ... Bei den meisten anderen Gelegenheiten sind sie anscheinend völlig durch kapitalistischen Orthodoxien und das Gespenst der Kapitalflucht und der Kursschwankungen diszipliniert worden ... Ich denke ... vom absoluten Zusammenbruch der linken politischen Ökonomie vor den internationalen kapitalistischen Zwängen in Ländern wie Großbritannien, Deutschland oder Spanien ab 1929. Ich bin immer noch nicht überzeugt, daß die internationalen kapitalistischen Zwänge auf dem Nationalstaat in der gegenwärtigen Periode einzigartig bedrohlich sind. Die Zwänge hat es immer gegeben. [49]

Und es war nicht, wie Mann vorschlägt, bloß eine Mangel an Willenskraft seitens der reformistischen Regierungen, die zu solchen Versäumnissen führte. Sie waren in Wirklichkeit von der Logik des Reformismus selbst gefangen, die den Versuch umfaßte, das System funktionsfähig zu machen – und das hieß, daß sie ihre Politik den Bedürfnissen der Kapitalakkumulation unterordneten. Daher stammt die Tatsache, daß Regierungen mit Interventionsprogrammen in den Jahren zwischen den 1930er und den 1970er Jahren nur wirksam waren, als die Akkumulation oder den Trieb zum Rüstungswettbewerb erleichterten. Sie waren unwirksam, als ihre Hauptmotivation darin bestand, Reformen im Interesse der Masse der Bevölkerung zu liefern.

Das erklärt, warum der Aufstieg der staatlichen Intervention – die Tendenz zu größeren oder minderen Graden des Staatskapitalismus – von Kriegsvorbereitungen unzertrennlich war, Vorbereitungen, die während der 1930er Jahre eher von Angriffen auf den Lebensstandard und die Arbeitsbedingungen der Masse der Menschen als von Verbesserungen begleitet wurden. Erst nachdem die Kriegsvorbereitungen als unbeabsichtigte Folge die Depression zu einem Aufschwung gewandelt hatten, fing die Verbesserung des Lebensstandards und der Arbeitsbedingungen in Ländern wie Großbritannien und den USA an.

Die vorherrschende ökonomische Orthodoxie der Periode stellte die Wirklichkeit auf den Kopf und schrieb den Aufschwung den eigenen „keynesianistischen“ Ansichten zu. Aber eine Untersuchung der empirischen Belege für diese Jahre zeigt, daß die Intervention der Regierungen in den fortgeschrittenen Ländern ab den 1940er bis hin zu den 1970er Jahren darauf gezielt war, eher den Aufschwung zu bremsen, als die Rezession zu überwinden. [50]

In weniger fortgeschrittenen Teile der Welt gab es größeren Spielraum für Intervention, da lokale Kapitalistenklassen relativ schwach waren. Gruppen, die nicht notwendigerweise aus der etablierten Kapitalistenklasse konnten die Kontrolle über den Staat gewinnen, ein Programm der Verstaatlichung des lokalen Kapitals durchdrücken, um die Industrialisierung einzuführen, und sich in eine staatskapitalistische Klasse umwandeln. Daß passierte in Osteuropa nach 1945, in China, Vietnam und Kuba sowie in Ländern wie Argentinien, Ägypten, Syrien, Irak und Algerien.

Typisch benutzten Regimes die direkte Macht des Staates, um die Anzahl der direkten Verbindungen mit ausländischen Kapitalisten zu beschränken, und um Aufschwünge zu verlängern, indem sie den physischen Ausstoß von „nichtvorrangigen“ zu „vorrangigen“ Teilen der Wirtschaft zu Bewegung jedes mal, das Tendenzen zur Rezession erschienen. Diese Regimes sprachen von Planung und beschrieben sich normalerweise als irgendeine Form des Sozialismus (den „Kommunismus“, den „arabischen Sozialismus“, den „afrikanischen Sozialismus“, den „islamischen Sozialismus“ und sogar den „königlichen Sozialismus“). Aber da die „nichtvorrangigen“ Sektoren immer diejenigen waren, die den Lebensstandard der Arbeiter und der Bauern betrafen, war das sicherlich nicht ein Fall, wo der Staat intervenierte, um die Bedürfnisse der Masse der Bevölkerung zu fördern. Es war eigentlich eine Weise, wie der Staat der inneren Wirtschaft den militärischen oder Marktzwängen vom übrigen kapitalistischen Weltsystem unterordnete. Die „Autonomie“ des Staates bestand darin, daß er wählen konnte, genau wie er die Dynamik des Weltsystems auf die lokale Bevölkerung auferlegte, nicht daß er dieser Dynamik den Rücken wenden konnte.

Es gab weitere wichtige Änderungen im Weltsystem ab Mitte der 1970er Jahre. Aber diese Änderungen beraubten dem Staat nicht irgendwelche magische Kraft, so zu handeln, als ob das übrige Weltsystem nicht existierte. Sie verschoben eher die wirksamsten Weisen, wie Staaten die Akkumulation des national basierten Kapitals (ob „staatlich“ oder „privat“) angesichts der Zwänge vom System als Ganzem fördern könnten.

Die Reduzierung der direkten Verbindungen der inneren Wirtschaft mit dem ausländischen Kapital hatte es vielen Staaten ermöglicht, ein hohes Tempo der Kapitalakkumulation für mehr als eine Generation zu leiten. Aber jetzt wurde diese zu einer zunehmend kostspieligen Wahl, weil sie die Möglichkeiten beschränkte, den Zugang zu neuen Technologien [Techniken] zu bekommen, die in den Händen der größten ausländischen Firmen der Welt waren. Während ab Anfang der 1930er Jahre bis Anfang der 1960er Jahre es schien, daß, je weiter Wirtschaften in Richtung des Staatskapitalismus gegangen waren, desto größer ihre Wachstumsraten waren, schien es bis Anfang der 1980er Jahre umgekehrt. Regimes standen unter enormem Druck, um zu erlauben, daß das heimische Kapital sich direkt mit Kapitalien in anderen Teilen des Weltsystems in Verbindung setzten dürfte – Anleihen von ausländischen Banken, die Bildung von Bündnissen mit ausländischen multinationalen Firmen als Gegenleistung für den Zugang zu neuen Technologien [Techniken], Importe von einer zunehmenden Palette von Kapitalanlagen und Bestandteilen, die Bezahlung dafür mit einer immer größeren Betonung auf Verkäufen in ausländischen Märkten.

Das passierte, gerade als die Weltwirtschaft als Ganze in eine neue Periode von Krisen ab 1974 eintrat. Regierungen, die vorher ein Lippenbekenntnis zu keynesianistischen Verfahren abgelegt hatten, ohne sie während des langen Abschwungs je anwenden zu müssen, mußten jetzt vor der Rezession stehen und fanden heraus, daß diese Verfahren nicht funktionierten.

Staaten fanden heraus, daß sie nicht die nationale kapitalistische Akkumulation vor der Weltkrise schützen könnten, gerade zur Zeit, wo die weltweite Krise wieder gewaltig zurückkehrte. Das war verheerend für die konsequentesten Staatskapitalismen, diejenigen, die normalerweise als „sozialistisch“ im Ostblock und in Teilen der Dritten Welt bezeichnet wurden. [51] Es war ebenso verheerend für Reformisten, die glaubten, daß sozialdemokratische sich auf keynesianistischen Vorschriften stützenden Politiken den Weg nach vorne in den fortgeschrittenen westlichen Ländern bildeten. In Großbritannien gab die Labour-Regierung diese Vorschriften 1976 auf. In Frankreich folgte Mitterrand sechs Jahre später. Die Beliebtheit der Vorstellungen der „Globalisierung“ entstand, als die Erfahrung den Glauben widerlegte, daß die von oben durchgeführte Reform des Systems Krisen daran hindern könnte, die Wirtschaft zu befallen. Aber anstatt zu erkennen, daß dieser Glaube nie gestimmt hatte, betrachten die Theorien der „Globalisierung“ diese Situation als neues Merkmal.

Eigentlich ist das, wovor wir heute stehen, keine neu immense Macht in den Händen des internationalen Kapitals, sondern eine Macht, die mindestens so weit zurück wie Ricardo geht. Es ist die Macht dazu, denjenigen zu erzählen, die irgendeinen Teil des Systems zu reformieren versuchen, daß sie die von seiner Dynamik der von der Konkurrenz geprägten Akkumulation geschaffenen Gesetze befolgen müssen. Die einzigen Erfolge, die der Reformismus behaupten kann, sind in Perioden wie am Ende der 1940er Jahre, während der 1950er Jahre und am Anfang der 1960er Jahre, als auch Länder mit ausgesprochen prokapitalistischen Parteien an der Regierung wie die BRD, Italien oder sogar die USA Reformen gewährten, die die Arbeiter begünstigten. Im Gegensatz dazu, wenn auch immer das System durch Perioden der Krise gegangen ist, sind reformistische Regierungen machtlos gewesen und ihre Minister haben versucht, sich zu entschuldigen, indem sie auf „internationale“ Kräfte außerhalb ihrer Kontrolle andeuteten. So erklärte Ramsay MacDonald dem Parteitag der Labour Party 1930, daß es wenig gab, das seine Regierung machen könnte:

Also meine Freunde, stehen wir nicht vor Gericht. Es ist das System, unter dem wir leben. Es ist zusammengebrochen, nicht nur auf diesem kleinen Insel; es ist in Europa, in Asien, in Amerika zusammengebrochen; es ist überall zusammengebrochen, wie es zwangsläufig zusammenbrechen mußte. [52]

Die Argumentation des „Austromarxisten“ und ehemaligen deutschen Finanzministers Rudolf Hilferding war fast identisch: „Das grundsätzliche Problem besteht darin, daß wir dem Volk nicht in einer konkreten Weise erzählen können, wie wir die Krise beseitigen werden, welche sofort erfolgreiche Mittel wir anwenden würden ...“ [53] „Zu viel“, behauptete er, „lag außerhalb der Hände der deutschen Sozialdemokratie, außerhalb der Hände jeder: die Wirtschaftskrise war international.“ [54]

MacDonald und Hilferding benutzten nicht das „G“-Wort, aber ihre grundsätzliche Entschuldigung dafür, daß sie Versprechen nicht hielten, die Bedingungen der Massen zu verbessern, war im wesentlichen dieselben, die reformistische Politiker heute benutzen – daß die Macht des internationalen Systems zu groß ist, daß die Aktion der Regierung überhaupt einen Unterschied machen würde.

Es gibt eine einfache Antwort auf solche Argumente, ob in ihrer 1930er oder in ihrer 1990er Form. Reformistische Regierungen können nicht Kitt der Krise klarkommen, weil sie die Einschränkungen des Systems akzeptieren. Sie sind bereit, die wichtigsten Produktionsmittel in den bestehenden Händen zu lassen, und insofern sie versuchen, die Macht des Kapitals beschränken (Wechselkontrollen, Regulierung der Investition, Programme von öffentlichen Ausgaben), machen sie das von oben durch die bestehenden Staatsapparate – Apparate, die auf der Annahme der Zusammenarbeit mit dem Kapital aufgebaut wurden, und nicht des Widerstands dagegen, und die oben von denjenigen dominiert werden, die sich mit den Interessen des Kapitals identifizieren. In der reformistischen Perspektive gibt es keinen Platz für die direkte Aktion der Arbeiter von unten. Trotzdem ist es gerade solche Aktion, die, wenn sie überall in der Wirtschaft koordiniert wird, Aktionen durch das Kapital (Verlegung des Kapitals ins Ausland, Schließung von Betrieben, das Hamstern von Notwendigkeiten) verhindern, die Versuche verhindern sollten, die Bedingungen der Masse der Bevölkerung zu verbessern – und die weiter gehen können, um die Produktionsmittel zur Arbeit zu stellen, die die Bedürfnisse, nicht den Trieb nach Profit befriedigen sollten.

Natürlich führt das uns dann zurück zum Problem der Revolution in einem Land. Ein einzelnes Land, egal wie groß, hat nicht innerhalb seiner Grenzen die Mittel dazu, eine Gesellschaft der Fülle zu gründen, die die Voraussetzung für den Sozialismus ist. Solche Mittel sind vom Kapitalismus auf einer weltweiten Ebene, und jedes Land, das auf unbestimmte Zeit von der übrigen Welt abgeschnitten ist, weit davon entfernt, den Kapitalismus abzulösen, wird auf lange Sicht seinen Zwängen erliegen. Aber das heißt nicht, daß es nicht kurzfristig manövrieren kann, um sich aufrechtzuerhalten, während es ökonomische Änderungen zugunsten der Mehrheit seines Volkes (Umverteilung des Reichtums von den Reichen zu den Massen, Umlenkung der Verschwendung in Richtung der Bedürfnisse der Menschen, Anwendung der Produktionsmittel, die außer Betrieb gelassen wurden, weil sie nicht ausreichend rentabel waren) durchführt und seine Ressourcen benutzt, um ähnliche Änderung in anderen Ländern zu ermutigen.

Wie erfolgreich es ist, wird von einer Vielfalt von zufälligen Bedingungen abhängen – wie groß es ist, wie sehr es für sein unmittelbares Überleben von Ressourcen außerhalb seiner Grenzen abhängt, vom Grad, wozu die Großmächte, die gegen die von ihm durchgedrückten Änderungen sind, untereinander gespalten sind, und vor allem vom Grad, wozu es die revolutionäre Gärung in anderen Ländern ermutigen kann.

Der wichtige Punkt hier ist jedoch, daß die Änderungen im Kapitalismus, die konventionell unter dem Namen „Globalisierung“ gehen, machen nicht einen solchen Versuch, einen revolutionären Durchbruch zu erringen, qualitativ schwieriger. Zum Beispiel, die Frage der Abhängigkeit von außerhalb der Staatsgrenzen war eine zentrale Frage während der revolutionären Welle am Ende des Ersten Weltkriegs. Bolschewistisches Rußland litt enorm darunter, daß es von den Kohlengruben der von den Deutschen besetzten Ukraine und vom Erdöl des von den Briten besetzten Baku abgeschnitten wurde; Deutschland litt unter einer akuten Mangel an Nahrungsmitteln am Anfang 1919; auch eine Revolution im fortgeschrittensten europäischen Kapitalismus jener Zeit, Großbritannien, hätte vor dem Problem der Abhängigkeit der Nationalwirtschaft vom Handel gestanden. Für Reformisten waren diese alle, damals wie heute, Argumente dafür, daß man den vom Kapitalismus festgelegten Rahmen akzeptieren muß; Für Revolutionäre sind sie Argumente dafür, daß man eine Perspektive der Ergreifung der Macht und danach der Verbreitung der Revolution haben muß.

Die globale Wirtschaft und die Macht der Arbeiter

Nicht bloß reformistische Regierungen sind laut dem Konsens über „Globalisierung“ machtlos. Auch Arbeiter, wird behauptet, haben eine viel kleinere Fähigkeit, sich den Diktaten des Kapitals zu widersetzen als in der Vergangenheit. Das ist ein Argument gegen jeden Versuch durch eine Arbeiterregierung, mit dem System zu brechen. Aber es ist auch ein Argument über die Vergeblichkeit des Kampfs der Arbeiter sogar um die minimalsten Reformen innerhalb des Systems – ob um Reformen des Sozialstaats oder um Verbesserungen der Löhne oder der Arbeitsbedingungen gegen die Unternehmer. Jeder ernsthafte Versuch der Arbeiter, ihre Forderungen auf das Kapital zu zwingen, wird einfach dazu führen, daß es sie ignoriert oder, wenn notwendig, irgendwohin anders im System abhaut.

Aber, wie früher gesehen, ist das industrielle Kapital nicht ungebunden. Es kann natürlich langfristig umziehen, aber nur wenn es bereit ist, einen hohen Preis zu bezahlen. Noch dazu, Gerade die internationale Integration, worauf der Konsens über Globalisierung eine solche Betonung legt, steigert die Kraft von bestimmten Gruppen von Arbeitern in Verhandlungen. Im echten globalen Fließband könnte prinzipiell eine Gruppe von Arbeitern, die einen einzigen Bestandteil in fast jedem Land herstellen, eine ganze weltumspannende Industrie stillegen. In Wirklichkeit, wie gesehen, ist der globale Fließband ganz selten. Aber die Konzentration auf einer „regionalen“ Basis wird zunehmend häufig – und so auch ist die Erfahrung, daß eine relativ kleine Gruppe von Arbeitern eine ganze multinationale Firma stillegen kann. Das passierte 1988, als Ford-Arbeiter in Großbritannien streikten und die ganzen Operationen von Ford Europa in drei oder vier Tagen zum Stillstand brachten. Es passierte noch kürzlicher, als eine relativ kleine Gruppe von Arbeitern in einem Bestandteilwerk die ganzen nordamerikanischen Operationen von General Motors hielten.

Arbeiter haben viele Niederlagen über die letzten zwei Jahrzehnte gelitten. Aber sehr wenige davon waren deswegen, weil das Kapital einfach seine Koffer packte und irgendwohin anders umzog. Normalerweise sind sie passiert, weil Firmen die Produktion in bestehenden Werken oder manchmal in neuen weiterführen konnten, die ein paar Kilometer weg waren. So beruhte die Niederlage der Druckarbeiter bei Rupert Murdochs News International 1987 auf der Eröffnung von einer neuen Anlage etwa zwei Kilometer entfernt von der alten – und sie hätte vermieden werden können. wenn die Führer der Druckergewerkschaften bereit gewesen wären, die Produktion im alten Werk zu halten, bevor Murdoch bereit war, umzuziehen. Sie hätten dann Murdochs Zeitungsoperation in Großbritannien getroffen und dadurch den geldmachenden Apparat lahmgelegt, von dem er abhing, um die Zinsen für seine enormen globalen [weltweiten] Schulden zu bezahlen. Feigheit, Unfähigkeit oder Mangel an Solidarität seitens der Gewerkschaftsführer eher als die reine Macht der multinationalen Firmen stand hinter der Niederlage der britischen Bergarbeiter 1985, der Matrosen auf den Fähren am Ärmelkanal 1988, der Docker [Hafenarbeiter] 1989. Es erklärt auch viele der Niederlagen, die den US-amerikanischen Arbeitern beigebracht wurden – die Fluglotsen unter den Händen Reagans, die Niederlagen bei Hommel in Iowa, bei Staley im Süden Illinois usw. Das Kapital gewann nicht deswegen, weil es ungebunden war, sondern weil es rücksichtslos kämpfte, während die Gewerkschaftsführungen die Gemäßigtheit und die Anständigkeit predigten.

Die „Globalisierung“ der Produktion spielte keine bedeutende Rolle, die es den Unternehmern bei überhaupt einem von diesen Kämpfen ermöglichte, den Kampf zu gewinnen. Aber die Ideologie der „Globalisierung“ hat eine Rolle gespielt. Sie hat die Vorstellung ermuntert, daß multinationale Firmen zu mächtig sind, daß sie von „altmodischen“ Formen des Arbeiterkampfs getroffen werden können – und die Aufgabe dieser Formen des Kampfs hat den Sieg den multinationalen Firmen übergeben.

Die Gestalt der Zukunft

Es gibt eine letzte Schlußfolgerung, wozu der Konsens über Globalisierung führen kann: daß das System, obwohl unkontrollierbar, weniger gefährlich als in der Vergangenheit geworden ist. Das ist deswegen, weil Staaten mit ihren schwer bewaffneten Streitkräften angeblich von abnehmender Bedeutung für den Kapitalismus sind. Er braucht vielleicht einen Staat, um ihn gegen die Revolte von unten zu schützen, um mit Regimes fertig zu werden, die „bösartige Einzelgänger“ geworden sind und die normalen Spielregeln nicht gehorchen, um die Unverletzlichkeit von Verträgen zu garantieren und um bestimmte Teile der Infrastruktur zu liefern. Aber der Kapitalismus braucht keine konkurrierenden Staaten, die die freie Bewegung des Kapitals und des Handels stören. Er sollte sich auf eine hegemonische Macht übereinstimmen können (vermutlich die USA), die eine Weltordnung überwachen wird, wo der Freihandel zunehmend die Norm ist, und wo militärischer Konflikt eine geringfügigere Rolle spielt.

Die Widerlegung des Konsenses sollte zu einer sehr verschiedenen Meinung des Wegs führen, dem das Weltsystem folgt, eines, der von internationalen Konflikten und Kriegen charakterisiert, wie auch von unkontrollierbaren ökonomischen Krisen. Verschiedene Firmen haben verschiedene Interessen und werden zu den einzelnen Staaten schauen, über die sie Einfluß ausüben, um diese Interessen durchzusetzen.

Es gibt Firmen, die dazu schauen werden, die globale Vorherrschaft durch den Freihandel durchzusetzen – entweder durch die national basierte Produktion, die alle Konkurrenten unterdrücken kann, oder durch globale Fließbänder. Offensichtlich ist das die Perspektive von wichtigen Teilen des US-amerikanischen Großkapitals, wie auch von einigen britischen multinationalen Firmen, die bereit sind, in einem Bündnis mit ihnen zu arbeiten. Aber auch im Falle dieser Firmen ist ihr „National“staat –und besonders das Pentagon mit seinen riesigen Rüstungsverträgen – von äußerster Bedeutung für die Aufrechterhaltung der Produktion. Sie hängen auch von ihrem Nationalstaat ab, um ihre Interessen gegen andere durchzusetzen, wenn es darauf kommt, das System als Ganzes zu gestalten. Daher z. B. die langwierigen Anstrengungen des US-Staats, um die Erzwingung des „intellektuellen Urheberrechts“ während der letzten GATT-Verhandlungen zu bekommen, und sein Bestehen darauf, daß internationale Behörden wie der IWF, die Weltbank und die Welthandelsorganisation einen „Freihandel“-Ansatz zur ökonomischen Entwicklung gutheißen.

Andere Firmen können jedoch andere Strategien für die Eroberung der Weltmärkte verfolgen – Strategien, die eine andere Haltung zur Rolle er Staaten implizieren. Also bauten die meisten japanischen Firmen ihre globale Präsenz durch das Exporten von innerhalb einer Wirtschaft, wo der Nationalstaat und die nationalen Geschäftspraktiken einen starken Grad des Schutzes lieferten. Dann zu einem bestimmten Zeitpunkt, als sie mit Schutzzölle oder Quoten von anderen Staaten bedroht wurden – Drohungen, auf die sie oft reagierten, indem sie „freiwillige Beschränkungen“ auf Exporten zugestanden – haben sie damit angefangen, sich zur Produktion durch lokale Tochtergesellschaften zu wenden (der „toyotaistische“ oder „Glokalisierungs“-Ansatz). Wenn das einmal geschehen ist, können sie ganz glücklich den Protektionismus vom lokalen Staat akzeptieren, sogar ermutigen, als eine Weise, wie man die Konkurrenz von konkurrierenden multinationalen Firmen abwehrt, die ihren Stützpunkt anderswo haben.

Deutsche und französische Firmen neigen dazu, sich aus ihren nationalen Stützpunkten in die benachbarten Teile Europas auszudehnen, was sie dazu führt, zu einer regionalen europäischen Politik zu schauen, die durch verstärkte europäische Einrichtungen, eher als durch den weltweiten Freihandel erlassen sollte.

Keine von diesen Strategien bedeutet, daß wir eine Wende zur Aufteilung der Welt in fast selbstgenügsame nationale bzw. regionale Wirtschaften bezeugen, wie es die Tendenz während der 1930er Jahre war. Der Welthandel steigt weiter. Aber er ist kein Freihandel, der sich auf der Nichteinmischung der Staaten stützt, er ist eher der „verhandelte Handel“, wobei Staaten sich weiter gegenseitig unter Druck setzen, die Forderungen der mit ihnen verbundenen Kapitalien zuzugestehen.

Ein großer Teil des britischen Kapitalismus steht in einer eigenen Kategorie. Ruigrok und van Tulder deuten darauf hin, daß er das einzige fortgeschrittene Industrieland ist mit „schwacher Zusammenhalt“. [55] Es gibt eine außergewöhnlich hohe Anzahl von ausländischen Investoren in der heimischen Wirtschaft und sie kommen in fast gleichen Zahlen aus den USA und aus der Europäischen Union. [56] Gleichzeitig führen multinationale Firmen mit Sitz in Großbritannien einen viel höheren Anteil ihrer Produktion im Ausland durch, als es der Fall seit mit denjenigen aus den anderen großen fortgeschrittenen Ländern – und wieder ist diese Produktion nicht in einer Region konzentriert, sondern ist fast gleich zwischen Europa und Nordamerika aufgeteilt, mit einer kleineren Menge in Ostasien.

Diese Tatsachen erklären vielleicht die Begeisterung für das Gerede über „Globalisierung“ in Großbritannien. Schriftsteller verallgemeinern auf den ganzen Weltkapitalismus aus der Erfahrung eines abnehmenden [zurückgehenden] Teils. Aber dabei lassen sie die Komplexität dieser Erfahrung außer acht. Denn ein Teil der Investition kommt von multinationalen Firmen, die weltweite Produktionsstrategien haben (z. B. IBM), aber die am schnellsten wachsenden Investitionen kommen von multinationalen Firmen, die europaweiten Strategien haben (nicht bloß die europäischen Firmen, sondern auch die amerikanischen und fernöstlichen Autohersteller). Und gleichzeitig gibt es sehr wichtige multinationale Firmen mit Sitz in Großbritannien (British Aerospace, GEC, Plessey, Rolls Royce) die von den beträchtlichen militärischen Ausgaben des britischen Staates für einen großen Teil ihrer Forschung und Entwicklung und einen beträchtlichen Teil ihrer Märkte abhängig sind.

Diese auseinandergehenden Perspektiven von verschiedenen Branchen des multinationalen Kapitals in Großbritannien führen zu ganz unterschiedlichen Interpretationen der internationalen Strategie, die vom Nationalstaat verfolgt werden sollte, besonders wenn es zur Haltung zur ökonomischen und Währungsunion in Europa kommt. Für einige Branchen ist eine solche Union eine natürliche Folgerung ihrer zunehmend europäischen Organisation der Produktion. Für andere könnte sie zum gefährlichen Hindernis zu ihren globalen Ambitionen sein. Das Argument ist nicht zwischen denjenigen, die sich darauf verlassen, daß der Staat ihre Wünsche erfüllt, und denjenigen, die sich nicht darauf verlassen. Es ist vielmehr zwischen unterschiedlichen Strategien für die Verwendung des Staates, der einen, die ihn als Stützpunkt betrachtet, wovon man globale Vereinbarungen verhandelt, und der anderen, die die Betonung auf der europäischen Umstrukturierung legt. Und das Bild wird weiter durch die Anwesenheit von wichtigen Teilen der mittleren und der kleinen Industrie kompliziert, die immer noch in einer überwiegend nationalen Perspektive arbeiten.

Das modische Gerede über „Globalisierung“ kann nicht diese Spaltungen beleuchten, weil es nicht zwischen den ganz verschiedenen Weisen unterscheiden kann, wie verschiedene Firmen sich angesichts der internationalen Konkurrenz umstrukturieren. Und wenn sie die Fragen in Großbritannien, der am meisten internationalisierten der wichtigsten Wirtschaften, eher verhüllt, als beleuchtet, dann führt es einen völlig irre im Falle der anderen Wirtschaften. Entwicklungen im Weltsystem verändern vielleicht das Verhältnis zwischen Staaten und Firmen. Aber sie führen nicht zur Verlust der Verbindung zwischen Firmen und Staaten, noch führen sie die größeren Kapitalien, die um die weltweite Vorherrschaft ringen, zur Verlust einer bestimmten nationalen Stützpunkt.

Diese ist nicht die Welt, die von der Theorie der Globalisierung dargestellt wird, die sich auf irgendwelcher „neoklassischen“ Modell des Systems stützt, die aus gleichmäßig verteilten Atome des Kapitals besteht, die in freier Wechselwirkung miteinander stehen. Vielmehr ist sie eine Welt, wo eine beschränkte Zahl von Staaten und multinationalen Firmen gegeneinander drückt, sie schieben und ziehen sich gegenseitig, als jeder versucht, die anderen zu überreden, seine Wünsche zu erfüllen, wie riesige Kraken mit ineinander verschlungenen Tentakeln. Und die Überredung ist nicht bloß auf ökonomische Manöver beschränkt, denn diese beliebt eine Welt, wo die größten Industriestaaten darauf bestehen, daß sie ihre militärische Fähigkeit trotz der Beendigung des Kalten Krieges behalten, und wo die am schnellsten wachsenden Schwellenländer in Ostasien sich an einem Wettrüsten miteinander und mit ihren Nachbarn beteiligen.

Das System ist instabil und gefährlich gerade deswegen, weil Kapitalien Verbindunge[n mit Staaten behalten, und die Möglichkeit der Anwendung der Gewalt weiter eine wichtige Rolle spielt, als die multinationalen Firmen weiter gegeneinander um die weltweite Vorherrschaft kämpfen. Die Tatsache, daß die Gewalt normalerweise außerhalb der fortgeschrittenen Länder selbst angewandt wird, verkleinert nicht ihre abscheulichen Wirkung auf die Bevölkerung vor Ort, noch ihre destabilisierende Wirkung auf das System als Ganzes. Die Bombardierung von Bagdad ist ebenso sehr Teil der Logik des Systems als die Handelsvereinbarung über Mehrfachfasern oder das Gefeilsche über Tantiemen für die Verwendung der neuesten Software.

Die Globalisierungstheorie kann das nicht sehen. Noch können diejenigen Reformisten wie Hirst und Thompson, die für eine mythische keynesianistische Vergangenheit nostalgisch sind, egal wie richtig die einzelnen Punkte sind, die sie gegen die Globalisierungstheorie machen. Aber iß ist etwas, das revolutionäre Sozialisten verstehen können müssen. Es heißt, daß Wirtschaftskrisen sich immer in politischen Erschütterungen ausdrücken. Und es heißt auch, daß der Kampf nicht bloß gegen die materielle Mangel ist, sondern auch für das Überleben der Menschheit, für den Sozialismus gegen die Barbarei.

Anmerkungen

1. N. Harris, The End of the Third World, London 1986, S. 198.

2. Tribune, 21. Juni 1996.

3. D. Gordon, The Global Economy New Left Review 168, März/April 1988; P. Hirst und G. Thompson, Globalisation in Question, London 1996; M. Mann, As the twentieth century ages, New Left Review 214, 1995; W. Ruigrok und R. van Tulder, The Logic of International Restructuring, London 1995).

4. Bei Marxism, der theoretischen Veranstaltungswoche der britischen SWP, in 1978.

5. Wie z. B. der große Wirtschaftshistoriker Ferdinand Braudel deutlich in seinem Buch The Wheels of Commerce (dem zweiten Band seiner Trilogie Civilisation and Capitalism), New York 1982, beschreibt.

6. D. Ricardo, On the Principles of Political Economy and Taxation, Cambridge 1995, S. 39.

7. Marx u. Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, in Marx u. Engels, Ausgewählte Werke (später MEAW), Bd. I, Berlin 1986, S. 420.

8. Zahlen für den internationalen Handel und den Fluß von Investitionen werden in Hirst u. Thompson, a.a.O., und in Ruigrok u. van Tulder, a.a.O., S. 124, gegeben.

9. Hirst u. Thompson, a.a.O., S. 19–22.

10. Mann, a.a.O., S. 117–8.

11. Zahlen für die Flüsse des internationalen Handels und Investition werden gegeben in Hirst u. Thompson, a.a.O., sowie in Ruigrok u. van Tulder, a.a.O., S. 124.

12. Ruigrok u. van Tulder, a.a.O., S. 156.

13. J. Stopford u. J. Stange, Rival States, Rival Firms. Cambridge 1991, S. 1.

14. Die Tabelle stützt sich auf Zahlen in Hirst u. Thompson, a.a.O., S. 128. (n. vorh. = nicht vorhanden)

15. Ruigrok u. van Tulder, a.a.O., S. 128.

16. ebenda, S. 159.

17. Hirst u. Thompson, a.a.O., S. 95.

18. Eigentlich, wie ich früher argumentiert habe, gibt es starke Gegentendenzen, die ständig die „regionale“ Integration stören. Das ist besonders offensichtlich im Fall von Großbritannien, wo einerseits Investition in den USA genauso wichtig ist für die größeren Firmen als die Investition im übrigen Europa, während auf der anderen Seite Investition aus Japan in bestimmten Industriebranchen bedeutend ist. Und auch im Falle von Frankreich und Deutschland wird die Tendenz zur europäischen Integration durch eine weitergehenden Tendenz zur Konzentration des Kapitals in konkurrierende national integrierte Blöcke in der Maschinenbau- und der Luftraumfahrtindustrie ausgeglichen; s. meinen Artikel The State and Capitalism Today, in International Socialism 2 : 51. [Jetzt auch auf Deutsch: Staat und Kapitalismus heute.]

19. Ruigrok und van Tulder benutzen den Ausdruck „Makrofordismus“ – aber sie verwenden ihr auch für die Integration der Produktion auf einer kontinentalen Basis in Europa wie für die globale Integration.

20. G. Thompson, a.a.O., S. 49.

21. ebenda, S. 50.

22. A. Sayer, Industrial location on a world scale, in Scott u. Storpfer (Hrsg.), Production, Work, Territory, Boston 1986, S. 116–20.

23. D. Gordon, a.a.O., S. 52.

24. s. z. B. die Darstellung von Fords Pläne für ihr Werk bei Halewood in Liverpool, Roller Coaster Ride for Mersey Plant, The Guardian, 19. September 1996.

25. Financial Times, 21. Oktober 1996.

26. ebenda.

27. Diese ist eine Unterscheidung, die ich für meinen Teil in der Vergangenheit nicht gemacht habe; s. die relevante Passage in meinem Buch Explaining the Crisis, London 1984.

28. M. Mann, a.a.O., S. 117.

29. W. Ruigrok u. R. van Tulder, a.a.O., S. 164. Das Argument ist demjenigen sehr ähnlich, das ich selbst in meinem Artikel The State and Capital Today in International Socialism 2 : 51 machte:

Jedes produktive Kapital wächst innerhalb der Grenzen eines bestimmten Territoriums auf, in Nachbarschaft von anderen verwandten Kapitalien (sie sind ‚feindliche Brüder‘ wie Marx es formulierte). Sie stehen in wechselseitiger Abhängigkeit zueinander in bezug auf Rohstoffquellen, Finanzen und Märkte. und sie arbeiten zusammen, um die sozialen und politischen Bedingungen in ihrem Territorium möglichst den eigenen Zielsetzungen anzupassen ... Der Nationalstaat und verschiedene national ansässigen Kapitalien wachsen zusammen auf wie Kinder innerhalb einer Familie. Die Entwicklung des einen beeinflußt unweigerlich die Entwicklung der anderen ...

Die verschiedenen Kapitalgruppen und der Staat, mit dem sie verbunden sind, bilden ein System, in dem jeder den anderen beeinflußt. Der spezifische Charakter eines jeden Kapitals wird durch das Zusammenwirken mit anderen Kapitaleinheiten und dem Staat beeinflußt. Er spiegelt also nicht nur den allgemeinen zwang zur Wertsteigerung, zur Akkumulation, wider, sondern auch die spezifische Umgebung, in der es aufgewachsen ist. Der Staat und die individuellen Kapitalien sind miteinander verquickt, eines nährt sich vom anderen ... Die Marktmodelle der klassischen und neoklassischen Ökonomie stellen die Einzelkapitalien als isolierte Atome dar, die in blindem Wettkampf mit anderen Kapitalien leben. In der wirklichen Welt haben Kapitalisten immer versucht, sich einen Wettbewerbsvorsprung durch Bündnisse untereinander und durch Bündnisse mit ehrgeizigen politischen Führern zu verschaffen – die ebenso durch Geld zementiert werden, wie auch durch Eheschließungen, durch die Filzokratie der Elite [alte Seilschaften] und durch Geselligkeiten.

30. Laut einer Pressemitteilung der Gewerkschaft GMBATU, 11. Juni 1996.

31. D. Gordon, a.a.O., S. 42.

32. Die beiden Studien werden zitiert und analysiert ebenda, S. 39.

33. Für eine Darlegung seiner Ansichten s. S.  Flanders, Developing Countries Call the Tune, Financial Times, 6. Oktober 1995.

34. zit. in Ruigrok u. van Tulder, a.a.O., S. 138.

35. ebenda, S. 218.

36. ebenda, S. 219.

37. ebenda.

38. J. Stopford u. J. Strange, a.a.O.

39. ebenda.

40. zit. in der Financial Times, 20. Juni 1988.

41. J. Stopford u. J. Strange, a.a.O.

42. Ruigrok u. van Tulder, a.a.O., S. 157–8.

43. ebenda.

44. ebenda, S. 161-3.

45. Financial Times, 3. August 1996.

46. M. Mann, a.a.O., S. 120.

47. ebenda.

48. Für eine Darstellung dieser Periode s. mein Buch Explaining the Crisis, Kap. 2-3.

49. M. Mann, a.a.O., S. 119.

50. s. R.C.O. Matthews, Why Has Britain Had Full Employment Since The War? Economic Journal, September 1968, S. 556.

51. Wie ich 1976 schrieb: „Die Ära, wo der Staat Nationalkapitalisten von der unmittelbaren Wirkung der Weltkrise schützen konnte, kommt zu ende ... Jeder nationale Staatskapitalismus wird immer mehr in ein chaotisches desorganisiertes Weltsystem eingesaugt, wo die einzige Ordnung die ist, die von den Krisen und der Zerstörungskraft des Weltmarkts selbst geschaffen wird.“ Poland and the crisis of state capitalism, International Socialism 93 u. 94 (erste Serie).

52. zit. in R. Skidelsky, John Maynard Keynes, Bd. 2, London 1994, S. 378.

53. R. Hilferding, Brief an Karl Kautsky, 2. Oktober 1931, zit. in P.F. Wagner, Rudolf Hilferding, Theory and Politics of Democratic Socialism, New Jersey 1986, S. 155.

54. ebenda.

55. W. Ruigrok u. R. van Tulder, a.a.O., S. 284.

56. Die neuesten Zahlen, für das Jahr 1993, zeigen, daß Firmen im ausländischen Besitz für 25 Prozent des verarbeiteten Ausstoßes verantwortlich waren, und daß 35 aus den 100 größten Firmen im verarbeitenden Gewerbe im ausländischen Besitz waren (eine Steigerung ab 19 in 1986). Die Hälfte der großen Firmen im ausländischen Besitz kommt aus den USA (unverändert seit 1986), 39 Prozent aus Europa (mehr als das Doppelte der 1986er Zahl), aber bloß 7 Prozent aus Japan oder Korea, trotz der riesigen Aufmerksamkeit der Medien dafür. Financial Times, 4. September 1996.

 

Fußnoten

1*. Ein Begriff, der zunehmend in deutschen ökonomischen Schriften übernommen wird, der etwa „Lieferung von Quellen außerhalb“ heißt. (Anm. d. Übersetzers)

2*. Es geht hier um eine Produktionsmethode, wo kaum oder keine Vorräte von Bestandteilen vorhanden sind; alle notwendigen Teile werden gerade rechtzeitig (also „just in time“) geliefert. (Anm. d. Übersetzers)


Zuletzt aktualisiert am 6. April 2019