Rudolf Hilferding

Das Finanzkapital


Erster Abschnitt
Geld und Kredit


II. Kapitel
Das Geld im Zirkulationsprozeß


Der Zirkulationsprozeß hat die Form: Ware–Geld–Ware, W–G–W. In diesem Prozeß vollzieht sich der gesellschaftliche Stoffwechsel. A verkauft seine Ware, die für ihn Nichtgebrauchswert, und kauft eine andere, die für ihn Gebrauchswert. Das Geld spielt in diesem Prozeß nur die Rolle des Beweismittels, daß die individuellen Produktionsbedingungen der Ware den gesellschaftlichen Produktionsbedingungen entsprechen. Der Sinn des Prozesses ist aber die Befriedigung der Bedürfnisse des einzelnen, die nur durch den allseitigen Händewechsel der Waren ermöglicht wird. Der Wert der Ware wird ersetzt durch den Wert der anderen Ware. Diese wird konsumiert und fällt aus der Zirkulation heraus.

Fällt die Ware so beständig aus der Zirkulation, so bleibt das Geld fortwährend in dieser Sphäre. Die Stelle, die die Ware geräumt hat, nimmt ein gleichwertiges Geldstück ein. Der Kreislaufprozeß der Ware bildet so den Umlauf des Geldes. Es entsteht nun die Frage nach der Menge des Geldes, das für die Zirkulation nötig ist. Es handelt sich dabei um das wirkliche Gegenübertreten von Geld und Ware. Die Menge der Zirkulationsmittel ist also zunächst bestimmt durch die Preissumme der Waren. Die Warenmasse als gegeben vorausgesetzt, flutet die Masse des zirkulierenden Geldes auf und ab mit den Preisschwankungen der Waren, gleichgültig, ob die Preisänderung wirklichen Wertänderungen oder bloßen Schwankungen der Marktpreise entspringt. [1] Dies gilt, sobald Käufe und Verkäufe räumlich nebeneinander einhergehen. Sind dagegen Käufe und Verkäufe nur Glieder einer Reihe, die zeitlich nacheinander vor sich gehen, so gilt die Gleichung: Preissumme der Waren: Umlaufsanzahl gleichnamiger Geldstücke = Masse des als Zirkulationsmittel funktionierenden Geldes. Dabei kann das Gesetz, daß die Quantität der Zirkulationsmittel bestimmt ist durch die Preissumme der zirkulierenden Waren und die Durchschnittsgeschwindigkeit des Geldumlaufes auch so ausgedrückt werden, daß bei gegebener Wertsumme der Waren und gegebener Durchschnittsgeschwindigkeit ihrer Metamorphosen die Quantität des umlaufenden Geldes oder des Geldmaterials von seinem eigenen Wert abhängt. [2]

Man hat gesehen, was das Geld ist: ein gesellschaftliches Verhältnis ausgedrückt in einer Sache. Diese Sache dient als unmittelbarer Wertausdruck. Innerhalb des Verhältnisses W–G–W wird der Wert der Waren aber stets ersetzt durch den Wert einer anderen Ware. Der Geldausdruck ist also nur verschwindend. Er erscheint so als bloß technischer Behelf, dessen Anwendung Unkosten verursacht, die nach Möglichkeit zu vermeiden sind. Zugleich mit dem Geld erwächst das Streben, das Geld auszuschalten. [3] Innerhalb der Warenzirkulation erscheint das Geld erst als der feste Wertkristall, worin sich die Ware verwandelt, um hinterher als bloße Äquivalentform zu zerrinnen. [4]

Als Wertkristall erscheint das Geld als notwendig, als Äquivalentform überflüssig. Notwendig erscheint es aber, weil nur so der Wert der Ware gesellschaftlich gültig ausgedrückt wird und sie sich nur aus Geld wieder in alle anderen Waren rückverwandeln kann. Da aber der Geldausdruck nur verschwindend ist, nicht etwa an sich wichtig (wie dann, wenn der Prozeß W–G–W unterbrochen wird und das Geld selbst längere oder kürzere Zeit aufbewahrt werden soll, uni dann später einmal den Prozeß G–W zu ermöglichen), so kommt allein die gesellschaftliche Seite des Geldes in Betracht, die Eigenschaft, daß es als Wert Warengleiches ist. Diese gesellschaftliche Seite ist im Geldstoff, zum Beispiel im Goldgeld, sachlich ausgedrückt. Sie kann aber unmittelbar ausgedrückt werden durch bewußte gesellschaftliche oder, da der Staat das bewußte Organ der warenproduzierenden Gesellschaft ist, durch staatliche Regelung. Der Staat kann bestimmte Zeichen – zum Beispiel als solche gekennzeichnete Papierzettel – als Stellvertreter des Geldes, Geldzeichen, festsetzen.

Es ist klar, daß diese Zeichen nur fungieren können als Vermittler der Zirkulation zwischen zwei Waren; sie sind zu anderen Zwecken, anderen Geldfunktionen unbrauchbar, sie müssen also ganz in die Zirkulation eingehen, denn nur innerhalb der Zirkulation ist das Wertdasein des Geldes stets verschwindend, weil durch Warenwert stets ersetzte Form. Der Umfang dieser Zirkulation aber ist außerordentlich schwankend, da er, wie wir wissen, bei gleichbleibender Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes von der Preissumme abhängt. Diese wechselt beständig, wobei die periodischen Schwankungen innerhalb des Jahres, wenn zum Beispiel die Ernteprodukte in die Zirkulation eintreten und ihre Masse die Preissumme anschwellt, oder die Preisschwankungen innerhalb des Zyklus von Prosperität und Depression besondere Rolle spielen. Die Menge des Papiergeldes muß also immer unter dem Minimum der zur Zirkulation erforderlichen Geldmenge bleiben. Dieses Minimum ist aber durch Papier ersetzbar [5], und da dies immer zur Zirkulation notwendig ist, braucht an seine Stelle kein Gold zu treten; der Staat kann dieses Papiergeld daher mit Zwangskurs ausstatten. Innerhalb des Umfanges des Zirkulationsminimums ist so der sachliche Ausdruck des gesellschaftlichen Verhältnisses ersetzt durch ein bewußt geregeltes gesellschaftliches Verhältnis. Es ist dies möglich, weil eben auch Metallgeld ein wenn auch unter dinglicher Hülle verstecktes, gesellschaftliches Verhältnis ist. Dies muß begriffen sein, will man die Natur des Papiergeldes erfassen. [6] Wir haben gesehen, wie die warenproduzierende Gesellschaft anarchisch ist und aus dieser Anarchie die Notwendigkeit des Geldes folgt. Für das Minimum der Zirkulation ist diese Anarchie gleichsam ausgeschaltet. Denn ein Minimum von Waren zu einem gewissen Wert muß unter allen Umständen umgesetzt werden. Die Ausschaltung der Wirkung der anarchischen Produktion erscheint in der Möglichkeit des Ersatzes des Goldes durch bloße Wertzeichen.

Diese bewußte Regelung hat aber ihre Grenze an dem Zirkulationsminimum. Nur innerhalb dieser Grenze fungiert das Geldzeichen als voller Stellvertreter des Geldes, ist das Papier Goldzeichen. Da die Zirkulationsmenge stets schwankt, so muß neben dem Papiergeld stets Goldgeld in die Zirkulation ein- und aus ihr ausfließen können. Ist dies nicht möglich, so treten Abweichungen des Nominalwertes des Papiers von seiner wirklichen Geltung ein, wir haben Papiergeldentwertung.

Um diesen Vorgang zu verstehen, unterstellen wir einmal reine Papierwährung. (Es ist dabei immer staatlicher Zwangskurs vorausgesetzt.) Wir wollen annehmen, daß in einem bestimmten Moment die Zirkulation 5 Millionen Mark erfordere, zu denen zirka 56,56 Pfund Gold nötig wären. Wir hätten dann eine Gesamt-zirkulation, die folgendes Bild zeigte: (5 Millionen Mark in) W–(5 Millionen Mark in) G–(5 Millionen Mark in) W. Ersetzt man das Gold durch Papierzeichen, so kann auf diesen Zeichen was immer gedruckt sein, ihre Summe muß immer die Wertsumme der Waren repräsentieren, also in unserem Falle gleich sein 5 Millionen Mark. Werden 5000 gleiche Zettel gedruckt, wird jeder 1000 Mark gleichgesetzt werden, werden 100 000 gedruckt, so jeder 50 Mark gleich sein. Verdoppelt sich, die Umlaufsgeschwindigkeit immer gleichgesetzt, die Preissumme der Waren und wird die Menge der Zettel nicht geändert, so werden sie 10 Millionen Mark gelten, sinkt die Preissumme auf die Hälfte, so nur 2½ Millionen. Mit anderen Worten: Bei reiner Papierwährung mit Zwangskurs ist bei gleichbleibender Umlaufszeit der Wert des Papiergeldes bestimmt durch die Summe der Warenpreise, die in der Zirkulation umgesetzt werden muß; das Papiergeld wird hier ganz unabhängig vom Wert des Goldes und reflektiert direkt den Wert der Waren nach dem Gesetz, daß seine ganze Menge gleichen Wert repräsentiert wie die

_______Preissumme der Waren_______
Umlaufsanzahl gleichnamiger Geldstücke

Man sieht sofort, daß, verglichen mit dem Ausgangspunkt, nicht nur Entwertung, sondern auch Überwertung des Papiergeldes eintreten kann.

Als Geldzeichen kann nun natürlich nicht nur Papier, sondern ein an sich wertvoller Stoff fungieren. Es sei die Zirkulation zum Beispiel besorgt durch Silber. Tritt Entwertung des Silbers ein infolge Senkung seiner Produktionskosten, so werden die Silberpreise der Waren steigen, während ihre Goldpreise unter sonst gleichen Umständen unverändert bleiben werden. Die Entwertung des Silbers selbst wird sich ausdrücken lassen in seinem Verhältnis zum Gold. Der Wechselkurs des Silberlandes gegenüber dem des Goldwährungslandes wird die Entwertung ausdrücken. Die Entwertung der Silbermünze, die gesetzliche Zahlkraft hat, wird bei freier Prägung genau in demselben Maße stattfinden wie die Entwertung des ungeprägten Metalls. Anders, wenn die freie Prägung [7] eingestellt wird. Steigt jetzt die Preissumme der zu zirkulierenden Waren in unserem Beispiel von 5 auf 6 Millionen Mark und ist der Wert des gemünzten, also zur Zirkulation geeigneten Silbers entsprechend seinem Metallwert beispielsweise nur 5½ Millionen Mark, so wird jetzt doch jede Silbermünze so weit in ihrer Bewertung innerhalb der Zirkulation steigen, daß ihre Summe gleich ist 6 Millionen Mark. Ihre Wertung als Münze übersteigt daher ihren Metallwert. Eine Erscheinung, die in der so bedeutenden Geldtheoretikern wie Lexis oder Lotz unerklärbaren Überwertung des holländischen und österreichischen Silberguldens und später der indischen Rupie zutage getreten ist, die aber nach dem Vorhergehenden nichts Rätselhaftes mehr aufweist. [8]

In der Bestimmung des Wertes des Papiergeldes durch den Wert der in Zirkulation befindlichen Warensumme erscheint der rein gesellschaftliche Charakter des Wertes darin, daß ein an sich wertloses Ding wie Papier dafür, daß es eine rein gesellschaftliche Funktion, die Zirkulation, erfüllt, einen Wert erhält, der bestimmt ist nicht durch den eigenen verschwindend geringen Wert, sondern durch den der Warenmasse, die ihren Wert auf die Papierzettel reflektiert. Wie der Mond, der selbst längst erkaltet ist, nur leuchten kann, weil er von dem feurigen Sonnenball das Licht erhält, so hat das Papiergeld nur Wert, weil den Waren der gesellschaftliche Charakter der Arbeit Wert verleiht. Es ist der reflektierte Arbeitswert, der das Papier zu Geld macht, wie es das reflektierte Sonnenlicht ist, das den Mond leuchten läßt. Es ist beim Papier Wertschein, nämlich Warenwertschein, wie beim Mond Mondschein, nämlich Sonnenlichtschein.

Österreich hatte seit 1859 uneinlösliches Papiergeld. Die Silbergulden erzielten gegenüber dem Papier ein Agio. Es war eben mehr Papier ausgegeben, als die Zirkulation erforderte. Dadurch trat der von uns früher geschilderte Zustand ein: wieviel Waren ein Gulden kaufen konnte, war nicht mehr abhängig vom Wert des Silbers, sondern von dem Wert der in Zirkulation befindlichen Gesamtwarenmasse, durch den die Geltung der Gesamtsumme des Papiergeldes bestimmt war. War der Wert der Gesamtzirkulation = 500 Millionen Gulden, waren aber 600 Millionen Papiergulden gedruckt worden, so konnte der Papiergulden nur mehr soviel Waren kaufen wie früher 5/6 Silbergulden. Damit wurde der Silbergulden selbst zur Ware; denn man zahlte nur mehr in Papiergulden und verkaufte den Silbergulden etwa ins Ausland; dafür bekam man 6/5 Papiergulden, womit man seine früheren Silberguldenschulden bezahlen konnte. Das Silber verschwand aus der Zirkulation. Eine Änderung in dem Verhältnis zwischen Silber- und Papiergulden kann nun auf zweierlei Art eintreten. Einmal kann bei unverändertem Wert des Silberguldens infolge der Entwicklung der Warenzirkulation der Warenumsatz steigen. Findet keine Neuausgabe von Papiergeld statt, so kann der Papiergulden wieder seine alte Geltung erlangen, sobald die zirkulierende Warensumme 600 Millionen Gulden zu ihrem Umsatz erfordert. Es kann auch, wenn die Warensumme steigt, der Papiergulden über seinen Ausgangspunkt steigen. Erfordert die Warensumme 700 Millionen Gulden und sind nur 600 Millionen Papiergulden in Zirkulation, so wird jetzt der Papiergulden 7/6 des Silberguldens gelten. Besteht freie Silberprägung, so werden Private Silber so lange ausprägen lassen, bis in die Zirkulation so viele Silbergulden eingetreten sind, daß Papiergulden und Silbergulden zusammen zur Zirkulation der 700 Millionen Gulden Waren ausreichen. Dann gilt Papier- und Silbergulden dasselbe, und bei Fortbestand der freien Prägung ist der Papiergulden nicht mehr durch den Warenwert bestimmt, sondern durch das Silber, ist also wieder Silberzeichen geworden.

Ähnliche Vorgänge können auch auf andere Weise eintreten. Die Warenzirkulation bleibe zunächst dieselbe; der Papiergulden gilt dann nur mehr 5/6 des Silberguldens; jetzt träte aber ein Fall im Wert des Silbers ein; dieses falle um 1/6. Dann wird man um den Silbergulden soviel Waren kaufen können wie um den Papiergulden; das Silberagio ist Verschwunden, und das Silber bleibt in Zirkulation. Fällt das Silber noch stärker, sage um 2/6, dann wird es profitlich, Silber anzukaufen und es in Österreich ausprägen zu lassen. Diese Ausprägung würde so lange vor sich gehen, bis die Summe von Papiergulden und Silbergulden so groß geworden ist, daß sie, obwohl um 2/6 in ihrer Kaufkraft vermindert, zur Zirkulation hinreicht. Wir haben vorausgesetzt eine Zirkulation von 500 Millionen Gulden (ursprünglicher Geltung) in Waren. Wir hatten 600 Millionen Gulden Papier. Diese galten also 5/6 des ursprünglichen Guldens. Jetzt kommen dazu Silbergulden, die nur 4/6 gelten. Um die Waren zu zirkulieren, brauchen wir jetzt 6/4 × 500 Millionen Gulden oder 750 Millionen Gulden; diese würden aus 600 Millionen Papier- und 150 Millionen neugeprägter Silbergulden bestehen. Der Staat will aber die Entwertung seiner Valuta hindern; dazu braucht er nur die freie Silberprägung aufzuheben. Sein Gulden bleibt dann unabhängig vom Silberpreis; seine Geltung nach wie vor 5/6 des ursprünglichen Guldens; die Senkung des Silberwertes kommt beim Silbergeld nicht zum Ausdruck.

Das widerspricht der herkömmlichen Theorie, wonach ein Silbergulden unter allen Umständen nur ein Stück Silber von 1/45 Pfund ist und daher denselben Wert haben muß; es erklärt sich leicht, wenn man weiß, daß bei gesperrter Prägung die Geltung des Geldes nur ein Reflex des in die Zirkulation eingehenden Wertes der Warensumme ist. Da unserer Voraussetzung nach das Silber um 2/6 gefallen ist, der österreichische Gulden aber nur um 1/6 niedriger steht als bei dem Ausgangspunkt der Betrachtung, so wird der noch in Zirkulation befindliche österreichische Silbergulden um 1/6 höher stehen, als der Preis des gleichen Quantums Silber beträgt. Es ist also überwertet. In der Tat ist das Phänomen in Österreich um die Mitte des Jahres 1878 eingetreten. Verursacht wurde es dadurch, daß einerseits der Wert des Papierguldens durch die Entwicklung der Zirkulation steigen mußte, da die Papiergeldsumme nicht oder nicht in gleichem Verhältnis vermehrt wurde, anderseits der Wert des Silbers fiel, was im Fallen des Londoner Silberpreises zum Ausdruck kam.

Der schematischen Darstellung entspricht die Wirklichkeit vollkommen. In den Niederlanden wurde die freie Silberprägung im Mai 1873 eingestellt. Während das metallische Silber im Verhältnis zum Gold eine Entwertung erfuhr, wies das geprägte holländische Silbergeld eine beträchtliche Wertsteigerung auf. „Während bis zum Anfang des Jahres 1875 der Silberpreis in London bis auf etwa 57½ Pence hinabging, stieg der Wert des niederländischen gegenüber dem des englischen Geldes so weit, daß 1 Pfund Sterling statt – wie früher – 12 Gulden nur noch 11,6 Gulden notierte. Darin kam die Tatsache in Erscheinung, daß der Wert des holländischen Guldens um etwa 10 Prozent über seinen Silbergehalt hinaus gestiegen war.“ Erst 1875 wurde dann das goldene 10-Gulden-Stück als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt. [9] „Schon im Jahre 1879 war der Silbergehalt des Silberguldens nur noch 96,85 Kreuzer wert, und er ging weiter zurück bis auf 91,95 Kreuzer im Jahre 1886 und 84,69 Kreuzer im Jahre 1891.“ [10]

Die Entwicklung der österreichischen Währung sei im folgenden kurz geschildert: „Die Währung der Monarchie war kraft der Patente vom 19. September 1857 und vom 27. April 1858 seit 1. November 1858 rechtlich und zunächst auch faktisch eine Silberwährung mit einem Münzfuß von 45 Gulden per Zollpfund feinen Silbers (90 Gulden [fl.] per Kilogramm). Eine Barzahlung in Silber (seitens der Notenbank) bestand jedoch nur ganz kurze Zeit (zu Ende des Jahres 1858). Überdies hatte das Silber infolge der andauernd kritischen politischen und finanziellen Verhältnisse (die eben eine Mehrausgabe von Noten zur Folge hatten. – R.H.) bis 1878 gegenüber dem Papiergeld ein Agio, welches die Silbermünzen mehr und mehr aus dem Verkehr drängte. Das Silberagio betrug 1871 noch über 20 Prozent, sank aber im Laufe der siebziger Jahre infolge des außerordentlichen Sturzes des Silberpreises am Weltmarkt sukzessive. Von 1875 an war der Preis des Silbers ein so tiefer, daß er dem Münzpreis desselben (45 fl. ö. W. per Zollpfund) wiederholt nahekam und denselben im Laufe des Jahres 1878 auch erreichte. Im Zusammenhang mit der Entwicklung des Kurses der Devise London an der Wiener Börse wurde die Einlieferung von Silber in die Wiener und Kremnitzer Münze behufs Ausprägung in Landessilbermünzen rentabel. Tatsächlich nahm die Einfuhr von Silber in das österreichisch-ungarische Zollgebiet im Jahre 1878 außerordentlich zu, und die Ausprägung von Landessilbermünzen erreichte in diesem Jahre und in dem folgenden (auf Grund der bereits früher erfolgten Anmeldungen) eine vorher nicht erreichte Höhe.“ [11] Um die Devalvierung der Währung zu verhüten, wurde zu Beginn des Jahres 1879 die freie Silberprägung eingestellt. Die Einstellung der Silberprägung „bewirkte, daß die Kaufkraft des österreichischen Guldens dem gleichsam mechanischen Einfluß des Silberpreises entrückt wurde, sich vielmehr nahezu ganz unabhängig von dem Werte des im österreichischen Silbergulden enthaltenen Silberquantums entwickelte. Das in 100 Silbergulden enthaltene Feinsilber hatte nämlich unter Zugrundelegung des Londoner Silberpreises und des Kurses der Devise London in Wien durchschnittlich einen Wert:

im Jahre

1883

            

von

97 fl. 64 kr.

 

1887

 

91 fl.   —  kr.

1888

86 fl. 08 kr.

1889

82 fl. 12 kr.

1891

84 fl. 70 kr.

Der Wert von 100 fl. ö. W. hätte unter denselben Voraussetzungen in Gulden Gold [12] betragen:

             

1883

            

      

82 fl. 38 kr.

1887

72 fl. 42 kr.

1888

69 fl. 34 kr.

1889

69 fl. 38 kr.

1891

73 fl. 15 kr.

Dagegen betrug der tatsächliche kursmäßige Wert von 100 fl. ö. W. im Durchschnitt der bezeichneten Jahre: 84,08, 79,85, 81,39, 84,33 und 86,33 Gulden Gold.“ [13] Mit anderen Worten, die österreichischen Silbergulden waren in diesen Jahren überwertet, das heißt, ihre Kaufkraft war höher als die des in ihnen enthaltenen Silbers, und zwar betrug die Differenz für 100 Silbergulden in den Jahren

               

               

              

1883

            

            

  1 fl. 70 kr.

in Goldgulden

1887

  7 fl. 43 kr.

 

1888

12 fl. 05 kr.

1889

14 fl. 95 kr.

1891

13 fl. 18 kr.

Man ersieht aus dieser Tabelle, daß der Kurs des Silberguldens nicht nur nahezu, wie Spitzmüller meint, sondern völlig unabhängig vom Silberpreis sich bewegt.

Spitzmüller nennt diese Währung „Kreditwährung“, aber er kann nicht angeben, wodurch ihr Kurs bestimmt war. Er sagt:

„Kauf- und Tauschkraft des Österreichischen Silber- beziehungsweise Papierguldens wurden demnach in der Periode 1879 bis 1891 in erster Linie nicht durch den Wert des Währungsmetalles bestimmt; ja noch mehr, der österreichische Gulden wies in dieser Periode, wie Karl Menger treffend hervorgehoben hat (N. Fr. Pr. vom 12. Dezember 1889), ‚einen Verkehrswert auf, welcher durch den inneren Wert keiner existierenden effektiven Münze dargestellt‘ wurde.

Die österreichische Währung war demnach faktisch keine Silberwährung mehr, ja selbst hinkende Silberwährung konnte sie nur im uneigentlichen Sinn genannt werden. Sie war vielmehr eine Kreditwährung, deren Bewertung im internationalen Verkehr in erster Linie durch die Zahlungsbilanz des Österreichisch-ungarischen Zollgebietes, im inneren Verkehr aber überdies durch die übrigen, im Zollinland preisbildenden (sic!) wirksamen Faktoren bedingt war.“ (S. 341)

Seine Unsicherheit geht deutlich aus folgender Stelle hervor:

„Immerhin würde man fehlgehen, wenn man annehmen wollte, daß der ‚Kredit‘, welcher der österreichischen Währung entgegengebracht wurde, von der Preisgestaltung am Silbermarkt ganz und gar (!) unabhängig war; vielmehr spielte der Umstand, daß die Sistierung der Silberprägung für Private nur auf einer administrativen, stets widerruflichen Verfügung beruhte und überdies die Prägungen für Staatsrechnungen fortdauerten, bei der Bewertung unserer Währung in der Übergangsperiode von 1879 bis 1891 unzweifelhaft eine gewisse (!) Rolle; denn die oben erwähnten Momente ließen die Zukunft unserer Währung als eine völlig unsichere erscheinen. Insbesondere ist es gewiß kein Zufall, daß der neuerliche Preisfall des Silbers in den Jahren 1885 bis 1888 mit einer starken Verteuerung unserer Devisenkurse einherging.“ (S. 311)

Es wäre interessant, wenn gezeigt würde, wie die gänzlich unsichere Meinung über die Zukunft der Währung in jedem Moment sich in mathematisch bestimmte Kurserhöhungen oder Erniedrigungen umsetzen kann. In der Tat haben diese subjektiven Einflüsse gar keine Rolle gespielt, sondern nur die objektive Gestaltung des gesellschaftlichen Zirkulationserfordernisses.

Viel naher kommt Helfferich der richtigen Erklärung, wenn er sagt:

„Der Mehrwert des geprägten Geldes (sc. bei Währungen mit gesperrter Prägung) beruht darauf, daß nur das geprägte Metall, nicht auch das ungeprägte Metall die Funktionen als Geld erfüllen kann und daß der Staat sich weigert, auf Verlangen das Metall in geprägtes Geld zu verwandeln.

Auch der Wert des uneinlösbaren Papiergeldes beruht ausschließlich darauf, daß es vom Staate zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt ist, daß es zur Erfüllung bestehender Schuldverpflichtungen verwendet werden kann und daß es für die wirtschaftlich gänzlich unentbehrlichen Funktionen des Geldes staatlich privilegiert ist.

Der Wert beider Arten von Geld beruht weder auf dem Wort ihres Stoffes an sich noch darauf, daß sie etwa eine Forderung enthielten, wie einlösbare Noten, sondern ausschließlich auf dem ihnen beigelegten Charakter als gesetzliches Zahlungsmittel.“ (Das Geld, S. 81)

Die Einstellung der freien Prägung bei Silberwährung ist die Bedingung und zugleich die Erklärung dafür, daß das gemünzte Silber sich von seinem Stoffwert emanzipiert, wie Helfferich richtig hervorhebt. Es wird aber damit nichts über die Größe des Wertes gesagt, den die Münze nunmehr erhält, und gerade das ist das Entscheidende. Diese Größe ist bestimmt durch die gesellschaftlich notwendige Zirkulationsmenge, die ihrerseits zuletzt bestimmt ist durch den Wert der Warensumme. Dies zu erkennen, hindert Helfferich seine subjektivistische Werttheorie.

Dagegen ist es ganz richtig, was Helfferich gegen die Kredithypothese, wie sie auch Spitzmüller vertritt, einwendet:

„Bei den freien Währungen, bei welchen in allen Geldsorten der Stoffwert der Münzen hinter ihrem Geldwert zurückbleibt, ist es schon deshalb gänzlich ausgeschlossen, den höheren Geldwert auf den Kredit zurückzuführen, weil es gar kein vollwertiges Geld gibt, in welchem das unterwertige Geld einlösbar sein und von dem es auf dem Wege des Kredits seinen Wert ableiten könnte. Im niederländischen Geldwesen gab es von 1873 bis 1875, im Österreichischen von 1879 bis 1892, im indischen von 1893 bis 1899 überhaupt kein vollwertiges Geld. Der den Stoffwert überschreitende Geldwert des holländischen und österreichischen Silberguldens und der indischen Rupie war ein durchaus selbständiger, von keinem anderen Wertgegenstand abgeleiteter Wert. Er beruhte nicht einmal auf einer Tarifierung in vollwertigem Geld, geschweige denn auf einem Forderungsrecht auf vollwertiges Geld, sondern einzig und allein auf dem diesen Münzen beigelegten Charakter als gesetzliches Zahlungsmittel und der beschränkten Prägung. Wie wenig sich die Theorie bisher von der Vorstellung befreit hat, daß unterwertiges Geld Kreditgeld sein müsse und mindestens seinen Wert von einem vollwertigen Geld ableiten müsse, zeigt die Unklarheit, welche teilweise heute noch über das Verhalten der österreichischen Währung vom Jahre 1879 an besteht. Die Erscheinung, daß sich der Wert des geprägten österreichischen Silberguldens nach der Einstellung der freien Silberprägung über den Wert seines Silbergehaltes erhob, verblüffte in erster Reihe deshalb, weil man nicht sah, von welcher in ihrem Stoffe höherwertigen Geldsorte der Silbergulden den seinen Silbergehalt überschreitenden Geldwert ableitete. Man verfiel deshalb auf die sonderbare Erklärung, daß der Wert des Silberguldens nur durch seine Verknüpfung mit dem Papiergulden über seinem Papierwert gehalten werde.“ (Das Geld, S. 582 ff.)

Analoge Erscheinungen wie im österreichischen Geldwesen sehen wir in Indien. Im Jahre 1893 wurde die bisher freie Silberprägung eingestellt. Die Absicht war, den Kurs der Rupie auf 16 Pence zu heben. Dieser Kurs entsprach bei freier Prägung einem Silberpreis von ungefähr 43,05 Pence. Das heißt, bei einem solchen Preis erzielte das in der Rupie vorhandene Silber, wenn eingeschmolzen und verkauft, auf dem Londoner (Welt-)Markt den Preis von 16 Pence. Die Wirkung der Einstellung der freien Prägung war folgende: Der Rupienkurs stieg auf 16 Pence, nachdem er vorher 147/8 Pence betragen hatte. Dagegen sank der Silberpreis im Verlauf weniger Tage von 38 Pence vor Schließung der Münzstätten auf 30 Pence am 1. Juli. Von da an ging der Rupienkurs abwärts, während der Silberpreis auf 34¾ Pence stieg und um diesen Betrag bis zur Einstellung der amerikanischen Silberkäufe (monatlich 4½ Millionen Oz. f.) am 1. November 1893 schwankte. Von da an ging er zurück und erreichte am 26. August 1897 mit 23¾ Pence einen Tiefstand. Dagegen erreichte der Wert der indischen Valuta Anfang September 1897 die gewünschte Höhe von 16 Pence, während der in der Rupie enthaltene Metallwert zirka 8,87 Pence beträgt.

Es „war von Anfang an der Erfolg zu verzeichnen, daß der Kurs der Rupie sich bereits von der Schließung der indischen Münzstätten für private Prägung ab ständig über dem Schmelzwert hielt, und zwar um erheblich mehr, als die Prägekosten ausmachten. Von Mitte 1896 an erwies sich auch der letzte Zusammenhang zwischen dem Silberpreis und dem Rupienkurs als gelöst, und der Parallelismus, der zwischen ihren Bewegungen, wenn zuletzt auch erheblich abgeschwächt, immer noch bestanden hatte, war endgültig beseitigt“. [14] [15]

Was die Geldtheoretiker quält, ist die Frage, was bei der gesperrten Währung Wertmesser ist. [16] Das Silber (bei gesperrter Goldwährung könnte genau dasselbe Phänomen auftreten) ist es offensichtlich nicht. [17] Der Kurs des Geldes und der Preis des Metalls verfolgen ganz verschiedene Bewegungen. Die Quantitätstheorie gilt mit Recht seit dem Nachweis Tookes als unhaltbar. Dazu kommt, daß man überhaupt nicht die Metallmasse auf der einen Seite, die Warenmasse auf der anderen in Beziehung setzen kann. Welche Beziehung soll zwischen x Kilogramm Gold oder Silber oder gar Papier und a Millionen Stiefel, b Millionen Schachteln Stiefelwichse, c Zentner Weizen, d Hektoliter Bier usf. bestehen? Die Inbeziehungsetzung der Geldmasse auf der einen, der Warenmasse auf der anderen setzt bereits ein Gemeinsames voraus, eben das Wertverhältnis, das zu erklären ist.

Die Macht des Staates heranzuziehen, genügt aber ebenfalls nicht. Es bleibt zunächst völlig mystisch, wieso der Staat imstande sein soll, auch nur um ein Hundertstel eines Hellers einem Papierzettel oder einem Gramm Silber größere Kaufkraft gegenüber Weinen, Stiefel, Stiefelwichse usw. zu verleihen. Zudem hat der Staat regelmäßig bei solchen Versuchen Schiffbruch erlitten. Der indischen Regierung nützte ihr Willen, der Rupie den Kurs von 16 Pence zu verleihen, zunächst nicht das geringste. Die Rupie kümmerte sich nicht darum, und der nächste Erfolg des Staates war nur, den Kurs der Rupie zunächst überhaupt völlig unberechenbar zu machen, da er sich jetzt um den Preis des Silbers nicht mehr kümmerte. Für den österreichischen Staat gar kam die Überwertung des Silberguldens völlig überraschend, ohne jedes beabsichtigte Eingreifen, gleichsam über die Nacht seiner Ahnungslosigkeit. Was die Theoretiker narrt [18], ist der Umstand, daß das Geld seine Eigenschaft, Wertmesser zu sein, scheinbar beibehalten hat. Natürlich werden nach wie vor alle Waren in Geld ausgedrückt, „gemessen“. Das Geld erscheint nach wie vor als Wertmesser. Aber die Größe des Wertes dieses „Wertmessers“ ist nicht mehr bestimmt durch den Wert der Ware, die ihn bildet, den Wert des Goldes oder Silbers oder des Papiers. Vielmehr wird dieser „Wert“ in Wirklichkeit bestimmt durch den Gesamtwert der zu zirkulierenden Waren (bei gleichbleibender Umlaufsgeschwindigkeit). Der wirkliche Wertmesser ist nicht das Geld, sondern der „Kurs“ des Geldes wird bestimmt durch das, was ich den gesellschaftlich notwendigen Zirkulationswert nennen möchte, der gegeben ist, wenn wir auch die Zahlungsfunktion des Geldes berücksichtigen, was wir bisher der Vereinfachung wegen unterlassen haben und worauf wir später ausführlich zu sprechen kommen, durch die Formel

_____Wertsumme der Waren_____
Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes

plus der Summe der fälligen Zahlungen minus der sich ausgleichenden Zahlungen, minus endlich der Anzahl Umläufe, worin dasselbe Geldstück abwechselnd bald als Zirkulations-, bald als Zahlungsmittel funktioniert. Das ist natürlich ein Maßstab, dessen Größe nicht im vorhinein ausgerechnet werden kann. Der Rechenmeister, der allein imstande ist, das Exempel zu lösen, ist die Gesellschaft. Die Größe wechselt und mit ihm der Kurs des Geldes. Dies zeigen der wechselnde Kurs der indischen Rupie von 1893 bis 1897 und ebenso die Schwankungen der österreichischen Valuta sehr deutlich. Diese Schwankungen werden vermieden, sobald als Wertmesser wieder eine vollwertige Ware (Silber, Gold) als Geld funktioniert. Dazu ist keineswegs nötig, wie wir gesehen haben, daß das Papiergeld oder unterwertiges Geld aus dem Verkehr verschwindet; es braucht bloß auf das Zirkulationsminimum reduziert werden und die Schwankungen, die über das Minimum hinausgehen, durch den Eintritt von vollwertigem Geld beseitigt werden.

Das Mystische verliert die merkwürdige Geschichte der gesperrten Währungen oder der „Silberwährung mit vergoldetem Rand, des Goldmarginalsystems“, wie man die indische und analoge Währungen genannt hat, erst dann, wenn man sie im Lichte der marxistischen Geldtheorie betrachtet, wie sie anderseits im Lichte der „metallistischen“ Theorie unerklärbar bleibt. Knapp dagegen, der mit größtem Scharfsinn viele Mängel der „metallistischen“ Theorie – die Marxsche berücksichtigt er nicht und konfundiert sie offenbar mit jener – aufgedeckt hat, gibt selbst keine ökonomische Erklärung der Phänomene, sondern nur ein kunstvolles System der Einteilung der Geldarten, ohne auf ihr Entstehen oder ihre Entwicklung einzugehen. Es ist eine spezifisch juristische Darstellung, für die der breite Raum, den die Terminologie einnimmt, charakteristisch ist; das ökonomische Grundproblem des Geldwertes und der Kaufkraft des Geldes bleibt gänzlich außerhalb der Betrachtung. Knapp ist gleichsam der Linné der Geldtheorie, während Marx auch hier Darwin ist. Aber dieser Linné kommt lange nach Darwin!

Knapp ist der konsequenteste Ausläufer jener Theorie, die, weil sie die Phänomene der Papierwährung nicht erklären kann, das bei dem Papiergeld mit Zwangskurs in die Augen fallende Phänomen des Einflusses der Quantität der ausgegebenen Papierzettel einfach auf die metallische und damit auf die Zirkulation überhaupt (Metall plus Banknoten, die mit dem Staatspapiergeld zusammengefaßt werden) überträgt. Sie betrachtet nur das quantitative Verhältnis und übersieht dabei das Bestimmende des Wertes, sowohl des Warenwertes als des Geldwertes. Ihr Irrtum entsteht aus den Erfahrungen der Papiergeldwirtschaft besonders Englands seit der Suspension der Barzahlung 1797. „Als historischer Hintergrund der Debatte diente die Geschichte des Papiergelds im 18. Jahrhundert, das Fiasko der Lawschen Bank, die mit der wachsenden Quantität der Wertzeichen Hand in Hand gehende Depreziation der Provinzial-Banknoten der englischen Kolonien in Nordamerika vom Anfang bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts; dann später das von der amerikanischen Zentralregierung während des Unabhängigkeitskrieges gesetzlich aufgezwungene Papiergeld (Continental bills), endlich das auf noch größerer Stufenleiter ausgeführte Experiment der französischen Assignaten.“ [19]

Diesem falschen Schluß entging auch der Scharfsinn Ricardos nicht, und das ist psychologisch interessant für den übermächtigen Kinfluß empirischer Eindrücke auf das abstrakte Denken. Denn gerade Ricardo geht sonst überall von den Quantitätsverhältnissen, die die Preise beeinflussen (von Nachfrage und Angebot als preisbestimmenden Faktoren), zurück auf das den Quantitätsverhältnissen Zugrundeliegende und sie Beherrschende, auf den Wert. Nur in der Geldfrage schiebt er den bereits gefundenen Wertbegriff beiseite. Er sagt: „If a mine of gold were discovered in either of these countries, the currency of that country would be lowered in value in consequence of the increased quantity of the precious metals brought into circulation, and would therefore no longer be of the same value as that of other countries.“ [20] Hier ist es die Quantität allein, die den Wert des Goldes senkt, und das Gold wird ganz einseitig nur als Zirkulationsmittel gefaßt, woraus dann natürlich folgt, daß sofort alles Gold auch insgesamt in die Zirkulation eintritt. Und da die Quantität allein entscheidet, kann dann das Gold ohne weiteres gleichgesetzt werden mit der Banknote, die zwar Ricardo mit Worten zunächst als konvertibel voraussetzt, die ihm aber, dem Zustand der damaligen englischen Währung entsprechend, als Staatspapiergeld mit Zwangskurs vorschwebt. Daher kann er sagen: „If instead of a mine being discovered in any country, a bank were established, such as the Bank of England, with the power of issuing its notes for a circulating medium, after a large amount had been issued, ... thereby adding considerably to the sum of the currency, the same effect would follow as in the case of the mine.“ [21] Hier wird also die Wirkung der Bank von England und die der Entdeckung einer Goldmine gleichgesetzt: denn beide vermehren das umlaufende Medium. [22]

Diese Gleichsetzung ließ dann weder die Gesetze der metallischen noch der Banknotenzirkulation richtig erkennen. Knapp wieder ist ganz bestimmt durch die geschilderten neuen Phänomene der stabilen „Papierwährungen“ und der Loslösung des Silbergeldes von seinem Metallwert. Das letztere ist dem Silbergeld (also Metallgeld) mit dem Papiergeld gemeinsam. Das Papiergeld aber scheint in seinem Wert bestimmt durch den Staat, der es ausgibt. Da aber das Silber bei gesperrter Prägung in dieser einen Beziehung mit dem Papier übereinkommt, so entsteht die Illusion, daß das Papier – wie das Metallgeld, also das Geld überhaupt – bestimmt ist durch den Staat, und die staatliche Theorie des Geldes, die bewußt keine ökonomische ist, ist entstanden. Die Illusion, die ihr zugrunde liegt, erfordert folgende Kritik:

„Die Einmischung des Staats, der das Papiergeld mit Zwangskurs ausgibt ..., scheint das ökonomische Gesetz aufzuheben. Der Staat, der in dem Münzpreis einem bestimmten Goldgewicht nur einen Taufnamen gab, und in der Münzung nur seinen Stempel auf das Gold drückte, scheint jetzt durch die Magie seines Stempels Papier in Gold zu verwandeln. Da die Papierzettel Zwangskurs haben, kann niemand ihn hindern, beliebig große Anzahl derselben in Zirkulation zu zwängen und beliebige Münznamen, wie 1 Pfd. St., 5 Pfd. St., 20 Pfd St., ihnen aufzuprägen. Die einmal in Zirkulation befindlichen Zettel ist es unmöglich herauszuwerfen, da sowohl die Grenzpfähle des Landes ihren Lauf hemmen, als sie allen Wert, Gebrauchswert wie Tauschwert, außerhalb der Zirkulation verlieren. Von ihrem funktionellen Dasein getrennt, verwandeln sie sich in nichtswürdige Papierlappen. Indes ist diese Macht des Staats bloßer Schein. Er mag beliebige Quantität Papierzettel mit beliebigen Münznamen in die Zirkulation hineinschleudern, aber mit diesem mechanischen Akt hört seine Kontrolle auf. (NB. Und damit hört zugleich auch Knapps Theorie gerade da auf, wo das ökonomische Problem beginnt.) Von der Zirkulation ergriffen, lallt das Wertzeichen oder Papiergeld ihren immanenten Gesetzen anheim.“ [23]

Die Schwierigkeiten der Erklärung rühren daher, daß die verschiedenen Geldfunktionen und die verschiedenen Geldarten (das Staatspapiergeld und das Kreditgeld [s. in ff.]) durcheinandergeworfen werden. War es der Fehler der Quantitätstheorie, dem auch Ricardo nicht entging, die Gesetze des Staatspapiergeldes mit denen der Geldzirkulation überhaupt und insbesondere mit denen des Banknoten- (Kreditgeld-) Umlaufes zu konfundieren, so geschieht heute das Umgekehrte. Da die Quantitätstheorie mit Recht als widerlegt betrachtet wird, fürchtet man sich, den Einfluß der Quantität auf den Geldkurs dort einzugestehen, wo er bestimmend ist, nämlich bei Papiergeldwährung und bei Währungen mit „ unterwertigem“ Geld. Man greift zu allerhand Erklärungen und hilft sich, weil mail das gesellschaftliche Bestimmungsmoment nicht kennt, mit subjektiven Erklärungsversuchen und sucht den Wert des Staatspapieres auf irgendwelche Kreditschätzungen zurückzuführen. Da man aber anderseits beim Metallwert an dem Eigenwert des Geldes festhalten muß, will man nicht wie Knapp gezwungen sein, überhaupt auf die Erklärung des ökonomischen Inhalts zu verzichten, so bleibt die Überwertung eben unerklärt. Bei Ricardo erklärt sich jede Wertänderung des Geldes aus Quantitätsänderung. Da die Wertänderung nach seiner Theorie eine sehr häufige Erscheinung ist, der Wert des Geldes, je nachdem seine Quantität sich vermehrt oder vermindert, fällt oder steigt, also bei jeder Währung beständig Über- und Unterwertung vorkommt, so ist für ihn die Überwertung weiter kein Problem. Er sagt:

„Obschon das Papiergeld keinen inneren Wert hat, so kann doch, wenn man seine Menge begrenzt, sein Tauschwert dem Wert von Metallgeld im gleichen Betrage oder von nach ihrem Münzwert abgeschätzten Barren gleichkommen. Ganz ebenso, infolge desselben Prinzips, das heißt dadurch, daß man die Menge des Geldes einschränkt, können unterwertige Geldstücke in dem Wert zirkulieren, den sie haben würden, wären ihr Gewicht und ihr Gehalt die vom Gesetze vorgeschriebenen, nicht aber nach dem inneren Wert des reinen Metalles, das sie enthalten. Deshalb finden wir in der Geschichte des englischen Geldes, daß unser Hartgeld niemals sich in dem gleichen Verhältnis entwertete, als es gefälscht wurde. Die Ursache liegt darin, daß es niemals im Verhältnis seiner Entwertung vermehrt wurde.“ (Principles XXVII)

Ricardos Fehler ist der, daß er Gesetze, die für die gesperrte Währung gelten, ohne weiteres auch auf die freie Währung überträgt. Die meisten deutschen Geldtheoretiker konfundieren aber ebenfalls beide Währungssysteme, nur umgekehrt, ebendeswegen haben sie der Quantitätstheorie gegenüber ein schlechtes Gewissen und fallen bei Problemen der Banknotenzirkulation immer wieder in die allen Anschauungen der Quantitätstheorie zurück, während sie bei den Problemen der gesperrten Währungen wieder die Erklärung aus der Quantität verabscheuen.

Dagegen findet sich bei Fullarton eine interessante und im wesentlichen richtige Problemstellung der gesperrten Währung. Er setzt eine Nation ohne Handelsverkehr und ohne Einrichtung für ständige Erneuerung der Münze voraus, die ihren Umsatz im Innern vermittels einer alten und unterwertigen (debased) metallischen Zirkulation besorgt, die eine hohe Kaufkraft behält nur durch die Beschränkung ihrer Menge (which preserves a high rate of exchangeable value merely by the limitation of its amount). Die Million verbraucht dabei Edelmetalle in ausgedehntem Maße zu Luxus- und Schmuckzwecken und exportiert jährlich um eine halbe Million Industrieprodukte in ein Minen besitzendes Land, um ihren jährlichen Edelmetallbedarf zu decken. Nun werden durch Verbesserung in den Abbaumethoden oder durch Entdeckung neuer ergiebiger Minen die Kosten der Gold- und Silberproduktion in dem Lande, wo die Minen liegen, auf die Hälfte reduziert; ferner wird infolgedessen die Produktion verdoppelt, der Preis der Metalle am Orte wird entsprechend fallen; die Kaufleute der erwähnten Nation würden so imstande sein, für dieselbe Quantität der exportierten Güter statt einer halben Million eine Million dieser Metalle eineinzuführen. Was wäre der Effekt? Sicher keiner, der wesentlich verschieden wäre von der Wirkung eines Überangebots irgendeiner anderen, gleich dauerhaften Ware. Da die frühere jährliche Konsumtion von Gold und Silber für Luxuszwecke in dem Lande durch den Import zu dem Werte von einer halben Million vollständig befriedigt worden war, werden sich Abnehmer für mehr nicht früher finden, bis nicht eine neue Nachfrage durch Senkung des Preises geschaffen ist; in Übereinstimmung damit müssen die Preise des neu eingeführten Metallvorrates, geschätzt in der entwerteten Währung, mehr oder weniger rasch fallen, je nachdem die Kaufleute mehr oder weniger rasch ihre Ware realisieren (the prices, accordingly, of the newlyi mported stock of metals, as estimated in the base currency, would decline with more or less rapidity as the merchants might be more or less eager to realize their returns). Aber während all dieser Zeit (bis durch die Konkurrenz die Preise der Metalle auf Ihre Produktionskosten reduziert sind) würde der Preis aller anderen Waren außer von Gold und Silber, gemessen in der lokalen Währung dieses Landes, unverändert bleiben; und solange nicht etwas von dem überschüssigen Metallwert verwendet werden könnte zu Austauschakten mit einem dritten Lande, das in dem Bezug von Gold und Silber weniger begünstigt wäre, würde das importierende Land von diesen periodischen Erwerbungen des Metallreichtums keinen Vorteil haben, außer dem, der aus der größeren Verbreitung der Verwendung von Gold und Silber zu häuslichen Zwecken entspringt. (But, all this time, the price of every other commodity but the gold and silver, as measured in the local currency of the country, would remain unmoved; and, unless some of the surplus stock of the metals thus acquired could be tumed to account in commercial exchange with some third country less favourably circumstanced for procuring its supplies of gold and silver direct from the mines, the importing country would derive no advantage from these periodical accessions of metallic wealth, beyond such gratification as can be derived from the more generally diffused application of gold and silver to domestic uses.)

Hier ist also der Fall der Überwertung des österreichischen Silberguldens theoretisch konstruiert. Nur daß Fullarton die quantitative Bestimmung durch das gesellschaftliche Zirkulationsminimum nicht gibt.

Dann untersucht Fullarton die ganz anderen Verhältnisse unter einer, wie wir heute sagen, freien Prägung. Er fragt nach der Wirkung, die die gleichen Umstände in einem Lande mit ausgedehnteren Handelsbeziehungen haben würden, dessen Geldsystem in einem besseren Zustande wäre, das also einen vollwertigen Metallgeldumlauf hätte (a full metallic circulation of standard weight and fineness), einen unbeschränkten Metallhandel und eine zur Ausprägung des Währungsmetalls verpflichtete Münze (a mint open for the coinage of all the standard bullion which might be brought to it). Dann würde die Wirkung der Verdoppelung des Angebots der Minen eine ganz verschiedene sein. Es könnte kein Steigen des Marktpreises der Barren eintreten, denn der Preis des Goldes, gemessen in der Münze desselben Metalls, kann nicht variieren; sie mögen zusammen fallen oder steigen, aber eine Abweichung kann nicht eintreten. Daher würde es kein ungewöhnlich dringliches Angebot auf dem Markt für Goldbarren infolge der Zunahme des Imports geben, noch, wenigstens in der ersten Zeit, einen Anreiz zu vermehrter Konsumtion; die Barren würden alle in die Münze zur Ausprägung geschickt werden und den Importeuren einen enormen Zuwachs an Reichtum verschaffen, die jetzt nach dem Ausmaß der so erlangten Mittel sofort Konkurrenten für jede Art produktiver Anlage auf dem Markte würden, wie für alle Objekte, die zu den Annehmlichkeiten des Lebens beitragen. Da über das Angebot von solchen Luxusgegenständen stets beschränkt ist und in keiner Weise durch diese große Überschwemmung mit zirkulierender Münze vermehrt würde, so würde die unvermeidliche Folge sein: zuerst ein Fall der Zinsrate; dann eine Steigerung des Bodenpreises und aller zinstragenden Wertpapiere; schließlich eine fortschreitende allgemeine Steigerung aller Warenpreise, bis diese Preise ein Niveau erreicht haben werden, welches den verringerten Produktionskosten der Münze entspricht, worauf die Wirkung auf den Zinsfuß aufhört, der neue Vorrat von Münzen von dem alten absorbiert wird und die Visionen von plötzlichem Reichtum und Prosperität verschwinden, ohne andere Spur zurückzulassen als die größere Anzahl und Gewicht der Münzen, die bei jedem Kauf und Verkauf gezahlt werden müßten. („There would, in that case, bc no rise of the market-price of the bullion, for the price of gold, measured in coin of the same metal, and of equal fineness, can never vary; they may both rise or both fall together, as compared with commodities, but there can be no divergence. Neither would there be any unusual pressure on the bullion market in consequence of the increased importation, nor, at least, in the first instance, any inducement to a larger consumption, and the rest would all be sent to the mint for coinage, yielding an enormous accession of wealth to tlic importers, who, to the extent of the means thus placed in their hands, would immediately become competitors for every description of productive investment in the market, as well as for all the material objects which contribute to human enjoyment. But as the supply of such objects of desire is always limited, and would in no way be augmented by this great inundation of circulating coin, the inevitable results would be, first, a decline of the market-rate of interest; next, a rise in the value of land, and of all interest-bearing securities; and lastly, a progressive increase in the prices of commodities generally, until such prices should have attained a level corresponding with the reduced cost of procuring the coin, when the action on interest would cease, the new stock of coin would be absorbed in the old, and the visions of sudden riches and prosperity would pass away, leaving no trace behind them but in the greater number and weight of the coins to be counted over on every occasion of purchase and sale.“) [24]

Es muß aber noch eine charakteristische Überwertung des Geldes erwähnt werden, charakteristisch deshalb, weil sie ganz automatisch ohne jedes Eingreifen des Staates zustande kommt. Während der letzten Kreditkrise im Herbst 1907 in den Vereinigten Staaten entstand plötzlich ein Agio auf Geld, nicht etwa bloß auf Goldgeld, sondern auf alle Arten von gesetzlichen Zahlungsmitteln, Gold- und Silbermünzen, Staatspapiergeld (Greenbacks) und Banknoten. Das Agio betrug anfangs über 5 Prozent. Die Tatsachen beleuchtet folgende New-Yorker Korrespondenz der Frankfurter Zeitung vom 21.November 1907:

„In einem großen Teil der amerikanischen Handelsplätze sind die Barzahlungen vollständig eingestellt. Dort werden Privatgeldzeichen gegeben, in anderen werden Zahlungen teilweise in solchen und teilweise in bar geleistet. An vielen Stellen kursiert Bargeld eigentlich nur noch als Scheidemünze. In 77 amerikanischen Städten ist Notstandsgeld emittiert worden, das heißt Clearinghousezertifikate oder besonders für die Gelegenheit hergestellte Bankschecks, meist aber die ersteren. Während vor der Krisis nur vielleicht ein Dutzend amerikanischer Städte Clearinginstitute hatten, sind solche jetzt in etwa hundert Plätzen gegründet worden. Sobald die Krisis in New York ausgebrochen war, taten sich die Geldinstitute in diesen Orten zur gemeinsamen Abwehr der drohenden Gefahr zusammen. Abweichend von dem Verfahren in. New York, wo die Clearingzertifikate nur auf große Summen ausgestellt sind, schufen diese Clearinganstalten nun ein für den allgemeinen Verkehr berechnetes Notstandsgeld, und zwar in den Bedürfnissen des Kleinverkehrs angepaßten Abschnitten von 1, 2, 5 und 10 Dollar. Diese Geldzeichen zirkulieren in den Clearingorten und der nahen Umgebung ganz ungehindert, Arbeiter nehmen sie an Stelle ihres Lohnes, Kaufleute für Waren usw., sie gehen von Hand zu Hand und haben, wenn überhaupt, meistens nur ein geringes Disagio gegenüber Bargeld zu erleiden. Wie stark der Bargeldmangel auch in New York ist, zeigt zum Beispiel, daß selbst die mächtige Standard Oil Company ihre Arbeiter in zertifizierten Schecks ablohnen mußte. Nur im Verkehr mit den Regierungsinstituten läßt sich das Notstandsgeld nicht gebrauchen, die öffentlichen Kassen bestehen auf Legal Tender, und somit muß Bargeld beschafft werden. Es ist dies die vornehmste Ursache für das Aufgeld auf Barmittel. Als letzter Tage die American Sugar Refining Company hier nicht ausreichend Bargeld auftreiben konnte, um eine Zuckerladung aus dem Zollverschluß zu nehmen, mußte sie einige Etablissements einen oder zwei Tage stillegen.“

Das Eigentümliche der Erscheinung besteht darin, daß die vorhandene Zirkulationsmenge für die Bedürfnisse des Verkehrs zu gering wurde. Die Kreditkrise hatte ein starkes Bedürfnis nach barer Zahlung hervorgerufen, da die Ausgleichung der Zahlungen durch Kreditgeld (Wechsel, Giroübertragungen usw.) gestört wurde. Ein Heißhunger nach Bargeld entstand. Während aber die Zirkulation mehr Bargeld verlangte, verschwand gleichzeitig Bargeld aus der Zirkulation und wurde als Reserve aufgeschatzt. [25] An Stelle des verschwundenen Geldes suchte man neues zu schaffen, die Clearingzertifikate, in Wirklichkeit unter gemeinsamer Garantie der im Clearingverkehr stehenden Banken ausgegebene Noten. Die gesetzliche Beschränkung der Notenausgabe wurde so einfach contra oder zumindest praeter legem gesprengt, wie in England in gleichen Fällen die Peels-Akte suspendiert wurde. Aber dieses Kreditgeld hatte nicht gesetzliche Zahlkraft, und das Bargeld reichte nicht aus. So wurde es überwertet und blieb solange überwertet (es bedang ein „Agio“), bis die Goldzufuhren aus Europa, die Wiederherstellung normaler Kreditverhältnisse und die kolossale Einschränkung der Zirkulation unmittelbar nach der Krisis die „Geldnot“ beseitigte und in große Geldflüssigkeit verwandelte. Die Höhe des Agio war wechselnd und bedingt durch den „gesellschaftlichen Zirkulationswert“. Das Charakteristische ist, daß das Agio ganz gleich war für Papier wie für Metall, der beste Beweis, daß es mit irgendeiner Steigerung im Goldwert nichts zu tun hatte.

Die Ausgabe von Papiergeld mit Zwangskurs ist bekanntlich für den Staat häufig ein Mittel gewesen, Zahlungen zu leisten, für die ihm sonst die Mittel fehlten. Das Papiergeld warf zunächst das vollwertige Metallgeld aus der Zirkulation hinaus, das ins Ausland zur Bezahlung etwa der Kriegsaufwendungen abfloß. [26] Bei weiterer Ausgabe fand dann Entwertung des Papiergeldes statt. Für die Währung mit gesperrter Prägung gilt also die Quantitätstheorie, die ja auch durch Verallgemeinerung der Erfahrungen, die man um die Wende des 18. Jahrhunderts mit der amerikanischen, französischen und englischen Währungszerrüttung gemacht hatte, formuliert worden ist. In solchen Fällen kann man auch von Inflation, Überfüllung der Zirkulation und (in besonderen Fällen) von Mangel an Zirkulationsmitteln sprechen. Dagegen ist bei freier Prägung, auch wenn das Minimum der Zirkulation durch Zwangspapiergeld ausgefüllt ist, eine Inflation unmöglich. Das konvertible Kreditgeld kehrt, wenn im Überfluß vorhanden, sofort zur Ausgabestelle zurück, das Goldgeld ebenso, und wird in den Kellern der Bank als Goldschatz aufgespeichert. Als allgemeines Äquivalent ist es zugleich allgemein gültige und stets begehrte Form der Wert- und Reichtumsansammlung. Papiergeld mit Zwangskurs aufspeichern ist sinnlos, da es nur innerhalb der Zirkulation des Landes sich als Wert erweist; Gold ist Weltgeld und bildet die Reserve für alle Ausgaben. Seine Ansammlung erscheint daher stets rationell. Gold ist selbständiger Wertträger auch außerhalb der Zirkulation, während das Papiergeld nur innerhalb der Zirkulation einen „Kurs“ erhält.

Daß Papiergeld im Übermaß ausgegeben wird, erscheint nur in seiner Entwertung gegenüber dem Metall, das es zu vertreten vorgibt. Aber in einem gegebenen Moment ist nicht etwa weniger oder mehr Papier da, als die Zirkulation erforderte. Gesetzt, die Zirkulation erfordert 1 Million Gulden, der Staat hat aber durch seine Zahlungen 2 Millionen in die Zirkulation gepreßt; die Preise sind nominell auf das Doppelte gestiegen und erfordern jetzt die 2 Millionen Papiergulden. Diese sind entwertet, weil sie im Übermaß ausgegeben wurden; aber da sie einmal ausgegeben sind, erfordert sie jetzt auch die Zirkulation. Sie können also nicht automatisch aus der Zirkulation austreten; ihre Summe kann bei gleichbleibender Warensumme nur verringert werden, indem sie der Staat wieder vernichtet, wodurch die zurückbleibende Geldsumme im Verhältnis im Kurs steigt. Für den Staat würde das natürlich den gleichen Verlust bedeuten, als der Gewinn betrug, den er durch die Ausgabe seinerzeit erzielt hat. Das Wesentliche ist hier, daß bei gesperrter Prägung und wertlosem oder unterwertigem Zirkulationsmittel die ganze Summe des Geldes in der Zirkulation bleiben muß und aus ihr nicht austreten kann, weil sie, in welchem Umfang immer ausgegeben, ihren Kurs von den in Zirkulation befindlichen Waren erhält. Anders bei freier Prägung; hier tritt das Gold in die Zirkulation ein oder aus nach dem jeweiligen Bedarf, während der Überfluß als Wertträger in den Banken aufgestapelt wird. Wertänderungen aus dem Umstand, daß zuviel oder zuwenig Geld (vollwertiges Metallgeld) in Zirkulation befindlich ist, wie die Quantitätstheorie annahm, sind hier also von vornherein ausgeschlossen.

Bei reiner Papierwährung wechselt also die durch das Papier repräsentierte Preissumme bei gleichbleibender Umlaufszeit in gleichem Verhältnis zur Preissumme der Waren und im umgekehrten Verhältnis zur Menge der ausgegebenen Papiergeldeinheiten. Dasselbe Gesetz gilt, wenn bei gesperrter Prägung die Zirkulation von einem minderwertigen Metall versorgt wird. Nur ist hier in dein Preis des Metalls auf dem Weltmarkt die untere Grenze der Knlwertung gegeben. Unter diesen Wert kann die Münze auch bei vermehrter Ausgabe nicht sinken. Würde übrigens auch bei Goldwährung die freie Prägung, also das Recht der Privaten, ihr Gold jederzeit ausgeprägt zu erhalten, aufgehoben werden, so könnte auch hier eine Steigerung der Bewertung der Münze gegenüber dem ungemünzten Metall eintreten. [27] In all diesen Fällen werden die Zirkulationsmittel nicht Geld-, also Goldzeichen, sondern Wertzeichen. Sie würden aber diesen Wert erhalten nicht durch den Wert einer Einzelware, so wie das Papier bei gemischter Währung, wo es nur Repräsentant des Goldes ist, diesen Wert vom Golde erhält. Sondern die gesamte Papiergeldmasse hat gleichen Wert wie die Gesamtsumme der in Zirkulation befindlichen Warenmasse bei lgleichbleibender Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes. Ihr Wert ist also nur Reflex des gesellschaftlichen Prozesses der Gesamtzirkulation. In ihr wirken alle in einem gegebenen Moment auszutauschenden Waren als eine einzige Wertsumme, als Einheit, der die Papiergeldmasse durch den gesellschaftlichen Prozeß des Austausches als gleiche Einheit gegenübergestellt wird.

Aus dem bisher Entwickelten geht aber auch bereits hervor, daß eine solche reine Papierwährung auf die Dauer den Anforderungen an das Zirkulationsmittel nicht entspricht. Da sein Wert bestimmt ist durch die Wertsumme der jeweils zirkulierten Waren, diese aber beständigen Schwankungen unterworfen ist, würde auch der Wert des Geldes beständig schwanken. Das Geld würde nicht mehr das Maß der Werte der Waren sein, sondern umgekehrt, sein Wert würde gemessen durch das jeweilige Zirkulationsbedürfnis, also bei gleichbleibender Zirkulationsgeschwindigkeit durch den Wert der Waren. Reines Papiergeld ist also auf die Dauer unmöglich, weil dadurch die Zirkulation beständigen Perturbationen ausgesetzt wäre.

Abstrakt genommen ließe sich ein Zustand reiner Papierwährung folgendermaßen konstruieren. Man denke sich einen geschlossenen Handelsstaat, der Staatspapiergeld mit Zwangskurs in einer den durchschnittlichen Zirkulationsbedürfnissen genügenden Menge ausgebe. Diese Papiergeldsumme sei unvermehrbar. Die Bedürfnisse der Zirkulation werden außer durch dieses Papiergeld durch Banknoten usw. versorgt, genauso wie bei metallischer Währung. Das Papiergeld diene nach Analogie der meisten heutigen Notenbankgesetzgebungen als Deckung für diese Banknoten, die im übrigen bankmäßig gedeckt seien. Die Unvermehrbarkeit des Papiergeldes würde es vor Entwertung sichern. Das Papiergeld würde dann je nach den Verhältnissen der Zirkulation analog wie heute das Gold in die Bank fließen oder von Privaten aufgeschatzt werden, wenn der Umfang der Zirkulation abnähme, und wieder in die Zirkulation zurückfließen, wenn ihr Umfang sich erweiterte. In der Zirkulation verbliebe immer das jeweils gebrauchte Zirkulationsminimum, während die Schwankungen der Zirkulation durch ein Mehr oder Minder von Banknoten befriedigt würden. Ein solches Staatspapiergeld hätte also Wertbeständigkeit. Nur wenn der Kredit zusammenbräche, eine Geldkrise einträte, könnte eventuell die Masse des vorhandenen Papiergeldes nicht ausreichen und dieses ein Agio erhalten wie etwa das Gold und die Greenbacks während der letzten Geldkrise in den Vereinigten Staaten. In Wirklichkeit ist aber eine solche Papierwährung nicht möglich. Einmal wäre dieses Papiergeld nur gültig innerhalb des einen Staates; zum Ausgleich der internationalen Bilanzen ist Metall, Geld mit Eigenwert, erforderlich, und sobald dies der Fall, muß auch der Wert des im Inland zirkulierenden Geldes mit dem internationalen Zahlungsmittel auf gleichem Stand erhalten werden, um Störungen des Handelsverkehrs zu vermeiden, eine Forderung, die durch das System und die Politik zum Beispiel der österreichischen Währung erfüllt wird, ohne daß dabei Metall in die inländische Zirkulation einzutreten braucht. Es ist wie eine Vorahnung dieser neuesten Erfahrungen auf dem Gebiete des Geldwesens, wenn Marx sagt:

 

„Alle Geschichte der modernen Industrie zeigt, daß Metall in der Tat nur erheischt wäre zur Saldierung des internationalen Handels, sobald dessen Gleichgewicht momentan verschoben ist, wenn die inländische Produktion organisiert wäre. Daß das Inland schon jetzt kein Metallgeld bedarf, beweist die Suspension der Barzahlungen der sogenannten Nationalbanken, zu der, als zum einzigen Hilfsmittel, in allen extremen Fällen gegriffen wird.“ [28]

Dann aber scheitert diese Währung praktisch an dem Umstand, daß keine Garantie möglich wäre, die die Unvermehrbarkeit eines solchen Staatspapieres gewährleisten würde. Als Aufbewahrungs- mittel des Reichtums in seiner stets schlagfertigen Form ist Geld mit Eigenwert, Gold, stets notwendig. [29]

Deshalb kann das Geld und der selbst wertvolle Geldstoff, zum Beispiel das Gold, in der Zirkulation, wenn sie anders ungestört verlaufen soll, nie vollständig durch bloße Zeichen ersetzt werden. Faktisch läuft daher auch in der reinen Papierwährung immer vollwertiges Geld um, etwa für ausländische Zahlungen. Es kann immer nur das Minimum, unter das die Zirkulation erfahrungsmäßig nicht heruntergeht, durch Papier ersetzt werden. Dies ist aber zugleich ein Beweis dafür, daß das Geld ebenso wie die Ware keinen imaginären Wert hat, sondern dieser eine objektive Größe sein muß. Die Unmöglichkeit der absoluten Papierwährung ist ein strikter Experimentalbeweis für die objektive Wertlehre, so wie nur auf Grund dieser Wertlehre die eigentümlichen Phänomene, die die reine Papierwährung und überhaupt die Währung bei gesperrter Prägung darbieten, erklärt werden können.

Dagegen ist es rationell, in dem Umfang, den das Zirkulationsminimum gestattet, das vollwertige Geld, also Gold, durch relativ wertlose Zeichen zu ersetzen. Denn in dem Prozeß W–G–W ist das Geld für den Inhalt des Prozesses, für den gesellschaftlichen Stoffwechsel, überflüssig und bildet nur Unkosten, die erspart werden Können. [30] Nur in diesem Umfang in der Zirkulation befindlich, ist das Papiergeld nicht Repräsentant des Wertes der Waren, sondern der des Goldes, nicht Warenzeichen, sondern Goldzeichen. Innerhalb dieser Grenze gelten auch die Ausführungen von Marx:

„In dem Prozeß W–G–W, soweit er als nur prozessierende Einheit oder unmittelbares Ineinanderumschlagen der beiden Metamorphosen sich darstellt – und so stellt er sich dar in der Zirkulationssphäre, worin das Wertzeichen funktioniert – erhält der Tauschwert der Waren im Preis nur ideelle, im Geld nur vorgestellte, symbolische Existenz. Der Tauschwert erscheint so nur als gedachter oder dinglich vorgestellter, aber besitzt keine Wirklichkeit außer in den Waren selbst, sofern ein bestimmtes Quantum Arbeitszeit in ihnen vergegenständlicht ist. Es scheint daher, als ob das Wertzeichen den Wert der Waren unmittelbar repräsentiere, indem es nicht als Zeichen von Gold, sondern als Zeichen des im Preis nur ausgedrückten, aber in der Ware allein vorhandenen Tauschwerts sich darstellt. Dieser Schein ist aber falsch. Das Wertzeichen ist unmittelbar nur Preiszeichen, also Goldzeichen, und nur auf einem Umweg Zeichen des Werts der Ware. Das Gold hat nicht wie Peter Schlemihl seinen Schatten verkauft, sondern kauft mit seinem Schatten. Das Wertzeichen wirkt daher nur, soweit es innerhalb des Prozesses den Preis der einen Ware gegenüber der ändern oder jedem Warenbesitzer gegenüber Gold vorstellt. Ein bestimmtes relativ wertloses Ding, Stück Leder, Papierzettel usw., wird zunächst gewohnheitsmäßig Zeichen des Geldmaterials, behauptet sich jedoch nur als solches, indem sein Dasein als Symbol durch den allgemeinen Willen der Warenbesitzer garantiert wird, d. h., indem es gesetzlich konventionelles Dasein und daher Zwangskurs erhält. Staatspapiergeld mit Zwangskurs ist die vollendete Form des Wertzeichens und die einzige Form des Papiergeldes, die unmittelbar aus der metallischen Zirkulation oder der einfachen Warenzirkulation selbst herauswächst.“ [31]

Unsere Annahme eines reinen Papiergeldes, das ohne Goldergänzung existierte, hat also nur wieder die Unmöglichkeit gezeigt, daß die Waren einander direkt zum Ausdruck ihres eigenen Tauschwertes dienen; vielmehr erscheint auch hier die Notwendigkeit des Fortschreitens zu einem allgemeinen Äquivalent, das selbst nur Ware und daher Wert sein muß.

Es ist klar, daß bereits bei der Münze zur Garantie ihrer Richtigkeit gemeinsames Vorgehen der Produzenten erforderlich ist, um so mehr beim Papiergeld. Das natürliche Organ dazu ist der Staat, die einzig bewußte Organisation, die die kapitalistische Gesellschaft kennt, die zugleich Zwangsgewalt hat. Der gesellschaftliche Charakter des Goldes erscheint hier unmittelbar als solcher in der gesellschaftlichen Regelung durch den Staat. Gleichzeitig ist damit die Grenze der Zirkulationsfähigkeit von Münze und Papier gegeben in der staatlichen Grenze. Als Weltgeld fungieren Gold und Silber nach ihrem Gewicht.


Anmerkungen

1. Marx, Kapital, I., 4. Auflage, S. 83. (Neuausgabe S. 123. – Die Red.)

2. Ebenda, S. 87. (Neuausgabe S. 128. – Die Red.)

3. Es ist nur vom Standpunkt der bürgerlichen Gesellschaft geurteilt, wenn Wilson meint, daß nur das brachliegende Geld für die Gemeinschaft einen Verlust darstellt; vielmehr bildet die ganze Zirkulationsmaschinerie, soweit sie Wert kostet, faux frais, und selbst vom entwickelteren bürgerlichen Standpunkt erscheint Gold, soweit es Umlaufsmittel, als unproduktive (das heißt: nicht Profit bringende) Ausgabe, die daher zu vermeiden ist, ein Gedanke, der dem Merkantilsystem ein Greuel war. (Siehe James Wilson, Capital, Currency and Banking, London 1847, S. 10)

4. Marx, Kapital, I., S. 76. (Neuausgabe S. 116. – Die Red.)

5. Es gilt das Gesetz, „daß die Ausgabe des Papiergelds auf die Quantität zu beschränken ist, worin das von ihm symbolisch dargestellte Gold (resp. Silber) wirklich zirkulieren müßte“. (Marx, Kapital, I., S. 91. [Neuausgabe S. 133. – Die Red.])

6. Knapp verfällt zuerst in die Illusion, daß Geld „ursprünglich“ nichts sei als bestimmtes Metallgewicht, um hinterher darüber zu erstaunen, daß es ersetzt werden kann durch ein nur gesellschaftlich gültiges Zeichen. Hätte er erkannt (und der Mangel dieser Erkenntnis hindert heute noch die Ökonomen, eine erschöpfende Geldtheorie zu geben), daß Geld nur eine gesellschaftliche Beziehung sachlich ausdrückt, so hätte er nichts Rätselhaftes daran finden können, daß in einem bestimmten Umkreis diese sachliche Beziehung ausgedrückt wird durch ein gesellschaftlich gültiges, mit Bewußtsein geregeltes Übereinkommen, dessen Ausdruck das Staatspapier mit Zwangskurs ist. Dabei ist richtig, daß hier ein wesentliches Problem steckt, nämlich das nach den Schranken dieser staatlichen, also bewußt gesellschaftlichen Regelung. Dieses ökonomische Problem aber schließt Knapp gerade aus seiner Betrachtung aus.

7. Bekanntlich versteht man unter freier Prägung das Recht der Privaten, jedes beliebige Quantum des Geldstoffes bei der staatlichen Münzanstalt in Landesmünzen nach dem festgesetzten Münzmaßstab umprägen zu lassen. Die Prägung ist gesperrt, wenn der Staat sich weigert, diese Umprägung vorzunehmen.

8. In der Tat ist für die Schriftsteller, die unter dem Eindruck der englischen Bankrestriktion schreiben, die Möglichkeit der Überwertung kein Problem, indem sie ganz naiv die Gesetze des Papiergeldes auf die Metallwährung anwenden. Man vergleiche das folgende Zitat: „Es ist klar, daß wie die Überausgabe von Papiergeld die nominellen Preise der Waren erhöht, so aus ebensolchen Gründen die Kontraktion unter das natürliche Maß des Zirkulationserfordernisses in demselben Grad die nominellen Preise verringern wird ... Gold in Barrenform wird dann oft von geringerem Wert auf dem Markte sein als Gold in Münzform, und der Kaufmann wird es zur Münze bringen, um den Profit aus seiner Verwandlung von Barren in Münzen zu erlangen.“ William Blake, Observations on the principles which regulate the course of exchange and on the present depreciated state of the currency, London 1810, S. 40.

9. Siehe Helfferich, Das Geld, S. 77.

10. Ebenda, S. 80.

11. Spitzmüller, Die österreichisch-ungarische Währungsreform, Zeitschrift für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung, XI. Bd., 1902, S. 339.

12. Der Goldgulden ist der achte Teil des Achtguldenstückes, das als Handelsmünze geprägt wurde, also nicht für die inländische Zirkulation bestimmt war und dem Zwanzigfrancsstück mit Rücksicht auf den Goldgehalt gleich war.

13. Spitzmüller, a. a. O., S. 311

14. Dr. Anton Arnold, Das indische Geldwesen unter besonderer Berücksichtigung seiner Reformen seit 1893, S. 227.

15. Ein Freund, der von einer Reise aus Indien zurückkehrte, erzählte mir einmal folgendes: Er beobachtete einige Europäer, die in einem indischen Basar Silberschmuck erstanden. Der indische Händler bot ihnen an, den Schmuck abzuwiegen, um ihr Mißtrauen, übervorteilt zu werden, zu verscheuchen. Der Kaufpreis solle in dem gleichen Gewicht Silberrupien bestehen. Die Europäer waren damit sehr zufrieden und schlossen das Geschäft mit dem befriedigenden Gefühl ab, dem Händler nur den Metallwert ersetzt und die Verarbeitungskosten gratis erhalten zu haben. Daß der Händler dank der Währungsgesetzgebung dabei einen Preis von fast 100 Prozent über dem Metallwert erzielt hatte, wußten sie natürlich nicht. Man wird diese Geldstrafe für nationalökonomische Unwissenheit sicher nur angemessen finden und nur bedauern, daß sie sich nicht verallgemeinern läßt.

16. „Man darf in der Tat daran zweifeln, ob seit Einführung des neuen Banksystems (gemeint ist die Suspension der Barzahlung und Verleihung des Zwangskurses für die Noten der Bank von England im Jahre 1797) das Gold fortgefahren hat, in Wirklichkeit unser Wertmesser (measure of prices) zu sein; und ob wir einen anderen Maßstab der Preise (standard of prices) haben als jenes Zirkulationsmittel (circulating medium) der Bank von England und der Landbanken, dessen Variationen in seinem relativen Wert so unbestimmt sein können als der mögliche Exzeß dieses Zirkulationsmittels.“ Report from the select Committee appointed to inquire into the cause of the high Price of Gold Bullion (London 1810), S. 16. Der Report läßt die Frage, die er stellt, unentschieden.

17. Richtig hat Lindsay vor dem unter Vorsitz von Lord Towler tagenden Währungskomitee von 1898 erklärt: „Rupien unter dem gegenwärtigen Währungssystem sind nichts anderes als eine Art uneinlösbarer, mit Zwangskurs versehener metallischer Noten, für die deshalb alle Gesetze zutreffen, die für uneinlösbares Papiergeld gelten.“ Diese Gesetze sind nach Lindsay die von Ricardo aufgestellten. (Zitiert bei Bothe, Die indische Währungsreform)

18. Sehr charakteristisch ist folgendes Fragespiel bei Bothe (Die indische Währungsreform seit 1893, Cotta 1904, S. 48 ff.): „Was war nach dem 26. Juni 1893 Wertmesser in Indien?“ Daß, sobald einmal der Goldwert der Rupie sich über den Goldwert des in ihr enthaltenen Quantums Feinsilber erhöht hatte, Silber nicht mehr der Wertmaßstab war ... ist klar. War etwa die „Rupie“ Wertmesser in Indien geworden in dem Sinne, wie Professor Lexis in seinem Artikel Papiergeld (Handwörterbuch der Staatswissenschaften) ausführt, daß uneinlösliche, mit Zwangskurs versehene Noten zum selbständigen Gelde, das heißt auch zum Wertmaßstab werden können, weil ihnen ihre gesetzliche Zahlungskraft die „höchste Ausprägung des Zahlungskredites“, die Bewahrung ihres Wertes gegen Waren gestatte? Oder war das Gold nach Schließung der Münzstätten Wertmesser in Indien? Spricht man der „Rupie“ die Eigenschaft eines Wertmessers zu, so ist das gleichbedeutend mit der Behauptung, daß ein Abstraktum Wertmesser sein könne, denn nach dem 26. Juni 1893 war der Wert der Rupie nicht mehr ilureh den Gebrauchswert (!) des Stoffes, aus dem sie geprägt war, bedingt dieser letztere war ja nur mehr die stets Verschiebungen ausgesetzte untere Grenze –, sondern durch das Urteil über Eigenschaften und Brauchbarkeiten der „Rupie“, die außerhalb der aus ihrem Stoffe sich ableitenden lagen.

Ganz ebenso ist die Meinung John Lubbocks, „daß ‚exchange‘ seit Schließung der Münzstätten Wertmesser geworden sei, nur eine andere Form der nicht unbedenklichen (!) Behauptung, daß ein Abstraktum Wertmesser sein könne“. Voilä tout. Man sieht, die sehr konkrete Hochachtung vor der Autorität Professor Lexis’ hindert den Verfasser an jeder Kritik des Mangels im theoretischer „Abstraktion“, die Lexis zu dem famosen Abstraktum führt. Wo aber der Begriff des Wertes mangelt, da stellt zur rechten Zeit das Wort „Vertrauen“ sich ein. Vergleiche übrigens die treffende Polemik gegen Lexis bei Arnold, a. a. O., S. 241 ff.

19. Marx, Zur Kritik der politischen Ökonomie, S. 177. (Neuausgabe S. 184. – Die Red.)

20. „Würde in einem Lande eine Goldmine entdeckt, so würde in diesem Lande das Umlaufsmittel entwertet werden infolge der vermehrten Menge der edlen Metalle, die in Zirkulation treten würden, und es würde infolgedessen nicht länger denselben Wert besitzen wie das Umlaufsmittel anderer Länder.“

21. „Wenn statt der Entdeckung einer Mine in einem Lande eine Bank, wie die Bank von England, errichtet wird mit der Befugnis, ihre Noten als Zirkulationsmittel auszugeben, so wird, sobald eine große Summe Noten ausgegeben ist, die so ein Beträchtliches zu der Summe der Umlaufsmittel beiträgt, genau die gleiche Wirkung eintreten als im Falle der Entdeckung der Mine.“

22. Ricardo, High Price of Bullion, The Works of David Ricardo. Herausgegeben von McCulloch. New edition. London 1888, S. 264.

23. Marx, Zur Kritik der politischen Ökonomie, S. 115. (Neuausgabe S. 126. – Die Red.) Die Hervorhebungen rühren von mir her.

24. John Fullarton, On the regulation of currencies, 2. ed. 1845, S. 59 ff.

25. In einem Mitte Jänner 1908 dem Kongreß vorgelegten Bericht schätzt der amerikanische Schatzsekretär Cortelyon den Gesamtbetrag des baren Geldes, welches seit der Zahlungseinstellung der Knickerbocker Trust Company bis zur Wiederherstellung des Vertrauens von dem Publikum zuruckgehalten werde, auf annähernd 296 Millionen Dollar. Diese Summe stellt im wesentlichen ein Zehntel des ganzen in den Vereinigten Staaten annähernd im Umlauf befindlichen Geldes dar.

26. Nach dem alten Gesetz, daß das schlechtere Geld im Umlauf das bessere verdrängt. Man liest bei Macaulay: „Der erste Schriftsteller, welcher auf die Tatsache aufmerksam gemacht hat, daß, wo gutes und schlechtes Geld zusammen in Umlauf gesetzt worden, das schlechte Geld das gute verdrängt, ist Aristophanes. Er scheint geglaubt zu haben, daß der Vorzug, welchen seine Mitbürger dem leichteren Gelde geben, seinen Grund in demselben schlechten Geschmacke habe, welcher sie verleitete, Leuten, wie Cleon und Hyperbolus, die Leitung großer Angelegenheiten anzuvertrauen. Wenn aber auch seine Nationalökonomie die Prüfung nicht besteht, so sind doch seine Verse vortrefflich:

Πολλάϰις δ΄ήμϊν ἒδοξεν ή πόλις πεπονδέναι
ταὺτὸν ἒς τε τῶν πολιτῶν τοὺς ϰαλοὺς τε ϰἀγαδοὺς
ἒς τε τἀρχαῖον νόμισμα ϰαὶ τὸ ϰαινὸν χρυσίον
οὺτε γἀρ τοὺτοισιν οὖσιν οὺ ϰεϰιβδηλευμένοις
ὰλλὰ καλλίστοἲς άππάντων, ώς δοκεἲ, νόμισμάτων,
ϰαὶ μύνοις ὸρθῶς ϰοπεῖσι, ϰαὶ ϰεϰωδωνισμένοις
ἔν τετοἴς Ἕλλησι ϰαὶ τοὶς βαρβάροσι πανταχοῦ.
χρώμεθʹ οὺδέν ὰλλὰ τούτοις τοὶς πονηροῖς χαλϰíοις,
χθές τε ϰαὶ πρωῆν ϰοπεῖσι τῷ ϰαϰίστῳ ϰόμματι.
Τῶν πολιτῶν θʹοὔς μὲν ἴσμεν εὺγενεῖς ϰαì σώφρνονας
ἂνδρας ὄντας, ϰαì ὃιϰαíνς, καì ϰαλούς τε ϰὰγάθούς,
καì τραφέντας ὲν παλαìστραις καì χοροῖς καì μουσιϰῇ,
προυσελοῦμεν. τοῖς δὲ χαλϰοῖς, καì ξένοις, καì πυῤῥíαις,
καì πονηροῖς, ϰὰϰ πονηρῶν, εἰς ἄπαντα χρώμεθα.

In deutscher Übersetzung:

Manches Mal hat mir’s geschienen: unserm Staate geht es ganz
Ebenso mit seinen Bürgern, welche fein und edel sind,
Wie’s mit unsrer alten Münze bei dem neuen Golde geht.
Jene, wenn auch probehaltig, ungefälscht an Schrot und Korn,
Ja, von allen Münzen, wie mir dünkt, die beste nach Gehalt,
Die, allein von echter Prägung und bewährt durch lautern Klang,
Geltung hat bei Hellas Söhnen und im Ausland überall,
Braucht ihr nicht; nein, lieber braucht ihr dieses schlechte Kupfergold,
Gestern und ehegestern ausgeprägt, vom ärgsten Schlag.
So die Bürger, die wir kennen, edel durch Geburt und Sinn,
Männer, fein, wohlwollend, redlich, ehrenhaft, gerecht und gut,
Gut gepflegt in Ringerschulen, Chorgesang und Musenkunst,
Die verstoßt ihr, und das Falschgold, Pyrrhiasse, Fremdlinge,
Schurkensöhn’ und Schurken braucht ihr keck zu allem.
(Aristophanes. Deutsch von J.J.C. Donner. Leipzig und Heidelberg
1861, Die Frösche, S. 744 ff.)

27. Auf die Erklärungsversuche der modernen Ökonomen dürfte man dann gespannt sein. Mitte der neunziger Jahre, als die Goldproduktion rasch wuchs und zugleich starke Geldflüssigkeit und niedriger Zinssatz (Marktdiskont in London unter 1 Prozent) eintrat, wurde der Gedanke der Einstellung der freien Goldprägung in England diskutiert.

Das Problem wird übrigens auch von Tooke erörtert. Veranlassung gab die Kontroverse über Nützlichkeit und Wirkung der Einführung eines Schlagschatzes (seignorage, Prägegebühr), wie diesen auch im Ausmaße von 5 Prozent Ricardo befürwortete. „Eine unterwertige Münze (debased coinage) oder eine solche, die einem Schlagschatz unterworfen ist, wird, wenn nicht gleichzeitig die Menge des gesamten im Umlauf befindlichen Geldes begrenzt wird, natürlich nicht denselben Tauschwert haben (not be of the same value in exchange), als wenn die Münze vollwertig wäre oder ein Prinzip der Einschränkung strikt durchgeführt würde.“ Zur Illustration setzt dann Tooke folgenden Fall:

„Die Zirkulation des Landes bestände nur aus Gold und betrage 20 Millionen Sovereigns von demselben Gewicht und derselben Feinheit wie gegenwärtig; wenn plötzlich jedes Goldstück um ein Zwanzigstel oder 5 Prozent reduziert würde, aber die Zahl der Stücke genau auf den gleichen Betrag von 20 Millionen beschränkt bliebe, dann würde unter sonst gleichen Umständen, bei ungeändertem Verhältnis der Waren usw. zu der Zahl der Münzen selbstverständlich keine Veränderung in den Preisen eintreten. Und wenn Barrengold vorher auf dem Markt per Unze 3 Pfund Sterling 17 Schilling 10½ Pence galt, so würde der Preis unter sonst gleichbleibenden Umständen derselbe bleiben; oder mit anderen Worten: 46 Pfund Sterling 14 Schilling 6 Pence in gemünztem Gold, die neunzehn Zwanzigstel Pfund wiegen, würden auf dem Markt ein ganzes Pfund ungemünzten Goldes derselben Feinheit eintauschen. Wenn aber die Quantität des Goldes, die so von jeder einzelnen Münze fortgenommen wurde, nun in eine zusätzliche Menge von Goldstücken ausgemünzt und in Zirkulation geworfen würde, so würden jetzt die 21 Millionen keine größere Tauschkraft besitzen als vorher die 20 Milhonen. (The twenty-one millions would then exchange for no more than the former twenty millions.) Alle Waren würden um 5 Prozent im Preis steigen und unter ihnen auch das Barrengold, welches dann 4 Pfund Sterling 1 Schilling 9¾ Pence kosten würde; oder in anderen Worten 46 Pfund Sterling 14 Schilling 6 Pence in Münze würden nur neunzehn Zwanzigstel eines Pfundes ungemünzten Goldes eintauschen.

Dies ist der Kernpunkt aller Raisonnements über Umlaufsmittel (currency) und seine Anwendung in bezug auf die Macht des Staates, durch sein Ausgabemonopol den Nominalwert der Münze über ihren inneren Wert (intrinsic value) bei ausschließlich metallischer Währung zu steigern, ist hinreichend klar.“ (Siehe History of Prices, vol. I., S. 120 ff.)

28. Kapital, III., 2, S. 55. (Neuausgabe: Karl Marx, Das Kapital, Bd. III, Dietz Verlag, Berlin 1955, S. 562. – Die Red.) Man hat übrigens bei manchen Äußerungen von Marx über die Geldprobleme die Empfindung, daß in seinem Bewußtsein gewisse Folgerungen, die sich aus seiner Geldtheorie ergeben, einen Kampf führen gegen die Anschauungen, die aus dem empirischen Material seiner Zeit gewonnen und auf bloß logischem Wege nicht völlig zu überwinden sind. Die neuesten Erfahrungen gerade bestätigen auch die letzten Konsequenzen, die sich aus der Marxschen Wert- und Geldtheorie ziehen lassen.

Wenn Marx betont, daß nur so viel Papier in der Zirkulation sein kann, als sie Gold erforderte, so ist es für das Verständnis der modernen Währungsphänomene wichtig, sich zu erinnern, daß diese Goldmenge selbst, da ihr Wert gegeben ist, jeweilig bestimmt ist durch den gesellschaftlichen Zirkulationswert; sinkt dieser, so fließt Gold aus der Zirkulation ab; umgekehrt, umgekehrt. Bei Papierwährung und gesperrter Währung überhaupt kann aber ein Ab- und Zufluß aus der Zirkulation nicht stattfinden, da ja das nicht zirkulierende Papierzeichen minderwertig wäre. Hier muß man also auf den Zirkulationswert als das Bestimmende zurückgehen, und man kann sich nicht begnügen, die Geldzeichen als bloße Goldzeichen zu betrachten wie Marx in der Kritik der politischen Ökonomie.

Am richtigsten scheint mir Marx die Gesetze der Papier- (oder gesperrten) Währung zu formulieren, wenn er sagt: „Die wertlosen Marken sind Wertzeichen, nur soweit sie das Gold innerhalb des Zirkulationsprozesses vertreten, und sie vertreten es nur, soweit es selbst als Münze in den Zirkulationsprozeß eingehen würde, eine Quantität, bestimmt durch seinen eignen Wert, wenn die Tauschwerte der Waren und die Geschwindigkeit ihrer Metamorphosen gegeben sind.“ (Zur Kritik der politischen Ökonomie, S. 113. [Neuausgabe S. 124. – Die Red.]) Nur erscheint der Umweg überflüssig, den Marx einschlägt, indem er zuerst den Wert der Münzmasse bestimmt und durch ihn erst den des Papiergeldes. Der rein gesellschaftliche Charakter dieser Bestimmung kommt viel deutlicher zum Ausdruck, wenn man den Wert des Papiergeldes direkt vom gesellschaftlichen Zirkulationswert ableitet. Daß historisch die Papiergeldwährungen aus Metallwährungen entstanden, ist kein Grund, sie auch theoretisch so zu betrachten. Der Wert des Papiergeldes muß abgeleitet werden können, ohne auf das Metallgeld zu rekurrieren.

29. Es ist daher nicht richtig, wenn Helfferich sagt: „Theoretisch würde die Möglichkeit bestehen, ein reines Papiergeld den Schwankungen des Geldbedarfes der Volkswirtschaft anzupassen und dadurch manche Störungen zu vermeiden, die bei den metallischen Währungen aus Verschiebungen des Gleichgewichtes zwischen Geldbedarf und Geldversorgung hervorgehen können.“ (Das Geld, S. 470)

30. Papiergeld ist also kein „fehlerhaftes“ oder „schlechtes, minderwertiges“ Geld; in der richtigen Proportion in Zirkulation befindlich, widerspricht es durchaus nicht den ökonomischen Gesetzen. Es ist nur Unklarheit über diese, was die meisten „Metallisten“ die Mißbräuche, die gewollten oder aus Unkenntnis der Theorie erfolgenden, als zum Wesen einer jeden Papierwährung gehörig ansehen und sie in eine ganz abergläubische Angst nicht nur vor jeder uneinlösbaren Staatsnote, sondern vor den harmlosesten kleinen konvertiblen Banknoten geraten läßt. Goliathe, aber nicht in der Theorie, fürchten sie David, und je kleiner die Banknote, desto größer die Angst.

31. Marx, Zur Kritik der politischen Ökonomie, S. 109/110. (Neuausgabe S. 121. – Die Red.)


Zuletzt aktualisiert am 9. November 2015