Rudolf Hilferding

Das Finanzkapital


Erster Abschnitt
Geld und Kredit


V. Kapitel
Die Banken und der industrielle Kredit


Der Kredit erscheint zunächst als einfaches Resultat der veränderten Funktion des Geldes als Zahlungsmittel. Findet die Zahlung erst statt eine Zeit nach dem tatsächlich vollzogenen Verkauf, so wird für diese Zeit das Geld kreditiert. Diese Form des Kredits unterstellt also Warenbesitzer, in der entwickelten kapitalistischen Gesellschaft produktive Kapitalisten. Unterstellen wir den Prozeß als einzelnen und einmaligen, so bedeutet er nur, daß Kapitalist A genug Reservekapital hat, um den Rückfluß von B abwarten zu können, der im Moment des Kaufes nicht über die nötige Summe von Zahlungsmitteln verfügt. Bei dieser einseitigen Kreditgewährung muß A so viel Geld mehr halten, als B bis zum Zahlungstermin braucht. Geld würde dadurch nicht erspart, sondern nur übertragen. Anders wenn die Zahlungsanweisung selbst als Zahlungsmittel fungiert, mit anderen Worten, wenn A Kredit an B nicht nur gibt, sondern selbst von C nimmt dadurch, daß er C mit dem Wechsel von B bezahlt. Hat nun etwa C selbst Zahlung an B zu leisten und zahlt er B mit dessen eigenem Wechsel, so sind hier die Warenkäufe und -verkäufe zwischen A und B, A und C und C und B vollzogen worden ohne Dazwischenkunft des Geldes. Es ist also Geld erspart worden, und da zugleich dies Geld als zusätzliches Geldkapital (für den Zirkulationsprozeß des Warenkapitals) in den Händen der produktiven Kapitalisten hätte sein müssen, so ist damit für sie Geldkapital erspart worden. Der Wechsel hat Geld ersetzt, indem er selbst Geldfunktion verrichtet, als Kreditgeld fungiert hat. Ein großer Teil der Zirkulationsvorgänge, zugleich die größten und konzentriertesten, spielt zwischen den produktiven Kapitalisten selbst. Alle diese Transaktionen können prinzipiell durch Wechsel bewerkstelligt werden; ein großer Teil dieser Wechsel wird sich gegenseitig kompensieren und nur ein gewisser Betrag Bargeld nötig sein, um die Bilanz zu saldieren. Es wird hier also Kredit von den produktiven Kapitalisten einander gegenseitig gewährt. Was die Kapitalisten einander hier kreditieren, sind Waren, die für sie Warenkapital darstellen, aber diese Waren als bloße Träger einer bestimmten Wertsumme, die beim Verkauf als in ihrer gesellschaftlich gültigen Gestalt bereits realisiert unterstellt wird, also als Träger einer bestimmten Geldsumme, die der Wechsel repräsentiert. Die Wechselzirkulation beruht also auf der Zirkulation der Waren, aber von Waren, die durch den vollzogenen Verkauf bereits in Geld verwandelt worden sind, wenn auch diese Verwandlung noch nicht gesellschaftlich gültig gemacht wurde, sondern nur als privater Akt im Zahlungsversprechen des Käufers existiert. [1]

Diesen Kredit, wie er hier betrachtet wurde, vorgehend zwischen den produktiven Kapitalisten selbst, nennen wir Zirkulationskredit. Wir haben gesehen, daß er Geld ersetzt, also das kostspielige Metall erspart, da er die Übertragung von Waren ohne Dazwischenkunft des Geldes bedeutet. Ausdehnung dieses Kredits beruht auf Ausdehnung dieser Warenübertragungen, und da es sich hier um Warenkapital – um Vorgänge zwischen produktiven Kapitalisten – handelt, auf Ausdehnung des Reproduktionsprozesses. Der Reproduktionsprozeß wird erweitert, die Nachfrage nach Kapital in Form von produktivem Kapital (Maschinerie, Rohmaterial, Arbeitskraft usw.) steigt.

Das Steigen der Produktion bedeutet zugleich Steigen der Zirkulation; die vermehrten Zirkulationsvorgänge werden erledigt durch das vermehrte Kreditgeld. Der Wechselumlauf wird vergrößert und kann vergrößert werden, weil die in die Zirkulation eingehende Warenmasse vermehrt ist. Dieses Anwachsen der Zirkulation kann also vor sich gehen, ohne daß die Nachfrage nach Goldgeld zu steigen braucht. Auch das Verhältnis von Nachfrage und Angebot von Geldkapital braucht keine Änderung zu erfahren. Denn gleichzeitig und in gleichem Verhältnis mit dem vermehrten Bedarf nach Zirkulationsmitteln kann das Angebot wachsen, da auf Grund der vermehrten Warenmenge das Kreditgeld in vermehrtem Maße ausgegeben werden kann.

Gestiegen ist hier der Wechselumlauf. [2] Dieser vermehrte Kredit hat auch durchaus nicht das Verhältnis von Angebot und Nachfrage nach den Elementen des wirklichen produktiven Kapitals tangieren brauchen. Vielmehr ist beides gleichmäßig gestiegen. Der Produktionsprozeß wurde erweitert und damit die Waren produziert, die für die erweiterte Stufenleiter der Produktion nötig waren. Wir haben somit hier vermehrten Kredit und vermehrtes produktives Kapital. Beides drückt sich aus im vermehrten Wechselumlauf. Es ist aber keine Verschiebung in dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage nach Kapital in Geldform damit verbunden gewesen. Es ist aber nur diese Nachfrage, welche auf den Zinsfuß wirkt. Es kann also vermehrter Kredit – wenn es eben nur Zirkulationskredit ist – einhergehen mit gleichbleibendem Zinsfuß.

Der Wechselumlauf ist nur beschränkt durch die Summe der wirklich vollzogenen Transaktionen. Während das Staatspapier im Übermaß ausgegeben werden kann, wodurch der Wert des einzelnen Abschnitts gesenkt, aber nie der Wert der Summe verändert wird, kann der Wechsel prinzipiell nur über abgeschlossene Geschäfte ausgestellt, daher nicht im Übermaß ausgegeben werden. Ist das Geschhäft fingiert, schwindelhaft, so ist der Wechsel allerdings wertlos. Diese Wertlosigkeit des einzelnen Wechsels aber tangiert durchaus nicht die Masse der anderen.

Daß aber Wechsel nicht im Übermaß ausgegeben werden können, beweist nicht, daß die Geldsumme, auf die sie lauten, nicht zu hoch sein kann. Tritt eine Krise ein, in der die Waren entwertet werden, so können die Zahlungsverpflichtungen nicht voll erfüllt werden. Die Absatzstockung macht die Umsetzung von Ware in Geld unmöglich. Der Maschinenfabrikant, der auf den Verkauf seiner Maschine gerechnet hat, um den Wechsel, den er für den Kauf von Eisen und Kohle gegeben hatte, einzulösen, kann diesen jetzt nicht einlösen und ihn auch nicht durch einen Wechsel, den er vom Käufer seiner Maschine erhalten hätte, irgendwie kompensieren. Fehlen ihm sonst die Mittel, so wird sein Wechsel jetzt wertlos, obwohl er bei seiner Ausstellung Warenkapital (Eisen und Kohle, die in Maschine verwandelt werden) repräsentiert hat. [3]

Der Wechselkredit ist Kredit für den Ablauf des Zirkulationsprozesses und ersetzt das Zusatzkapital, das während der Zirkulationszeit gehalten werden muß. Diesen Zirkulationskredit geben einander die produktiven Kapitalisten selbst; nur wenn die Rückflüsse ausbleiben, muß Geld von dritter Seite, von Banken, zur Verfügung gestellt werden. Ebenso treten die Banken ein, wenn der Warenverkauf, also die Bedingung des Wechselverkehrs, irgendwie stockt, sei es, daß die Ware momentan unverkäuflich, sei es, daß sie aus spekulativen Gründen zurückgehalten wird oder dergleichen. Hier ergänzen sie nur und vervollständigen den Wechselkredit.

Der Zirkulationskredit erweitert somit die Basis der Produktion über das in den Händen der Kapitalisten befindliche Geldkapital hinaus, das für sie nur mehr die Basis des Kreditüberbaues bildet, einen Fonds zum Ausgleich der Bilanz der Wechsel und einen Reservefonds für Verluste bei ihrer Entwertung.

Die Ersparnis an Bargeld wird einmal um so größer sein, je mehr sich die Wechsel untereinander kompensieren. Dazu sind eigene Einrichtungen notwendig; die Wechsel müssen gesammelt und miteinander konfrontiert werden. Diese Funktionen erfüllen die Banken. Sodann wird die Geldersparnis immer größer, je mehr derselbe Wechsel als Zahlungsmittel fungiert. Der Umlauf des Wechsels wird aber um so ausgedehnter sein können, je sicherer seine Zahlungsfähigkeit ist. Die Kreditwürdigkeit des Wechsels, der als Zirkulations- und Zahlungsmittel fungieren soll, muß bekannt sein. Auch diese Funktion fällt den Banken zu. Sie erfüllen beide Funktionen, indem sie die Wechsel kaufen. Indem der Bankier den Wechsel kauft, ist er es, der den Kredit gewährt. Der Bankier setzt an Stelle des kommerziellen Kredits den Bankkredit – seinen eigenen, indem er für den Wechsel Noten gibt, an Stelle des industriellen und kommerziellen Wechsels seinen eigenen. Denn die Banknote ist nichts als ein Wechsel auf den Bankier, der lieber genommen wird als der des Industriellen oder Kaufmannes. Die Banknote beruht also auf dem Wechselumlauf. Ist die Staatsnote gesichert durch das gesellschaftlich notwendige Minimum der Warentransaktionen, der Wechsel durch die vollzogene Warentransaktion als einen privaten Akt des Kapitalisten, so die Note durch den Wechsel, das Zahlungsversprechen, für das das ganze Vermögen aller Personen haftet, die den Austausch vollzogen haben. Zugleich ist die Notenausgabe beschränkt durch die Zahl der diskontierten Wechsel, die selbst beschränkt ist durch die Zahl der vollzogenen Austauschakte.

Die Banknote ist so ursprünglich nichts anderes als ein Wechsel der Bank, der den Wechsel der Produktiven [4] ersetzt. Vor der Zeit der Entstehung der Banknote liefen die Wechsel oft mit hundert Unterschriften versehen in der Zirkulation bis zu ihrem Verfall um; umgekehrt wurden die Banknoten ursprünglich nach Art des Wechsels auf die verschiedensten Beträge, nicht nur auf runde Summen ausgestellt. Sie trugen nicht einmal immer den Charakter von Sichtwechseln.

„In früheren Zeiten war es nicht ungewöhnlich, daß Banken Noten ausgaben, die entweder bei Sicht oder an einem späteren Tag als dem der Präsentation, nach Wahl des Ausstellers, zahlbar waren, doch in dem letzten Fall trugen die Noten bis zum Tag der Zahlung Zinsen.“ [5]

Eine Änderung, die aber die ökonomischen Gesetze nicht aufhebt, führt erst das Eingreifen des Staates herbei: Zweck dieser Gesetzgebung ist, die Konvertibilität der Note zu sichern, indem die Ausgabe der Banknoten direkt oder indirekt beschränkt wird und die Ausgabe zum Monopol einer unter staatlicher Kontrolle lebenden Bank gemacht wird. In Ländern, wo das Staatspapiergeld fehlt oder auf einen weit unter dem gesellschaftlichen Minimum bleibenden Betrag beschränkt ist, nimmt die Banknote den sonst dem Staatspapiergeld zukommenden Raum ein. Wird der Banknote in gewissen krisenhaften Zeiten Zwangskurs verliehen, so wird sie damit selbst zum Staatspapiergeld. [6] Die künstliche Regelung der Notenausgabe versagt sofort, sobald die Umstände eine vermehrte Notenausgabe verlangen. So wenn in der Krise der Kredit zusammenbricht, das Kreditgeld vieler privater Kapitalisten (also viele Wechsel) unsicher wird und der von ihm eingenommene Raum in der Zirkulation durch zuschüssige Umlaufsmittel ausgefüllt werden muß. Das Gesetz versagt und wird übertreten, wie jüngst in den Vereinigten Staaten, oder suspendiert, wie die Peelsakte in England. Daß die Banknote genommen wird, während viele andere Wechsel zurückgewiesen werden, beruht lediglich auf dem unerschütterten Kredit der Bank. Wäre dieser gleichfalls erschüttert, so müßte den Noten Zwangskurs verliehen oder direkt Staatspapiergeld ausgegeben werden. Geschähe auch dies nicht, so würden private Umlaufsmittel wie in der letzten amerikanischen Krise geschaffen werden. Aber dies ist ein viel unwirksameres Mittel, um der durch verfehlte Banknotengesetzgebungen verschärften Geldkrise entgegenzutreten. [7]

Ebensowenig wie der Wechsel kann die konvertible Banknote (und die nichtkonvertible ist in Wirklichkeit nichts anderes als Staatspapiergeld mit Zwangskurs) im Übermaß ausgegeben werden. [8] Der Verkehr entledigt sich der Banknote, die er nicht mehr braucht, indem er sie der Bank zurückgibt. Da sie den Wechsel substituiert, ist ihre Notenausgabe denselben Gesetzen unterworfen wie die Wechselzirkulation und dehnt sich mit dieser aus, solange der Kredit unerschüttert bleibt, tritt aber als Zahlungsmittel, dessen Kredit in der Krise unerschüttert geblieben ist, neben dem Bargeld an die Stelle des Wechsels, sobald die Wechselzirkulation sich in der Kreditkrise gewaltsam kontrahiert.

Mit der Entwicklung des Bankwesens, wo alles unbeschäftigte Geld in den Banken zusammenströmt, substituiert sich der Bankkredit dem kommerziellen in der Weise, daß immer mehr alle Wechsel nicht in ihrer ursprünglichen Form als Zahlungsmittel dienen, indem sie unter den produktiven Kapitalisten umlaufen, sondern in ihrer verwandelten Form als Noten. Die Kompensation und Saldierung der Bilanz findet jetzt bei und unter den Banken statt, eine technische Erleichterung, die den Kreis der möglichen Kompensation erhöht und das zur Saldierung nötige Bargeld weiter verringert.

Das Geld, das früher die produktiven Kapitalisten selbst halten mußten, um die Bilanz der von ihnen ausgestellten Wechsel zu begleichen, ist für sie jetzt überflüssig; es fließt als Depositum den Banken zu, die jetzt damit die Saldierung der Bilanzen vollziehen können. Es verringert sich also der Kapitalteil, den die Produktiven m Form von Geldkapital halten mußten.

Da der Bankier an Stelle der Wechsel seinen eigenen Kredit setzt, Kit braucht er Kredit, aber nur ein geringes eigenes Kapital in Geldform als Garantiefonds für seine Zahlungsfähigkeit. Was die Banken hier leisten, ist, durch Ersatz des unbekannten Kredits durch Ihren eigenen bekannteren das Kreditgeld in erhöhtem Maße zirkulationsfähig zu machen. Sie ermöglichen dadurch auch den Ausgleich der Zahlungsforderungen lokal auf einem viel größeren Gebiete und, soweit dadurch auch die Kompensationsmöglichkeiten der Zeit nach vervielfacht werden, den zeitlichen Ausgleich; sie erweitern somit den Kreditüberbau in weit höherem Maße, als es der auf die produktiven Kapitalisten beschränkten Wechselzirkulation gelungen wäre.

Aber man darf das Kapital, das die Banken durch den Wechseldiskont den produktiven Kapitalisten zur Verfügung stellen, nicht doppelt nehmen; der größte Teil der Bankdepositen gehört der Klasse der produktiven Kapitalisten, die mit der Entwicklung des Bankwesens ihr ganzes verfügbares Geldkapital in den Banken halten. Dieses Geldkapital bildet, wie wir gesehen haben, die Basis des Wechselumlaufes. Es ist aber das eigene Kapital der Klasse. Durch den Wechseldiskont wird der Klasse als solcher nicht neues kapital zugeführt. Es wird nur an Stelle des Kapitals in der einen Geldform (dem privaten Zahlungsversprechen) Kapital in anderer Geldform (Zahlungsversprechen der Bank, eventuell Bargeld) gesetzt. Um Geldkapital handelt es sich nur, soweit es eben realisiertes Warenkapital ersetzt, also die Geldsumme hier genetisch betrachtet wird. Funktionell handelt es sich immer um Geld (Zahlungs- oder Kaufmittel).

Die Substituierung des Kredits der produktiven Kapitalisten durch Bankkredit kann natürlich auch in anderen Formen erfolgen als denen der Banknotenausgabe. So stellen in Ländern mit Notenmonopol die Privatbanken den Produktiven ihren Bankkredit zur Verfügung, indem sie die Wechsel der Produktiven „akzeptieren“, das heißt mit ihrer Unterschrift versehen und damit sich für deren Zahlungsfähigkeit verbürgen. Dadurch genießt der Wechsel den Kredit der Bank, was seine Umlaufsfähigkeit ebenso erhöht, als wäre er durch die Noten dieser Bank ersetzt. Es ist bekannt, daß ein großer Teil besonders der internationalen Handelstransaktionen durch solche Wechsel erledigt wird. Prinzipiell besteht zwischen solchen akzeptierten Wechseln und Noten von Privatbanken kein Unterschied. [9]

Der Zirkulationskredit, in dem eben von uns gebrauchten Sinn, besteht also in der Schaffung von Kreditgeld. Er macht die Produktion damit unabhängig von der Schranke der vorhandenen Bargeld- summe, wobei wir unter Bargeld das vollwertige Metallgeld, das Währungsgeld, Silber- oder Goldgeld, verstehen, plus dem Staatspapiergeld mit Zwangskurs und den Scheidemünzen, soweit sie in dem Umfang des gesellschaftlich notwendigen Zirkulationsminimums existieren.

Durch den Zirkulationskredit als solchen findet aber weder Übertragung von Geldkapital von einem produktiven Kapitalisten auf den anderen statt noch Zufluß von Geld anderer (unproduktiver) Klassen zur Kapitalistenklasse, um von dieser in Kapital verwandelt zu werden. Leistet der Zirkulationskredit also Bargeldersatz, so nennen wir den Kredit in seiner Funktion, Geld in welcher Form immer, also gleichgültig ob Bargeld oder Kreditgeld, aus brachliegendem Geld in fungierendes Geldkapital zu verwandeln: Kapitalkredit. Kapitalkredit deswegen, weil diese Übertragung stets Übertragung an solche ist, die das Geld durch Kauf der Elemente des produktiven Kapitals als Geldkapital anwenden.

Wir haben im vorhergehenden Kapitel gesehen, wie im Verlaufe des kapitalistischen Produktionsprozesses freiliegendes, aufgeschatztes Geld, das als Geldkapital dienen soll, entsteht. Es sind die Summen, die zeitweilig durch den Zirkulationsprozeß gebunden, zeitweilig brachliegen, die Summen, die aufgeschatzt werden zum Ersatz des fixen Kapitals und des aufgeschatzten Mehrwerts, bis sie zur Akkumulation groß genug geworden sind. Hier ist dreierlei zu leisten: die einzelnen Summen sind zu sammeln, bis sie durch die Zentralisation groß genug zur produktiven Verwendung werden; zweitens sind sie den geeigneten Personen zur Verfügung zu stellen; und drittens sind sie für die geeignete Zeit zur Verfügung zu stellen.

Wir haben früher gesehen, wie das Kreditgeld aus der Zirkulation entsprang. Jetzt haben wir es mit Geld zu tun , das nicht funktioniert; Geld kann aber nur Geldfunktion verrichten, und diese kann es nur in der Zirkulation verrichten; der Kredit kann in dieser Funktion daher nichts anderes leisten, als nichtzirkulierendes Geld in Zirkulation zu werfen.

Aber als kapitalistischer Kredit wirft er es nur in Zirkulation, um mehr Geld herauszuziehen; er wirft es in Zirkulation als Geldkapital zur Verwandlung in produktives Kapital. Er erweitert damit den Umfang der Produktion, eine Erweiterung, der die Erweiterung des Umfanges der Zirkulation vorausgegangen sein muß. Diese Erweiterung vollzieht sich ohne Dazwischenkunft neuen Geldes, nur durch die Ausnützung alten, aber brachliegenden Geldes zu Zirkulationszwecken.

Hier ergibt sich also wieder das Bedürfnis für eine ökonomische Funktion, die darin besteht, das brachliegende Geldkapital aufzusammeln und das gesammelte zu verteilen.

Der Kredit trägt hier aber anderen Charakter als der Zirkulationskredit. Dieser bewirkt, daß Geld als Zahlungsmittel fungiert. Die Zahlung für eine Ware, die verkauft wird, wird kreditiert. Geld, das sonst in die Zirkulation eintreten müßte, wird erspart, weil es durch Kreditgeld ersetzt ist. Um diese Summe wird wirkliches Geld überflüssig, das sonst vorhanden sein müßte. Anderseits wird dem Kapitalisten kein neues Kapital zur Verfügung gestellt. Der Zirkulationskredit verleiht nur seinem Warenkapital die Form von Geldkapital.

Anders der Kapitalkredit. Er ist nur Übertragung einer Geldsumme, die ihr Besitzer nicht als Kapital anwenden kann, an jemand, der sie als Kapital anwenden soll. Dies ist ihre Bestimmung. Denn würde sie nicht als Kapital angewandt, könnte ihr Wert nicht erhalten bleiben und rückfließen. Gesellschaftlich betrachtet ist aber immer Rückfluß des Geldes an den Schuldner nötig, um es mit Sicherheit ausleihen zu können. Es findet also hier Übertragung von Geld statt, das bereits vorhanden ist, nicht Ersparung von Geld überhaupt. Der Kapitalkredit besteht also in Übertragung von Geld, das damit aus brachliegendem in fungierendes Geldkapital verwandelt werden soll. [10] Dieser erspart nicht wie der Zahlungskredit Zirkulationskosten, sondern erweitert auf Grundlage der gleichen Geldbasis die Funktion des produktiven Kapitals.

Die Möglichkeit des Kapitalkredits entspringt hier aus den Bedingungen der Zirkulation des Geldkapitals selbst, entspringt daraus, daß periodisch Geld im individuellen Kreislauf des Kapitals brachgelegt wird. Die einen Kapitalisten zahlen dies beständig in die Banken ein, die es den anderen wieder zur Verfügung stellen.

Die ganze Kapitalistenklasse betrachtet, liegt dann das Geld nicht müßig; erstarrt es hier als Schatz, so verwandelt es der Kredit sofort in aktives Geldkapital in einem anderen Zirkulationsprozeß. Für die ganze Klasse verringert sich so der Umfang des vorzuschießenden Geldkapitals. Diese Verringerung erfolgt, weil die Pausen der Zirkulation hier das Geld übertragbar machen und so das Ruhen des Geldes als Schatz vermieden wird. Die ganze Kapitalistenklasse braucht dann nur einen verhältnismäßig geringen Teil des Geldes als Schatz fungieren zu lassen, um Unregelmäßigkeiten und Störungen der Zirkulation begegnen zu können.

Früher hatten wir es mit produktiven Kapitalisten (industriellen und kommerziellen) zu tun, die ihre Umsätze, zum Beispiel den Kauf von Produktionsmitteln, mit Kreditgeld vollziehen. Jetzt wird der produktive zum Geld- oder Leihkapitalisten. Aber diesen Charakter nimmt er nur vorübergehend an, wenn sein Geldkapital, der Verwandlung in produktives harrend, gerade brachliegt. Und wie er in einem Moment leiht, so borgt er in einem anderen von einem zweiten produktiven Kapitalisten. Der Charakter des Leihkapitalisten ist zunächst nur vorübergehend und wird dann mit der Entwicklung des Bankwesens zu dessen besonderer Funktion.

Das vorhandene Geldkapital fungiert durch Vermittlung des Kredits in größerem Umfang als ohne diese Vermittlung. Der Kredit schränkt das brachliegende Kapital auf jenes Minimum ein, die erforderlich ist, um Störungen oder unvorhergesehene Veränderung im Kreislaufprozeß des Kapitals zu verhüten. Das Brachliegen des Geldkapitals während einer gewissen Zeit im Ablauf des Kreislaufprozesses des individuellen Kapitals sucht der Kredit so für das gesellschaftliche Kapital aufzuheben.

Zugleich folgt, daß die Hinterlegung der Depositen der produktiven Kapitalisten und ebenso ihre Entziehung bestimmten Gesetzen folgt, die sich aus der Natur der Zirkulation des produktiven Kapitals, aus der Länge seiner Umlaufszeit herleiten. Diese Gesetzmäßigkeit erkennen, lehrt die Banken die Erfahrung, die ihnen das Minimum von Depositen zeigt, das in normalen Zeiten nicht unterschritten wird und ihnen erlaubt, diesen Betrag den produktiven Kapitalisten stets zur Verfügung zu halten.

Der Scheck ist der unmittelbare Bezug auf das Depositum, während der Wechsel sich nur virtuell auf dasselbe beziehen muß; der Scheck bezieht sich auf das individuelle Deposit, der Wechsel beruht auf dem Depositum der Klasse. Denn es sind zunächst die eigenen Depositen, die der Kapitalistenklasse im Wechseldiskont zur Verfügung gestellt werden und, wenn die Zahlungen für die verfallenen Wechsel eingehen, die Rückflüsse für die verkauften Waren also tatsächlich erfolgen, immer wieder als Depositen zurückkehren. Vermindern sich die Rückflüsse, werden die Wechseleingänge geringer, so müssen die Kapitalisten zusätzliches Kapital zur Verfügung haben. Sie vermindern dann die Depositen, damit aber den Fonds, aus dem ihre Wechsel diskontiert werden. Dafür muß nun die Bank eintreten; sie muß mit ihrem eigenen Kredit diskontieren; da aber die Basis des Wechselumlaufes, die Depositen, abgenommen haben, ihre Liquidität vermindert ist, kann sie ohne Gefahr nicht ihren eigenen Kredit vermehren. Der verlangsamte Rückfluß hat in diesem Fall vermehrte Nachfrage nach Bankierkredit, und da dieser nicht ausdehnbar ist, nach Bankierkapital – Leihkapital – hervorgerufen. Dies äußert sich im Steigen des Zinsfußes. Die Funktion des Wechsels, als Kreditgeld zu fungieren, hat sich vermindert. An seine Stelle mußte Geld treten, das den Banken entzogen worden und hier als vermehrte Nachfrage nach Geldkapital empfunden wurde. Wir haben hier also Verminderung der Depositen bei gleichbleibendem oder noch steigendem Wechselumlauf und steigendem Zins.

Daß die Summe der Depositen ein Vielfaches der wirklich vorhandenen Bargeldsumme ist, ist schon hier klar. Das Hartgeld macht eine ganze Anzahl von Umläufen durch und ist zugleich die Basis des Kreditgeldumlaufes. Jeder solcher Umlauf von Bar- oder Kreditgeld kann als Depositum beim Bankier niederschlagen. Die Depositensumme kann damit um so viel größer sein als die Bargeldsumme, als die Umlaufszahl des Geldes einschließlich des Kreditgeldes anzeigt.

A. legt 1000 M. in die Bank. Die Bank leiht diese 1000 M. an B. Dieser zahlt damit eine Schuld an C. C. legt diese 1000 M. wieder in die Bank, die Bank leiht sie neuerdings aus und erhält sie neuerdings als Deposit usw.

„Die Depositen ... spielen eine doppelte rolle. Einerseits werden sie als zinstragendes Kapital ausgeliehen und finden sich also nicht in den Kassen der Banken, sondern figurieren nur in ihren Büchern als Guthaben der Depositoren. Andrerseits fungieren sie als solche bloße Buchposten, soweit die wechselseitigen Guthaben der Depositoren durch Schecks auf ihre Depositen sich ausgleichen und gegeneinander abgeschrieben werden; wobei es ganz gleichgültig ist, ob die Depositen bei demselben Bankier liegen, so daß dieser die verschiednen Konti gegeneinander abschreibt, oder ob dies durch verschiedne Banken geschieht, die ihre Schecks gegeneinander austauschen und sich nur die Differenzen zahlen.“ [11]

Nach dem bisherigen wirkte die Bank einmal als Vermittlerin des Zahlungsverkehres, den sie durch die Konzentration der Zahlungen und Ausgleichung der örtlichen Verschiedenheiten erweitert; sodann besorgte sie die Verwandlung von brachliegendem in funktionierendes Geldkapital, das sie sammelte, konzentrierte, verteilte und dadurch auf das jeweilige Minimum, das für den Kreislauf des Gesellschaftskapitals notwendig ist, reduzierte.

Eine dritte Funktion übernimmt die Bank, indem sie das Einkommen aller anderen Klassen in Geldform sammelt und der Kapitalistenklasse als Geldkapital zur Verfügung stellt. Den Kapitalisten fließt so außer ihrem eigenen Geldkapital, das die Banken verwalten, das brachliegende Geld aller anderen Klassen zur produktiven Verwendung zu.

Umm diese Funktion zu erfüllen, müssen die Banken möglichst alle Gelder, die in den Händen ihrer Besitzer brachliegen, sammeln, konzentrieren und sie dann den Produktiven ausleihen. Ihr Hauptmittel ist die Gewährung von Zins auf die Depositen und die Errichtung von Sammelstellen (Filialen) zur Aufnahme der Depositen. Diese sogenannte Dezentralisation – so genannt, weil sie rein örtlich ist, nicht aber ökonomisch – liegt also im Wesen der Bankfunktion, die brachliegenden Gelder auf die Produktiven zu übertragen.

Das Geldkapital, das die Banken den industriellen Kapitalisten zur Verfügung stellen, kann von diesen in zweierlei Weise zur Erweiterung der Produktion verwandt werden: es kann Geldkapital verlangt werden, um es in zirkulierendes oder aber um es in fixes Kapital zu verwandeln. Die Unterscheidung ist wichtig wegen der Verschiedenartigkeit des Bückflusses. Geldkapital, vorgeschossen zum Ankauf von zirkulierendem Kapital, fließt in derselben Weise zurück, das heißt, sein Wert ist nach Ablauf der Umschlagsperiode vollständig reproduziert und in Geldform rückverwandelt. Anders beim Vorschuß zur Verwandlung in fixes Kapital. Hier fließt das Geld nur allmählich während einer längeren Reihe von Umschlagsperioden zurück und ist während der ganzen Zeit festgelegt. Die Verschiedenartigkeit des Rückflusses bedingt so eine Verschiedenartigkeit in der Art und Weise, wie die Gelder der Bank festgelegt sind. Die Bank hat ihr Kapital in das kapitalistische Unternehmen eingelegt und ist damit an dem Schicksal dieses Unternehmens beteiligt. Diese Beteiligung ist um so fester, je mehr das Bankkapital als fixes Kapital in dem Unternehmen fungiert. Dem Kaufmann gegenüber ist die Bank viel freier als dem industriellen Unternehmen gegenüber. Überhaupt kommt beim Kaufmannskapital überwiegend nur Zahlungskredit in Betracht. Dies erklärt auch, warum die Beziehungen zwischen Kaufmanns- und Bankkapital sich, wie wir noch sehen werden, ganz anders gestalten als die zum industriellen Kapital.

Die Formen, in denen das Bankkapital inklusive der fremden Gelder in dem Umfang, in dem sie oben erwähnt worden, den Produktiven zur Verfügung gestellt werden, sind mannigfach: Überziehen der eigenen Depositen, Einräumung eines offenen Buchkredits und der Kontokorrentverkehr. Ihre Unterscheidung ist von keiner prinzipiellen Bedeutung, wichtig sind nur die Zwecke, zu welchen die Gelder wirklich verwandt werden, ob zur fixen oder zirkulierenden Kapitalanlage. [12]

Diese Festlegung von Kapital erfordert aber anderseits auch ein größeres eigenes Kapital der Banken, das als Reservefonds und Garantiefonds für die stete Einlösbarkeit der Depositen dient. Banken mit der Funktion der eigentlichen Kreditgewährung müssen also immer auch über bedeutendes Kapital verfügen, im Gegensatz zu den reinen Depositenbanken. So ist in England das Verhältnis des eingezahlten Aktienkapitals zu den Verpflichtungen ein außerordentlich geringes; „bei der ausgezeichnet geleiteten London- und Countybank war 1900 das Verhältnis wie 4,58 : 100.“ [13] Anderseits erklärt sich aus diesem Verhältnis die Höhe der Dividenden der englischen Depositenbanken.

Zu Beginn der Entwicklung wird der Kredit hauptsächlich vermittelt durch Wechsel; er ist Zahlungskredit, den sich die produktiven Kapitalisten, Industrielle und Kommerzielle, untereinander geben; sein Resultat ist das Kreditgeld. Ist der Kredit bei den Banken konzentriert, so tritt einmal neben dem Zahlungskredit der Kapitalkredit stets stärker hervor. Zugleich kann sich der Kredit, den sich die Industriellen untereinander geben, der Form nach verändern. Die Industriellen halten alles Kapital, das sie in Geldform haben, in der Bank. Es macht jetzt keinen Unterschied, ob sie sich Kredit durch Wechsel gegenseitig geben oder ob sie sich gegenseitig Anweisung auf ihre Bankkredite geben. So können Bankkredite an Stelle von Wechselkrediten treten und der Wechselumlauf hat sich verringert. An Stelle des industriellen und kommerziellen Wechsels ist der Bankwechsel, dem aber eine Verpflichtung des Industriellen an die Bank zugrunde liegt, getreten. [14]

Daß die Entwicklung vom Zahlungs- zum Kapitalkredit geht, zeigt sich auch international. Zuerst gibt England (wir sehen von der analogen Stellung des holländischen Kapitalismus zum englischen während des Frühkapitalismus ab) den fremden Ländern, die die englischen Produkte kaufen, hauptsächlich kommerziellen Kredit, während England seine Einkäufe in verhältnismäßig größerem Maße bar zahlt; heute ist es anders: Kredit wird nicht allein und in erster Linie für die Handelsbeziehungen gewährt als kommerzieller Kredit, sondern für Kapitalanlagen; man sucht sich durch Kapitalkredit der auswärtigen Produktion zu bemächtigen. Internationaler Bankier ist weniger das Industrieland (Vereinigte Staaten, Deutschland), sondern in erster Linie sind es Frankreich, dann Belgien und Holland, das schon den englischen Kapitalismus im 17. und 18. Jahrhundert finanziert hat, die Kapitalkredit gewähren. England nimmt eine Mittelstellung ein. Daher auch die Verschiedenheit der Goldbewegungen in den Zentralbanken dieser Länder. Die Goldbewegung der Bank von England ist einmal Index für die internationalen Kreditverhältnisse, da London der einzige ganz freie Goldmarkt von alters her ist und sich daher dort der Goldhandel konzentriert. In Frankreich hindert die Goldprämienpolitik, in Deutschland manche Einflüsse der Reichsbankleitung die völlig freie Goldbewegung. Die Bewegung des englischen Goldschatzes hängt in erster Linie ab, da der Kredit, den England gibt, noch wesentlich kommerzieller Kredit ist, vom Stande der Industrie und des Handels und seiner Bilanz. Die Dispositionen der Bank von Frankreich mit ihrem riesigen Goldschatz und ihrer verhältnismäßig geringen kommerziellen Verpflichtung sind viel freier. Sie ist es, die der Bank von England bei Erschütterungen des kommerziellen Kredits zu Hilfe kommt.

Diese relative Unabhängigkeit des Bankkredits vom kommerziellen ist wichtig, weil sie eine gewisse Überlegenheit für den Bankier bedeutet. Jeder Kaufmann und Industrielle hat Kreditverpflichtungen, die bis zu einem gewissen Zeitpunkt erfüllt werden müssen. Er selbst ist aber für die Erfüllung heute abhängig von den Dispositionen seines Bankiers, der ihm durch Einschränkung seines Kredits die Erfüllung eventuell unmöglich machen könnte. Solange die Hauptmasse des Kredits kommerzieller Kredit war und die Bankiers nur wesentlich Wechselhändler, war dies nicht der Kuli; hier hing vielmehr der Bankier selbst vom Ablauf des Geschäftes, von der Bezahlung der Wechsel ab; er mußte es möglichst vermeiden, die geforderte Kreditgewährung einzuschränken, solange es irgendwie ging, da er sonst den ganzen Wechselkredit zerstören konnte; daher große Anspannung seines eigenen Kredits bis zur Uberanspannung und dem Krach. Heute, wo der kommerzielle Kredit diese Rolle nicht mehr spielt, sondern der Kapitalkredit die Hauptsache, kann die Bank die Verhältnisse viel besser kontrollieren und beherrschen.

Eine gewisse Entwicklung des Kredits gegeben, wird die Benützung des Kredits für das kapitalistische Unternehmen eine Notwendigkeit, die ihm der Konkurrenzkampf aufdrängt. Denn für den Einzelkapitalisten bedeutet die Benützung des Kredits eine Erhöhung seiner individuellen Profitrate. Beträgt die Durchschnittsprofitrate 30 Prozent, der Zinsfuß 5 Prozent, so wird ein Kapital von 1 Million Mark einen Profit von 300.000 M. erzielen. (Von diesem Profit werden in der Berechnung des Kapitalisten 250.000 M. als Unternehmergewinn, 50.000 M. als Zins auf sein Kapital gebucht werden.) Gelingt es dem Kapitalisten, eine zweite Million aufzunehmen, so wird er jetzt einen Profit von 600.000 M. minus 50 000 M., die er als Zins auf die zweite Million Mark wegzahlen muß, also 550.000 M. Gewinn machen; sein Unternehmergewinn beträgt jetzt 500.000 M., der nach wie vor auf das eigene Kapital von 1 Million berechnet, nunmehr eine Unternehmergewinnrate von 50 Prozent gegen die frühere von 25 Prozent ergibt. Erlaubt ihm das größere Kapital zugleich mit der Ausdehnung der Produktion auch billiger zu produzieren, so wird sich sein Gewinn weiter erhöht haben. Ist anderen Kapitalisten die Kreditbenützung nicht im selben Maße oder zu härteren Bedingungen möglich, so wird der begünstigte Kapitalist einen Extraprofit machen können.

Ist die Marktlage ungünstig, so äußert sich der Vorteil der Kreditbenützung in anderer Weise. Es ist dem Kapitalisten, der fremdes Kapital benützt, möglich, mit seinen Preisen für jenen Umfang, in dem er fremdes Kapital benützt, unter den Produktionspreis (Kostpreis plus Durchschnittsprofit) herunterzugehen bis auf k + z (Kostpreis plus Zins), so daß er die Gesamtsumme seinerWaren unter dem Produktionspreis verkaufen kann, ohne den Profit auf sein eigenes Kapital zu schmälern. Er opfert nur den Unternehmergewinn auf das fremde, nicht den Profit auf das eigene Kapital. Die Benützung des Kredits gibt so in Zeiten ungünstiger Konjunktur eine Überlegenheit im Preiskampf, die mit dem Umfang der Kreditbenützung wächst. So wird das eigene Kapital, das die produktiven Kapitalisten benützen, für sie nur die Basis eines Unternehmens, das mit Hilfe fremden Kapitals weit über die Schranke des eigenen Kapitals ausgedehnt wird. [15] Die Erhöhung des Unternehmergewinns durch Benützung des Kredits ist eine solche für den individuellen Kapitalisten und für sein eigenes Kapital. Sie läßt zunächst die Höhe der gesellschaftlichen Dürchschnittsprofitrate unberührt. Zugleich steigert sich aber natürlich die Profitmasse, damit das Tempo der Akkumulation. Indem sie erlaubt, die Stufenleiter der Produktion auszudehnen, die Produktivkraft der Arbeit zu steigern, gewährt sie zunächst den Kapitalisten, die den Kredit zuerst oder in größerem Umfang als andere anwenden können, Extraprofit, um im weiteren Verlauf der Entwicklung durch Fortschreiten zur höheren Zusammensetzung des Kapitals, die mit der Ausdehnung der Produktion meist verbunden ist, die Profitrate zu senken. Die Erhöhung des Unternehmergewinns des einzelnen Kapitalisten treibt diese zu immer stärkerer Inanspruchnahme des Kredits. Zugleich wächst durch die Zusammenfassung alles Geldkapitals in den Banken die Möglichkeit der Inanspruchnahme. Diese in der Industrie entspringende Tendenz muß ihrerseits zurückwirken auf die Art der Kreditgewährung durch die Banken.

Die Verstärkung des Strebens nach Kredit führt zunächst dazu, daß für das zirkulierende Kapital Kredit in Anspruch genommen wird; ein immer größerer Teil des eigenen Kapitals wird in fixes Kapital verwandelt, während für einen erheblichen Teil des zirkulierenden Kapitals fremdes Kapital eintritt. Je größer aber die Stufenleiter der Produktion, je gewaltiger der fixe Kapitalteil wird, desto fühlbarer wird die Beschränkung des Kredits auf das zirkulierende Kapital empfunden. Soll aber auch für das fixe Kapital Kredit in Anspruch genommen werden, so ändern sich die Bedingungen für die Kreditgewährung von Grund aus. Das zirkulierende Kapital ist nach einer Umschlagsperiode in Geldkapital rückverwandelt, das fixe Kapital verwandelt sich nur allmählich im Laufe einer längeren Periode mit seiner allmählichen Abnützung in Geld zurück. Geldkapital, das in fixes Kapital verwandelt worden ist, ist damit für längere Zeit gebunden, es muß lange Zeit vorgeschossen bleiben. Die Leihkapitalien aber, die der Bank zur Verfügung stehen, müssen zum größten Teil jederzeit ausbezahlt werden können. Es kann davon nur der Teil zur Verwandlung in fixes Kapital ausgeliehen werden, der in den Händen der Bank lange genug bleibt. Das tut nun kein individuelles Leihkapital; aber von dem gesamten Leihkapital bleibt immer ein großer Teil in den Händen der Bank, ein Teil, dessen Zusammensetzung stets wechselt, der aber in einem gewissen Minimum stets vorhanden bleibt. Dieser in der Verfügung der Banken bleibende Teil ist es, der auch als fixes Kapital ausgeliehen werden kann. Während das individuelle Kapital nicht in Form bloßen Leihkapitals zur fixen Anlage geeignet ist – denn es hört damit auf, Leihkapital zu sein, und wird ein Teil des industriellen Kapitals, der Kapitalist wird aus einem Leihkapitalisten ein Industrieller –, ist dieses Minimum, das immer der Bank zur Verfügung steht, zur fixen Anlage geeignet. Dieser Teil wird erstens um so größer und zweitens um so konstanter sein, je größer das Gesamtkapital, das der Bank zur Verfügung steht. Es muß daher die Bank, die fixes Kapital zur Verfügung stellt, immer schon eine gewisse Ausdehnung haben, die mit der Expansion der industriellen Unternehmungen wachsen und noch rascher wachsen muß als diese. Zugleich wird eine Bank sich nicht an einem Unternehmen beteiligen können, sondern die Tendenz haben, durch mehrfache Beteiligung ihr Risiko zu verteilen. Dies wird schon deshalb der Fall sein, weil dadurch die Rückflüsse auf diese Vorschüsse regelmäßiger eingehen werden.

Mit dieser Art der Kreditgewährung ändert sich aber zugleich die Stellung der Banken zur Industrie. Solange die Banken nur den Zahlungsverkehr vermitteln, interessiert sie eigentlich nur der momentane Stand des Unternehmens, seine momentane Zahlungsfähigkeit. Sie lösen die Wechsel ein, die nach dieser Prüfung gut sind, sie bevorschussen die Waren, lombardieren die Aktien, die nach dem augenblicklichen Stand des Marktes zu normalen Preisen verkäuflich sind. Ihr eigentliches Wirkungsfeld ist demnach auch mehr das kommerzielle Kapital als das industrielle und daneben die Befriedigung der Ansprüche der Börse. Auch ihr Verhältnis zur Industrie bezieht sich weniger auf den Produktionsprozeß als vielmehr auf den Verkauf des Industriellen an den Großkaufmann. Anders, wenn die Bank dazu übergeht, dem Industriellen Produktionsskapital zur Verfügung zu stellen. Dann bleibt ihr Interesse nicht mehr auf den augenblicklichen Zustand des Unternehmens und die augenblickliche Marktlage beschränkt, sondern jetzt handelt es sich vielmehr um das fernere Geschick des Unternehmens, um die künftige Gestaltung der Marktlage. Aus dem augenblicklichen wird ein dauerndes Interesse, und je größer der Kredit, je mehr vor allem der Anteil des in fixes Kapital verwandelten Leihkapitals überwiegt, desto größer und desto bleibender dieses Interesse.

Gleichzeitig wächst aber der Einfluß der Bank auf das Unternehmen.

Solange der Kredit nur vorübergehend war, solange also das Unternehmen nur sein zirkulierendes Kapital von der Bank kreditiert erhielt, so lange war auch die Lösung dieser Beziehung verhaltnismäßig leicht. Nach Ablauf der Umschlagsperiode konnte das Unternehmen den Kredit zurückzahlen, einen anderen Kreditgeber sich aussuchen. Das hört auf, wenn auch ein Teil des fixen Kapitals kreditiert ist. Die Verpflichtung läßt sich dann erst nach längerer Zeit lösen. Das Unternehmen bleibt an die Bank gebunden. In diesem Verhältnis pflegt aber die Bank der stärkere Teil zu sein. Die Bank verfügt immer über das Kapital in seiner flüssigen, stets schlagfertigen Form, über Geldkapital. Das Unternehmen aber ist unbewiesen auf die Rückverwandlung der Ware. Stockt der Zirkulationsprozeß oder sinken die Verkaufspreise, so ist zuschüssiges Kapital notwendig, das auf dem Wege des Kredits zu beschaffen ist.

Denn mit der Ausdehnung des Kreditwesens ist der Umfang des Kapitals eines jeden Unternehmens auf das Mindestmaß beschränkt, erfordert jede plötzlich eintretende Notwendigkeit einer Vermehrung der flüssigen Mittel eine Kreditoperation, deren Versagung für das Unternehmen den Bankrott bedeuten könnte. Es ist die Verfügung über das Geldkapital, was der Bank die Übermacht gibt gegenüber dem Unternehmen, dessen Kapital als Produktions- oder Warenkapital festgelegt ist. Dazu kommt die Übermacht des Kapitals der Bank, die sie relativ unabhängig der einzelnen Transaktion gegenüber macht, während für das Unternehmen von dieser Transaktion vielleicht alles abhängt. Umgekehrt kann in manchen Fällen die Bank so stark bei einem Unternehmen engagiert sein, daß ihr Geschick mit dem Unternehmen eng verflochten ist und sie sich allen seinen Anforderungen fügen muß. Es ist im allgemeinen immer die Überlegenheit der Kapitalsmacht, besonders die Ausdehnung des zu freier Verfügung stehenden Geldkapitals, was über die ökonomische Abhängigkeit innerhalb eines Schuldverhältnisses entscheidet.

Das geänderte Verhältnis zur Industrie verstärkt alle jene Tendenzen, welche schon aus der Technik des Bankwesens heraus zur Konzentration führen. Eine Betrachtung dieser Tendenzen muß auch hier die drei Funktionen der Banken scheiden, die im Zahlungskredit (also im Wechselverkehr), im Kapitalkredit und im Emissionsgeschäft – dies muß hier vorweggenommen werden – zum Ausdruck kommen.

Für den Wechselverkehr entscheidend ist vor allem die Ausdehnung der internationalen Beziehungen. Er erfordert ein weitverzweigtes Netz ausländischer Beziehungen. Sodann macht hier die längere Umlaufszeit des Auslandswechsels es notwendig, größere Mittel eventuell festlegen zu können. Drittens ist auch der Ausgleich durch Kompensation der Wechsel hier weniger gleichmäßig. Der Devisenhandel verlangt also eine große leistungsfähige Organisation.

„Das Bedeutsame dabei liegt darin, daß schon allein aus der Technik eines bestimmten Bankgeschäftes, das für eine aufblühende Industrie von zunehmender Wichtigkeit ist, eine Tendenz zur Konzentration im Bankwesen entsteht. Der aus der gewerblichen Produktion stammende Wechsel, Auslands- sowie Inlandswechsel, wesentlich der Bezahlung von Rohmaterial und Fabrikaten dienend, verlangt eine Organisation des Bankwesens, die weitverzweigt genug ist, um den Wechselverkehr im großen, besonders auch mit dem Ausland, regeln, gleichzeitig aber auch den einzelnen Wechsel auf seine Sicherheit prüfen zu können, das heißt Großbanken mit vielen auswärtigen Beziehungen und einheimischen Niederlassungen. Freilich dient der Wechsel der Industrie wesentlich zur Zahlung und zur Schaffung von Zahlungskredit; das Institut, das diesen Kredit gewährt, erhält dadurch noch keine Möglichkeit, in die kreditnehmenden Industrien bewußt und planvoll einzugreifen, über die notwendige Prüfung der Sicherheit des Kreditnehmers und den Diskontgewinn gehen die Beziehungen zwischen Bank und Industrie dabei nicht hinaus.“ [16]

Um das ausländische Wechselgeschäft lukrativ betreiben zu können, muß damit auch die Wechselarbitrage eng verbunden sein. Dazu gehören einerseits ausgedehnte Verbindungen, anderseits große flüssige Mittel. Denn Arbitrageoperationen müssen immer, um Gewinn abzuwerfen, sehr rasch und in großem Maßstab gemilcht werden. Dieses Wechselarbitragegeschäft „beruht darauf, daß zum Beispiel an Tagen, an denen (scil. in London) die Nachhilfe nach Wechseln auf Paris größer ist als das Angebot und die Wechselkurse dementsprechend anziehen, von Häusern, welche entweder Guthaben oder Kredit in Frankreich haben, diese Konjunktur ausgenützt wird, indem sie Wechsel auf Paris ausstellen; die behelfende bezogene Firma in Paris wartet sodann eine ähnliche gigünste Gelegenheit auf dem dortigen Markte ab, um die Summen wieder nach England zurückzuleiten“. [17]

Die Pflege des Kapitalkredits drückt sich aus in der zunehmenden Bedeutung des Kontokorrentverkehrs. [18] „Seine Bedeutung für das Verhältnis der Banken zur Industrie entspringt drei Gründen: 1. Durch seine entscheidende Wichtigkeit für die ruhige Ausdehnung eines Unternehmens schafft er eine Abhängigkeit von den Kreditgebern. 2. Die geschäftliche Natur des industriellen Bankkredits übt noch mehr als die bisher erwähnten Kreditgeschäfte eine Wirkung auf die Organisation des Bankwesens aus, nur sie wirkt auf die Bankkonzentration hin ..die eigenartigen Beziehungen zur Industrie ... verlangen neue Prinzipien, eine andere Kenntnis der Industrie seitens der Bankleiter. 3. Schließlich ist das industrielle Kontokorrentgeschäft der Angelpunkt sämtlicher Geschäfte der Bank mit der Industrie; die Gründungs- und Emissionstätigkeit, die direkte Beteiligung an gewerblichen Unternehmungen, das Mitwirken bei der Leitung industrieller Betriebe als Mitglied des Aufsichtsrates stehen zu dem Bankkredit in sehr vielen Fällen in dem engen Verhältnis von Ursache und Wirkung.“ Zugleich ist das Kontokorrentkonto ein „gutes Mittel für die Bank, das Industrieunternehmen zu beurteilen und zu kontrollieren; regelmäßige Umsätze bedeuten guten Geschäftsgang“. [19] Die Bank erwirbt durch diese regelmäßigen Beziehungen zugleich eine genaue Kenntnis dieses Unternehmens, die ihr in anderer Beziehung, zum Beispiel bei Börsengeschäften, von Vorteil sein kann. Anderseits erfordert die Gefahr übermäßiger Kreditgewährung die genaue Überwachung des industriellen Unternehmens, deren erste Vorbedingimg die ist, daß das Unternehmen nur mit einer einzigen Bank arbeitet.

Fordert so die Funktion der Bank als Kreditvermittlerin mit der Ausdehnung der Industrie eine fortschreitende Konzentration des Bankkapitals, so verlangt ihre Funktion als Emissionsinstitut glechfalls größtmögliche Konzentration. Zunächst macht sich hier bei den gewinnreichsten Geschäften die unmittelbare Überlegenheit einer großen Bank am stärksten geltend; sie wird mehr Geschäfte milchen, größere Geschäfte und bessere Geschäfte. Je größer die Bank, desto größer die Sicherheit, mit der sie emittiert. Sie wird einen großen Teil der Emission bei ihren eigenen Kunden unterbringen können. Dann aber muß die Bank imstande sein, die immer größeren Summen, um die es sich handelt, mit Sicherheit aufzubringen. Sie braucht dazu großes eigenes Kapital und großen Einfluß auf den Markt.

Die große Bank kann sich den geeigneten Zeitpunkt des Absatzes aussuchen, sie kann mittels ihres großen Kapitals die Börse präparieren, und sie ist in der Lage, auch späterhin die Kursentwicklung der Aktien zu beherrschen und so den Kredit des Unternehmens zu schützen. Die Ansprüche, die an die Emissionskraft der Banken gestellt werden, werden mit der Entwicklung der Industrie immer größer. Die Mobilisierung des Kapitals läßt für die Ausdehnung der Produktion nur mehr eine Bedingung: die technische Angemessenheit, gelten. Zugleich beseitigt sie auch für die Erweiterung der Unternehmungen die Abhängigkeit von den Überschüssen des eigenen Betriebes und gestattet rasche, zu Zeiten günstiger Konjunktur oft geradezu sprunghafte Erweiterungen mit plötzlichen starken Kapitalsansprüchen. Sie kann dieses Kapital nur dort erhalten, wo es in großen konzentrierten Massen vorhanden ist, von den Banken, und sie muß diesen wieder die Sorge überlassen, dieses Kapital ohne Erschütterung des Geldmarktes zu beschaffen. Dies kann die Bank nur, wenn das Kapital, das sie ausgibt, ihr wieder rasch zurückströmt oder die Umsätze nur buchmäßig vollzogen werden; dies wird in um so größerem Maße der Fall sein, sobald die Aktien von ihren eigenen Kunden genommen werden, die das Geld dafür an die Bank zahlen; sie entnehmen es den Depositen der Bank und vermindern damit die Passiven.

Aus der Technik des Bankbetriebes selbst ergeben sich so Tendenzen, die gleichfalls auf die Bankkonzentration hinwirken, wie dies die industrielle Konzentration bewirkt, die aber die primäre Ursache für die Bankkonzentration darstellt.


Anmerkungen

1. Sieht man bloß, daß die Wechsel durch den Warenaustausch fundiert sind, und übersieht man, daß dieser Warenaustausch erst dann gesellschaftlich gültig vollzogen ist, wenn die Wechsel gegeneinander kompensiert, die Bilanz durch Bargeld beglichen und die nicht bezahlten Wechsel durch Geld ersetzt sind, so gelangt man zur Utopie der Warennote, des Arbeitsgeldes usw., von Kreditzeichen, die vom Metall losgelöst, selbständig den Wert der Waren direkt repräsentieren sollen.

2. Die Summe der im Laufe des Jahres in Umlauf gesetzten Wechsel betrug in Millionen Mark: 1885 12.060, 1895 15.241, 1905 25.506. Davon waren Bankakzepte: 1965 oder 16 Prozent, 3530 oder 23 Prozent und 8000 oder 31 Prozent. In diesen Summen sind allerdings auch die nicht in den Verkehr (Kautions-, Depotwechsel usw.) gelangenden Wechsel eingerechnet. W. Prion, Das deutsche Wechseldiskontgeschäft, Leipzig 1907, S. 51.

3. Wird aber die normale Warenzirkulation durch außerordentliche außerökonomische, also zufällige Ereignisse unterbrochen, wie Revolution oder Krieg usw., so wird es rationell, diese Unterbrechungszeit gleichsam in die normale Umlaufszeit nicht einzurechnen und erst das Vorübergehen dieser Ereignisse abzuwarten. Dies geschieht durch die gesetzliche Bestimmung eines Moratoriums für die Wechsel.

4. Unter produktiven Kapitalisten verstehen wir die Kapitalisten, die Durchschnittsprofit realisieren, also die Industriellen und Kaufleute, im Gegensatz zu den Leihkapitalisten, die Zinsen, und den Grundbesitzern, die Rente beziehen.

5. James Wilson, Capital, Currency and Banking, London 1847, S. 44.

6. Natürlich, wird die Bank fortfahren, mit diesen Noten zu diskontieren, und insofern diese Noten gegen Wechsel und andere Sicherheiten ausgegeben werden, erfüllen sie die Funktionen des Kreditgeldes nach wie vor. Das schließt aber durchaus nicht aus, daß sie Staatspapiergeld sind, und das wird sofort bewiesen, wenn sie entwertet werden, weil mehr Papier ausgegeben ist, als dem gesellschaftlichen Zirkulationsminimum entspricht. Geschieht das nicht, so wird natürlich auch keine Entwertung eintreten. Da die Vorschüsse an den Staat, wodurch eben die Zirkulationsmenge des Papiers unabhängig von den Bedürfnissen von Handel und Industrie vermehrt wird, auch während der Periode der Bankrestriktion in England gering blieben, war auch die Entwertung gering. Es ist jedoch falsch, wenn Diehl sagt: „Aber selbst bei den uneinlöslichen Banknoten mit tatsächlicher Qualität als gewöhnliches Zahlungsmittel kann von einem ‚Papiergeld‘ nicht die Rede sein; denn so bedenklich auch der Mangel der Einlösungspflicht ist“ (Bedenken, die Diehl, der auf die Erfahrungen der österreichischen Währung keine Rücksicht nimmt, außerdem noch überschätzt), „auch unter diesem System werden die Banknoten nicht ausgegeben, um Geld in Umlauf zu bringen, sondern sie werden in Form von Darlehen an den Staat oder an Kaufleute ausgegeben – also gegen Forderungsrechte, die die Bank ihrerseits erreicht. Dann hängt alles von der Art der Geschäftsführung der Bank, nicht aber von der Notenmenge ab, ob und inwieweit auch unter diesen Verhältnissen die Notenausgabe nur berechtigten Kreditbedürfnissen des Staates und des Handels dient oder ob sie darüber hinausgehend zu einer den ganzen Kredit gefährdenden Papiergeldwirtschaft führt.“ (Karl Diehl, Sozialwissenschaftliche Erläuterungen zu Ricardos Grundgesetzen der Volkswirtschaft, Leipzig 1905, II. Teil, S. 235.) Diehl übersieht den wesentlichen Unterschied zwischen Notenausgabe, die auf Wechseldiskont beruht, also auf Warenumsatz, der Geld verlangt, für den eben das Kreditgeld zur Verfügung gestellt wird, und der Notenausgabe für Vorschüsse an den Staat. Die Note ersetzt den Wechsel, also eine Form des Kreditgeldes durch eine andere, und der Wechsel repräsentiert wirklichen Warenwert. Notenausgabe gegen Zahlungsversprechen des Staates aber soll erst den Staat in den Stand setzen, Waren zu kaufen, für die ihm das Geld mangelt. Nimmt der Staat Schulden auf dem Geldmarkt auf, so erhält er in Zirkulation befindliches Geld, und durch seine Ausgabe fließt es wieder auf den Geldmarkt zurück. Hier braucht sich die in Umlauf befindliche Geldmenge nicht zu ändern. Aber der Staat wendet sich an die Bank, weil er eben keinen anderen Kredit hat, und verleiht den Noten Zwangskurs, weil die Bank sonst bankrott würde. Die für diese Anleihe ausgegebenen Noten sind Zusatz zur Zirkulation und können entwertet werden. Es ist genau dasselbe, als würde der Staat das Papiergeld, das er für seine Zahlungen braucht, selbst und nicht erst durch den Umweg durch die Bank ausgeben. Nur daß der Umweg für die Bank vorteilhaft ist, weil sie jetzt für die „Anleihe“, die sie nur Druck kostet, Zinsen bezieht. Es war namentlich dieser Umstand, der Ricardo so gegen die Bank von England aufbrachte und zu der Forderung führte, die Papiergeldausgabe, wobei er freilich Staatspapier und Banknote konfundierte, zur Staatssache zu machen. Es ist übrigens nicht uninteressant, zu sehen, daß die berühmten Vorschläge Ricardos in seinen Proposals for an economical and secure Currency in der „reinen Papierwährung“ Österreichs in manchen Teilen verwirklicht sind, während gerade diese Verwirklichung das Falsche in Ricardos theoretischer Begründung aufs klarste erkennen läßt.

7. Bei der Gesetzgebung über das Geldwesen steht die kapitalistische Gesellschaft vor einem rein gesellschaftlichen Problem. Diese Gesellschaft ist sich aber ihrer selbst nicht bewußt. Ihre eigenen Bewegungsgesetze bleiben Ihr verborgen und müssen erst mühsam von der Theorie entdeckt werden. Gegen die Annahme der theoretisch gefundenen Resultate wehrt sich aber das Interesse ihrer führenden Schichten. Selbst abgesehen von den engen und eigennützigen Interessen der Geldkapitalisten, die als vornehmlichste Sachverständige in den Fragen der Bankgesetzgebung gelten, ist es der Widerwille gegen die Arbeitswerttheorie, welche zum unüberwindlichen Hindernis m die richtige Einsicht der Gesetze der Geld- und Notenzirkulation wird und in der englischen Bankgesetzgebung zum Sieg der Prinzipien der Currencyschule führt, obwohl diese Lehre schon durch die Arbeit von Tooke, Fullarton und Wilson historisch und theoretisch ad absurdum geführt war. Es ist dabei eine hübsche Ironie der Geschichte, daß diese Theorie sich – und bis zu einem gewissen Grade mit Recht – auf denselben Ricardo, der sonst die Arbeitswerttheorie konsequent durchzuführen bestrebt war, berufen konnte, weil Ricardo unter dem Eindruck der Praxis der Papiergeldwirtschaft hier seine eigene Theorie im Stiche gelassen hatte.

Es ist der anarchische Charakter der kapitalistischen Gesellschaft, der ihr die rationelle und bewußte Regelung einer gesellschaftlichen Aufgabe so sehr erschwert. Mühsam und ganz allmählich lernt sie erst aus den harten um! kostspieligen Erfahrungen der verschiedensten Länder und Epochen richtigere Grundsätze, ohne die Kraft zu finden, sie zu verallgemeinern, wie die Aufrechterhaltung der amerikanischen und englischen, im geringeren Grade auch der deutschen Notenbankgesetzgebung und -politik beweist. Und noch weniger ist sie heute imstande, die neuen Erfahrungen einheitlich theoretisch zu erfassen; staunt sie doch schon die Kühnheit eines Knapp an, der die neuen Tatsachen weder verurteilt noch weginterpretiert, sondern wenigstens daraus eine systematische – Terminologie schafft.

Da es sich bei der Verwaltung der Geld- und Kreditzirkulation um eine rein gesellschaftliche Aufgabe handelt, so erhebt sich die Forderung, diese Aufgabe dem Staate zu übertragen. Da aber der kapitalistische Staat von Klasseninteressen zerrissen ist, so werden gegen diese Forderung sofort die Bedenken derer wach, die den Machtzuwachs der den Staat gerade beherrschenden Schichten zu fürchten haben. Der Kampf endet zumeist mit dem Kompromiß einer weitgehenden staatlichen Aufsicht über eine privilegierte Privatgesellschaft. Das persönliche Interesse der Kapitalisten, das angeblich unentbehrlich sein soll, muß eben ausgeschaltet oder doch beschränkt werden. Das Privatinteresse der Leiter der Nationalbanken steht in gar keinem Verhältnis zur Bedeutung ihrer Macht. Hier könnte in der Tat das freie Walten des Profitinteresses durch Ausnützung des Nationalkredits für eigene Rechnung den größten Schaden anrichten. Der gesellschaftliche Charakter der Aufgabe macht die Ausschaltung oder doch die starke Einschränkung des Profitinteresses unentbehrlich.

8. „Ich zögere keinen Moment, meine volle Übereinstimmung mit der so sehr verschrienen Doktrin der alten Bankdirektoren von 1810 auszusprechen, daß, solange als eine Bank ihre Noten nur ausgibt in der Diskontierung guter Wechsel von nicht mehr als 60tägiger Laufzeit, sie nicht falsch handeln kann, wenn sie soviel Noten ausgibt, als das Publikum nehmen will. In diesem Grundsätze, so einfach er ist, steckt nach meiner Meinung mehr Wahrheit und tiefere Einsicht in die Prinzipien, welche den Geldumlauf beherrschen, als in irgendeiner Vorschrift über diesen Gegenstand, die seitdem erlassen worden ist.“ Fullarton, loc. cit., S. 207.

9. „Das wichtigste Mittel, im internationalen Verkehr Zahlungen zu erledigen, ist der Wechsel. Während sich in früherer Zeit in dem Handelswechsel sichtbar der zwischenstaatliche Ausgleich vollzog, ist in dem letzten Jahrhundert der Bankwechsel mehr und mehr in den Vordergrund getreten, hinter welchem der erstere, aber auch der aus anderen Forderungen – zum Beispiel aus dem Effektengeschäft – abgeleitete, verborgen ist. In dem Handelswechsel ist die spezielle Art des vorausgegangenen Warenkaufes ausgelöscht, in dem Bankwechsel ist, dem Zuge der Zeit entsprechend, die Abstraktion noch weiter getrieben, und es ist nicht mehr der Schluß gestattet, daß der Warenverkehr ihm zugrunde liegt, vielmehr läßt sich nur sagen, daß eine Geldforderung aus irgendeinem ökonomischen Vorgang beglichen werden soll. An diese Zahlungsart kann nun der internationale Kredit anknüpfen.“ A. Sartorius Freiherr v. Waltershausen, Das volkswirtschaftliche System der Kapitalanlage im Ausland, Berlin 1907, S. 258 ff.

10. Da alles Geld gegen Zins ausgeliehen, also für den Verleiher Kapitalcharakter annimmt, so wird umgekehrt alles ausgeliehene Geld, welches immer in Wirklichkeit seine Funktionen, ob es Ausgangspunkt für neues produktives Kapital bildet oder nur Zirkulationsvorgänge bereits vorhandenen Kapitals vermittelt, als Kapital angesehen und die Nachfrage nach Geld als Zahlungsmittel mit der als Geldkapital verwechselt.

11. Marx, Kapital, III., 2. Teil, S. 8. (Neuausgabe S. 514. – Die Red.)

12. Die Ökonomen, welche bei der Analyse der Ware die spezifischen Forinbestimmtheiten übersehen und nur den Inhalt des Tauschaktes betrachten, vedrnachlässigen umgekehrt bei den entwickelten Formen des Kredit- wie des Börsenverkehrs den Inhalt und können sich nicht genug tun mit unendlichen Spintisierereien über die Formen. Auch Jeidels scheint mir in seiner sonst vorzüglichen Schrift (Das Verhältnis der deutschen Großbanken zur Industrie, Leipzig 1905) den Formen des Kreditverkehrs übermäßige Bedeutung beizulegen.

13. Jaffé, Das englische Bankwesen, S. 200.

14. „Zunächst ist in fast allen Geschäftszweigen, durchgeführt schon im Rohstoff- und Halbfahrikatenverkehr, die zunehmende Einbürgerung der Barzahlung (worin aber Prion die Bankzahlung einbegreift) an Stelle der Wechselbegleichung wahrzunehmen. Mit Hilfe des Bankkredits, besonders in der Form des Akzeptkredits, zahlt der Kaufmann mittels Giroüberweisung oder Ausschreibung eines Schecks in bar, so daß der reine Warenwechsel immer mehr verdrängt wird. Am stärksten muß dies die großen und besten Warenwechsel treffen, weil in den obersten Schichten des Handelsverkehrs der Kapitalreichtum durch den Aufsaugungsprozeß ohnehin schon stark gewachsen ist. Selbst im überseeischen Großverkehr, dem Herkunftsgebiet des bisher feinsten Wechsels, beispielsweise im Getreidehandel, ist es üblich geworden, an Stelle des Zwei- und Dreimonatswechsels mit der Sichttratte zu zahlen, wenn nicht das Bankakzept gebraucht wird. Begründet ist diese Umwandlung durch die Tatsache, daß der Käufer bei Barzahlung stets vorteilhaftere Bedingungen erlangen kann, die selbst im ganzen bestehen bleiben, wenn auch zu diesem Zwecke in erheblichem Umfange der Bankkredit in Anspruch genommen werden muß. Um die tatsächlich noch in Umlauf gelangenden Warenwechsel entspinnt sich des weiteren ein starker Wettbewerb sowohl zwischen Reichsbank und Kreditbanken, als auch zwischen den einzelnen Gruppen der letzteren selbst. Die gewaltigen Kapitalanhäufungen in den Großbanken drängen nach einer entsprechenden Wechselanlage und drücken deshalb in diesem Wettbewerb den Preis für die guten Warenwechsel weit unter den Reichsbankdiskontsatz bis auf den Privatdiskontsatz herab.“ (Prion, loc. cit., S. 120.)

15. Um wie hohe Kredite es sich im Einzelfall handelt, sieht man zum Beispiel aus einer Notiz des Aktionär aus dem Jahre 1902, wonach es vielfach üblich geworden ist, daß Industrielle 20 bis 40 Prozent als Bankschulden zu verzinsen haben. Auf der Generalversammlung des Neusser Eisenwerkes, vormals Rudolf Daelen, rechnete ein Aktionär aus, daß die Schulden dieses Werkes 1900 bis 1903 26, 85, 105, 115 Prozent der flüssigen Mittel betrugen; von den 718.000 Mark Schulden im Jahre 1903 waren 500.000 Mark Bankschulden bei 1 Million Mark Aktienkapital. (Jeidels, a. a. O., S. 42.)

16. Jeidels, l. c., S. 32.

17. Edgar Jaffé, Das englische Bankwesen, S. 60.

18. Das Wesen des Kontokorrentkredits besteht darin, „daß er dem Schuldner gestattet, über den vereinbarten Kredit im ganzen oder durch Teilbeträge zu verfügen und auch dementsprechend jederzeit Rückzahlungen zu leisten. Vorteilhaft für den Schuldner ist diese Eigenart des Kontokorrentkredits dadurch, daß er die Benützung der leihweise überlassenen Kapitale ganz dem Bedürfnis seines Geschäftsbetriebes anpassen und in ökonomischer Weise die Kosten derselben verringern kann. Dagegen bedeutet die Hingabe von Geldern im Wege des Kontokorrentkredits für die Banken eine ziemlich feste Anlage, deren Dauer zwar nicht begrenzt ist, die aber Rückzahlungen von seiten des Schuldners fortwährend zuläßt.“ (Prion, 1. c., S. 102.) Über seine Höhe in Deutschland heißt es ebenda: „Es ist üblich, den Kontokorrentzinsfuß dem Lombardzinsfuß der Reichsbank anzupassen, ihn jedoch nicht bei Ermäßigung der Bankrate unter eine bestimmte Mindesthöhe fallen zu lassen, die meist 5 Prozent beträgt. Neben dieser in der Praxis gleichmäßig gehandhabten Berechnung der Zinsen wird für die besondere Art der Kreditgewährung nach Unterlagen und Qualität der Banken eine Provision in Ansatz gebracht, die den qualitativen Abstufungen der Geschäftsverbindungen gerecht wird. Sie wird meist von einem Vielfachen der gewährten oder tatsächlich in Anspruch genommenen Kreditsummen berechnet und ist von der Lebhaftigkeit des Umsatzes abhängig. Jedenfalls verändert diese Provision den eigentlichen Zinssatz so sehr zuungunsten des Kreditnehmers, daß in Wirklichkeit je nach dem einzelnen Abkommen 2 bis 5 Prozent mehr gezahlt werden müssen, als die dem Namen nach bestehende Zinsberechnung angibt.“

19. Jeidels, 1. c., S. 32 ff.


Zuletzt aktualisiert am 9. November 2015