Alexandra Kollontai


Aus dem norwegischen Tagebuch 1915

(2. Juni–21. September 1915)


Zum ersten Mal veröffentlicht nach dem im Zentralen Parteiarchiv des IML Moskau aufbewahrten Manuskript. Einzelne Auszüge aus dem Tagebuch von 1915 wurden in die Veröffentlichungen Die amerikanischen Tagebücher Alexandra Kollontais (Istoritscheski Archiw, Nr. 1, 1962) und Aus dem Archiv von Alexandra Kollontai (Inostrannaja Literatura, Nr. 1/2, 1970) aufgenommen. Nach Ich habe viele Leben gelebt, Berlin 1980, S. 216–247.
Kopiert mit Dank von der Webseite Sozialistische Klassiker 2.0.
HTML-Markierung: Einde O’Callaghan für das Marxists’ Internet Archive.


Holmenkollen, 2. Juni.

Ich schreibe in der elektrischen Bahn. Bin „in Geschäften“ unterwegs nach Kristiania.

Mein Heft – mein Tagebuch – ist mir Vertrauter und Tröster geworden. Hier kann ich niemandem mein Herz ausschütten. Ich denke immer so bei mir: Du darfst nicht nur für dich selbst schreiben. Du musst es auch für die anderen tun. Für irgendwelche fernen, unbekannten Frauen, die später leben werden ... Mögen sie sehen, dass wir keineswegs „Heldinnen“ oder „Helden“ gewesen sind, sondern ganz gewöhnliche Menschen. Allerdings besaßen wir einen leidenschaftlichen, glühenden Glauben. Wir glaubten an unser Ziel und schritten vorwärts ... Wir sind stark, doch mitunter auch sehr schwach ...

An dem Tag, da ich aus Trondheim abreiste, kam Tranmæl ins Gefängnis. „Für zehn Tage bei Wasser und Brot.“ Wir gaben ihm das Geleit bis zum Gefängnis und steckten ihm eine Haarwasserflasche voll kräftiger Fleischbrühe zu. Von mir bekam er Blumen. Er wurde ganz verlegen. Wir brachten ihn bis zum Eingang. Dann schlug das schwere Tor hinter ihm zu. Das Herz krampfte sich mir zusammen, wie bei jemandem, der einem nahesteht.

Heute kam ein Brief von Lenin. Er schreibt, dass beschlossen worden sei, in der Schweiz eine Zeitschrift Kommunist [1] herauszugeben, natürlich mit internationalistisch-revolutionärer Tendenz. Kommunist ist ein guter Name. Die Sozialisten drücken schon jetzt nicht mehr aus, was wir wollen, wonach wir streben. Dieses Wort haben die Sozialpaktierer besudelt, geschändet, mit Blut befleckt. Ich habe mich darüber gefreut, dass schon allein der Titel vielversprechend klingt. Ich erklärte mich zur Mitarbeit bereit.

Das bedeutet den endgültigen Bruch mit dem Nasche Slowo [2]. Fällig war das schon längst, denn eigentlich bestehen gar keine Verbindungen mehr zu ihnen. Obwohl es auch im Nasche Slowo ein paar gibt (Besrabotny-Manuilski, Antonow-Owsejenko), die unsere Gesinnungsgenossen sind; die übrigen aber sind Sozialverräter. Von Axelrods Artikeln wird einem nachgerade übel. Ich weiß noch, welchen Hass ich im vorigen Jahr wegen der Geschichte mit Malinowski auf ihn hatte. [3]

Nun bin ich also zur Mitarbeit entschlossen. Das ist nicht nur der Bruch mit dem Nasche Slowo, es ist mehr. Das ist der Anschluss an jenen revolutionären Leninschen Flügel, der den praktischen Kampf gegen Krieg und Kapitalismus aufgenommen hat. Man wird uns über viele Jahre verunglimpfen und verfolgen. Die kapituliert haben, die Sozialchauvinisten, wird man hätscheln, uns jedoch ... Auf diesem Weg erwartet uns viel Leid, werden uns noch große Opfer abverlangt werden. Mir schlug das Herz seltsam höher, als ich Lenins Brief voller Freude gelesen hatte. Ich wusste, dass dies ein neuer, dornenreicher Weg sein würde, doch mir war froh zumute – es war der einzig richtige Weg. So musste es sein. Als wäre ich am rechten Weg noch nicht angelangt gewesen, hätte ich noch nicht vollbracht, wozu ich berufen bin. Hier würde ich es vollenden!

Ein Gespräch mit Vidnes. Er „gilt“ als „Linker“. Meiner Meinung nach gilt er wirklich nur als solcher. Ich hatte in der Redaktion des Social-Demokraten vorbeigeschaut, fing von der Organisierung der Frauen an, sagte, was ich dachte: Es werde zu wenig getan, man mache es nicht richtig und dergleichen mehr. Vidnes hörte mir zu und gab mir dann recht. Doch was wird er eigentlich tun? Hat er mich überhaupt verstanden? Und das Komitee? Ich bot ihm einen Artikel über den Parteitag [4] an. Er sah ihn kurz durch und erschrak.

„Nein, das können wir nicht bringen. Wir haben gerade eine Krise in der Partei. Zur Spaltung darf es nicht kommen. Die Mitglieder des Storting (Parlament. Die Red.) sind jetzt verärgert. Wir müssen einen behutsamen Kurs steuern.“

„Warum haben Sie Angst vor einer Trennung? Im Augenblick wäre das nicht von Schaden. Es würde der internationalen Arbeiterbewegung helfen. Die Norweger würden den Weg weisen.“

Doch er will nichts davon hören – die Wahlen stehen bevor. Sie richten die gesamte Taktik, die ganze Tätigkeit der Partei auf die Wahlen aus. Und das zu einer Zeit, da die Welt in Flammen steht! Ringsum wütet das Feuer. Die Proletarier sterben zu Zehntausenden zum Ruhme des Imperialismus, und sie denken nur an die Wahlen! Da möchte man doch am liebsten ausspucken und gehen. Aber ich muss noch die Frage des Militarismus klären.

„Finden Sie nicht, Genosse Vidnes, dass der Parteitag in einen Kompromiss abgeglitten ist? Die Linie der Vorbereitungskommission war weitaus klarer.“

Er runzelt die Stirn, stimmt mir nicht zu. Ich werde deutlicher:

„Für die internationale Bewegung wäre es gerade jetzt nützlicher gewesen, wenn der Parteitag Deutschland und Frankreich wegen der Bewilligung der Kriegskredite scharf verurteilt hätte! Sie waren doch schließlich nicht vom Krieg bedroht.“

Er ist anderer Meinung, er wolle keine „Rüge“. Das Prinzip gilt nichts, wenn es darum geht, die Storting-Mitglieder „nicht zu verärgern“! Nein, Vidnes ist kein Internationalist. Er sollte mal Lenin lesen ...

6. Juni.

Gestern habe ich einen kleinen Artikel für den Kommunist abgesandt [5] Allerdings ist er nicht so recht gelungen; es ging mir nicht von der Hand. Ich kann das einfach nicht, bringe es nicht fertig, so auf die Schnelle, auf Bestellung zu schreiben. Es muss richtig aus mir heraus wollen, dann kann ich es sagen, sonst wird es nichts. Den dritten Tag habe ich bis zwei Uhr nachts gesessen und morgens um acht schon wieder geschrieben, mich abgequält.

Und gerade für den Kommunist wollte ich etwas Interessantes und Gelungenes machen ...

Heute fehlt mir irgendwie die Lust zum Arbeiten. Ich möchte eigentlich sehr gern eine ganz einfache, kleine Broschüre über den Krieg schreiben, aber es macht keinen Spaß, wenn man nicht weiß, wie, mit welchen Mitteln man sie drucken lassen soll. Ich weiß noch, wie ich etwa um die gleiche Zeit im vergangenen Frühjahr acht bis zehn Stunden am Tag gearbeitet habe. Und alles umsonst! Mein Buch Gesellschaft und Mutterschaft [6] ist bis jetzt noch nicht erschienen! Und wenn es erscheinen sollte, hat es nicht mehr die Wirkung, die es vor einem Jahr gehabt hätte. Ich habe schreckliche Angst, dass Bontsch [7] die 27 Seiten Bibliographie verlorengegangen sind. Alles noch einmal zusammenstellen? Unmöglich! Sämtliche Bücher sind ja in Berlin geblieben!

Das Kreuz der Mutterschaft [8] ist nicht gedruckt worden. Meine Broschüre über die Mutterschaft wurde beschlagnahmt. Fünf oder sechs kleine Artikel über die Mutterschaft aus Anlass der Konferenz in Wien [9] sind ungedruckt geblieben, da der Krieg dazwischengekommen ist. Ein Bericht über die Tätigkeit der russischen Arbeiterinnen, ebenfalls für die Wiener Konferenz, ist auch nicht erschienen, hat doch das sozialistische Frauensekretariat die Berichte wegen des Krieges nicht herausgegeben.

All das ist ärgerlich. Da arbeitet man nun so viel, investiert so viel Kraft, und dann ist alles vergebens. Ich muss jetzt oft daran denken, dass ich, wenn ich einmal sterbe, meine Aufzeichnungen niemandem zur Veröffentlichung geben kann, die Tagebücher, Briefe, all das, was von gewissem psychologischem und möglicherweise auch historischem Interesse ist. Für wen von denjenigen, die jetzt an meiner Seite leben, mag das von Belang sein?

13. Juni.

Von der Redaktion des Kommunist ist ein Telegramm gekommen. Meinen Artikel haben sie noch nicht erhalten, doch auf meinen Vorschlag, etwas über den norwegischen Parteitag zu schreiben, gehen sie mit der Bitte ein, einen solchen Beitrag zu schicken. Der vorige Artikel hat mich so wenig zufriedengestellt, dass ich mich über die Möglichkeit freue, einen besseren zu schreiben.

3. Juli.

In Russland tut sich etwas, reift etwas heran. „Bis zur Revolution ist es noch weit, doch man erwacht dort, kommt zur Besinnung, so dass einfach etwas passieren muss“, meinte ein Russe, der hier eingetroffen ist. Dieser Tage werde die Duma zusammentreten. Besonders deutlich sei die Zunahme der Oppositionsstimmung in Moskau bei den Industriellen zu spüren. Natürlich hat Lenin recht, wenn er sagt, dass „die Niederlage“ Russlands „das kleinere Übel ... wäre“. Wenn alle Sozialisten so dächten und alle Sozialisten so handelten – dann würden die Staaten nicht so verbissen aufeinander losgehen. Die innere Desorganisation in einem jeden Land bedeutet Bürgerkrieg.

Ja, ja, Lenin hat recht! Anfangs habe ich diese Losung [10] nicht verstanden, schien sie mir nicht deutlich genug definiert, doch jetzt begreife ich sie und unterstütze sie mit Leib und Seele.

Aussperrung und Generalstreik, die in der Luft lagen, sind hier offenbar vorübergegangen. Die Bauarbeiter streiken noch, die zwölfte Woche schon, doch sicher wird nun auch dieser Konflikt beigelegt werden. Die Streikenden haben ganze neun, dann zehn Kronen pro Woche erhalten. Wie soll man davon leben! Aber gerade hier zeigt sich die große, herrliche Kraft, die Kraft der Arbeitersolidarität.

Ach, wenn doch dieser Geist schon vom ganzen Leben Besitz ergriffen hätte! Das ist derart schön, erhaben und bewegend! Da kommen zwölf Wochen lang fünftausend Leute mit zehn Kronen in der Woche aus. Dafür ist das, wenn sie siegen, nicht nur ihr Sieg, sondern ein Sieg der Klasse, eine Stärkung des Geistes der Solidarität und des Kampfgeistes. Angesichts der Uneinigkeit der internationalen Arbeiterbewegung ist das jetzt so notwendig. Das ist die Hauptsache – die internationale Solidarität ...

5. Juli.

Sie haben nicht gesiegt. Das Zentralbüro der Gewerkschaften ist einen Kompromiss eingegangen, hat Zugeständnisse gemacht. Die Bauarbeiter gehen nach zwölfwöchigem Streik wieder an ihre Arbeit, ohne faktisch etwas gewonnen zu haben. Das Zentralbüro hat auf Grund der angedrohten Aussperrung den Rückzug angetreten. Fünftausend Arbeiter haben sich zwölf Wochen lang tapfer geschlagen, um dann mit leeren Händen dazustehen. Das organisierte Proletariat hat sich nicht für sie eingesetzt. Die Festung wurde ohne den letzten, entscheidenden Vorstoß, ohne das letzte Gefecht aufgegeben. Schlimm. Vor allem für sie. Die Jugendorganisationen verstehen das. Olaussen ist außer sich, blickt ganz wild. Ein Diplomat und Gewerkschaftsführer dagegen versichert, es sei wunderbar, dass der Konflikt beigelegt ist – jetzt sei nicht der rechte Zeitpunkt, um „abzurechnen“.

Das Weltgeschehen nimmt seinen Gang. Der Kanonendonner verstummt nicht. An allen Grenzen fließt Blut. In diesen Tagen werden die Geschicke der Länder, der Völker und des Proletariats entschieden. Hier jedoch findet ein eigener kleiner Kampf statt, im engen nationalen Rahmen.

Heute habe ich gleich zwei, ganz verschiedene Briefe bekommen, einen von Lenin und einen von Martow.

Lenins Brief enthält eine grundsätzliche Frage. Er erkundigt sich nach meiner Meinung. Zugleich legt er die seine dar, die einzig akzeptable. Der Brief und die darin gestellte prinzipielle Frage veranlassen mich zu ernsthaftem Nachdenken. Es geht um folgendes: Bedeutet die Losung von der völligen Entwaffnung im Vergleich zur Forderung nach einer Volkswehr einen Fortschritt (wie ich es in meinem Artikel geschrieben habe), oder ist diese Fragestellung falsch? Nach Ansicht Lenins stehen wir am Vorabend der sozialen Revolution. Für das Volk sei es günstiger, Waffen zu haben. „Man muss bewaffnet sein, um eine Revolution durchzuführen.“ Schön, aber können wir Internationalisten jetzt diese Forderung verteidigen? Würde dadurch nicht die Grenze zwischen uns und den Sozialchauvinisten verwischt werden?

Ich bin mir bei dieser Frage noch nicht ganz im Klaren ...

11. Juli.

Soeben habe ich mich von Mischulja verabschiedet, von meinem lieben, guten, teilnahmsvollen Jungen. Nun ist er wieder weg. Als ich am 6. auf dem Bahnhof so aufgeregt auf ihn wartete, dachte ich nicht, dass wir nur vier Tage haben würden.

Wie viel Freude und Kummer hat es in diesen Tagen gegeben! Nun droht meinem Herzblatt die Gefahr, einberufen zu werden. Mischa ist jedoch entschieden gegen den Krieg.

Was für ein Glück, dass wir uns im Wesentlichen völlig einig sind! Gewiss, wie man gegen den Krieg kämpfen soll, weiß er noch nicht, sieht er noch nicht. Doch die Hauptsache ist, dass Mischa kein „Patriot“ des zaristischen russischen „Vaterlandes“ ist, dass er begreift, dieser Krieg ist ein imperialistischer Krieg.

Mischa hat es jetzt nicht leicht. Wie ein Älterer hat er sich in seinem jungen Leben zahlreiche Sorgen aufgebürdet, die eigentlich sein Vater oder ich für ihn tragen müssten. Ich habe in diesen Tagen Hochachtung vor meinem aufrechten, feinfühligen und verständnisvollen Sohn bekommen.

Nun ist er fort, und vorerst darf ich ihn nicht mehr erwarten. Wann werde ich ihn wiedersehen?

Man hört bezeichnende Dinge über das Geschehen in Russland. In der Armee herrscht zwischen den Heerführern unvorstellbare Rivalität. Jeder denkt nur an sich, stürzt den Nebenmann ins Verderben, um selbst aufzurücken. Hunderttausende junger Menschenleben werden so vernichtet ... Karrierismus, Rivalität, Übelwollen. Und wem? Dem eigenen Waffengefährten. Das ist gut so im Hinblick auf die „Zersetzung“ des Systems. Weshalb aber, weshalb nur werden diese jungen Leben der Bauern und Arbeiter zugrunde gerichtet?

Die Niederlage in den Karpaten war beispiellos. [11] Vor der Niederlage hatte man noch vom Frieden gemunkelt. Jetzt will man davon nichts mehr hören. Immer häufiger geben sich ganze Truppenteile gefangen. „Die Soldaten wollen nicht kämpfen.“ Das ist sehr wichtig. Ich werde Lenin davon schreiben.

Es fehlt an Ausrüstungen. Man hört Klagen über mangelnde Vorbereitung auf den Krieg, über das Fehlen von Verkehrsverbindungen, von Straßen. Der Hafen von Archangelsk ist überfüllt. Die Güter werden nicht gelöscht. Es gibt nicht genügend Züge. Das Kommando von Nik. Nik. [12] wird heftig „kritisiert“.Doch selbstverständlich kann es keinerlei „neuen Kurs“ in der Politik geben. Suchomlinow ist wegen der Mjassojedow-Geschichte abgesetzt worden. [13] Bestechung und Verrat, Teuerung und Schiebungen.

Das Bild ist klar. Wird sich das Volk das gefallen lassen?

„Den imperialistischen Krieg mit dem Bürgerkrieg beantworten.“ Objektiv läuft alles darauf hinaus, dass die Völker, das heißt die Arbeiter, einfach nicht länger schweigen und stillhalten können. Wann aber werden sie ihren Regierungen endlich sagen: „Halt! Nun reicht es!“

Immer noch höre ich Mischas liebe Stimme. Wie herrlich war es doch, in dem Bewusstsein einzuschlafen, dass wir unter einem Dach sind. Öde ist es ohne ihn!

20. Juli.

Niederlagen der Russen. 32.000 Gefangene. Die Deutschen rücken auf Riga vor. [14] Bei Warschau ein Umgehungsmanöver vom Hinterland her.

Nik. Nik. verlangt weitere 30.000 Mann „frische Kräfte“!

22. Juli.

Ich lese die Berner Tagwacht [15]. Das ist im Augenblick die einzige Zeitung, die den Sozialchauvinismus bekämpft und die wirklich am Krieg Schuldigen auf allen Seiten der Front entlarvt. Gewiss, die Berner Tagwacht ist bei weitem nicht die Position Lenins! ihr mangelt es an Klarheit und revolutionärer Geradheit. Auch fehlt die wichtigste Losung – den imperialistischen Krieg in einen revolutionären Krieg umwandeln. Doch die Zeitung schart jene um sich, die sich nicht mit dem Krieg abfinden. Das ist ein erster Schritt.

Gestern Abend hatte ich eine Veranstaltung mit den „Jungen“ (dem norwegischen Jugendverband). Ich habe ihnen Lenins Thesen (die Novemberthesen) [16] übersetzt. Wir haben diskutiert, ich habe sie ihnen erläutert.

Je mehr man sich in dieses wichtige, fundamentale Dokument vertieft, um so klarer weisen einem die Thesen Lenins den Weg. Das ist nicht einfach eine „Analyse“, das ist Taktik, Aktion. Das ist ein politisches Programm. Zunächst einmal in allen Ländern mit sämtlichen „Sozialpatrioten“ brechen, und zwar ganz entschieden und schonungslos. Dann die Kräfte der Arbeiterklasse in jedem Land – und vor allem in den kriegführenden Ländern – gegen die eigene Bourgeoisie richten. „Keine Zusammenarbeit der Klassen“, wie das jetzt der Fall ist, sondern gerade heftigsten, erbarmungslosen, offenen Klassenkampf. Barrikaden als Antwort auf den Krieg.

Das ist mir aus dem Herzen gesprochen. Das hätte am 4. August [17] getan werden müssen. Das war es, war wir empfanden, als wir mit Karl Liebknecht sprachen und unsere Gedanken nicht klar auszudrücken, die Losung nicht zu finden vermochten.

Den imperialistischen Krieg nutzen und ihn in einen Bürgerkrieg umwandeln – das ist die Losung. Nicht die Losung vom Frieden, sondern die Umwandlung des gegenwärtigen imperialistischen Krieges in einen Bürgerkrieg. Vor kurzem noch glaubte ich, dass die Losung vom Frieden alles erfasse. Inzwischen ist mir klar, dass auch das Opportunismus ist. Es genügt nicht, die Ursachen des Krieges zu begreifen und Kriegsgegner zu sein, man muss auch wissen, mit welchen Mitteln der Krieg bekämpft werden kann. Das ist das Wichtigste.

Das ist es, was Lenin sagt und was in Nasche Slowo nicht zu finden ist.

Die Arbeiterklasse wird sich nur dann gegen den Krieg erheben, wenn sie sich darüber im Klaren ist, wie gegen den Krieg gekämpft werden muss.

Für Russland sind die Losungen einfach, kristallklar – demokratische Republik, Achtstundentag und Enteignung der Gutsbesitzer.

Dieser Krieg führt zwangsläufig zur sozialen Revolution, das ist klar und unausbleiblich.

In Deutschland werden die Spartakusleute [18] verfolgt, doch sie sind rege tätig. Die Verbindung zu ihnen reißt nicht ab. Drei Namen lassen einem jetzt warm ums Herz werden – Karl, Rosa und Clara.

Sie bilden ein Gegengewicht zu den chauvinistischen Verrätern wie Vandervelde, Guesde und Scheidemann.

26. Juli.

Ich bin spät nach Hause gekommen, fand einen Brief von Lenin vor. Am 11. Juli habe in Bern eine Vorkonferenz der Internationalisten (Internationale) stattgefunden. [19] Es habe sich jedoch gleich abgezeichnet, dass die Konferenz davor zurückschreckte, eine genügend klare Position zu beziehen. Das sei keine Konferenz derer gewesen, die die ersten Steine für das Fundament einer III. Internationale legen wollten, sondern eine Konferenz von „Friedensstiftern“ zwischen Rechten und Linken, zwischen Sozialchauvinisten und revolutionären Internationalisten. Eine große Rolle habe Axelrod gespielt. Der Vorschlag der Bolschewiki (Zentralkomitee) sei nicht durchgekommen. Die linken Deutschen habe man nicht eingeladen, usw.

Lenin bittet darum, die linken Skandinavier zu gewinnen und anzuspornen. Da kommt viel Arbeit auf mich zu. Bei der Herausbildung einer linken Internationale muss ich einfach helfen ...

27. Juli.

Die „linke Strömung“ im Nasche Slowo befriedigt mich nicht mehr. Auch das sind nur „Halbheiten“. Schreiben werde ich (wenn man es druckt), doch mit ihnen gehen kann ich nicht. Ich kann nichts unterstützen, woran ich nicht aus tiefstem Herzen glaube.

Jetzt sind Klarheit und Geradlinigkeit des Weges vonnöten, das, was in allen Artikeln Lenins zu finden ist. Ich arbeite daran, meine norwegischen Freunde zu informieren und sie auf den Weg der Bolschewiki zu bringen. Je mehr Klarheit ich über diesen Weg gewinne, um so mehr drängt es mich, die hiesigen Linken zu bewegen, sich unsere Thesen (das heißt die Gedanken Lenins) zu eigen zu machen.

28. Juli.

Ljolja Danielsen ist „mit Briefen“ (wir benutzen ihre Adresse) bei mir gewesen. Sie hat vier Kinder. Ihr Mann ist ein rechter Träumer, ewig ohne Verdienst (er repariert Uhren). Ihre materielle Lage ist miserabel. Aber sie behält ihren Schwung, fühlt sich zu uns hingezogen.

Gestern habe ich mich lange mit ihr über Dinge unterhalten, die noch vor ganz kurzer Zeit meine Aufmerksamkeit voll in Anspruch genommen haben – der Weg der Frau, das Erwachen des Menschen in ihr, die freie und gleichberechtigte Frau. Als sie gegangen war, konnte ich nicht einschlafen. Ich musste immerzu an das Schicksal der Frauen denken, daran, was die Geschichte bereithält. Ob wohl dieser Krieg die „Übergangsstufe“ für die Frauen beschleunigt und erleichtert?

Allem Anschein nach ja. Die Frau ist jetzt überall anzutreffen, ihre Arbeitskraft wird gebraucht. Ihr Wert ist gestiegen, sie hat den engen Rahmen der Familie verlassen. Das ist ein Plus.

Wiederum Tage voller Sorge – der Abbruch der Beziehungen zwischen Schweden und Russland wird erwartet. Das wird sich auch hier auswirken. Wir spüren die „Fänge des Krieges“ sogar inmitten der einmaligen Schönheiten des Holmenkollen. Was sollen die Emigranten tun? Ich denke auch an mich: Nach England oder Frankreich kann ich nicht, in die Schweiz ist kein Durchkommen. Also wieder Dänemark?

Hannes Sköld schreibt, dass auch Schweden in den Krieg hineingezogen werden könnte: „Man kann bei Ungelegenheiten sterben, ich aber will nicht bei so etwas mein Leben lassen. Ich will leben für die Revolution.“

Ja, ja, es wird immer deutlicher, dass man für „SIE“ leben muss. Es zeichnet sich immer konkreter ab!

Die Kämpfe dauern an. Ob Niederlagen oder Siege – es kostet immer Zehntausende das Leben ...

Ich war an meinem Lieblingsplatz mit der Aussicht auf den Fjord. Was für eine Pracht! Zu meinen Füßen wimmelten Ameisen. Sie kamen eine nach der anderen aus ihrem Ameisenhaufen gekrochen und schleppten ihre Eier fort, durchs Moos, zwischen Grashalmen hindurch, über Steinchen hinweg. Wie geschickt sie das anstellten! So klein und winzig, und doch so wundervoll organisiert.

Schlimm – die ganze menschliche Dummheit und die Macht des kapitalistischen Systems. Solche Kriege hat die Menschheit noch nicht erlebt.

In diesen Tagen habe ich hastig einiges geschrieben – einen Artikel über Jaurès (er erschien gestern im Social-Demokraten), dann einen meines Erachtens misslungenen, gequält klingenden Artikel für die Jugend-Internationale [20], und schließlich habe ich eine – diesmal scheint mir, gelungene – Deklaration für den norwegischen Jugendverband zur zweiten Vorkonferenz der Internationalisten [21] verfasst. Sie wurde ohne Debatte angenommen, nicht ein Wort wurde geändert. Mich interessiert, was Lenin wohl dazu sagen wird. Es ist mein „erster Versuch“, so eine Deklaration habe ich bisher noch nie ausgearbeitet. Wie wird man sie aufnehmen?

Man bittet mich um einen „Aufruf“ an die Soldaten, an die Verwundeten, die ausgetauscht werden.

Aufgabe des Proletariats in Russland ist es, eine bürgerlich-demokratische Revolution in Russland zu vollziehen und damit eine weltweite soziale Revolution zu entfachen. Mit weniger dürfen wir uns nicht zufriedengeben. Nur eine Revolution, nur Barrikadenkämpfe in allen Ländern werden dem Krieg Einhalt gebieten. Können denn die Rechten das wirklich nicht begreifen? Sie gehen von einem Kompromiss zum anderen. Was ist von der Internationale übriggeblieben?

Doch die neue Internationale reift schon heran. Sie muss zwangsläufig gerade jetzt entstehen, gerade in dieser schrecklichen, blutigen Zeit. Eine Internationale mit der Losung „Nieder mit dem imperialistischen Krieg, es lebe die soziale Revolution!“

1. August.

Gestern jährte sich der Todestag von Jaurès. Auf mein Drängen hin fand im Volkshaus eine Veranstaltung statt, auf der ich gesprochen habe. Mich störte allerdings, dass ich einen Dolmetscher brauchte. Die Genossen waren zufrieden.

Das war jetzt eine bewegte Zeit. Ich sehe oft unsere Linken (Norweger), sie sind immer mehr davon überzeugt, dass Lenins Standpunkt richtig ist. Endlich ist beschlossen worden, dass Olaussen, Tranmæl und Höglund zur zweiten Vorkonferenz der Internationalisten (in die Schweiz) fahren. Nicht von der Partei, sondern vom Jugendverband aus. Das ist auch besser so. Dadurch sind sie ungebundener.

2. August.

Warschau steht vor dem Fall. Die Deutschen haben die russischen Truppen eingeschlossen. Ein neuer Sieg der Deutschen bedeutet, dass der blutige Schrecken noch weiter geht. Wie ich diese Verräter, diese Feiglinge, die chauvinistischen Sozialisten hasse!

Dabei im tiefsten Herzen unablässig die quälende Sorge, was wohl mit Mischa sein mag.

All das zusammen ist fürchterlich.

Hätten diese Verräter vor einem Jahr doch nicht so gestimmt! [22] Man hätte sie vielleicht erschossen? Die Arbeiterklasse jedoch hätte gewusst, wofür – und rascher den Weg zum Endziel gefunden.

Abends.

Der Sozial-Demokrat ist jetzt das wichtigste und einzige Organ der internationalen Arbeiterklasse, genauer gesagt, ihrer Vorhut. Hier verläuft die Scheidelinie, sehr deutlich und sehr scharf, zwischen Sozialchauvinisten und Internationalisten. Schade, dass er in Russisch erscheint. Wir müssen uns um seine Verbreitung kümmern. Dazu wird auch die Zeitschrift Kommunist beitragen.

Ich bin gerade aus dem Volkshaus zurück. Habe sehr lange mit Olaussen und Arvid Hansen die „Grundthese“ erörtert: Die Niederlage der Regierungen und der Bourgeoisie muss in jedem Land zur Losung werden. Das gleiche sagt auch Karl Liebknecht. Lenin indessen geht weiter – nicht einfach Niederlage, sondern Umwandlung des imperialistischen Krieges in einen Bürgerkrieg. Das ist ein höchst revolutionärer Gedanke. Er weist den Weg zum Handeln. Sie (die Norweger) bereiten sich auf die Konferenz vor.

Es gehen Gerüchte um, nach denen in Deutschland unter den Arbeitern die Unzufriedenheit wächst. Die Spartakusleute sind unermüdlich in der Illegalität tätig. Ich habe auf die Norweger eingeredet, sie sollten jemanden dorthin schicken. Sie können das, denn sie sind ja neutral. Doch sie sagen, es sei jetzt für sie gar nicht so einfach, eine Reiseerlaubnis zu bekommen.

Mir ist inzwischen völlig klar, dass niemand so wirksam gegen den Krieg kämpft wie Lenin. Die übrigen begnügen sich mit Halbheiten. Nur durch einen Schlag der Massen, durch den Willen des Proletariats kann dem Krieg Einhalt geboten werden. Und diesen Willen muss man einen durch Solidarität und Entschlossenheit zum Kampf auf den Barrikaden. Das ist unsere Aufgabe.

3. August.

Die Offensive der Deutschen dauert an. Eine Festsitzung der Duma hat stattgefunden. [23] Goremykin verspricht Polen die „Selbstverwaltung“. (Wer glaubt ihm schon? Rodsjanko, Sasonow?) Die ersten Festungswerke bei Iwangorod sind gefallen. Warschau ist verloren.

Das Herz bleibt einem stehen vor soviel Blutvergießen. Von dieser Pein sind alle Stunden erfüllt. Haben wir denn wirklich einmal ohne diesen Alptraum gelebt? Jetzt, in diesem Augenblick, finden Kämpfe statt, explodieren Granaten, sterben, stöhnen und quälen sich Tausende. Stunde um Stunde währt das Entsetzliche. Kein Tag, der nicht Tausenden den Tod brächte. Barbarisch ist das, Wahnsinn.

Ich habe an meine Lehrerin Maria Iwanowna [24] gedacht. Könnte sie etwa „Patriotin“ werden? Sie, die mir als erste eine kritische Einstellung zum „Regime“, zur sozialen Ungerechtigkeit beigebracht hat? Sie, die in unser wohlbehütetes Milieu den frischen Windhauch des Kampfes, der Kritik, der Unzufriedenheit mit dem Bestehenden, das Streben hineingetragen hat, etwas „für das Volk“ zu tun, „für das Volk“ zu kämpfen?

Ein dicker Brief von Lenin [25] Als Beilage die Deklaration zur nächsten Konferenz. Ihn habe gefreut, dass ich eine Frauendeklaration verfasst habe, es müssten nur noch geringfügige Berichtigungen vorgenommen werden. Neu ist bei ihm, dass er die Anerkennung der „Freiheit der Völker“ erwähnt. Kann man das jetzt anführen? Ich bin mir noch nicht im Klaren. Ich werde ihm meine Gedanken mitteilen.

Ein neuer Kummer. Die Zeitungen melden, Clara Zetkin sei verhaftet worden. [26] Kein Wunder! So mutig, wie sie gekämpft hat, kann man sie gar nicht in Freiheit lassen. Diese Schufte!

4. August.

Heute hat Fräulein Dundas vor dem Haus zu Schokolade und Kuchen eingeladen. Sie hat Geburtstag. Erika und einige Freundinnen der Dundas sind gekommen – eine Anwältin und zwei Angestellte der Kommunalverwaltung. Die Norwegerinnen sind sehr selbständig und unabhängig, selbst in den Mittelschichten gibt es viele Erwerbstätige. Sie fahren alle sehr gern Ski und wandern gern in den Bergen. Morgen wird Fräulein Dundas ihren Rucksack nehmen und ganz allein für die Dauer ihres dreiwöchigen Urlaubs in die Hardangerberge ziehen.

Ich beneide sie. Sie hat mich aufgefordert mitzukommen, doch das geht jetzt nicht. Ich habe Aufträge zu erfüllen.

Heute jährt sich zum ersten Mal der Tag, da im Reichstag über die Kriegskredite abgestimmt wurde. Ein schrecklicher Tag war das. Damals bin ich mit Karl Liebknecht durch den Tiergarten gegangen, und wir hatten nicht glauben wollen, was geschehen war. An jenem Tag wurden die internationalistischen Positionen aufgegeben. Ein Abgrund tat sich auf. Es gab keinen Weg mehr.

Jetzt ist es leichter. Ich sehe und fühle das Anwachsen der Opposition der linken Kräfte und weiß, dass uns dieses Jahr, genauer gesagt Lenin, vieles gelehrt hat. Um Lenin scharen sich die Kräfte der „Jungen“. Eingestürzt ist das Gebäude der „deutschen Schule“, die zu erstarren begann; der Opportunismus hat in den Sumpf geführt. Doch schon regt sich der lebendige revolutionäre Geist des Suchens und tritt in Aktion. Die Linken aller Länder gruppieren und organisieren sich im Geiste Lenins. Wir sind nur wenige, doch wir sind da. Die Gedanken Lenins lassen den Verstand nüchtern werden, Lenin ist gegenwärtig der klarste Kopf. Ich mache mir viel Arbeit mit den norwegischen Linken. Das Wichtigste ist jedoch schon erreicht – sie fahren und werden folglich unmittelbaren und lebendigen Kontakt zu Lenin bekommen ...

5. August.

In der Duma „vielversprechende“ Reden Sasonows – eine Festsitzung. Wieder mal eine „neue liberale Ära“. Es ist ärgerlich und lächerlich. Wir wissen doch ganz genau, was diese Versprechungen wert sind. Aber jedenfalls herrscht in Russland Besorgnis. Hatte Lenin also recht, als er meinte, von zwei Übeln sei eine „Niederlage“ Russlands das kleinere, weniger schlimm als ein Sieg? In Russland wird jetzt den Nichtrussen „Gleichberechtigung“ versprochen!

Beim Weggehen sagte die kleine Frau (Ljolja Danielsen), eine Strickerin, Frau eines Uhrmachers: „Wie gut, dass Sie nicht in der Stadt wohnen. Wenn ich an Sie denke, muss ich in Gedanken in die Berge hinauf. Darin liegt etwas Symbolisches.“

Eine merkwürdige kleine Frau, lebhaft, feinfühlig und empfindsam. Wie ist sie in diesem finsteren Reich des Spießertums nur so unversehrt geblieben? Die Schwiegermutter, der Mann – das alles gleicht Ostrowskis Finsterem Reich, nur ist es hier noch kleinlicher, noch fader, mit der ständigen Sorge ums tägliche Brot, mit dem Kampf um jeden Heller, mit der Pfennigfuchserei, dem Hunger, der ewigen Sorge um das Morgen und dem Traum des Mannes „von Millionen“ ...

Dieses typische Spießermilieu, das Milieu des Kleinbürgers, kenne ich hier noch nicht. Deshalb lausche ich mit Interesse ihren lebendigen, bildhaften Schilderungen: Die in einem Tabakladen verbrachte Kindheit, die Kunden – Medizinstudenten, Arbeiter, kleine Beamte. Dann ihr „Dienst“ in der Familie als halbes Dienstmädchen. Später die Heirat. Er ist Handwerksmeister, ein Arbeiter, kämpft jetzt darum, seine „Werkstatt“ mit zwei als Arbeiter beschäftigten Söhnen zu halten. Schulden, kaum Umsatz. Sie ist Strickerin geworden, damit die Kinder Milch bekamen. Und sie schreibt, schreibt seit ihrer Kindheit. Das, was sie gestern gebracht hat, Gedichte und kleine Szenen, zeugt davon, dass in ihr ein „Funke“ lebendig ist. Talent? Oder einfach Beobachtungsgabe? Oder eine mitfühlende, sensible Frauenseele? Ich weiß es noch nicht.

Ich beobachte sie wie ein „Naturforscher“. Interessiere mich mehr mit dem Verstand für sie. An mein Herz hat sie bislang nicht gerührt.

So leicht lasse ich da jetzt aber auch niemanden hinein.

Ich muss die Leninsche Deklaration für die Konferenz übersetzen ... [27]

6. August.

Warschau ist eingenommen worden. In der Rjetsch versucht man, die Situation rosiger hinzustellen, als sie ist. Aus Finnland ist eine „Sendung“ gekommen – Repressalien, verstärkte Russifizierung. Ein schöner Kurs auf den Liberalismus!

Für seinen „Patriotismus“ ist Burzew begnadigt worden!

K. und M. setzen sich für unsere Dumaabgeordneten ein. [28] Aber ob die Anwälte die Begnadigung annehmen werden? Petrowski? Niemals!

10. August.

Ein wahres Wunder. Eine solche Fügung, eine solche Möglichkeit, meine Kräfte einzusetzen – und auch noch so, wie ich es ersehnte –, habe ich nicht mehr erwartet. Eine Möglichkeit, mich zu „entfalten“.

Von der deutschen (linken) Sektion der Sozialistischen Partei Amerikas ist ein Brief eingetroffen, in dem man mir vorschlägt, für vier Monate in die Vereinigten Staaten zu kommen, um etliche Bundesstaaten (mit San Francisco etwa 80 Städte) zu bereisen und gegen den Krieg zu agitieren. Im Wesentlichen auf reinen Arbeiterversammlungen, ein paarmal in großen Zentren für ein breiteres Publikum. Das ist so unglaublich schön, dass mir vor Freude die Luft wegbleibt und ich es gar nicht glauben kann.

Doch der Brief liegt auf meinem Tisch. Ich fand ihn vor, als ich abends von Erika (aus Kristiania) zurückkam. Ich habe den Brief zweimal gelesen und dann ein Telegramm aufgegeben: „Einverstanden. Bedingungen brieflich.“

Nun ist es Nacht geworden, doch vor Freude kann ich weder schlafen noch arbeiten. Gleich morgen werde ich bei Lenin anfragen. Das ist doch genau das, was wir jetzt brauchen – Zugang zu den breiten Massen zu finden, sie aufrütteln. Andernfalls kann auch Amerika eine Basis für den Krieg werden ...

In dem Brief steht, dass Karl Liebknecht, als er in Amerika war, von mir erzählt habe und dass sie mich nun ausfindig gemacht hätten.

24. August.

Eine bewegte Zeit liegt hinter mir. Wir haben die Norweger auf die Zimmerwalder Konferenz vorbereitet. Es gab eine Menge hin- und herzuschicken und anderes mehr. Mit den schwedischen und norwegischen Genossen hat es zu einzelnen Punkten Diskussionen gegeben, im großen und ganzen herrscht jedoch Einmütigkeit.

Auf dem Kriegsschauplatz ist einiges passiert – immer neue Niederlagen. Kowno, Ossowez und Brest-Litowsk sind gefallen.

In der Reichsduma fand eine „historische“ Sitzung statt. [29] Und wovon war die Rede? Einfache Umbesetzungen in der Regierung. Tschchenkeli wurde wegen ungebührlicher Ausdrucksweise von der Sitzung ausgeschlossen, doch auch er hat keinerlei politische Linie, alles nur Details. Es gibt keine echte revolutionäre Kritik. Sie kennen dort den richtigen Weg nicht, die Stimme Lenins dringt nicht bis zu ihnen. Die Rede Maklakows wird gelobt, doch worauf lief sie denn hinaus: The right man in the right place – der rechte Mann am rechten Ort!

Was ist das für eine Politik! Und in solcher Zeit!

Wenn es jetzt keine Revolution in Russland gibt, dann weiß ich nicht, wann es sie überhaupt geben soll.

Noch zwei weitere Ereignisse hat es in dieser Zeit gegeben – einmal die Ankunft Höglunds, die Beratung mit ihm und mit Olaussen, die Vorbereitung auf die internationale Konferenz. Die Schweden schließen sich meiner Deklaration ebenfalls voll und ganz an.

Und zum anderen die Einladung der linken Sektion der Sozialistischen Partei Amerikas, für vier Monate zu einer Agitationsreise nach Amerika zu kommen.

27. August.

Die Deutschen greifen unablässig an.

Deutschland hat seine Entwicklung dort begonnen, wo England nach jahrhundertlanger kapitalistischer Akkumulation angelangt ist. Deutschland konnte die modernste Technik und die entsprechende Produktionsorganisation übernehmen. Das erleichterte natürlich die Entwicklung der Produktivkräfte.

England ist ins Hintertreffen geraten. Deutschland hat die Märkte an sich gerissen. Um der Konkurrenz Deutschlands auf dem Weltmarkt standhalten zu können, hätte sich England aller alten Produktionsinstrumente entledigen, sich gewissermaßen „erneuern“, all sein akkumuliertes „konstantes Kapital“ aus dem Verkehr ziehen müssen. Eine schwierige, nahezu unlösbare Aufgabe.

Ich denke an Russland. Wer auch siegen mag, zwischen England und Deutschland wird der Kampf auf viele Jahrzehnte hinaus weitergehen, beide werden sich die Macht auf dem Weltmarkt und mithin auch die politische Vorherrschaft streitig zu machen suchen. Was wird aus Russland? Die Entwicklung seiner Produktivkräfte und seiner Technik wird an dem Punkt einsetzen müssen, den Deutschland und Amerika jetzt erreicht haben. Naturgemäß kann es objektiv auf dem Weg der Entwicklung der Produktivkräfte und der Technik weitaus schneller vorankommen.

Ob dann wohl ein Kampf zwischen Russland und Deutschland unvermeidlich ist? Ein neuer Krieg, neues Leid?

Unterdessen nimmt der Kapitalismus in China und Japan Gestalt an. Der Kapitalismus in Nordamerika entwickelt sich.

Wird die Menschheit alle diese Prüfungen überstehen? Eines steht auf jeden Fall fest: Der Kapitalismus hat tatsächlich seinen Höhepunkt erreicht. Wir sind an einem Wendepunkt in der Geschichte angelangt und machen jetzt eine gleiche Zeit durch wie beim Übergang vom mittelalterlichen Feudalstaat mit Ritterheer und Burgen. Wir stehen vor der Wende zum Sozialismus. Möglicherweise sind das jetzt nur die ersten Ansätze dieses Kampfes – die negativen, zerstörerischen Kräfte. Das „aufbauende Element“, die revolutionäre Kraft, ist noch nicht stark genug. Vielleicht wird dieser Kampf Jahrzehnte währen. Aber eines ist klar – der jetzige Weltkrieg hat die Theorie des wissenschaftlichen Sozialismus nicht zerschlagen, sondern hat sie bekräftigt.

Infolge kolossaler weltweiter Zusammenbrüche und des Kampfes der nationalen Kapitale nähern wir uns dem Zeitpunkt, da die zivilisierte Menschheit vor dem Problem stehen wird, unterzugehen oder aber die Produktion auf der Grundlage der vergesellschafteten Arbeit zu reorganisieren, keine nationale, sondern eine internationale Produktion zu organisieren. Wir dachten, dieses Dilemma würde von den „Krisen“ hervorgebracht werden, doch das war ein Irrtum. Nicht die Krisen sind die eigentliche Ursache. Der Kampf hat sich ausgeweitet – es ist der Kampf der nationalen Kapitale um die Weltherrschaft. Ich erinnere an die Theorie von der Entwicklung der Volkswirtschaft – stufenweise Übergänge von der Gemeindewirtschaft zur Regionalwirtschaft, von der Regionalwirtschaft zur Nationalwirtschaft und nun von der Nationalwirtschaft zur Weltwirtschaft.

Der Kapitalismus schafft die objektiven Voraussetzungen für diesen Übergang, so dass nun von der Arbeiterklasse die subjektive Einwirkung auf den Verlauf der historischen Entwicklung abhängt. Die Arbeiterklasse kann diesen Übergang beschleunigen. Es hängt von ihr ab. Und das ist der einzige normale Ausweg. Einen anderen gibt es nicht!

Ich warte ungeduldig auf die Antwort aus Amerika auf mein Telegramm. Die Einladung der Partei anzunehmen habe ich nicht einen Augenblick lang gezögert. Mein Entschluss steht unwiderruflich fest. Man hat mich für volle vier Monate eingeladen. Wenn ich fahre, so muss ich am 26. September abreisen, am 12. Oktober beginnt dann die Rundreise.

Der Herbst hat hier frühzeitig begonnen. Die Herbstblumen blühen. Die Tage sind noch warm, doch der Herbst liegt irgendwie in der Luft, die Ebereschen leuchten rot. Die Nächte sind echte Augustnächte, still, mit Mondschein.

28. August.

Clara Zetkin ist trotz Krankheit im Juli verhaftet worden. Sie ist ernsthaft krank. Mich bedrückt, dass wir machtlos dagegen sind. Nicht einmal ein Protest lässt sich organisieren. Ein Protest würde lediglich die Linken erfassen, und das ist sozusagen nur eine Handvoll. Nicht allein hier, sondern auch im ganzen übrigen Europa.

Vielleicht lässt sich in Amerika mehr tun?

Ich denke heute an Liebknecht, an Rosa und an Otto Rühle. Sie sind jetzt die „Fackeln“. Sie lassen es einem leichter ums Herz sein. Sie retten den Glauben an die „Macht der Idee“. Unsere Linie zu verstehen ist schwieriger, doch die Arbeiter erfassen sie mit ihrem gesunden Instinkt. Ebendeshalb möchte ich jetzt so gern nach Amerika, denn dort werde ich weitreichende, vollständige und enge Kontakte mit den Arbeitermassen haben.

Lenin heißt meine Reise nicht nur gut, sondern hat mir auch einen Auftrag erteilt. [30] Das gibt mir noch mehr Mut und Freude ...

1. September.

Egede Nissen ist ein alter Revolutionär der Partei. Er ist jener berühmte Postmeister in Vardö, der bereits 1905 eine illegale Druckerei betrieb und für die russische Partei Literatur druckte. Er sieht gar nicht wie ein Norweger aus, ist übertrieben höflich und trägt als Krawatte eine große seidene Künstlerschleife. Im großen und ganzen ist er recht sympathisch. Als ich ihm von der Position der Leninisten erzählte, meinte er sogleich: „Natürlich, Lenin hat recht.“ Er wird uns von Nutzen sein.

Außerdem interessiert uns noch E. Wessel. Sie lebt im hohen Norden jenseits des Polarkreises, in Kirkenes. Unheilbar krank, ist sie doch eine mutige Revolutionärin und Kriegsgegnerin. Sie gibt eine eigene kleine Zeitschrift heraus. Lenin steht mit ihr in Briefwechsel. Sie vergöttert ihn. Egede Nissen hat viel von ihr erzählt. Sie ist eine interessante Frau.

Dieser Tage haben wir drei Frauen – Ljuba, Erika und ich – beschlossen, den Abend einmal nicht wie sonst zu verbringen. Wir haben uns feingemacht und sind ins Dronning an den Fjord gefahren. (Das Dronning ist eine Art schwimmendes Restaurant.) Der Abend war wundervoll, ein richtiger Sommerabend mit ungewöhnlich leuchtenden Farben, die Luft rein und klar wie im Herbst, aber lau wie im Sommer.

Im Dronning saßen wir auf der Terrasse. Von dort aus konnte man sehen, wie die „weißen Falter“ – die Segelboote – aus dem Fjord heim zu ihrem nächtlichen Ankerplatz glitten. Ein zauberhafter Anblick – das tiefblaue Wasser, die Bläue des Himmels, ins Zartrosa übergehend, und dazu die vielen lautlos dahingleitenden weißen Segelboote.

Wir bestellten jeder, worauf wir Lust hatten – Erika und Ljubotschka belegte Brote und eine halbe Flasche Rotwein, Ljubotschka außerdem noch Zigaretten, ich Malzbier, dazu Gebäck. Erika und Ljuba wunderten sich natürlich über meinen Geschmack. Ich habe die viele Fragerei schon richtig satt: „Wie, Sie sind Russin und rauchen nicht?“ – „Ich rauche nicht und habe auch nie das Bedürfnis verspürt.“ – „Und trinken keinen Wein?“ Die gleiche Antwort. „Sind Sie aber tugendsam!“ Als ob das was mit „Tugend“ zu tun hätte! Dafür esse ich Unmengen von Süßigkeiten. Erika ist entsetzt darüber, dass ich von meinem täglichen Satz fürs Essen (zweieinhalb bis drei Kronen) 50 Öre für Süßigkeiten ausgebe.

Herrlich war der Abend im Dronning. Wir haben unheimlich viel gelacht. Ljubotschka hat sich sehr gewundert, dass ich noch nie im Dronning gewesen bin und auch andere Lokalitäten in Kristiania nicht kenne. Erstens habe ich keine Zeit dazu, und zweitens sind meine Mittel nicht gerade reichlich bemessen.

2. September.

Höglund und T. Nerman sind zu der Konferenz nach Bern gefahren. [31] Wie mag das wohl werden? Wir sehen es als ersten wirklichen Schritt zur Entwicklung einer internationalen Bewegung gegen den Krieg an. Auch Deutsche werden da sein. Eine Art Sammlung einer neuen Internationale. Doch werden die Deutschen und die anderen die Haltung der Leninisten verstehen? Darauf kommt es augenblicklich vor allem an.

Ich unterhalte mich viel mit Temitschew. Obwohl er Sozialrevolutionär ist, sind wir uns in der Einstellung zum Krieg einig. Im Übrigen habe ich ihn in diesen zwei Monaten gehörig bearbeitet, um seinen „Wirrkopf“ zurechtzurücken. Schließlich ist es noch nicht lange her, dass ich selbst gedacht habe, die Losung „Frieden“ erfasse alles. Dabei geht es doch darum, wie man den Frieden erwirkt. Wichtig ist die Bewegung, der Wille, dieses Ziel zu erreichen, die „revolutionäre Taktik“.

Auf dem Kriegsschauplatz immer das gleiche – die Deutschen rücken vor. Sie haben die Bahnlinie Kowno – Wilna in der Hand. Der reinste Galgenhumor, wenn es heißt: „Die Russen ziehen sich geordnet zurück, die Deutschen greifen in Panik an.“ Für das zaristische Regime sieht es sehr schlimm aus.

Aus Briefen und sogar aus Zeitungen merkt man, dass in Russland irgend etwas im Gange ist. Vielleicht ist der entscheidende Augenblick schon näher, als wir glauben? Dass die Unzufriedenheit spontan zunimmt, ist unbestreitbar. Das beweisen wiederholte Streiks und Unruhen in Moskau. Es gibt Demonstrationen und sogar Erschießungen. Das Volk gerät in Bewegung ...

Ich schreibe an Lenin; sie sollen alle hierherkommen, nach Skandinavien. [32] Immerhin ist hier der Puls des russischen Lebens deutlicher zu spüren, lässt sich hier leichter eine Verbindung herstellen, lässt sich einfacher reagieren und anleiten. Werden sie meinem Rat folgen?

Aus Amerika ist noch immer keine Antwort eingetroffen, das beunruhigt mich langsam. Ich möchte um jeden Preis dorthin fahren. Den Winter hier in Kristiania kann ich mir nicht vorstellen ...

Ein Brief aus Petersburg. Darin heißt es: „Wenn Sie wollen, sorge ich dafür, dass Sie herkommen können. Ich könnte mich für Ihre Rückkehr einsetzen und garantiere Ihnen, dass Sie kommen dürfen, wenn Sie keine Defätistin sind und keine üble Agitation betreiben werden.“ (!!) Haha! Doch, ich bin „Defätistin“, und wenn es mir gelänge hinzukommen, ja, meint man wirklich, ich würde schweigen? Wozu sollte ich dann überhaupt hinfahren?!

7. September.

Still ist es in diesen Tagen in unserem Häuschen. Ich gehe absichtlich nicht ans Telefon, will für mich sein. Ich habe mich erkältet und fühle mich nicht wohl. Nach dem Schwung die übliche Schwäche. Die Gedanken fließen träge dahin, mir ist alles merkwürdig gleichgültig. Nur wenn ich an Mischa, meinen Mimotschka, denke, krampft sich mir das Herz zusammen. Es kommt und kommt keine Nachricht.

Von Soja ein besorgt-zärtlicher Brief. Sie macht sich Sorgen wegen meiner Amerikareise. Ich aber möchte so gern dorthin, dass mich auch Gedanken an Minen, an den Seegang und an Gefahren, rein gar nichts davon abhalten kann. Mein Verstand sagt mir, dass es vielleicht gefährlich ist, doch ich empfinde das einfach nicht so.

Vor der Abreise werde ich alles regeln, werde verfügen, was mit den Manuskripten passieren soll und dann – sollte ich überleben, um so besser. Dann wird mich noch viel Arbeit erwarten, ein interessantes, reiches Leben. Und wenn mein Lebensfaden abreißt – was soll’s!

Von Lenin ein Brief mit der Frage, ob ich einverstanden wäre, vorübergehend anstelle von Clara Zetkin zu kandidieren. [33] Wie merkwürdig – die Leninisten wünschen dies offenbar, das Zentralkomitee ist bereit, mich für diesen verantwortungsvollen Platz vorzuschlagen, und hier glauben die Norweger einer gewissen Rebekka. [34]

Mit dem Nasche Slowo wird es immer schlimmer. Die Zeitung ist völlig farblos, unnütz, genauer gesagt, schädlich geworden. Keinerlei prinzipielle Artikel, keine Spur vom Pulsschlag des Lebens. Mit unvergleichlich größerem Interesse lese ich die Russkije Wjedomosti [35]. Wie sehr es mich doch nach Russland zieht!

Die russischen Zeitungen und die Briefe aus Russland besagen, dass dort gründlich und ernsthaft gearbeitet wird – Neubewertung aller Werte, Kritik, Unzufriedenheit der unteren Schichten. Ist es etwa nicht bezeichnend, dass Vorschläge, die die Trudowiki und die Sozialdemokraten in der Duma einbringen, einstimmig angenommen werden? Und diese Plünderungen von Geschäften, diese Panik wegen des Geldumtauschs, diese immer wieder aufflammenden Streiks? Sind das nicht Symptome, Kennzeichen dafür, dass man jetzt viel tun könnte, dass die spontane Erregung im Volk nach einem Ausweg sucht?

Ich möchte dorthin. Gestern haben wir lange über dieses Thema gesprochen ...

13. September.

Kein Tag ohne irgendein Ereignis in Russland. In der Duma ist ein Block politischer Parteien gebildet worden, der von den Kadetten bis hin zu den Oktobristen reicht. [36]

Das Programm ist konstitutionell: Verantwortlichkeit der Minister, Amnestie, politische Freiheit für Polen und Finnland. Was gibt es darin nicht alles! Nicht mit im Block sind nur die Trudowiki und die Sozialdemokraten. (Das hätte auch noch gefehlt!) Zusammenfassend ergibt sich: Die Bourgeoisie wird angesichts des Krieges radikaler. Sie fürchtet um ihre Profite.

Doch nicht dort, nicht in der Reichsduma werden die Geschicke des Krieges und der Revolution entschieden. Wie wütend ich auf die „Sozialnationalisten“, diese Verräter, bin! Schließlich könnten sie doch wenigstens jetzt begreifen, wie die Lage in Russland ist! Aber nein, sie traben treu und brav den „Patrioten“ hinterdrein. Wir haben tausendmal recht ...

15. September.

Heute ist ein wichtiger Tag. Aus New York ist das Geld für die Reise eingetroffen. Ich fahre. So lange war die Antwort ausgeblieben, dass ich das Schweigen schon als Ablehnung ansehen wollte.

Ich reise am 26. September mit der Bergensfjord ab, habe schon einen Platz gebucht. Zehn bis vierzehn Tage werde ich wohl unterwegs sein, je nach den „Umständen“. Die norwegischen Dampfer bemühen sich, den deutschen Unterseebooten nicht unter die Augen zu kommen. Unangenehm ist, dass sie die britischen Shetlandinseln anlaufen. Ich hoffe nur, dass es keine Kontrolle geben wird und die „Verbündeten“ Russlands mich nicht von Bord holen werden. Man erzählt sich, so etwas käme vor.

In die Freude mischt sich nun auch Trauer. Ich bin traurig, den Holmenkollen, meinen Zufluchtsort, das „rote Häuschen“, verlassen zu müssen. Dabei ist der Herbst hier so wundervoll. Und dann werde ich noch weiter von Russland entfernt sein. Was, wenn es dort losgeht? Jenseits des Ozeans kenne ich schließlich niemanden.

Ich werde gefragt, ob ich keine Angst hätte, dass wir torpediert werden – wieso ich dieses Risiko einginge. Ich weiß nicht, weshalb, aber ich schwanke kein bisschen, habe nicht die mindeste Angst. Wenn man sich etwas brennend wünscht, dann kann es keine „zurückhaltenden Gefühle“ geben. Und ich will auf jeden Fall den Ozean überqueren und inmitten der Massen sein. Ich habe diese Tätigkeit, die nichts Halbes und nichts Ganzes ist, satt.

Wehmut? Ja, auch das. Aber sogar sie tut wohl.

16. September.

Endlich habe ich Nachricht aus der Schweiz erhalten. Die Konferenz hat stattgefunden, doch nicht in Bern, sondern in der kleinen Ortschaft Zimmerwald. Unsere haben sich äußerst wacker geschlagen. Beinahe wäre es zur Spaltung gekommen. Lenin war unnachgiebig. Wir haben ein eigenes linkes Zentrum gebildet. Dessen Aufgabe ist es, für die revolutionären Losungen (das heißt für die Umwandlung des imperialistischen Krieges in den Bürgerkrieg usw.) zu kämpfen. Dennoch haben die Unsrigen den gemeinsamen Aufruf, in dem der Krieg verurteilt wird, unterschrieben. Es gab lange Auseinandersetzungen um die Formulierung; die Unsrigen wollten unbedingt die Bewilligung der Kriegskredite und die übrigen verräterischen Aktionen der Sozialchauvinisten verurteilen. Wenn es auch nicht gelungen ist, alles durchzusetzen, so hat das Manifest doch eine weitaus schärfere Form erhalten. Das ist ein Riesenerfolg. Es wird starken Eindruck machen. Das ist ein Versuch, die Internationale aus der Asche des Sozialchauvinismus zu retten.

Von den Deutschen waren unter anderen Ledebour und Hoffmann da. Ledebour steht, wie sich gezeigt hat, ganz rechts. Die Roland-Holst war da, aus Frankreich Merrheim.

Den Unsrigen schlossen sich die Polen und meine Skandinavier an. Also habe ich nicht umsonst mit ihnen „gearbeitet“. Von den Sozialrevolutionären Tschernow.

Robert Grimm (Tagwacht) spielte eine große Rolle, allerdings bei den Rechten.

Auseinandersetzungen gab es auch noch um die Frage der „Verteidigung des bürgerlichen Vaterlandes“. Die Rechten unterstützten die Formulierung der Unsrigen – „Kampf um die volle Macht für die sozialistische Organisation der Gesellschaft“ – nicht.

Wie hätte es auch anders sein können?

In Deutschland arbeitet die Spartakusgruppe mit Karl energisch und furchtlos. Großartig ist Karl!

Die Rechten bezeichneten die Leninisten als „Bakunisten“. Die klaren Formulierungen Lenins nannten sie „Demagogie, die der Sache der Wiederherstellung der Internationale hinderlich ist“! Trotzki nahm eine versöhnlerische Haltung ein, doch im Grunde unterstützte er damit die Rechten.

21. September.

Von Lenin ist eine Broschüre eingetroffen. [37] Sie soll dort übersetzt und herausgegeben werden. Ich werde sie unterwegs vorbereiten. Eine starke Polemik gegen die Sozialchauvinisten, sehr klare Thesen – das ist eine Plattform. Die Unseren (die Leninisten) haben eine eigene Zentrale gebildet – neben der Internationalen Sozialistischen Kommission mit Grimm, Naine, Balabanowa und den anderen. [38] Das Manifest ist einstimmig angenommen worden, doch enthält es eine große Unklarheit – den „Kampf für den Frieden“. Wie, auf welche Weise soll das geschehen? Bei Lenin ist das so klar und so real. Das Proletariat muss es einfach begreifen, muss diese Gedanken aufgreifen. Was wird man wohl zu unserem Standpunkt in Amerika sagen? Ich fahre „gewappnet“ und brenne vor Ungeduld, den Chauvinisten eine Schlacht zu liefern. Unsere Plattform ist die einzige, die das Proletariat aus der Sackgasse des Sozialchauvinismus herauszuführen vermag.

Es ist Abend. Eben habe ich Erika an die Bahn gebracht. Sie freut sich für mich und macht sich zugleich Sorgen. Seltsam, dass die Leute glauben, man müsse „Mut“ besitzen, um jetzt den Ozean zu überqueren. „Täglich gehen vier norwegische Schiffe unter.“ Das weiß ich, doch „Gefahr“ ist ein Begriff, der im Augenblick einfach an mir abprallt.

Ich genieße noch einmal die geliebte Aussicht. Der blaue Fjord ist märchenhaft schön, dazu der rosafarbene Himmel. Unglaublich die Farbtöne hier, wirklich unglaublich.

Ich habe über vierzig Abschiedsbriefe geschrieben.

Fräulein Dundas bin ich sehr dankbar, sie wird meine Manuskripte und Materialien aufbewahren.

Wenn mir etwas zustoßen sollte, möchte ich, dass die internationalistischen Genossen wissen, wie glücklich ich bin, dass wir eine Plattform besitzen, dass der Weg zu sehen ist und dass sich die Leninisten bereits als internationale Organisation zusammengeschlossen haben.

Mein herzlicher Gruß gilt allen Genossen, die den Standpunkt der revolutionären Taktik vertreten. Der allerherzlichste Gruß aber geht an Lenin. Krieg dem Kriege – über die Niederlage der einheimischen Bourgeoisie zur Macht des Proletariats.

Freudige Erregung hat mich ergriffen. Unseren Standpunkt verteidigen und ihn in die Massen tragen – was kann es Schöneres geben?

Aber ich komme hierher zurück. Darum nicht Lebewohl, du schönes Kristiania, sondern auf Wiedersehen!

Ich schließe mein Heft. Punkt. Ein neuer Lebensabschnitt liegt vor mir.

*

Anmerkung

1. Kommunist – von W. I. Lenin organisierte und von der Redaktion des Sozial-Demokrat“ herausgegebene Zeitschrift. Es erschien nur eine Doppelnummer (September 1915), die für die Zimmerwalder Konferenz der Sozialisten im September 1915 vorbereitet worden war. In dem Tagebuch handelt es sich offensichtlich um Briefe Nadeschda Krupskajas (Siehe IML, ZPA, Moskau, F. 17) und Wladimir Iljitsch Lenins vom 9. (22.) Mai 1915 und später.

2. Nasche Slowo (Unser Wort) – wurde unter engster Mitarbeit Trotzkis von Januar 1915 bis September 1916 anstelle der Zeitung Golos (Die Stimme) in Paris herausgegeben.

3. Es handelt sich um die Entlarvung des Spitzels R. Malinowski, eines Geheimagenten der Moskauer Geheimen Staatspolizei, der sich in die Parteiführung eingeschlichen hatte und Abgeordneter der IV. Reichsduma geworden war. Als er 1914 Gefahr lief, durch das Ministerium des Innern entlarvt zu werden, legte er seine Vollmachten als Abgeordneter nieder und versteckte sich im Ausland. Er kehrte 1918 nach Sowjetrussland zurück, wurde dem Gericht übergeben und entsprechend dem Urteil des Obersten Tribunals des Gesamtrussischen Zentralexekutivkomitees erschossen.

4. Gemeint ist der Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Norwegens im Mai 1915. Alexandra Kollontai wohnte dem Parteitag als Gast aus Russland bei.

5. Alexandra Kollontais Aufsatz Warum hat das deutsche Proletariat in den Julitagen geschwiegen? wurde in der Zeitschrift Kommunist, Nr. 1/2 (September 1915), veröffentlicht.

6. Mit ihrer Arbeit an dem Buch Gesellschaft und Mutterschaft hatte Alexandra Kollontai lange vor dem Krieg in Verbindung mit der Bitte der sozialdemokratischen Fraktion der III. Reichsduma begonnen, den Abschnitt über die Versicherung bei Mutterschaft für einen allgemeinen Gesetzentwurf der Arbeiterversicherung abzufassen.

7. Gemeint ist W. D. Bontsch-Brujewitsch, Bolschewik, Historiker und Schriftsteller, der aktiv bei der Organisierung von bolschewistischen Zeitungen und Zeitschriften sowie von Parteiverlagen mitwirkte. Während des Krieges leitete er den Verlag „Schisn i Snanije“ (Leben und Wissen), der Alexandra Kollontais Buch Gesellschaft und Mutterschaft“ herausgebracht hat.

8. Es handelt sich um Alexandra Kollontais Aufsatz Kreuz der Mutterschaft, der in der Zeitschrift Sowremenny Mir (Die Welt der Gegenwart), Nr. 11, im November 1914 veröffentlicht wurde.

9. Gemeint ist die Internationale Frauenkonferenz in Wien, deren Einberufung für den Sommer 1914 geplant war.

10. Alexandra Kollontai hatte Lenins taktische Losung „Umwandlung des imperialistischen Krieges in einen Bürgerkrieg“ nicht gleich verstanden. Eine Zeitlang versuchte sie, die pazifistische Friedenslosung zu verteidigen. Den Briefwechsel zu dieser Frage kann man in den Werken Lenins (Briefe, Bd. IV) und den Materialien des Zentralen Parteiarchivs des IML Moskau verfolgen.

11. Es handelt sich um das Scheitern der Angriffsoperation der russischen Truppen in den Karpaten in den Monaten Januar bis April 1915. Die Aufgabe lautete, die Truppen für den Angriff auf Ungarn vorzubereiten. Bis März war es jedoch nur gelungen, die Festung Przemysl zu nehmen und die österreichisch-deutschen Kräfte für längere Zeit an der Ostfront zu binden, wodurch England und Frankreich in der Lage waren, die für die weitere Kriegführung erforderlichen neuen Reserven zu bilden.

12. Gemeint ist Fürst Nikolai Nikolajewitsch Romanow, ein Onkel des Zaren Nikolaus II., der Oberkommandierender der zaristischen Armee war. Nach den Niederlagen an den Fronten wurde er dieses Postens enthoben und im September 1915 zum Befehlshaber der Truppen an der Kaukasischen Front ernannt. Das Oberkommando hatte in dieser Zeit Nikolaus II.

13. Gemeint ist die Anklage, die gegen Oberst Mjassojedow, Kriegsminister Suchomlinow, den Beamten des Polizeidepartements Freigant und andere Personen, die hohe Posten in der zaristischen Armee und Regierung bekleideten, wegen Spionage für Deutschland erhoben worden war.

14. Ab Ende April 1915 lief eine großangelegte Offensive der österreichisch-deutschen Truppen in Galizien und am nördlichen Flügel der Front. Trotz des großen Mangels an Waffen, Munition und Ausrüstungen leisteten die russischen Armeen hartnäckigen Widerstand. Dennoch mussten sie Galizien, Polen und einen Teil des Baltikums aufgeben. Die von den Deutschen geplante Umzingelung der russischen Truppen misslang. Zum Oktober hatte sich die Front entlang der Linie Riga–Westliche Dwina–Dwinsk–Smorgon–Baranowitschi–Dubno–Strypa stabilisiert.

15. Berner Tagwacht – Organ der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz; sie erscheint seit 1893 in Bern. Zu Beginn des Krieges wurden in der Zeitung auch Artikel linker Sozialdemokraten veröffentlicht. Später begann sie, offen die Sozialchauvinisten zu unterstützen.

16. Gemeint ist das erste offizielle Dokument des Zentralkomitees, das Manifest des Zentralkomitees der SDAPR(B) Der Krieg und die russische Sozialdemokratie. Als Thesen über den Krieg wird Lenins Arbeit Die Aufgaben der revolutionären Sozialdemokratie im europäischen Krieg bezeichnet, die er im August 1914 schrieb. Die Thesen wurden von Lenin etwas später zum Manifest des Zentralkomitees der SDAPR(B) umgearbeitet, das in der Zeitung Sozial-Demokrat, Nr. 33, vom 1. November 1914 veröffentlicht wurde.

17. Am 4. August 1914 bewilligte die deutsche Sozialdemokratie die Kriegskredite.

18. Zu Beginn des imperialistischen Weltkrieges schlossen sich die deutschen Linken unter Führung von Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Franz Mehring, Clara Zetkin, Wilhelm Pieck und anderen zur Gruppe „Internationale“ zusammen. Die Gruppe formierte sich auf ihrer Reichskonferenz im Januar 1916 als „Spartakusgruppe“. Die Mitglieder der Spartakusgruppe betrieben revolutionäre Propaganda unter den Massen, organisierten große Massenaktionen gegen den Krieg, leiteten Streiks und entlarvten den imperialistischen Charakter des Krieges sowie den Verrat der opportunistischen Führung der Sozialdemokratie.

19. Gemeint ist die erste Vorkonferenz der Sozialisten zur Zimmerwalder Konferenz vom 11. Juli 1915 in Bern, die von Robert Grimm einberufen wurde, der sich die Aufgabe gestellt hatte, auf der Konferenz eine zentristische Mehrheit zu sichern.

20. Es handelt sich um Alexandra Kollontais Aufsätze Die Stimme von Jaurès, veröffentlicht am 27. Juli 1915 in der norwegischen Zeitung Social-Demokraten, und Die neue Internationale und die Arbeiterjugend, veröffentlicht in der Zeitschrift Jugend-Internationale, Nr. 1, 1915. An der Spitze der sozialistischen Jugendorganisationen stand das Internationale Büro der Sozialistischen Jugend, das auf der Internationalen Sozialistischen Jugendkonferenz, die vom 4. bis 6. April 1915 in Bern stattgefunden hatte, gewählt worden war.

21. Gemeint ist die zweite Vorkonferenz der Zimmerwalder Konferenz, die zuerst auf den 7., später auf den 20. August festgelegt war, dann aber überhaupt nicht einberufen wurde.

22. Gemeint ist die Bewilligung der Kriegskredite seitens der Sozialisten Deutschlands, Frankreichs, Englands, Belgiens und anderer Länder und die Unterstützung, die sie ihren imperialistischen Regierungen gewährten.

23. Gemeint sind die Beratungen der 4. Sitzungsperiode der IV. Reichsduma, die am 19. Juli 1915 begannen. Die Fraktionen der Bourgeoisie und der Gutsbesitzer, die nach baldiger Einberufung der Duma trachteten, hatten sich das Ziel gesetzt, die Macht im Lande zu festigen, um den Krieg siegreich führen und eine Revolution abwenden zu können.

24. Gemeint ist Maria Iwanowna Strachowa, die erste Hauslehrerin von Alexandra Kollontai.

25. Gemeint ist wahrscheinlich Lenins Brief an Alexandra Kollontai vom 26. Juli 1915. (W. I. Lenin: An A. M. Kollontai. In: Briefe, Bd. IV, S. 102/103.)

26. Die kaiserliche Regierung ließ Clara Zetkin nach ihrer Rückkehr von der Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz in Bern im Frühjahr 1915 verhaften und ins Gefängnis werfen.

27. Gemeint ist offensichtlich die von Lenin verfasste Deklaration der internationalen Linken für die Zimmerwalder Konferenz. (W. I. Lenin: Resolutionsentwurf der linken Sozialdemokraten für die erste Internationale Sozialistische Konferenz. In: Werke, Bd. 21, S. 348–351.)

28. Die Mitglieder der sozialdemokratischen Fraktion der Bolschewiki in der IV. Reichsduma (G. I. Petrowski, M. K. Muranow, A. J. Badajew, N. R. Schagow, F. N. Samoilow) wurden wegen ihrer Aktivitäten gegen den Krieg in der Nacht zum 6. (19.) November 1914 festgenommen und im Februar 1915 zu lebenslänglicher Verbannung in der Gegend von Turuchansk verurteilt. Im August 1915 waren sie bereits in sibirischer Verbannung. Zur 4. Sitzungsperiode der Reichsduma in den Monaten Juli und August 1915 hatten 32 ihrer Mitglieder eine Erklärung vorbereitet, die den Vorschlag enthielt, das Problem der verhafteten bolschewistischen Abgeordneten zu prüfen. Die im Tagebuch erwähnten „K. und M.“ sind offensichtlich die Duma-Mitglieder Kerenski und Maklakow, die die Erklärung ebenfalls unterzeichnet hatten und auf der Sitzung am 14. August 1915 zu diesem Problem sprachen.

29. Gemeint sind die Tagungen der 4. Sitzungsperiode der IV. Reichsduma in den Monaten Juli und August 1915.

30. Lenin beauftragte Alexandra Kollontai, sich in Amerika mit den dortigen Internationalisten in Verbindung zu setzen, sich um finanzielle Hilfe für die Partei zu bemühen, die Broschüre Sozialismus und Krieg ins Englische zu übersetzen sowie zu versuchen, sie in Amerika zu veröffentlichen. (W. I. Lenin: An A. Schljapnikow. In: Briefe, Bd. IV, S. 129; An A. M. Kollontai. In: Briefe, Bd. IV, S. 133/134.)

31. Z. Höglund und T. Nerman – linke Sozialdemokraten in Schweden, Delegierte der Konferenz der Internationalisten, die im September 1915 in Zimmerwald bei Bern in der Schweiz stattfand.

32.. Gemeint ist ein Brief, den Alexandra Kollontai vor dem 2. September 1915 an Lenin geschrieben hat. Der Brief wurde nicht ausfindig gemacht. Die Antwort auf diesen Brief siehe W. I. Lenin: An A. M. Kollontai. In: Briefe, Bd. IV, S. 134.

33 In den veröffentlichten Briefen Lenins an Alexandra Kollontai ist der Gedanke, Clara Zetkin als Leiterin des Internationalen Frauensekretariats abzulösen und Alexandra Kollontai als Kandidatin für diesen Posten vorzusehen, nicht enthalten. Möglicherweise ging der erwähnte Brief verloren. In Briefen an Genossen äußert sich Lenin zu dieser Zeit jedoch in scharfen Worten zu Clara Zetkin. (W. I. Lenin: An A. M. Kollontai. In: Briefe, Bd. IV, S. 91/92; An D. Wijnkoop. In: Ebenda, S. 94/95; An G. J. Sinowjew. In: Ebenda, S. 106; An K. Radek. In: Ebenda, S. 112/113; An H. Roland-Holst. In: Ebenda, S. 185/186.)

34. Gemeint ist der Konflikt, zu dem es in der russischen Emigrantenkolonie in Kristiania zwischen Alexandra Kollontai und Rebekka Bloch bezüglich der Information der norwegischen Sozialdemokraten über die Lage in der SDAPR und der russischen Arbeiterbewegung gekommen war. Alexandra Kollontai hatte sich aus diesem Anlass mehrmals über Nadeschda Krupskaja an die Konfliktkommission der Partei gewandt (siehe IML, ZPA, Moskau, F. 17).

35. Russkije Wjedomosti (Russische Nachrichten) – Zeitung, die die Interessen der liberalen Gutsbesitzer und der Bourgeoisie zum Ausdruck brachte. Von 1905 an war sie das Organ der rechten Kadetten. Sie erschien in Moskau von 1863 bis 1918. Es handelt sich darum, dass im August 1915 in Russland der sogenannte Progressive Block, eine Vereinigung der Fraktionen der meisten Parteien der Bourgeoisie und der Gutsbesitzer in der IV. Reichsduma und im Reichsrat, gebildet wurde. Dem Block gehörten sechs Fraktionen mit 236 Abgeordneten, das heißt zwei Drittel der Duma, an. Der Block wurde mit dem Ziel geschaffen, auf der Grundlage eines gewissen Minimums an bürgerlichen Reformen eine Übereinkunft zwischen Bourgeoisie und Zaren herbeizuführen, eine Revolution abzuwenden, die Monarchie zu erhalten und den Krieg „bis zum siegreichen Ende“ zu führen.

36. Gemeint ist Lenins Broschüre Sozialismus und Krieg (Die Stellung der SDAPR zum Krieg).

Gemeint ist die Internationale Sozialistische Kommission (ISK) in Bern, das Exekutivorgan der Zimmerwalder Vereinigung, die auf der Zimmerwalder Konferenz (5.–8. September 1915) gebildet worden war. Der Kommission gehörten die Zentristen R. Grimm. O. Morgari, Ch. Naine und A. Balabanowa an.

37. Gemeint ist Lenins Broschüre Sozialismus und Krieg (Die Stellung der SDAPR zum Krieg).

38. Gemeint ist die Internationale Sozialistische Kommission (ISK) in Bern, das Exekutivorgan der Zimmerwalder Vereinigung, die auf der Zimmerwalder Konferenz (5.–8. September 1915) gebildet worden war. Der Kommission gehörten die Zentristen R. Grimm. O. Morgari, Ch. Naine und A. Balabanowa an.


Zuletzt aktualisiert am 16. Juli 2020