Paul Lafargue

 

Der Ehebruch in Gegenwart und Vergangenheit

 

II. Der Ehebruch in der Geschichte

Als Emile de Girardin [24], der Jounalist mit einer Idee pro Tag, versicherte, daß eine Behauptung, die man durch 365 Tage jeden Morgen drucken lasse, am Ende des Jahres eine unbestreitbare Wahrheit werde, da lachte man über dieses Paradoxon in Paris; und doch ist es durch ewige Wiederholung des Satzes, daß die Menschen aller Zeiten und aller Länder immer die gleichen seien, mit denselben Instinkten, Gefühlen und Leidenschaften, höchstens verschieden in der Form ihrer Äußerungen, dazu gekommen, daß Philosophen, Politiker, Literaten und Dichter ganz die „zweifelnde Vorsicht“ Montaigne’s [25] vergaßen, und diesen Irrtum zu einem psychologischen Axiom erhoben, das ebenso unleugbar sei, wie zwei mal zwei ist vier. Aber heute, wo wir den Erdball besser kennen zu lernen beginnen, und die zivilisierten Nationen in Berührung mit den barbarischen und halbbarbarischen Völkern Asiens und der anderen Weltteile gelangen, entdeckt man, daß der Mensch, das unbeständige und wechselhafte Wesen par excellence ist, gar oft seine Instinkte, Leidenschaften und Gefühle geändert hat.

Bei einem asiatischen Volke, dessen künstlerische und industrielle Produkte London und Paris entzücken, und dessen Schnelligkeit, sich unseren Errungenschaften und unseren Wissenschaften anzupassen, allgemein überrascht, in Japan, sind die herrschenden Ansichten über die Keuschheit der Mädchen das Gegenteil der europäischen.

In Japan ist die Prostitution eine nationale Einrichtung, offen anerkannt von der Sitte, geregelt durch das Gesetz. Die Eltern senden ihre Töchter in die Tee-Häuser, wie in Paris in Konservatorien und Pensionate und bezahlen für sie eine vereinbarte Summe. Die Mädchen kommen in diese Häuser in der Regel im Alter von 14-15 Jahren, um dort bis zum 25. Lebensjahr zu bleiben; sie werden dort in der Unterhaltungskunst unterrichtet, im Tanzen, Singen, Gitarre-Spielen und Schreiben. Kein Makel haftet ihrem Beruf an; viele von ihnen verheiraten sich höchst anständig, nachdem sie sich ins Privatleben zurückgezogen haben; es kommt vor, daß ehrbare japanische Bürger in diese Freudenhäuser gehen, um sich dort eine liebenswürdige, gebildete Frau zu suchen. „Die japanischen Romane“, erzählt uns ein Reisender, „wiederholen zum Überdruß die Geschichte von der tugendhaften Jungfrau, die sich prostituiert, um ihren Vater dem Elend zu entreißen und die Schulden ihres Bräutigams zu bezahlen“. Das Mädchen hingegen, daß sich seinem Liebhaber gratis hingibt und ohne Einwilligung des Vaters heiratet, verfällt der gesetzlichen Strafe von 60 Stockschlägen. Das japanische Publikum würde es für unanständig halten, ein verliebtes Mädchen auf die Bühne zu bringen; dagegen ehrt es öffentlich die Prostitution. „Im Tempel von Asaxa findet man ein Bild, daß mehrere japanische Damen in großer Toilette darstellt; mein Reiseführer sagte mir, sie seien die Porträts der berühmtesten Kurtisanen von Jeddo, die man jedes Jahr hier aufstelle, um sie zu ehren“. [26]

Und die Japaner sind ebenso „anständige Leute“ wie unsere Philister, die auf Boulanger [27] oder anderen „geniale Staatsmänner“ schwören und [28] wie die Helden unserer Römer und die Juden des Altertums die unverletzte Jungfräulichkeit der Braut einfordern. die Israeliten sind in ihrer Schwärmerei für die Jungfräulichkeit ziemlich weit gegangen: sie steinigten Frauen, die am Hochzeitstag nicht mehr Jungfrauen waren. [29] Aber diese übertriebene Wertschätzung des „Kapitals der Frau“ muß erst spät angenommen worden sein denn Baal-Pehor, den das Volk Israel so lange verehrte, hatte nach der rabbinischen Erklärung die besondere Aufgabe, die jungen Mädchen zu entjüngfern. [30] Der hohe Priester des mexikanischen Gottes Huitzilopochtli [31] entjungferte die weiblichen Kinder, die man in seinen Tempel brachte, im Alter von 29 Tagen. Eine ähnliche religiöse Zeremonie findet sich in Indien. [32]

Die Naturvölker maßen der Jungfräulichkeit keinen Wert bei. Die Athener schätzten sie so wenig, daß die Gesetze des Solon [33], obwohl sie die Tötung des beim Ehebruch ertappten Mannes erlaubten, den Mann, der sich mit einem Mädchen verging, bloß zu der geringfügigen Geldstrafe von 100 Drachmen verurteilten (Plutarch: Solon, XXXI). Und solche Fälle kamen häufig vor, besonders zur Zeit der religiösen Feste, der einzigen Gelegenheit, bei der die jungen Athenerinnen das väterliche Haus verließen. In den griechischen Lustspielen war ein Mädchen, das entjungfert wurde, eine ebenso unentbehrliche Person, wie in den heutigen der Bonvivant [34] und die Soubrette. Wir wissen durch Pollux [35], daß unter den 44 Masken, die für alle Rollen und Situationen des griechischen Lustspiels vorhanden waren, auch eine spezielle zur Darstellung eines solchen Mädchens diente.

Verfolgt man die Entwicklung des Menschengeschlechtes in Zeit und Raum, so findet man, daß der Mensch seine Neigungen und Leidenschaften öfter geändert hat, als der Clown seine Grimassen. Und besonders im Verhältnis zwischen Mann und Frau gilt das Wort von La Mothe le Vayer [36]:

„Es gibt nichts so Feststehendes,
Sicheres und Bestimmtes an einem
Ort, dessen Gegenteil nicht anderswo
ebenso hartnäckig behauptet würde“. [37]
 


In der vorgeschichtlichen Zeit besteht der Ehebruch nicht und kann nicht bestehen; die freieste Geschlechtsvermischung herrschte innerhalb der wilden Horden; es bedarf einer langen stufenweisen Entwicklung, bis die Menschheit zur mutterrechtlichen Familie gelangte, wo die Frau umso reicher und geehrter ist, je mehr Gatten sie ihre Gunst schenkt, die unter einander im besten Einvernehmen leben, einem Einvernehmen, das niemals die Eifersucht stört, die heute so manches Verbrechen der Liebe veranlaßt. [38]

Die erste Familie ist der Stamm; die Mitglieder einer Generation betrachten sich als Brüder und Schwestern und nennen die Mitglieder der vorangegangenen Generationen Väter und Mütter. Nicht nur das Gefühl der Eifersucht ist unbekannt, sondern auch jene Empfindungen, die in den späteren Gesellschaftsformen die Familien zusammenhalten, ausgenommen jene rein tierische Liebe der Mutter für ihr Kind, das sie zwei Jahre lang säugt und mit sich herumträgt.

Der Ehebruch erscheint zunächst in kollektiver Form. Auf einer gewissen Höhe der Entwicklung teilt sich der Stamm in Unterabteilungen, Klans oder Gentes. Alle geschlechtlichen Beziehungen zwischen Individuen desselben Klans sind untersagt und nur zwischen Individuen verschiedener Klans gestattet. Der ursprünglich unterschiedslosen Geschlechtermischung folgt die Gruppenehe zwischen Klan und Klan. Die Eheschließung hängt noch nicht von der individuellen Neigung oder den Interessen des einzelnen ab, sondern ist ein Akt des Kollektivs. Die bloße Tatsache, in einer Gruppe geboren zu sein, gibt einem Individuum alle Männer respektive Frauen einer anderen Gruppe zu Gatten und Gattinnen. Eine Person, die geschlechtliche Beziehungen mit Individuen anknüpft, die nicht zu dem mit der eigenen Gruppe verehelichten Klan gehören, begeht einen Ehebruch, der schwer bestraft wird. Es ist nicht das Individuum, das beleidigt ist, sondern der gesamte Gattenklan; der Schuldige hat durch seinen Ehebruch nicht gegen ein Individuum, sondern gegen eine Gemeinschaft gesündigt; der Ehebruch hat kollektiven Charakter. Solche Gruppen-Ehen und -Ehebrüche findet man heute noch in Australien. Der individuelle Ehebruch tritt erst in Erscheinung, nachdem die vaterrechtliche, patriarchalische Familie gebildet worden ist. In der mutterrechtlichen Familie, die der vaterrechtlichen überall vorausgeht, bleibt die Frau in dem Klan, in dem sie geboren, und wenn dieser sich in Familiengruppen spaltet, bleibt sie in ihrem Hause, wo ihre Gatten sie der Reihe nach besuchen; sie ist die Herrin des Hauses und Oberhaupt der Familie; die Kinder gehören ihr, erben durch sie; alle diese Vorrechte verliert sie in der patriarchalischen Familie; sie verläßt ihren Klan und ihre Familie, um im Haus ihres Gatten zu wohnen, der sie gekauft hat, entweder durch jahrelange persönliche Dienste, wie Jakob, oder durch Geschenke, wie Isaak (Genesis XXIV, 53). Homer nennt das Mädchen „alphesiobia [die Rinderbringende]“, weil ihr Vater sie gegen rinder vertauschte. Duveyrier [39] erzählt, daß bei den Tuaregs der Sahara das Mädchen selbst den Vater bezahlt und durch den Verkauf ihres Körpers nach tuskischer Weise das Geld gewinnt, mit dem sie sich freikaufen muß, wenn sie heiraten will. „Ehe das Mädchen heiratet, verlangt der Vater von ihr die Wiedererstattung der in ihren Körper investierten Unkosten, die sie der Familie verursacht hat [...] Und das Mädchen, entehrt in unseren Augen, ist umso gesuchter, je mehr Erfolg sie beim Verkauf ihrer Reize hatte“. [40]

Beim Verkauf seiner Tochter übertrug der Vater dem Käufer alle seine Rechte über sie, das Recht über Leben und Tod eingeschlossen: Im alten Rom tritt die Frau in die Familie ihres Gatten als seine Tochter (loco filiae) ein, so daß sie durch eine juristische Fiktion die Schwester ihrer eigenen Kinder wird. Sie besitzt nichts, nicht einmal ihre Kinder, die dem Gatten gehören; sie bleiben bei diesem, wenn er die Frau verstößt oder sich von ihr scheidet. In der ersten Periode der patriarchalischen Familie ist die Frau ein bloßes Haustier, das man zu Zwecken der Fortpflanzung anschafft. „Auf dem Markt“, sagt ein arabischer Jurist, „kauft man Waren; in der Ehe kauft man einen zu besäenden Acker“. Von diesem Standpunkt aus betrachtet das klassische Altertum die Ehefrau: „Wir haben Hetären, um uns zu erheitern“, sagt Demostenes [41] in seiner Rede gegen Neära, „Kebsweiber [42], uns zu pflegen, Eheweiber aber, um Nachkommen zu erzielen und eine zuverlässige Hüterin des Hauses zu haben“.

Der Ehebruch existiert, aber er wird nur dann ein Verbrechen und verletzt nur dann die Gefühle des Gatten, wenn er ohne seine Einwilligung eintritt.

Die öffentliche Meinung auf den Südseeinseln verlangt von den verheirateten Frauen, daß sie sich nicht ohne Einwilligung ihrer Männer preisgeben, die mit ihren Gattinnen handelten, ohne irgendwelche Bedenken dabei zu empfinden. „Tawe“, berichtet Porter [43], „war einer der schönsten Männer der Insel; er liebte es sehr, sich zu schmücken; ein rotes Tuch, einige Glasperlen oder ein Stück Fischbein besaßen in seinen Augen einen unwiderstehlichen Reiz, und um sich solche Sachen zu verschaffen, bot er das Wertvollste, was er besaß. Obgleich seine Frau von außerordentlicher Schönheit war und er der zärtlichste der Gatten, bot er sie dennoch mehr als einmal für ein Halsband an“. [44]

Die Keuschheit, die später zur Tugend wurde, die man von der Frau als Naturgesetz einforderte, ist auf dieser Stufe im Kopf des Menschen noch nicht einmal geahnt: Bei zahlreichen wilden und barbarischen Völkern, bei denen wir heute noch die Sitten unserer Vorfahren finden, und die nach dem glücklichen Ausdruck des Monsieur Letourneau [45] die lebendige Vorgeschichte bilden, weiß der Mann seinen Gast nicht besser zu ehren, als daß er ihm seine eigene Frau anbietet. Mit seiner Frau Handel zu treiben scheint als etwas so Natürliches, daß der Brauch sich so lange erhalten hat, ohne im geringsten für unehrenhaft zu gelten; auf der Höhe der antiken Zivilisation sehen wir Kimon [46] und Cato von Utica ihre Frauen an ihre Freunde abtreten, welche Geld dafür geboten hatten. Wenn so hochgeehrte Männer, die die wichtigsten Stellungen im Staate einnahmen und sich in jeder Beziehung auf das charaktervollste bewiesen, in dieser Weise verfahren konnten, ohne die mindeste Entrüstung zu erregen, dann darf man wohl annehmen, daß neben diesen Fällen zahlreiche ähnliche unter ihren Zeitgenossen vorkamen, die allerdings nicht in die Geschichte eingegangen sind, weil es sich um weniger bedeutende Personen handelte. Man darf da wohl an die Überlegungen von La Mothe le Vayer erinnern: „Wir glauben immer vernünftig und gerecht zu handeln, wenn wir aus Gewohnheit und Nachahmung handeln“.

Es kam vor, daß der Mann den Ehebruch der Frau unter gewissen Verhältnissen autorisierte, ja forderte, den er unter anderen auf das grausamste bestrafte.

Die Mutterliebe ist ein natürliches Bedürfnis, eigentümlich dem weiblichen Organismus, der zum Gebären und zum Ernähren des Kindes gebildet ist; die Vaterliebe hingegen ist durch soziale Verhältnisse erworben; er ist entsprungen aus dem egoistischen Verlangen, über sich selbst hinauszuleben, das den Mann der patriarchalischen Familie quält. Die Frau, die man heute als die letzte Zuflucht der Religion betrachtet, scheint dieses Bedürfnis nach Unsterblichkeit nicht in gleicher Weise empfunden zu haben. Der Mann hatte sie ohnedies aus dem Jenseits ausgeschlossen, oder wenn er sie zuließ, stellte er sie mit Hunden, Pferden und anderen Haustieren auf die gleich Stufe, damit sie auch drüben dem Herren diene.

Die Idee eines Fortlebens nach dem Tode findet sich frühzeitig im menschlichen Kopf. Bei den unentwickelten Völkerschaften begegnet man Leichenfeierlichkeiten; man begräbt mit dem Toten seine Waffen und sonstigen Gegenstände, die ihm im anderen Leben nützlich sein können. Später fügt man zu den leblosen Gegenständen belebte hinzu: Tiere, Sklaven, mitunter die Gattin. Man nahm nicht immer an, der Tote begebe sich in ein besonderes Gebiet unter der Erde oder über den Wolken, um dort sein Leben nach dem Tode zu verbringen; lange Zeit glaubte man, er lebe in seinem Grabe fort, das man inmitten seiner Hütte errichtet hatte, nicht weit vom Eingang. Diese Idee, daß der Tote inmitten der Seinen fortlebe, scheint erst nach der Bildung der patriarchalischen Familie entstanden zu sein. Man glaubte, der Tote nehme Anteil am Familienleben; er fahre fort, sie zu leiten durch Träume, Gespensterspuk und andere Methoden der Leute jenseits des Grabes, sich im Diesseits bemerkbar zu machen. Seine Verwandten behandelten ihn, als lebe er noch. Die Totenverehrung im Schoße der Familie findet sich noch in ihrer ursprünglichen Naivität bei den Ostjaken [47] des Ob-Tales. Nach dem Tod des Oberhauptes der Familiengemeinschaft fertigte man eine rohe Puppe in der Höhe von 20 bis 30 Zentimeter an und bekleidet sie mit einer Robe. Sie stellt den Verstorbenen dar: Während des Tages lehnt man sie auf einen ausgebreiteten Pelz vor das Feuer, legt ihr einen Tabaksbeutel zu Füssen, und setzt ihr beim Mahl Speisen vor; abends hüllt man sie in warme Pelze ein, kurz, man behandelt sie wie eine lebende Person. [48]

Der Familie hatte Pflichten gegenüber dem Toten; sein Erbe, der ihr Haupt geworden, hatte die Aufgabe, über ihre Erfüllung zu wachen. Monsieur Fustel de Coulanges [49], der das griechisch-lateinische Altertum so scharfsinnig durchforscht hat, sagt darüber: „[...] der Sohn hat die Pflicht, Trank und Speise darzubringen den Manen [50] des Vaters und aller Ahnen. Diese Pflicht verabsäumen, war die schwerste Gottlosigkeit, die man nur immer begehen konnte, weil das Unterbrechen dieses Kultes eine ganze Reihe von Toten beeinträchtigte und deren Glück störte. Eine solche Nachlässigkeit wurde wie Vatermord angerechnet, und sie wog um so viel schwerer, je zahlreicher die Familie Ahnen hatte“. [51] Der legitime sohn, der Erbe des Vaters, war allein berechtigt, bei feierlichen Gelegenheiten die funktion des Ahnenkultus zu vollziehen; die Sitte und später das Gesetz verboten es, einen nicht zur Familie gehörenden, und wäre es ein Greund gewesen, zum Totenmahl zuzulassen. Um im Grabe fortleben zu können, mußte man also einen legitimen Sohn haben: „Ihre einzige Sorge war die und ihr einziges Interesse ging dahin, daß stets ein Blutsverwandter da sei, um die Opfergaben aufs Grab zu bringen. Der Hindu glaubte auch, daß die Toten unaufhörlich die Worte wiederholen: ‚Daß uns stets nur Söhne geboren werden, die uns Reis, Milch und Honig bringen‘.“ [52]

Einen Sohn zu haben, war die große Sorge des verheirateten Mannes, „denn“, sagt Aischylos [53], „der Sohn ist der Erhalter des väterlichen Herdes“ (Die Choephoren). „Durch einen Sohn“, sagt Manu [54] zu den Indern, „erwirbt ein Mann den Himmel, denn er erhebt sich in das Reich der Sonne“ (IX, § 137). Nrahma nennt den Sohn Puthra, das heißt erlöser aus der Hölle. In der christlichen Religion ist der Sohn der Erlöser.

Die Ehe war eine religiöse Pflicht, der der älteste Sohn sich unterziehen mußte; das Brautbett (lectus genialis), geweiht dem Vorfahren, den es wiedererwecken sollte, war zu Rom im Atrium aufgestellt, gegenüber der Eingangstür, nahe den Ahnenbildern. Der verheiratete Mann, der keinen Sohn besaß, hatte den Ahnen seine Schuld nicht gezahlt und nicht für den einen gesorgt, der ihn nach dem Tode lebendig macht. War die Ehe durch das Verschulden des Mannes kinderlos, dann hatte er seiner Frau Ersatz zu besorgen; in Rom, Griechenland, bei den Indern, überall hatte der jüngere Bruder, und in Ermangelung eines solchen der nächste Verwandte die delikate Aufgabe, in solchen Fällen den Gatten zu ersetzen. In Kordofan [55], wo die Sitten ihre ursprüngliche Wildheit noch gewahrt haben, ruft der Mann, wenn seine Frau unfruchtbar ist, alle seine männlichen Verwandten zusammen. Ein Fest wird gefeiert, dann schläft einer nach dem anderen mit der Gattin. Führt auch dieses heroische Mittel zu keiner Schwangerschaft, dann versteigert der Mann seine Frau in einer Auktion, wobei ihm die Verpflichtung zufällt, den eventuellen Überschuß des Verkaufspreises seinen Verwandten als „Trinkgeld“ zukommen zu lassen. [56]

Stirbt der Gatte ohne männliche Nachkommenschaft, so muß sein Bruder oder der nächste Verwandte seine Witwe heiraten, und ein aus dieser Ehe entspringender Sohn gilt für den Sohn des Verstorbenen (Genesis, XXXVIII, 8, 9 [57]; Deuteronomium, XXV, 5, 6, 7). Die Frau war ein Acker, gekauft, daß aus ihm eine Nachkommenschaft wachse, und ihn zu befruchten, waren alle Mittel recht. Der Ehebruch wurde der Frau als heilige Pflicht auferlegt, und der Vater und die Ahnen nahmen den im Ehebruch gezeugten Sohn als legitimen Erben auf, als denjenigen, in dem die Ahnen wiederauflebten, der den Familienkult und die Familientradition fortsetzte.

Manu gibt den Grund an, warum ehebrecherisch gezeugte Kind dem legitimen Gatten gehöre und nicht dem natürlichen Vater: Er vergleicht die Frau mit einer Kuh, deren Kalb dem Besitzer zufalle, und nicht dem Besitzer des Stiers, mit dem man sie zusammengebracht hat.

Der Ehebruch der Frau hat zwei Seiten: Bald war er ein Verbrechen, das man auf das Schwerste bestrafte, bald wurde er zur heiligen Pflicht, sobald die Bedürfnisse ihres Herren ihn verlangten.

Es gab jedoch noch ein anderes Mittel, die Kinderlosigkeit des Hauses zu beseitigen; man stempelte die Frau zur Mutter eines Kindes, das ihr Gemahl mit einer Konkubine gezeugt hatte: Die Zeremonie war das Gegenstück der Couvade der Basken, bei denen nach der Entbindung der Frau der Mann sich ins Bett legte und eine Wöchnerin nachahmte. [58] Die Bibel sagt uns nicht, ob Sara diese Komödie aufführte [59], wohl aber erzählt sie, daß Rachel, als sie sah, daß sie dem Jakob nichts gebar, zu ihm sprach: „Gib mir Kinder. Wenn nicht, so sterbe ich! [...] Da hast Du meine Magd Bilha. Gehe zu ihr, damit sie auf meinen Knien gebäre und auch ich durch sie zu Kindern komme“. Lea aber, Jakob’s zweite Frau, ärgerte sich jedenfalls darüber, daß Rachel durch diese Manipulation zu Kindern kam, während sie selbst schon aufgehört hatte, Kinder zu gebären. Daher „nahm sie ihre Magd Silpa und gab sie Jakob zur Frau“ (Genesis, XXX, 1, 2, 3, 9). Rachel und Lea ahmten dadurch, daß sie ihren gemeinsamen gatten ermutigten, sich neue Konkubinen anzuschaffen, Sara nach, die dem Patriarchen Abraham ihre ägyptische Magd Hagar zur frau gab. Bei den Griechen geschah die Adoption mit einem ähnlichen Zeremoniell wie bei den Hebräern, wenn man nach dem schließen darf, was sich im Olymp zutrug, wo die irdischen Sitten sich so getreu wiederholten. Diodorus von Sizilien [60] berichtet:

Juno bestieg, um Herkules zu adoptieren, ihr Bett, hielt den Sohn des Jupiters an ihren Leib und ließ ihn, eine Gebärende nachahmend, unter ihrem Gewand hervorgleiten. Diese Zeremonie wird heute noch bei den Barbaren beobachtet, wenn sie ein Kind adoptieren (IV, 39).

Die beiden Gatten ermunterten sich also gegenseitig zum Ehebruch.

Auch die katholische Kirche hat gegenüber dem Ehebruch nicht immer eine übertriebene Strenge an den Tag gelegt. Jesus, ebenso wie Mohammed, suchte die grausame Strafe der Steinigung zu mildern, zu der die ehebrecherische Frau verurteilt wurde und die nicht mehr dem Geist seiner Zeit entsprach. [61] Kirchenväter haben den Ehebruch gepriesen, wenn er für den Gatten vorteilhaft war. Der heilige Augustinus [62] lobt das Entgegenkommen der Sara und behauptet, eine Frau dürfe einer anderen das Recht abtreten, das sie auf den Körper ihres Mannes besitze, woraus er folgert, daß ein Mann einem anderen seine Rechte über den Körper seiner Frau abtreten dürfe. Er begründet seine Ansicht mit der Stelle des heiligen Paulus, die besagt, daß die Gatten gegenseitig ihren Körper besitzen. [63]

Der heilige Chrysostomos [64] ist noch kategorischer: Er bewundert Abraham, weil dieser seine Frau dem Pharao von Ägypten, und dem König von Gerar, Abimelech, überlassen hat (Genesis, XII und XX), und er ermahnt die Frauen, Sara nachzueifern: „Wer sollte nicht die Größe dieses freudigen Gehorsames bewundern? Wer könnte Sara genug preisen, daß sie dem Ehebruch sich aussetzte und ihren Leib den Barbaren auslieferte, um ihren Gatten vor dem Tod zu erretten?“ Der heilige Ambrosius hat die Gutherzigkeit Sara’s nicht mindere Lobsprüche geewidmet. [65] Aber die katholische Kirche mußte ihre anschauungen in dieser Frage ändern und sich zur Wiedereinführung der barbarischen Bestrafung des Ehebruiches hergeben.

So lange die mutterrechtliche Familie bestand, herrschte die Polygamie auf beiden Seiten; die Frau ebensogut wie der Mann nahm sich so viele Gatten, wie es ihr gefiel; als aber die patriarchalische Familie an ihre Stelle trat, wurde die Polygamie ein Privileg der Männer. Neben der legitimen Frau, die von ihrem Vater gekauft und durch religiöse Zeremonien der Familie des Gatten einverleibt worden war, lebten seine Konkubinen; in vielen Ländern heißen sie die „kleinen Frauen“; der Titel der „großen Frau“ bleibt der legitimen Gattin vorbehalten. Die Kinder der Konkubinen gehören rechtlich der großen Frau; sie nennen sie Mutter, beweinen sie bei ihrem Tode und tragen um sie Trauer, als ob sie wirklich ihre Kinder und nicht die ihrer natürlichen Mutter wären.

Die Gefühle, die auf dieser Stufe der Ehebruch im Herzen des Mannes erweckt, sind nicht die der Eifersucht, sondern die des Besitzers, der in Wut gerät über die Antastung seines Eigentums. Der Ehebruch ist nichts anderes als ein Eigentumsdelikt! Die verheiratete Frau wird einem beweglichen Gut gleichgestellt, das sich im Besitz des Gatten befindet. In allen ursprünglichen Zivilisationen steht auf den Diebstahl die Todesstrafe; sie muß infolge dessen die Strafe der auf der Tat ertappten Ehebrecher sein, und sie ist es. Der beleidigte Gatte hatte selbstverständlich von vornherein das Recht, seine Frau zu töten, die sein Eigentum war; es stand ihm aber auch das Recht zu, ihren Liebhaber zu entehren, zu verstümmeln, zu töten; in Athen, wo die Sitten verhältnismäßig mild waren, peitschte er ihn und liefert ihn seinen Sklaven aus, die ihn marterten und aufs schimpflichste entehrten. [66]

Das Gesetz mußte den Liebhaber zur Bestrafung dem Gatten überlassen, der in seinen Besitzrechten verletzt worden war; aber die Häupter der antiken Gemeinwesen sahen mit Bedauern die Mitglieder der edelsten Familien so schimpflichen Mißhandlungen preisgegeben. Vielleicht war dies einer der Gründe, daß man aus dem Staatsschatz Kurtisanen kaufte und in den Tempeln aushielt: Man wollte die jungen Patrizier hindern, zur Befriedigung ihrer Lüste zum Ehebruch zu greifen. Der strenge Cato, der unerbitterliche Gegner des Luxus, erklärte die Kurtisanen für notwendig, um die Unzucht einzudämmen und die Tugend der Matronen, der Hausfrauen, zu bewahren. [67]

Die griechischen Philosophen und Lustspieldichter – denn das Theater ist eine Schule, wenn nicht der Sittlichkeit, so der Sitten – empfahlen den Männern, sich den mühelosen und heiteren Freuden bei den Prostituierten hinzugeben und den gefährlichen Ehebruch zu meiden. „Ist es nicht unsinnig“, heißt es in einem Fragment des Xenarchus, „die Gunst einer verheirateten Frau verstohlen im Finsteren zu suchen, wenn man beim hellichten Tage an einer ganzen Schar Kurtisanen sich erfreuen kann, die zur Besichtigung kommen, in Reihen geordnet und mit jenen durchsichtigen Stoffen angetan, die alle Reize der Natur enthüllen [...] Ist dieser Genuß nicht viel sicherer, als der, den der Ehebrecher in den Armen einer verheirateten Frau findet, wobei man weniger seine Leidenschaft befriedigt, als eine Schuld auf sich lädt“. Ein Lustspieldichter, Eubulos [68], ruft, nachdem er die Freuden der Kurtisanenliebe beschrieben: „Ah, göttliche Venus! Wie kann man sich der Gefahr in den Armen einer verheirateten Frau aussetzen, wenn man an die Gesetze Drakon's gegen den Ehebruch denkt! Wie kann man es wagen, auch nur einen Kuß auf ihre Lippen zu drücken!“

Die Eifersucht des Mannes ist nur eine Abart des Eigentumssinnes. Im Herzen der Frau entspringt sie aus dem Gefühl ihrer Würde, die erst erstehen konnte, als man sie als menschliches Wesen und nicht als Zuchttier behandelte. Diese wichtige Umwandlung ging vor sich, sobald man ihr gestattete, ein vom Eigentum des Gatten verschiedenes selbständiges Vermögen zu besitzen. Die Mitgift, das erste Eigentum, das die Frau der patriarchalischen Familie besitzt und das ihr erlaubt, zum Gefühl der eigenen Persönlichkeit zu gelangen, trägt trotzdem immer noch das Brandmal ihrer Sklaverei an sich.

Das Geld, das der Vater als Kaufpreis für seine Tochter erhält, bildet die erste Form der Mitgift; es ist nicht mehr der Vater, sondern die Tochter, der der Bräutigam Geschenke darbringt: Der Kaufpreis der Gattin verwandelt sich in eine Art Wittum [69] zu ihren Gunsten. Der Kaufpreis, könnte Monsieur Alexander Dumas sagen, ist der Preis „ihres Kapitals“, wenn sie nicht Witwen ebensogut wie Mädchen gegeben würde. Die Germanen nennen sie „Morgengabe“; das Weistum von Altdorf in Bayern, das die Schenkung einer solchen an eine Witwe gestattet, bezeichnet sie mit dem satirischen Namen „Abendgabe“. Die Sitte war allgemein: Im Süden Europas hieß sie „donation de l’osele [Kußgabe]“. Das alte bretagnische Recht sagt (Art. 331): „Das Weib gewinnt sein Wittum, sobald es den Fuß ins Bett setzt“. „Im Bett gewinnt das Weib das Wittum ist ein sprichwort, das von der Loire bis zur elbe verbreitet ist. Die Gesetze bestimmten die Höhe dieser Schenkung. Bei den Griechen der byzantinischen Zeit, die im Mittelalter die Sitten der barbarischen Zeit wiedererwecken, entsprach das „Theoretum“, der Preis der Jungfräulichkeit, der Morgengabe der Germanen. Das Gesetz bestimmte, es solle ein Goldstück, einen halben Aureus, per Pfund (Gold) der von der Familie der Braut gespendeten Mitgift betragen.

Die Familien nahmen die Gewohnheit an, den Geschenken des Bräutigams an die Braut Geschenke von gleichem, später von größerem Wert hinzuzufügen. Manu erkannte verschiedene Quellen des Eigentums der Frau an: Das, was sie vor der Besteigung des Ehebettes erhalten; was ihr Vater, ihre Mutter, ihre Brüder, ihr beim Verlassen des elterlichen Hauses gegeben haben; endlich was sie seitdem durch Erbschaft, Kauf, Teilung, Besitznahme und Fund erwarb. Die Geschenke des Bräutigams, obgleich der Ursprung der Mitgift, werden nach und nach nur ein unbedeutender Bruchteil derselben; schließlich wird sie nur noch aus dem Eigentum und den Geschenken gebildet, die der Braut aus ihrer Familie zuflossen. Die Frau wird nicht mehr verkauft; sie kauft jetzt im Gegenteil den Gemahl. Euripides [70] läßt es Medea – infolge eines Anachronismus, wie der Scholiast [71] bemerkt – aussprechen, „daß zu anderen Übeln, die die Weiber plagen, noch das kommt, daß sie ihren Gatten mit großen Geldsummen kaufen müssen“.

Solange der Mann die Braut kauft, ist deren Vater verpflichtet, sie zurückzunehmen, wenn sie nicht entspricht, und den Kaufpreis zurückzuzahlen. Auf dieser Stufe ist die Frau ein Familieneigentum, ein Zuchttier zur Hervorbringung von Erben; ist der Gatte unfruchtbar, so tritt sein Bruder oder nächster Verwandter an seine Stelle als Zeuger; stirbt er ohne männliche Nachkommenschaft, so fällt sie dem Erben zu, der sie heiratet oder verkauft, um ihren Kaufpreis wieder hereinzubringen. Sobald aber die Frau eine Mitgift ins Haus des Gatten bringt, betritt sie es nicht mehr als Sklavin, sondern als eine Persönlichkeit, die zwar nicht völlig frei ist, der man aber gewisse Rücksichten schuldet. Die Mitgift wurde hypothekarisch auf dem Gut des Mannes angelegt und mußte im Falle einer Verstoßung oder Scheidung der Frau zurückgezahlt werden, wobei jede andere Schuld hinter ihr zurückstehen mußte. „Man besitzt nicht die Reichtümer, die eine Frau ins Haus bringt, sie dienen nur dazu, die Ehescheidung zu erschweren“, sagt ein Fragment des Euripides, der gern in den Chor der Angriffe seiner Zeitgenossen auf die Frauen einstimmte, die damals angefangen hatten, sich vom drückenden Despotismus des Mannes zu emanzipieren. Die komischen Dichter der Athener und Römer höhnt„n auf das unbarmherzigste den Mann, der unter dem Einfluß der Mitgift in Abhängigkeit von der Frau geriet. „Du hast die Mitgift genommen“, sagt Plautus [72], „du hast Deine Autorität [imperium] verkauft“. „Eine reiche Frau ist eine Geißel“, ruft Seneca [73], der Stoiker des kaiserlichen Hofes. Die reichen römischen Matronen trieben ihre Keckheit so weit, ihre Güter nicht ihren Gatten, sondern eigenen Verwaltern anzuvertrauen, die mitunter auch noch süßere Pflichten zu erfüllen hatten, wie u„s die Lästerzunge Martials [74] erzählt.

Die Mitgift vergrößerte Ansehen und Bedeutung der Frau; so ziemlich der erste Gebrauch, den sie von ihrer neugewonnen Unabhängigkeit machte, bestand darin, sich gegen den Ehebruch zu empören, den der Gatte ihr aufzwang. Die erste Ehescheidung, welche die römischen Annalen verzeichnen, die des Spurius Carvilius Ruga, fällt in das Jahr 230 nach Gründung der Stadt; sie wurde mit der Unfruchtbarkeit der Frau begründet, die sich ohne Zweifel weigerte, sich der Prostitution in der Familie hinzugeben, die man von ihr forderte. Die Moralisten und Historiker zitieren gewöhnlich die 230 von Ehescheidung freien Jahre als Beweis der Harmonie, die ursprünglich in den römischen Ehen herrschte; sie sind im Gegenteil der Beweis für eine völlige Unterwerfung der Frau.

Es kann von einer förmliche Ehescheidung keine Rede sein, so lange der Mann die Frau wie ein Stück Vieh kauft: Ihr Besitzer gibt sie der Familie zurück, wenn sie ihm nicht gefällt, und nimmt sein Geld ohne weitere Förmlichkeiten wieder an sich. Diese ritterliche Art und Weise, die Gattin zu behandeln, erschien so selbstverständlich und hatte in den Sitten der Zeit so tiefe Wurzeln geschlagen, daß selbst nach Einführung der Ehescheidung der Mann noch das Recht behielt, die Frau nach Belieben ihrer Familie zurückzustellen, wenn er nur ihre Mitgift mit herausgab. Die Bibel, die zahlreiche und wertvolle Zeugnisse über die Sitten der patriarchalischen Familie enthält, erlaubte die Scheidung schon wegen bloßer Abneigung des Mannes: „Falls jemand ein Weib heimführt und sie ehelicht, dann aber, wenn sie nicht seinen Gefallen findet, da er an ihr etwas Widerwärtiges entdeckte, ihr einen Scheidebrief schreibt und aushändigt und sie aus seinem Hause entläßt [...]“ (Deuteronium XXIV, 1). In ähnlicher Weise entledigen sich die cubanischen Sklavenhalter des Sklaven, dessen sie überdrüssig sind: sie geben ihm ein Papier in die Hand und schicken ihn fort, sich einen anderen Herrn zu suchen. Der griechische und römische Gatte nahm seiner Frau die Schlüssel des Hauses weg, sandte sie fort und gab ihr die Mitgift zurück. Dieser letzte Akt war der einzig wichtige Teil der Scheidungszeremonie, Charakteristisch ist die römische Scheidungsformel: „Tuas res habeto, tuas res tibi ageto [Du sollst Dein Gut besitzen, Deine Angelegenheiten selbst verwalten]“.

Es ist nicht sicher, wann in die römische Gesetzgebung das Recht auf Ehescheidung für die Frau eingeführt wurde; jedenfalls, sagt Esmein [75], bestand es noch nicht zu Ende des dritten Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung, zur Zeit des Plautus. Bei den Germanen im Zeitalter der Barbarei hatte bloß der Mann das Recht der Ehescheidung, und ebenso war es bei allen anderen Völkern. Hatte man schließlich das Recht der Frau auf Scheidung anerkannt, so wurde es oft durch die Formalitäten illusorisch gemacht, mit denen man es verband. In Athen zum Beispiel mußte die Frau persönlich öffentlich vor dem Archonten [76] erscheinen und in einem Schriftsatz die Gründe anführen, die sie zur Scheidung trieben. So einfach dieser Vorgang scheint, so schwierig war er wegen der großen Abhängigkeit der Frau: Der Mann brauchte sich bloß der Übergabe der Bittschrift gewaltsam zu widersetzen, und die Frau war um ihr Recht geprellt. Plutarch [77] erzählt, daß Alkibiades auf dem Marktplatz seiner Frau begegnete, als sie, die Bittschrift in der Hand, auf dem Weg zum Archonten war. Er faßte sie und zwang sie, umzukehren und wieder in seinem Hause zu wohnen, wo sie ihre Tage beschloß (Alkibiades, IX). Das Recht der Frauen auf Scheidung wurde erst dann ein wirkliches Recht, nachdem die Mitgift sie emanzipiert hatte. In den letzten Jahren der römischen Republik war ihre Stellung eine ganz andere geworden, als ehedem. Von ihr hatte man jetzt viel mehr als vom Mann die Scheidung zu fürchten. Seneca erzählt von Frauen, die ihre Jahre nicht nach Konsuln, sondern nach Gatten zählten. [78]

Wie die Ehescheidung entwickelte sich der Ehebruch. Der Mann, der das Recht gehabt hatte, seine Frau zu prostituieren, um Geld zu gewinnen oder Erben zu erzielen, und sie zu töten, wenn der Ehebruch ohne seine Zustimmung stattfand, verlor diese beiden Rechte.

Er durfte seine Frau nicht einmal dann töten, wenn er sie auf frischer Tat ertappte; ließ er sich aus Leidenschaft dazu hinreissen, so galt er vor dem Gesetz als Totschläger. Die ehebrecherische Frau wurde in der Kaiserzeit auf eine Insel oder aus dem Umkreis von Rom verbannt.

Der Ehebruch der Frau zog die Scheidung und die Herausgabe der Mitgift nach sich. Ehe der Gemahl sich zu letzterem entschloß, zog er es gerne vor, ein Auge zuzudrücken und die Seitensprünge seiner Ehehälfte nicht zu sehen. Das Gesetz mußte in Athen wie in Rom in solchem Falle den Mann mit der Ehrlosigkeit bedrohen, um ihn zu veranlassen, seine Gattenwürde zu wahren. In China wird ihm das Ehrgefühl mit einem Bambusrohr eingebläut. Da jedoch in Rom die Strafen nicht genügend erschienen, die Ehemänner zur Verstoßung ihrer fremdgehenden Frauen zu bewegen, erlaubte das Gesetz dem Manne, zur Hebung seiner ehelichen Moral, einen Teil der Mitgift für sich zu behalten, wenn er eine Untreue seiner Frau zur Anzeige brachte. Das führte dazu, daß nun mancher Gatte die Liebschaften seiner Frau begünstigte, um sie zu denunzieren und einen Teil ihrer Mitgift konfiszieren zu können. Es gab Leute, die bloß auf die Erwartung des Ehebruches ihrer Frau hin heirateten. Aber die römischen Damen wußten sich vorzusehen.

Der Ehebruch war im Altertum ein Privileg der Aristokratie. In Rom wie in Athen wurden die Frauen der für ehrlos erklärten Berufe, die Kupplerinnen, Kurtisanen, Schauspielerinnen, Tänzerinnen, die Töchter von Schauspielern und Tänzern ebenso wie die Frauen, die auf den Märkten verkauften, kleine Geschäfte betrieben oder zur Klasse der Handwerker gehörten, als rechtmäßige Beute der Wüstlinge betrachtet; das Gesetz kümmerte sich nicht um sie, denn es waren Frauen, die „keine Ehre zu verlieren hatten (in quas stuprum non committur). Das Gesetz überwachte bloß die Sitten der Matrone, der vornehmen Frauen, die allein die keusche, langfaltige Stola trug. Die Matronen fanden die Fürsorge des gesetzes in späterer zeit oft sehr lästig; um daher im Falle eines Ehebruches ihre Mitgift nicht zu gefährden, ließen sie sich bei den Ädilen in der Liste der Prostituierten eintragen, worauf sie sich ohne Befürchtungen ihren Amouren hingeben konnten, da der Umgang mit ihnen danach nicht mehr als Ehebruch betrachtet wurde. Die Zahl der „polizeilich registrierten“ Matronen wuchs so sehr, daß der Senat unter Tiberius [79] besondere Gesetze erließ, um das Recht der Prostitution einzudämmen; er verbot den Damen, die einen römischen Ritter zum Großvater, Vater oder Gemahl hatten, mit ihrem Körper Handel zu treiben. [80]

So häufig war der Ehebruch geworden, daß er sozusagen in die Sitten Eingang fand, und der Gatte war so sehr zur Null herabgesunken, daß der Gesetzgeber ihm das Recht nahm, den Ehebruch zu verhüten und zu strafen, und dies durch Gesetze zu erreichen suchte. Die Gesetze sind ja, wie schon ein Schriftsteller des Altertums bemerkt, um so tugendhafter, je verdorbener die Sitten.
 


Die patriarchalische Familie des klassischen Altertums war in voller Auflösung begriffen; sie verschwand mit der Klasse der Patrizier, deren konstituierendes Element sie gebildet hatte. Die Rechte des Vaters gerieten eins nach dem anderen in Vergessenheit; die Frau erlangte dagegen täglich neue Rechte, die ihr eine immer größere Freiheit sicherten. Diese Zersetzung der Familie, die man bei allen Völkern beobachten konnte, die auf der Stufe der Zivilisation der antiken Welt gelangt waren, vollzog sich inmitten der scheußlichsten Korrumpierung der Sitten und Ideen, die die Grandeur und Herrlichkeit der ersten Jahrhunderte der Republik gebildet hatten. Diese Zersetzung der Familie verursachte zum Teil die Verderbtheit der Sitten, zum Teil war sie deren Folge. Die Korruption ist einer der wirksamsten Hebel des Fortschritts; sie ist es, welche die alten Sitten und Organisationen zersetzt, die dem Wechsel, dem Fortschreiten im Wege steht.

Die Auflösung der antiken Gesellschaft schien das Kommen einer neuen Welt anzukündigen; da kam der Einbruch der Barbaren, der die Entwicklung hemmte und rückgängig machte. Wo die Barbaren sich niederließen, in Italien, in Spanien, in Gallien, bildeten sie ein fremdes Element, das in die Zivilisation hineinversetzt worden war, mit Sitten und Gesetzen, ganz verschieden von denen der Völker, die sie besiegt hatten und unter denen sie wohnten, so wie in unseren Kolonien das Recht für die Eingeborenen ein anderes ist, als für die europäischen Eindringlinge. Aber so isoliert die Barbaren auch durch Sprache, Sitte und Gesetze sein mochten, sie unterlagen doch dem Einfluß der griechisch-römischen Zivilisation und wirkten ihrerseits wieder auf die zivilisierten Volksschichten zurück, die sie umgaben, und zwangen sie zum Verändern ihrer Sitten und sozialen Einrichtungen.

Mit der patriarchalischen Familie war auch deren Religion dahingeschwunden und bei den reichen Klassen durch einen vagen Deismus [81], bei den gebildeten Klassen durch einen philosophischen Skeptizismus ersetzt worden; eine neue Religion erstand in der Form des Christentums, das ein Niederschlag aus den antiken Religionen des Orients und Okzidents ist. Die Juden, denen man gerne ohne weiteres die Ehre dieser religiösen Erneuerung zuschreibt, haben nur den Mythos vom armen und duldsamen Revolutionär geliefert, den der Despotismus der Reichen zum Kreuztod verurteilt hatte, zur Todesstrafe der Sklaven. Griechenland hatte nur Sokrates [82] aufzuweisen, den schwatzhaften und schmutzigen Philosophen, und Italien nur Spartakus [83], den heroischen Revolutionär, der mit der Waffe in der Hand fiel: Weder der eine noch der andere konnten die Klassen der Unwissenden und Armen entsprechen, die, zum großen Teil aus Sklaven und Freigelassenen zusammengesetzt, sich in einen erträumten Himmel flüchteten, um das irdische Elend besser zu ertragen. Die Zeremonien, die Mysterien und der ganze Geist der neuen Religion stammten nicht von den Israeliten, sondern wurden von den verschiedensten Völkern des Morgen- und Abendlandes geliefert, welche die Herrschaft Roms auflöste und durcheinandermengte; die jungfräuliche Mutter und das Mysterium der Dreifaltigkeit sind zum Beispiel ägyptischen Ursprungs; die Taube, die in den Anfängen Christi eine Rolle spielt, stammt aus Assyrien.

In den Stürmen der Völkerwanderung lebten Einrichtungen und Sitten wieder auf, die längst in Vergessenheit geraten waren: Die Barbaren erweckten wieder die „patria potestas“ aus ihrem Grabe, jene furchtbare Gewalt des Hausvaters über Frau und Kind; sie erweckten wieder die brutale „manus“ des Gatten, die bei bei den Germanen den Namen der Muntschaft [84] annahm, und wieder entstand die rohheit des Mannes gegen die Frau, die man einem tier gleich schätzte, das man kauft und verkauft. Der Ehebruch, der ein läßliche sünde geworden war, die mehr Spott als Entrüstung hervorrief, wurde wieder mit entsetzlicher Grausamkeit bestraft. Im ganzen barbarischen Europa wurde auf den Ehebruch der Tod gesetzt, während ein Mörder sein Verbrechen mit Geld sühnen konnte. Die einfache Tötung genügte nicht; man verschärfte sie durch Beschimpfungen und Foltern: Hier wurden der Frau Nase und Ohren abgeschnitten, dort steinigte man sie, an anderen Orten wieder führte man sie nackt durch die Straßen und zerfleischte ihren Leib mit Ruten, bis der Tod eintrat. „Nichts ist düsterer und eintöniger, als eine Übersicht der Bestrafungen des Ehebruches“, sagt Monsieur Letourneau.

Auch die zivilisierten christlichen Elemente wurden von der übermächtigen barbarischen Wildheit ergriffen. Auch bei ihnen verlor die Frau alle ihre mühsam erworbenen Rechte; die Frauen verfielen wieder der Sklaverei, und der Ehebruch wurde für sie ebenfalls ein todeswürdiges, auf’s grausamste geahndetes Verbrechen. In Konstantinopel und in Rom schleppte man die ehebrecherische Frau in die Arena für Tierkämpfe und hetzte zum Gaudium des barbarischen wie des zivilisierten Publikums einen Stier auf sie, den man dressiert hatte, starke Bohlen mit den Hörnern aufzunehmen und in die Luft zu schleudern. Man führte Bräuche ein, wie sie später bei den Wilden Amerikas wiedergefunden wurden. Ein Kirchenschriftsteller des vierten Jahrhunderts erzählt uns, daß der Kaiser Theodosius [85] die wieder aufgekommene alte römische Sitte verbieten mußte, die Ehebrecherin in eine Zelle zu sperren, in der man sie den Gelüsten der Passanten preisgab, die man durch eine Glocke herbeirief. [86]

Jahrhundertelang haben sich in Europa diese brutalen Strafen erhalten. Ordonnanzen Karls des Schönen von 1325, Johannes des Guten von 1362, Ludwig XI. von 1463 beweisen, daß damals noch in manchen Städten der Brauch herrschte, die Ehebrecherin nackt durch die Straßen zu jagen. Selbst das französische Recht, das durch die Revolution geschaffen wurde, erlaubt noch dem Gatten, den bei der Tat ertappten Ehebrecher zu töten, eine Erlaubnis, die aus dem römischen Recht bereits verschwunden war. Er darf die Mutter seiner Kinder, die ihn mit ihrer Mitgift gekauft hat, in das Gefängnis zu Prostituierten sperren lassen. Die englische Gesetzgebung bezeugt mehr Achtung vor der Frau. Der Ehebruch wird in England nicht als Verbrechen bestraft, ausgenommen in Folge einer Klage vor dem kirchlichen Gerichtshof, „pro salute animae [um des Seelenheils willen]“, die außer Übung gekommen ist. Er kann nur Anlaß zu einer Entschädigungsklage wegen Beleidigung sein.„

Hätte jemand im Mittelalter die Leute um ihre Ansichten über den Ehebruch befragt, die Antworten wären einstimmig ausgefallen: Adelige und Bürger, Priester und Laien, Gelehrte und Ungelehrte, alle hätten ohne jegliches Zögern erklärt, er bedeute die Zerstörung der Familie und den Untergang der Moral und verdiene daher die strengste Strafe.

Weisen die durch die Enquete des Figaro bloßgelegten Widersprüche und die Verwirrung in dieser, ehedem so klar und entschieden beantworteten Frage darauf hin, daß wir in einer Zeit leben, ähnlich der des Zusammenbruchs der griechisch-römischen Zivilisation, wo die überkommenen Sitten, Einrichtungen und Ideen sich zersetzten und eine neue Zeit sich ankündigte?

Die Frau unseres Jahrhunderts emanzipiert sich auf ökonomischem Gebiet; sie erwirbt Eigentum in gleicher Weise, wie der Mann, erlangt Zutritt zu den freien Berufen, die ehedem das Monopol des männlichen Geschlechts waren, findet Beschäftigung in den modernen geschäftlichen Unternehmungen, den Banken, Handelshäusern, großen Verkaufsmagazinen, in den Werkstätten und Fabriken, wo sie gezwungen ist, einzutreten als Konkurrentin des Vaters, der Brüder, des Gatten, der Söhne; die ökonomischen Verhältnisse für Mann und Frau gleichen sich an. Diese Änderung ihrer ökonomischen Stellung muß notwendigerweise auch zu einem Wandel der Stellung der Frau in der Gesellschaft führen. Sie beginnt, sich gewaltige Fragen zu stellen: „Warum zweierlei Arten Moral? Eine, die dem Mann die Liebe mit allen Frauen erlaubt, und eine, die der Frau als Ersatz für ihre auf immer verloren Freiheit die Liebe nur zu einem Mann gestattet“. Und Monsieur Alexander Dumas fügt hinzu: „Was werdet Ihr den Frauen entgegnen, wenn sie die Freiheit von Euch verlangen? Die Zivilisation hat Eure bisherigen Gründe zu Staub zerrieben“.

Die kapitalistische Zivilisation machte die Ehre und Freiheit der Frauen zunichte und sie werden sie nicht zurückbekommen, solange nicht die sozialistische Revolution das individuelle in kollektives Eigentum verwandelt hat. [87]

 

 

Anmerkungen

24. * Emile de Girardine (1806-1881), Publizist und Abgeordneter, gab unter massiver Ausnutzung des Inseratengeschäftes die ersten Boulevard-Zeitungen heraus.

25. * In seinem Hauptwerk Essais (Versuche) behauptete Michel Eyquembe Montaigne (1533-1592), daß "jedes Philosophieren vom Zweifel ausgeht“ (Leipzig 1953, II, 155).

26. G. Bousquet: Le Japon des nos jours, 1877, I., S. 246. – Le Théâtre au Japon, Revue des deux Mondes, 1874. * Vgl. dazu Friedrich Salomon Krauss: Das Geschlechtsleben in Glauben, Sitte und Brauch der Japaner (Beiwerke zum Studium der Anthropophyteia, II), Leipzig 1907, insbes. S.68ff.

27. * Der General George Boulanger (1837-1891) kämpfte gegen den Commune-Aufstand. Als kurzfristiger Kriegsminister (Jänner 1886-Mai 1887) propagierte er den Revanche-Krieg gegen Deutschland und war in Staatsstreich-Pläne zur Restauration der Monarchie verwickelt. Wegen Veruntreuungen verurteilt beging er Selbstmord (vgl. Paul Lafargue, Boulanger und die französischen Sozialisten, Neue Zeit, VI, 1887-88, 299ff., Der Boulangische Zusammenbruch, Neue Zeit, IX/1, 1890-91, 155ff. und Le Boulangisme; in: Textes choisis, Paris 1970, S. 246ff.).

28. * Passage fehlt in der deutschen Fassung.

29. * Läßt sich „sich der Beweis für die Jungfrauschaft nicht [durch die Ausbreitung des Bettuches vor den Ältesten der Stadt] erbringen, dann führe man die junge Frau vor die Türe ihres Vaterhauses und die Männer ihrer Stadt sollen sie zu Tode steinigen; denn sie hat eine Schandtat an Israel begangen“ (Deuteronium XXII, 4-5).

30. Pehor bedeutet die Spaltung (hiatus), Baal-Pehor der Herr, der durchbohrt.

31. * Stammesgott der Azteken („Kolibri des Südens“)„

32. * „In einigen Gegenden Indiens defloriert die Mutter das Mädchen mit einem Instrument während einer nächtlichen Feier, die mit großem Pomp begangen wird“ (Borneman, a.a.O., 681).

33. * Solon (640-560[?]) führte in Athen eine Rechtsreform durch (Aufhebung der Schuldsklaverei, Begrenzung des Großgrundbesitzes).

34. * Lebemann

35. * Pseudonym für den griechischen Dramatiker Julios Polydeukes, der in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts n.u.Z. ein nach Sachgebieten geordnetes Lexikon Onomastikon veranlaßte.

36. * Der von den Ideen des Kardinals Richilieu beeinflußte Philosoph und Historiker François de La Mothe le Vayer (1588-1672) war ein Vertreter des Skeptizismus der Renaissance.

37. * Hier beginnt eine tschechische Version, die unter dem Titel Vyvoj cizo-lozstva [Die Entwicklung des Ehebruches] erschien (Vinohrady 1902).

38. Lewis Morgan (* Ancient Society, New York 1878 – deutsche Fassung: Die Urgesellschaft, Stuttgart 1908 [Reprint: Wien 1987]) stellte aufgrund seiner Beobachtungen an den Wilden Amerikas, Bachofen (* Das Mutterrecht, Stuttgart 1861 – Reprint: Frankfurt 1975) durch das Studium der Mythologien und Religionen der Völker des Altertums die Stufenleiter wieder her, die die Menschheit durchlaufen hat, bis sie zur patriarchalischen Familie gelangte, der einzigen, die die Geschichte kennt. In einem Artikel Das Mutterrecht habe ich versucht, die Entdeckungen dieser genialen Forscher zu popularisieren. Dr. Letourneau (siehe Anmerkung 45) hat in seinen Vorlesungen an der anthropologischen Anstalt zu Paris, die er dann unter dem Titel L'évolution du mariage et de la famille veröffentlichte, die wissenschaftliche Welt mit den arbeiten Morgan’s bekanntgemacht, die man bis dahin, wenigstens in Frankreich, völlig ignoriert hatte. Die Arbeit des Dr. Letourneau empfiehlt sich besonders durch die Fülle des in ihr angehäuften Materials.

39. * Die Erkundungen des Ethnologen Henri Duveyrier (1840-1892) in Nordafrika dienten auch der kolonialistischen Politik Frankreichs.

40. Duveyrier: Les Touaregs du nord, S. 340

41. * Griechischer Politiker (384-322), bekannt durch seine Rede gegen Philipp von Makedonien (Philippika).

42. * Nebenfrauen

43. * Kapitän David Porter (1780-1843) startet 1812 von Delaware aus in den damals von den Briten beherrschten Pazifik.

44. Porter: Histoire universelle des voyages, Bd. XVI (* David Porter: Journal of a cruise, Annapolis-Maryland 1986 [Reprint der Ausgabe von 1815 bzw. 1822], S.363).

45. * Der Ethnologe Charles-Jean-Marie Letourneau (1831-1902) zählt zu den Mitbegründern der modernen Soziologie in Frankreich.

46. * Als Führer des ersten Attischen Seebundes der griechischen Stadtstaaten besiegte Kimon am Eurymedon 466 v.u.Z. Flotte und Heer der Perser; 451 beendete er den ersten Peloponnesischen Krieg durch einen Waffenstillstand mit Sparta.

47. * Finno-Ugrier mit einer von Schamanen bestimmten Stammesreligion.

48. La vallée de l'Obi et ses habitants; in: Revue scientifique, 5. März 1887.

49. * Der französische Historiker Numa Denis Fustel de Coulanges (1830-1889) verfaßte Studien zur Geschichte der Antike und des mittelalterlichen Frankreichs.

50. Gesamtheit der abgeschiedenen Seelen

51. Fustel de Coulanges: La cité antique, I., Kap. 4, II., Kap. 3 (* deutsche Fassung: Der antike Staat – Studie über Kultus, Recht und Einrichtungen Griechenlands und Roms, Berlin und Leipzig 1907; hier zit. Reprint: Graz 1961, S.33).

52. * ebenda, S.48

53. * Das Werk des Dramatikers Aischylos (525-456) markiert den Höhepunkt der griechischen Tragödie.

54. * Nach indischer Überlieferung ist Manu Stammvater und Gesetzgeber der Menschheit. Seine Vorschriften sind in den hier zitierten Gesetzen des Manu niedergelegt.

55. * Provinz der Republik Sudan

56. Curry: Journal de voyage a Siout et a El-Obeid en 1857-58.

57. * „Da sprach Juda zu Onan: ‚Wohne der Frau Deines Bruders bei, leiste ihr die Schwagerpflicht und verschaffe so Deinem Bruder Nachkommenschaft!‘ Da Onan aber wußte, daß die Nachkommenschaft nicht ihm gehören werde, ließ er, so oft er der Frau seines Bruders beiwohnte, den Samen zur Erde fallen [...]“.

58. Vgl. dazu die Studie Das Mutterrecht in Paul Lafargue, Geschlechterverhältnisse, Hrsg. Fritz Keller, Hamburg 1995, S25-60.

59. 1. Mos. XI, 29 – XXIII, 20 (* „So nahm denn Sara, die Frau Abrahams, ihre ägyptische Magd Hagar, [...] und gab sie ihrem Manne Abraham zur Frau“).

60. * Griechischer Geschichtsschreiber im 1. Jhdt. v.u.Z.. Seine 40-bändige Geschichte der Völker ist nur teilweise erhalten.

61. * Johannes VII, 53 – VIII, 11

62. Kirchenlehrer (354-430)

63. St. Augustinus: De civitate Dei, XVI, 25. – * „Von der Gattin wird um eines Nachkommen willen die Magd dem Manne übergeben und sie wird vom Manne um des Nachkommen willen angenommen; von beiden wird keine sündhafte Wollust, sondern die Frucht der Natur verlangt“ (Aurelius Augustinus, Der Gottesstaat, Salzburg 1953, III, 52 unter Berufung auf den I. Brief an die Korinther, wo es heißt: „Die Frau hat kein Verfügungsrecht über ihren Leib, sondern der Mann; ebensowenig hat der Mann ein Verfügungsrecht über seinen Leib, sondern die Frau“ [VII, 4]).

64. Der Kirchenlehrer Johannes Chrysostomos, Bischof von Konstantinopel (344-407[?]) war bekannt als sittenstrenger Asket.

65. Pierre Bayle: Dictionnaire historique et critique, 1697, art. Abimech, Note A.

66. * „Die verhältnismäßig mildeste Strafe war noch, daß man den ertappten Liebhaber [...] die Haare am Hintern mit glühender Asche abbrannte und ihm danach einen Rettich oder eine Meeräsche in den After trieb (Juvenal, X, 317) [...] Eine weitere Strafe, die privatrechtlich anerkannt und durch jahrhundertelange Tradition erhärtet war, bestand in der kollektiven analen Vergewaltigung des ertappten Täters durch die Agnaten des betrogenen Ehemannes. Man nannte dies familiae stupeandrum“ Borneman, a.a.O., 247).

67. Markus Welser (* bayrischer Gelehrter 1558-1614) berichtet in seiner Geschichte der Regierung von Venedig, von Ancelot de la Houssaye 1705 ins Französische übersetzt, daß „der Rat der Zehn alle Prostituierten aus Venedig und dem Gebiet der Republik verbannte; aber er sah bald, daß seine Strenge der Reinheit der Sitten nicht förderlich war. Die jungen Adeligen verstiegen sich während der Abwesenheit der Kurtisanen zu den wildesten Ausschreitungen; sie drangen mit Gewalt in die Häuser, sogar in die Klöster; die anständigen Frauen und Mädchen waren zu Hause vor ihnen nicht sicher. Die Regierung sah keine Möglichkeit, dem Chaos ein Ende zu machen, als die schleunige Rückberufung der Kurtisanen, denen Häuser und bestimmte Einkommen zugewiesen wurden, in der Erwartung, daß ihr Gewerbe dem Unfug abhelfen werde. Ihre Stellung ist daselbst ungefähr die gleiche, wie sie in Athen gewesen; sie stehen unter dem Schutz der Behörden, die es nicht dulden, daß man sie beschimpfe oder die Verträge verletzte, die man mit ihnen abgeschlossen, wie sie ihrerseits für so viel Sicherheit und Ruhe in ihren Häusern bürgen, als man in solchen Orten erwarten darf“.

68. * Der im vierten Jahrhundert v.u.Z. lebende griechische Dichter Eubulos geißelte politische und soziale Mißstände, unter anderem die Schreckensherrschaft des sizilianischen Tyrannen Dionysos.

69. * Nach altgermanischem Recht Zuwendung des Gatten zur Versorgung im Witwenstand.

70. * Der Tragiker Euripides (485-406[?]) war mit der griechischen Sophistik (Aufklärung) verbunden.

71. * Verfasser von Scholien (erklärende Randbemerkungen alexandrinischer Philologen in griechischen und römischen Handschriften)

72. * Titus Maccius Plautus (250-184[?]) war ein römischer Komödiendichter.

73. * Der römische Politiker, Philosoph und Dichter Lucius Annaeus Seneca (4-65[?]) war Erzieher des Kaisers Nero.

74. * Der Dichter Marcus Valerius Martialis (40-103[?]) verfaßte Epigramme, die Goethe, Lessing und Schiller beeinflußten.

75. Revue generale du Droit, VII. Bd., 1883. „La manus, la paternité et le divorce dans l’ancien droit Romain“, von Esmein, Professor an der juridischen Fakultät von Paris.„

76. * Höchstes Amt in einer Reihe griechischer Stadtstaaten.

77. * Der griechische philosophische Schriftsteller Mestrius Plutarchus (46-125[?]) setzte sich besonders mit Fragen der sittlichen Lebensführung auseinander.

78. * L. Annaei Senecae de beneficiis, III, 16

79. * Der römische Kaiser Tiberius (42 v.u.Z.-37 n.u.Z.) war Nachfolger des Augustus.

80. Tacitus: Annalen, II, 85

81. * Religionsauffassung, bei der Vernunftgründe und nicht die Offenbarung für den Glauben bestimmend sind.

82. * Der griechische Philosoph Sokrates (470-399[?]) lehrte nur mündlich. Wegen angeblicher Einführung neuer Götter und Verführung der Jugend wurde er zum Tode verurteilt.

83. * Der aus der Gladiatorenschule entsprungene Spartakus scharte um sich Sklavenheere, die von den Römern erst nach mehreren Niederlagen 71 v.u.Z. besiegt werden konnten.

84. Von „munt“ – manus, Hand; mit dem Munde hat die Mundschaft, Vormundschaft, nichts zu tun. Die Frau stand bei den Germanen unter der Vormundschaft des Gatten, oder, wenn sie nicht verheiratet war, des nächsten männlichen Verwandten in männlicher Linie (des nächsten „Schwertmag“). Der Mann durfte seine Frau gleich seinen Sklaven und Kinder züchtigen, selbst töten.

85. * Der Kaiser Theodosius der Große (347-395) konnte noch einmal das ost- und weströmische Reich sowie die Kirche der beiden Reichshälften vereinigen.

86. Sokrates: Kirchengeschichte, V, 17.

87. * Diese Schlußpassage findet sich nur in der tschechischen Version (siehe Anm. 37). Übersetzerin: Antonia Bruha.

 


Zuletzt aktualisiert am 21.1.2004