Abraham Léon

Die jüdische Frage


II. Von der Antike bis zu den Karolingern:
Die Periode des kommerziellen Wohlstands der Juden


1. Vor der römischen Eroberung

Seit Urzeiten erfolgte der Warenaustausch zwischen Ägypten und Assyrien, den beiden ältesten Kulturzentren der antiken Welt, über Syrien und Palästina. Der im wesentlichen kaufmännische Charakter der Phönizier und Kanaaniter [1] entsprang der geographischen und historischen Lage ihrer Länder. Die Phönizier wurden das erste große Handelsvolk der Antike, weil ihr Land zwischen den beiden ersten großen Zentren der Zivilisation lag. Die assyrischen und ägyptischen Waren bildeten am Anfang den Hauptgegenstand des phönizischen Handels. Dasselbe galt wahrscheinlich auch für die palästinensischen Kaufleute. [2] Nach Herodot waren die assyrischen Waren die ältesten und wichtigsten Artikel des phönizischen Handels. Nicht weniger alt war die Verbindung der Phönizier mit Ägypten. Die Legenden des biblischen Kanaan, wie auch die phönizischen Sagen legen Zeugnis ab für die regelmäßigen, über See-und Landwege erfolgenden Beziehungen der Einwohner dieser Länder mit Ägypten. Herodot spricht auch von ägyptischen Waren, die von den Phöniziern vor langer Zeit nach Griechenland gebracht wurden. [3]

Die geographische Lage Palästinas war ebenso günstig wie die Phöniziens für den Warenverkehr zwischen Ägypten und Assyrien. [4] Aber die Möglichkeiten der Schiffahrt, über die Syrien verfügte, fehlten ihm völlig. Phönizien hatte sich bis zum Überfluß mit allem versehen, was für Meerfahrten nötig war; libanesische Zedern und Zypressen lieferten ihm das Holz zum Bau, auch Kupfer und Eisen fanden sich im Überfluß in den libanesischen Bergen und in der näheren Umgebung. An der phönizischen Küste boten sich viele natürliche Häfen für die Schiffahrt an. [5] Nicht verwunderlich ist es auch, daß schon sehr früh phönizische Segelboote, schwer beladen mit ägyptischen und assyrischen Waren, alle antiken Seewege zu befahren begannen.

„Die politischen und kommerziellen Beziehungen Phöniziens mit den großen Staaten am Nil und am Euphrat, Beziehungen, die seit mehr als 2000 Jahren vor Christus bestanden, ermöglichten die Ausdehnung des phönizischen Handels auf die Länder, die am Indischen Ozean liegen.“ [6]

Die Phönizier brachten die verschiedenen Völker und Zivilisationen der Antike einander näher. [7]

Durch Jahrhunderte hindurch behielten die Phönizier das Handelsmonopol unter den relativ entwickelten Völkern des Orients und den unentwickelten Ländern des Occidents. Zur Zelt der Handelshegemonie der Phönizier war der wirtschaftliche Stand der westlichen Mittelmeerinseln und Mittelmeerländer noch sehr zurückgeblieben.

„Dies bedeutet nicht, daß der Handel in der Welt Homers unbekannt war, aber er bestand für die Griechen hauptsächlich aus Import. Rohmaterial oder Edelstoffe und die von fremden Seefahrern angebotenen Fertigwaren scheinen die Griechen meistens mit Vieh bezahlt zu haben“. [8]

Diese Situation, die sehr unvorteilhaft für die Einheimischen des Landes war, hält nur kurze Zeit an. Der phönizische Handel selbst wird ein hauptsächlicher Ansporn für die wirtschaftliche Entwicklung Griechenlands. Der Aufstieg Griechenlands wurde auch begünstigt durch die hellenische Kolonisation, die in großem Ausmaß zwischen dem 9. und 7. Jahrhundert vor Christus erfolgte. Die griechischen Ansiedler verbreiteten sich nach allen Richtungen im Mittelmeer. Die griechischen Städte vermehrten sich. Thukydides und Platon erklären die griechische Auswanderung durch den Mangel an Land.

Die Entwicklung der griechischen Kolonisation ist von einem (für die damalige Zeit) großartigem Aufschwung der hellenischen Industrie und des hellenischen Handels begleitet. Die ökonomische Entwicklung Griechenlands hat den kommerziellen Abstieg Phöniziens zur Folge.

„Früher entluden die Phönizier in den griechischen Häfen ihre Waren, die sie gegen einheimische Produkte – wie es scheint, hauptsächlich gegen Vieh – eintauschten. Von nun an bringen griechische Seeleute [9] ihre Fertigwaren und Kunstwerke, ihre Stoffe, Waffen, Schmuckstücke und bemalte Vasen, deren Ruhm sehr weit reicht und die von allen Barbaren sehr begehrt sind, nach Ägypten, Syrien, Kleinasien, zu den Völkern Europas, wie den Etruskern, den noch ungebildeten Skythen, Galliern, Ligurern und Iberern.“ [10]

Der wirtschaftliche Höllepunkt Griechenlands scheint in der Zeit zwischen dem 6. und 4. Jahrhundert vor Christus zu liegen. „Was diese Epoche kennzeichnet, istdie Tatsache, daß die Berufsarten sich vermehren, organisieren und spezialisieren. Die Arbeitsteilung ging schon sehr weit.“ [11] Zur Zeit des Peloponnesischen Krieges beschäftigten Hipponikas 600 Sklaven und Nikias 1000 in ihren Minen.

Diese bedeutende wirtschaftliche Entwicklung Griechenlands hat die meisten bürgerlichen Wissenschaftler dazu verleitet, von einem „griechischen Kapitalismus“ zu sprechen. Sie gehen sogar soweit, Industrie und Handel Griechenlands mit der gewaltigen wirtschaftlichen Entwicklung des Industriezeitalters zu vergleichen.

In Wirklichkeit bleibt die Landwirtschaft die ökonomische Basis Griechenlands und seiner Niederlassungen.“ (...) die griechische Kolonie ist fast immer: keine Handelskolonie, sondern Militär- (...) -kolonie oder Ackerbaukolonie.“ [12] So berichtet Strabon über Cumae, eine griechische Siedlung in Italien, daß ihre Einwohner erst 300 Jahre nach ihrer Niederlassung entdeckt hätten, daß sich ihre Stadt in der Nähe des Meeres befand. Der primär landwirtschaftliche Charakter des Wirtschaftslebens der hellenischen Welt ist unbestreitbar. Ein Vergleich mit der modernen Industrie ist unmöglich. „Organisation und Produktionsmethode sind handwerksmäßige geblieben.“ [13] Nur die Bergwerke bieten vielleicht ein dem, das wir heute kennen, vergleichbares Bild – wenigstens was die Arbeitskraft betrifft.

Die Tatsache, daß Industrie und Handel trotz ihres großen Ausmaßes hauptsächlich in den Händen von Fremden geblieben sind, zeigt am besten ihre relativ untergeordnete Stellung innerhalb der griechischen Wirtschaft. „In dem riesigen Handelsnetz, dessen Mittelpunkt Athen ist, auch in der Industrie, überwiegt der Anteil der Nichtathener“. [14] Auf Delos, dem großen Handelszentrum, ergeben die Inschriften, daß fast alle Kaufleute Fremde waren. [15]

Der griechische Bürger verachtete Handel und Industrie. Er ist in erster Linie Grundbesitzer. Aristoteles und Platon sind dagegen, daß man Kaufleute in der Polls zuläßt. [16]

Man muß sich davor hüten, die Bedeutung der industriellen und kommerziellen Entwicklang Griechenlands zu überschätzen. In der Tat, die griechische Expansion war hauptsächlich landwirtschaftlicher und militärischer Art. Sie ging jedoch einher mit einem für die damalige Zeit sehr bedeutsamen industriellen und kommerziellen Wachstum. [17] Die Griechen wurden nie ein Handelsvolk wie die Phönizier und die Juden; aber die griechischen Niederlassungen und später die hellenischen Reiche brachten es zu einem sehr beachtlichen Handels- und Industrieaufschwung. Es versteht sich von selbst, daß die griechischen Staaten, obwohl nicht wirklich merkantil, mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Kräften Handel und Industrie, die die wichtigsten Geldquellen waren, förderten.

Der Zerfall des phönizischen Handels ist aber nicht allein auf die wirtschaftliche Entwicklung Griechenlands und seiner Kolonien zurückzuführen; ein anderer wichtiger Grund ist der wachsende Antagonismus zwischen Persien und Griechenland. Parallel zur Ausdehnung der hellenischen Zivilisation erfolgt der triumphale Siegeszug der Perser durch Asien. Das persische Reich erlangt seinen Höhepunkt im 5. Jahrhundert vor Christus. Es erstreckt sich über einen Teil Asiens und über Ägypten.

Die parallele Entwicklung der griechischen und der persischen Zivilisation mußte dem phönizischen Handel den Todesstoß versetzen. Der Handel zwischen Asien und Europa wurde sicherlich sehr erschwert durch die Aufteilung des Mittelmeerraumes zwischen zwei rivalisierenden Großmächten. Die persische und die griechische Welt schufen jede für sich einen eigenen Handelsverkehr.

Man kann annehmen, daß Palästina, früher völlig von Phönizien überspielt, mit dem phönizischen Abstieg und der Entwicklung des asiatischen Handels nach der Periode der persischen Eroberungen eine zunehmend wichtige Rolle im Handelsverkehr spielte. Die Durchgangsstraße zwischen Ägypten und Babylon gewinnt ihre alte Bedeutung zurück. Während der phönizische Handel mehr und mehr von seiner antiken Bedeutung einbüßt, derart, daß zur Zeit des Lucius Pöckelfleisch den Hauptumsatz bildete [18], spielen die Juden im persischen Reich eine Rolle ganz im Vordergrund.

Bestimmte Historiker schreiben dem babylonischen Exil für die Transformation der Juden in ein Handelsvolk eine wichtige Rolle zu. In Babylon hätten sich die Juden

„zu jenem Handelsvolk zu entwickeln begonnen, als welches wir sie in der Wirtschaftsgeschichte vornehmlich kennen. Bei den Babyloniern hatten sie hochentwickelte Handelsverhältnisse vorgefunden. Zahlreiche in den neuerdings veröffentlichten Keilschrifttexten enthaltene Geschäftsurkunden zeigen, daß sich die exilierten Juden an diesem Handelsleben eifrig beteiligt haben, sowohl als Großhändler, als auch in den in Babylonien insbesondere ausgebildeten Geldgeschäften.“ [19]

„Es bestehen ernsthafte Gründe, anzunehmen, daß es eine Diaspora schon vor dem Exil gab.“ [20] Man übertreibt bei weitem den Umfang des jüdischen Exils unter Nebukadnezar. Nur ein Teil der herrschenden Schichten wurde von den Maßnahmen des babylonischen Königs betroffen. Die Mehrzahl der Juden in Palästina blieb dort. Wenn man dann in der persischen Epoche die Juden in allen Teilen des riesigen Reiches verstreut findet – und das Buch Esther legt davon beredtes Zeugnis ab – wäre es kindisch, darin Folgen des babylonischen Exils zu sehen, das nur 50 Jahre dauerte. Ebenso kindisch wäre die Annahme, daß das jüdische Volk unter Esra und Nehemia nach Palästina zurückgekehrt sei. Ihr Werk war in erster Linie religiöser Art. Es handelte sich darum, den Tempel wieder aufzubauen und eine Priesterstadt für das verstreute Judentum zu errichten.

„Die meisten Historiker haben die Rolle des palästinensischen Judentums während der persischen Epoche sehr übertrieben . Man tut, als ob sich die ganze jüdische Geschichte nach dem Wiederaufbau Jerusalems am Fuße des heiligen Berges abspielte, als ob das ganze Volk tatsächlich aus dem Exil zurückgekehrt sei und auf einigen hundert Kilometern zwischen Tekoa, Mitspa und Jericho gelebt habe. In Wirklichkeit repräsentierten die judäischen Juden nur einen kleinen Teil, den kleinsten des Judentums. Und das war mit Sicherheit nicht der lebendigste.“ [21]

Das Edikt des Kyros richtet sich mit folgenden Worten an die Juden der Diaspora:

„... und wer noch übrig ist an allen Orten, da er Fremdling ist, dem sollen helfen die Leute seines Orts mit Silder und Gold, Gut und Vieh, außerdem, was sie aus freiem Willen geben zum Hause Gottes zu Jerusalem.“

Alle, die in der Umgebung wohnten – so das Buch Esra – gaben den 42000 Juden, die nach Palästina zurückkehrten, Vasen aus Silber und Gold, Herden und Möbel mit. [22] Offensichtlich handelt es sich hier nicht um eine massive Rückkehr der Juden nach Palästina, sondern vor allem um den Wideraufbau des Tempels. Die wichtigsten Niederlassungen der Diaspora in der persischen Epoche im 5. Jahrhundert vor Christus lagen in Mesopotamien, in Chaldäa und Ägypten. Sie werfen ein interessantes Licht auf die Situation der jüdischen Kolonien von damals. In den Archiven einer jüdischen Familie findet man, daß die „Juden Handel betrieben, Häuser und Ländereien kauften und verkauften, Geld verliehen, Depots verwalteten und in Rechtsfragen sehr versiert waren“. [23]

Es ist eine sehr interessante Feststellung, daß sogar die Lieder und Märchen auf aramäisch geschrieben sind. Dies zeigt, daß schon im 5. Jahrhundert vor Christus die jüdische Umgangssprache nicht mehr hebräisch war. Aramäisch ist die große asiatische Sprache jener Zeit, die Handelssprache. [24] Die Religion der Juden von Elephantias ist nicht ebenso ausgebildet wie die offizielle Religion, die unter Esra und Nehemia kodifiziert worden war. In einer Bittschrift an den persischen Gouverneur verlangen sie die Ermächtigung zum Wiederaufbau ihres Tempels. Nun bezweckt aber gerade die Reform von Esra und Nehemia, alle Juden der Diaspora um den einzigen Tempel von Jerusalem zu sammeln. Und tatsächlich fließen bis zum Jahre 70 alle Gaben der in alle Welt versprengten Juden in Jerusalem zusammen.

Dieser Reichtum des Tempels von Jerusalem war wahrscheinlich der Hauptgrund des Feldzugs des Antiochos gegen die Juden. „Simon teilte ihm mit, daß der öffentliche Tresor in Jerusalem beachtliche Geldsummen enthielt und daß es ungeheure öffentliche Reichtümer gab“. [25] Später konfisziert Mithridates auf der kleinen Insel Kos 800 Talente, die zum Bau des Tempels von Jerusalem bestimmt waren. Zur Zeit Roms beklagte Cicero in seinen Reden die ungeheueren Summen, die nach Jerusalem flössen.

Die Periode des Hellenismus stellt den wirtschaftlichen Höhepunkt der Antike dar. Die Eroberungen Alexanders zerstörten die Barrieren zwischen der hellenischen Welt, Asien und Ägypten. In allen Teilen des hellenischen Reiches schossen die Städte wie Pilze aus der Erde.

„Die größten Städtegründer aber nicht nur dieser Epoche, sondern der Weltgeschichte überhaupt sind Seleukos und sein Sohn Antiochos I.“ [26]

Die Könige der hellenistischen Epoche schaffen neue Stadtzentren, die dazu bestimmt sind, die alten persischen und phönizischen Städte zu verdrängen. „An der syrischen Küste läßt der Hafen von Antiochia die antiken Städte Tyros und Sidon vergessen.“ [27] Seleukos erbaut an den Ufern des Tigris Seleukia, um Babylon die zentrale Stellung im Welthandel zu entreißen. [28] Dieses Ziel wurde voll und ganz erreicht. Als Babylon zerfiel, wurde das hellenistische Seleukia wahrscheinlich die größte Stadt jener Zeit. Nach Plinius hatte sie 600.000 Einwohner. Neben Seleukia wurden Alexandria und Antiochia Mittelpunkte der hellenistischen Welt. Alle diese Städte kannten im Hellenismus großen Wohlstand. Die Lage der Juden scheint sich nach den Eroberungen Alexanders noch zu festigen.

„Die Juden verstanden es, sich besondere Privilegien – wie es scheint – sowohl bei den Seleukiden wie bei den Ptolemäern zu verschaffen. In Alexandria, wo sie durch Ptolemäus I. in großen Scharen hingezogen wurden, formten sie eine abgesonderte Gemeinschaft, die sich selbst verwaltete und die der Rechtsprechung der griechischen Gerichte unterworfen war“. [29]

„Ebenso ist in der Hauptstadt Syriens, in Antiochien, den Juden ein gewissermaßen selbständiges Gemeinwesen und eine privilegierte Stellung eingeräumt worden. Ganz ebenso in Kyrene.“ [30]

Die privilegierte Situation und die spezifische wirtschaftliche Position der Juden sind Ursache schwerer Auseinandersetzungen mit der Bevölkerung der Städte, in denen sie lebten. Ständig brachen Konflikte aus, ebenso in den palästinensischen Städten wie in Alexandria, Seleukia, Kyrene und Zypern. [31] Diese Konflikte hatten nichts gemeinsam mit den heutigen nationalen Spannungen. Im Gegenteil, die hellenistischen Reiche können sich einer einzigartigen Integration derjenigen Völker rühmen, aus denen sie sich zusammensetzen. Der Titel „Grieche“ wird immer weniger auf Mitglieder einer bestimmten Nation angewandt. Man gibt ihn jetzt den herrschenden Schichten der Bevölkerung, die über ein bestimmtes Kulturniveau verfügen. Alexander wies, wie ein alter Schriftsteller sagt, jedermann an, die Welt als sein Vaterland, die rechtschaffenen Bürger als seine Eltern und die Bösen als Fremde anzusehen.

Die wachsende Bedeutung des Judentums im Wirtschaftsleben der hellenistischen Welt ist auch Ergebnis der Verlagerung des ökonomischen Mittelpunktes in den Orient. Der Wohlstand Alexandrias, Antiochias u. Seleukias heben sich auffallend von der Armut und der Dekadenz Griechenlands zu derselben Zeit ab.

Polybios weist häufig auf den Zerfall der griechischen Städte hin. Im 2. Jahrhundert „fiel es den Besuchern schwer, in dieser Stadt, wo das Wasser rar, die Straßen schlecht und die Häuser unbequem sind, das berühmte Athen wieder zu erkennen.“ [32]

Athen wurde aus seiner Rolle als Mittelpunkt der zivilisierten Welt verdrängt. Neben dem wirtschaftlichen Abstieg trugen die unaufhörlichen Klassenkämpfe [33] zum Untergang Griechenlands bei. Klassenkämpfe, die aber wegen der rückständigen Produktionsweise zu keinerlei bedeutendem Ergebnis führen konnten. Der Triumph der Plebs war kurzlebig. Die Umverteilung der Reichtümer führte – es war nicht anders möglich – zu neuen sozialen Ungleichheiten und damit zu neuen gesellschaftlichen Konflikten. Ebenso war der Siegeszug Griechenlands nach den Eroberungen Alexanders trügerisch. Die daraus resultierende Verlagerung des wirtschaftlichen Zentrums der damaligen Welt in den Orient führte zu seinem rapiden Abstieg. [34] Die besitzenden Aristokratenklassen waren den plebeischen Revolten gegenüber ohnmächtig. Sie mußten die Unterstützung Roms suchen. [35] Aber Rom gab sowohl Griechenland wie auch dem Hellenismus den Todesstoß. Die Römer warfen sich über die hellenistische Welt wie über eine reiche, zu erobernde Beute.

„Zwischen 211 und 208 vor Christus sind nach unseren sehr unvollständigen Informationen fünf alte Städte von Hellas zerstört worden.“ [36]

Korinth, die reiche Handelsstadt ist zerstört. „Ich war dabei“, sagt Polybios, „ich sah wie Bilder mit Füßen getreten wurden und Soldaten sich darauf setzten, um mit Würfeln zu spielen.“ Rom hat auch den Hellenismus in Asien hart getroffen. [37] Das prachtvolle Gebäude des Hellenismus wurde von Römern und Parthern mit vereinten Kräften zerstört.
 

2. Der römische Imperialismus – Aufstieg und Zerfall

Im Gegensatz zum modernen Imperialismus, der hauptsächlich auf der Entwicklung der Produktivkräfte basiert, gründet sich der antike Imperialismus auf die Plünderung der eroberten Länder. Bei den antiken Formen des Imperialismus ging es nicht darum, Absatz- und Geldmärkte zu finden, sondern darum, die eroberten Länder auszusaugen.

Bei den rückständigen Produktionsmethoden der Antike konnte der Aufwand der besitzenden Klassen der Eroberer nur durch den mehr oder minder schnellen Ruin der eroberten Völker sichergestellt werden. Die Erschöpfung der eroberten Länder, die wachsenden Schwierigkeiten bei neuen Eroberungen, die allmähliche Verweichlichung der Eroberer mußten früher oder später zum Niedergang des antiken Imperialismus führen.

Rom ist das klassische Beispiel des antiken Imperialismus. Man hat die kommerzielle und industrielle Entwicklung Roms stark übertrieben. Seine Handelsbilanz war stets passiv. [38] Dem Import aus den Provinzen stand kein entsprechender Export gegenüber. [39] Die herrschenden römischen Klassen empfanden tiefe Verachtung für jegliche Art von Handelsverkehr. Die Lex Claudia verbietet den Senatoren, deren Söhnen und der ganzen römischen Aristokratie, Schiffe zu halten, die mehr als 300 Amphoren aufnehmen können, was weniger als 80 Hektoliter Getreide oder Gemüse entspricht. Dies kommt einem Handelsverbot schlechthin gleich. Cäsar erneuert dieses Verbot. Die römische Politik ist nie von ihren vorgeschützten Handelsinteressen bestimmt worden. Der beste Beweis hierfür ist, daß Rom nach der Niederlage Hannibals den Kathagern noch erlaubte, den Zugang zu ihrem Meer zu verbieten. [40]

„Im Allgemeinen ist zu sagen, daß die wirtschaftlichen Probleme der Römer sehr einfach sind. Die allmähliche Eroberung Italiens und der Provinzen beanspruchte den Surplus an Kapital und Bevölkerung; die Notwendigkeit von Industrie und Handel machten sich nicht bemerkbar“, sagt Tenney Frank. [41]

Die Kaufleute in Rom waren in der Regel Fremde und dies erklärt das ständige Anwachsen der jüdischen Kolonie in Rom seit Cäsar. Die römischen „Großhändler“ [negociatores] waren keine Kaufleute, sondern Wucherer, die die Provinzen aussaugten. [42] Die Entwicklung des Handels im römischen Reich muß vor allem den zunehmenden Bedürfnissen der herrschenden Klassen in Rom zugeschrieben werden. Strabon erklärt auf diese Art und Weise die Entstehung des großen Marktes auf Delos:

„Woher kam diese Entwicklung des Handels? Sie kam daher, daß die Römer, bereichert durch die Zerstörung von Karthago und Korinth, sich daran gewöhnt hatten , von einer umfangreichen Sklavenschar bedient zu werden.“ [43]

Ebenso war es mit der Industrie. Die römische Industrie lebte vor allem von den Luxusbedürfnissen der Aristokratie. Nachdem Tenney Frank festgestellt hat, daß im 4. Jahrhundert vor Christus kein merklicher Fortschritt im Bereich der Industrie gemacht worden sei, fügt er hinzu, daß

„die beiden folgenden Jahrhunderte ebenfalls keine Veränderung in der Natur der industriellen Produktion in Rom brachten, daß zweifellos die Menge der hergestellten Produkte infolgedes Anwachsens der Stadt stieg, daß daraus jedoch keinerlei Export folgte und daß die einzige sichtbare Entwicklung darin bestand, Sklavenarbeit durch freie Arbeit zu ersetzen.“ [44]

Selbst die Autoren, die annehmen, daß Italien zur Zeit der Republik ein produktives Land gewesen sei, geben zu, daß dies zur Zeit des Imperiums nicht mehr der Fall war.

„Italien produziert immer weniger (...) Mehrere erfolgreiche Industrien geraten am Ende der Phase der Republik in Zerfall (...) So war der Handelsverkehr zwischen Italien und dem Orient nur noch einseitig und befand sich mehr und mehr in den Händen von Asiaten, von Alexandrinern und Syrern.“ [45]

Italien lebte nur noch von der Ausbeutung der Provinzen. Der Kleingrundbesitz, Grundlage für die römische Stärke, wurde allmählich verdrängt durch die weiten Domänen, die den aufwendigen Bedürfnissen der römischen Aristokratie dienten und in denen die Sklavenarbeit dominierte. [46] Jeder kennt den Satz von Plinius: „Latifundia perdidere Italiam.“

Der Sklave entwickelt sich vom Produktionsfaktor immer mehr zum unproduktiven Luxusartikel. [47] Horaz sagte in einer seiner Satiren, daß für einen Mann von Ehre mindestens 10 Sklaven nötig waren. In der Tat arbeiteten Tausende von Sklaven in den ausgedehnten Latifundien.

„In der tusculanischen und tiburtinischen Feldmark, an den Gestaden von Terracina und Baiae erhoben sich da, wo die alten latinischen und italischen Bauerschaften gesäet und geerntet hatten, jetzt in unfruchtbarem Glanz die Landhäuser der römischen Großen, von denen manches mit den dazu gehörigen Gartenanlagen und Wasserleitungen, den Süß- und Salzwasserreservoirs zur Aufbewahrung und Züchtung von Fluß- und Seefischen, den Schnecken- und Siebenschläferzüchtungen, den Wildschonungen zur Hegung von Hasen, Kaninchen, Hirschen, Rehen und Wildschweinen, und den Vogelhäusern, in denen selbst Kraniche und Pfauen gehalten wurden, den Raum einer mäßigen Stadt bedeckte.“ [48]

Als die freie Arbeit von Sklavenarbeit abgelöst wurde,wurde Italien zum Zentrum der Verschwendung aller im Reich ausgehobenen Schätze. Ein erdrückendes Steuerwesen ruinierte die Provinzen.

„(...) die häufigen und kostspieligen Flottenrüstungen und Strandverteidigungen, um der Piraterie zu steuern.die Aufgaben, Kunstwerke, wilde Bestien oder andere Bedürfnisse des wahnwitzigen römischen Theater und Tierhetzen-Luxus herbeizuschaffen, die militärischen Requisitionen im Kriegsfall waren ebenso häufig wie erdrückend und unberechenbar. Ein einzelnes Beispiel mag zeigen, wie weit die Dinge gingen. Während der dreijährigen Verwaltung Siziliens durch Gaius Verres sank die Zahl der Ackerwirte in Leontinoi von 84 auf 32, in Motuka von 187 auf 86, in Herbita von 252 auf 120, in Agyrion von 250 auf 80; so daß in vier der fruchtbarsten Distrikte Siziliens von hundert Grundbesitzern 59 ihre Acker lieber brach liegen ließen als sie unter diesem Regiment zu bestellen. (...) In den Clientelstaaten waren die Formen der Besteuerung etwas verschieden, aber die Lasten selbst wo möglich noch ärger, da außer den Römern hier auch noch die einheimischen Höfe erpreßten.“ [49]

Der römische Kapitalismus, soweit man von Kapitalismus überhaupt schon reden kann, war im Wesentlichen spekulativ und baute nicht auf der Entwicklung der Produktivkräfte auf. [50]

Der Handel und die Bank von Rom glichen einem organisierten Raubunternehmen.

„Aber womöglich noch schlimmer und noch weniger kontrollierbar war der Druck, den die Geschäftsleute in Italien auf ihre unglücklichen Berufskollegen aus den Provinzen ausübten. Der ertragreichste Teil des Grundbesitzes, der ganze Handel und die Finanzgeschäfte lagen in ihren Händen, (...) der Wucher blühte mehr denn je.“

„‚Alle Gemeinden‘ heißt es in einer schon (...) 70 v.Chr. veröffentlichten Schrift, ‚sind zu Grunde gerichtet‘ geben dasselbe wird für Spanien und das narbonensische Gallien, also die verhältnismäßig ökonomisch noch am leidlichsten gestellten Provinzen, insbesondere bezeugt. In Kleinasien standen Städte wie Samos und Halikarnassos fast leer; der rechtliche Sklavenstand schien hier, verglichen mit den Peinigungen, denen der freie Provinziale unterlag, ein Hafen der Ruhe, und sogar der geduldige Asiate war, nach den Schilderungen römischer Staatsmänner selbst, des Lebens überdrüssig geworden.“ [51]

„Die römischen Staatsmänner gaben öffentlich zu, daß der römische Name grenzenlos verhaßt sei in ganz Griechenland und Asien.“

Natürlich konnte sich dieses Ausbeuter- und Erpressersystem nicht unbegrenzt halten. Die Quellen, aus denen Rom schöpfte, trockneten aus. Lang vor dem Untergang Roms ist ein allmähliches Nachlassen des Handels zu bemerken. Die Basis der Ausbeutung wurde schmäler in dem Maße, in dem Rom die eroberten Länder ihrer Substanz beraubte. Die Tatsache, daß die Produktion von Getreide, vor allem von Weizen, abnahm, während die Weinrebe und der Olivenbaum weite Gebiete im Westen und Osten eroberten, weist auf den alarmierenden Stand der Dinge hin. Luxuserzeugnisse verdrängen die für Produktion und Reproduktion der Arbeitskraft nötigen Güter.

„Die Ausdehnung der Wein-und Olivenkulturen (...) bedeutete nicht nur eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse für Italien, sondern konnte auch Kornknappheit und Hungersnot im ganzen Reich zur Folge haben.“ [52]

Vergebens sucht Trajan die Gefahr abzuwenden, indem er die Senatoren verpflichtet, Ländereien in Italien aufzukaufen. Seine Nachfolger haben nicht sehr viel mehr Erfolg. Die Verschwendung drosselt die Produktion. „Bald lassen die großartigen Bauwerke kein Stück Erde mehr für den Pflug des Bauern“, schreibt Horaz.

Im dritten Jahrhundert vollendet sich der Niedergang des Handels. Die Verbindung mit den fernen Ländern brach ab. „Es sind tatsächlich keine [römischen] Münzen aus dem dritten Jahrhundert in Indien gefunden worden.“ [53] Dies beweist den Abbruch der Handelsbeziehungen zwischen Rom und Indien. Der Zustand der ägyptischen Landwirtschaft hatte sich im zweiten Jahrhundert so sehr verschlechtert, daß man auf einen Teil der Weizenlieferungen aus der einst so reichen Provinz verzichten mußte. Man mußte die ägyptischen Lieferungen durch Weizen aus der afrikanischen Provinz [dem heutigen Algerien und Tunesien] ersetzen. [54]

Commodus sah sich gezwungen, eine kleine Flotte zu errichten, um die Weizentransporte aus Afrika zu besorgen. Wie wir gesehen haben, beruhte der Handel im römischen Reich hauptsächlich auf der Versorgung der wohlhabenden Klassen Roms. Ist es verwunderlich, daß der Zerrüttung der Provinzen der Abstieg des Handels folgte? Die römischen Kaiser waren immer mehr gezwungen, auf Naturalabgaben zurückzugreifen, die übrigens das Elend der Provinzen noch vergrößerten. „Die Requisitionen nahmen überhand: Getreide, Häute, Holz (...) und Zugtiere mußten geliefert werden, die Bezahlung erfolgte unregelmäßig, wenn überhaupt damit gerechnet werden konnte.“ [55]

Eine reine Naturalwirtschaft, die ausschließlich Gebrauchswerte schafft, tritt allmählich an die Stelle des Warenaustausches.

„Während noch vor kurzem der römische Friede den regelmäßigen Warenaustausch und die Nivelierung des Lebensstandards in den verschiedenen Teilen des Reiches zufolge hatte, ist in der Anarchie des zweiten Jahrhunderts jedes Land dazu verurteilt, seinen Eigenbedarf unter größten Schwierigkeiten selbst zu decken.“ [56]

Man hat versucht, die allmähliche Ablösung der Sklaverei durch das Pächterwesen mit dem Fehlen von Energie bei den Grundbesitzern oder mit dem durch die Beendigung der auswärtigen Kriege hervorgerufenen Sklavenmangel zu erklären. Die wesentliche Ursache ist vermutlich jedoch der allmähliche Ruin der Kolonien und das dadurch bedingte Ausfallen der Warentransporte. Die Großgrundbesitzer, mehr und mehr gezwungen, von den Produkten ihrer eigenen Ländereien zu leben, haben ein Interesse daran, die Sklavenarbeit, die relativ wenig produktiv ist, durch ein System von Pächtertum zu ersetzen, das Ähnlichkeit hat mit dem im Mittelalter aufblühenden System der Leibeigenschaft. „Der Pächter schuldet dem Eigentümer alles, was der Leibeigene seinem Lehnsherrn schuldet.“ [57] Immer größer wird die Macht der Grundbesitzer, die oft über riesige Ländereien verfügen. In Ägypten sind ihnen die Bauern im fünften Jahrhundert völlig unterworfen. Die staatliche Verwaltung gerät gänzlich in ihre Hände. [58]

Es ist daher sicherlich ungenau, in der Naturalwirtschaft, die sich später unter den Karolingern voll entfalten wird, das Ergebnis der Auflösung des römischen Reiches und der Zerstörung der mediterranen Wirtschaftseinheit zu sehen. [59] Zweifellos trugen die Einfalle der Barbaren entscheidend zum Zerfall des antiken Handels und zum Aufblühen der Feudalwirtschaft bei. Aber der wirtschaftliche Abstieg des römischen Reiches hat lange vor dem Untergang Roms und mehrere Jahrhunderte vor der islamischen Invasion eingesetzt. Ein anderes, sehr wichtiges Indiz für die Entwicklung einer Naturalwirtschaft ist die Verschlechterung der Währung, die bereits unter Nero beginnt. [60] Kupfer tritt mehr und mehr an die Stelle von Gold und Silber. Im zweiten Jahrhundert ist der Goldmangel nahezu absolut. [61] Die Entwicklung der Naturalwirtschaft, einer Wirtschaft, die hauptsächlich Gebrauchswerte schafft, stellt in keiner Weise ein „anomales Phänomen dar, wie Pirenne fälschlich annimmt. Dem politischen Ruin Roms ging der wirtschaftliche voran. Die politische Erschütterung des römischen Reiches wurde erst durch seinen wirtschaftlichen Abstieg ermöglicht. Das politische Chaos des dritten Jahrhundert, ebenso wie die barbarische Invasion, erklären sich einzig und allein durch den wirtschaftlichen Abstieg des römischen Reiches.

In dem Maße, in dem die Provinzen ruiniert werden, in dem der intensive Warenaustausch aufhört, und eine Rückkehr zur Naturalwirtschaft erfolgt, verlieren die besitzenden Klassen alles Interesse an der Existenz des Reiches selbst. Jedes Land, jedes Gut zieht sich auf sich selbst zurück. Das Reich mit seinem riesigen Verwaltungsaufbau und seiner ungeheuer kostspieligen Armee wird zu einem Geschwür, zu einem parasitären Organ, dessen unerträgliches Gewicht auf allen Klassen lastet. Die Steuern nagen an der Substanz des Volkes. Als die Soldaten unter Marc Aurel nach ihren großen Erfolgen im Kampf gegen die Markomannen eine Solderhöhung verlangen, gab ihnen der Kaiser die bezeichnende Antwort: „Alles, was ihr über euern gewohnten Sold hinaus erhalten werdet, müssen euere Eltern mit ihrem Blute bezahlen“.

Der Schatz war erschöpft. Um den Verwaltungsapparat und die Armee unterhalten zu können, mußte man das Privateigentum angreifen. Während die unteren Klassen immer wieder revoltierten, wandten sich die besitzenden Klassen von dem Reiche ab, das sie ruinierte. Reich und Aristokratie zerstörten sich wirtschaftlich gegenseitig. „Täglich konnte man Leute sehen, die gestern noch zu den Reichsten gehört hatten und heute zum Bettelstab greifen mußten“, sagte Herodianus. Die Roheit der Soldaten nahm ständig zu. Nicht nur Habsucht trieb sie dazu, die Bewohner auszuplündern; die Verarmung der Provinzen und der schlechte Zustand der Transportmittel erschwerten die Versorgung der Armee. Die Soldaten waren gezwungen, sich das Nötigste zum Leben mit Gewalt zu verschaffen. Caracalla zwang allen Einwohnern Roms die römische Staatsbürgerschaft auf und wollte hiermit die Zahl der Steuerpflichtigen erhöhen. Ironie der Geschichte: Jedermann wurde Römer zu dem Zeitpunkt, da Rom nichts mehr galt. Die erpresserischen Methoden der römischen Verwaltung und die soldatischen Exzesse flößten allen Bewohnern des Reiches den Wunsch nach seinem Untergang ein.

„Der Aufenthalt von Soldaten hatte katastrophale Folgen. Die syrische Bevölkerung zog die Besetzung ihres Landes durch die Parther vor.“ [62]

„Die römische Regierung wurde von Tag zu Tag unerträglicher. Die strenge Inquisition, die ihre Güter konfiszierte und sie selbst oft Folterungen aussetzte, brachte die Untertanen von Valentinianus dazu, die weniger komplizierte Tyrannei der Barbaren vorzuziehen. Sie wiesen voller Abscheu den einst so begehrten Titel des römischen Bürgers zurück und beneideten ihre Vorfahren.“ [63]

Der christliche Schriftsteller Salvianus schrieb in seinem De Gubernatione Dei:

„Ein großer Teil Galliens und Spaniens gehört bereits den Goten und alle Römer haben nur einen Wunsch: nicht mehr unter die Herrschaft Roms zu geraten. Die Armen und Notleidenden würden wohl gerne zu den Barbaren überlaufen, wenn sie ihre Familien verlassen könnten. Und wir Römer wundern uns, daß wir die Goten nicht besiegen können, wo wir doch lieber bei ihnen als bei uns leben.“

Die Invasion der Barbaren war keineswegs ein „anomales Phänomen“, sie war vielmehr die normale Folge des ökonomischen und politischen Verfalls des Reiches. Auch ohne die Invasion wäre das römische Reich wahrscheinlich zerfallen

“In der inneren Entwicklung Kleinasiens war ebenso wie in Syrien eine der wichtigsten Erscheinungen die allmähliche Rückkehr zum Feudalwesen. (...) Der (...) Aufstand der Isaurier in Kleinasien ist ebenfalls ein Symptom der gleichen Tendenz, die auf die Bildung (...) unabhängiger Staaten (...) hindrängte.“ [64]

Ebenso zeigen die Bemühungen, ein unabhängiges gallo-romanisches Reich zu schaffen, und die übrigen Abspaltungsversuche, wie weniggefestigt die Struktur des römischen Reiches ist. Die Barbaren haben dem schwankenden Gebäude des römischen Reiches lediglich den Gnadenstoß versetzt.

Der hauptsächliche Grund für den Niedergang des römischen Reiches ist in dem Widerspruch zwischen dem steigenden Aufwand der besitzenden Klassen, dem unaufhörlichen Anwachsen des Mehrwerts und der Unbeweglichkeit der Produktionsweise zu suchen. Während der ganzen römischen Epoche ist der Fortschritt im Bereich der Produktion sehr gering. Die Werkzeuge des Landwirts haben ihre primitiven Formen behalten.

„Pflug, Spaten, Hacke, Kreuzhacke, Heugabel, Sense, Sichel, Gartenmesser blieben – soweit sie in einigen Exemplaren überlebt haben – von Generation zu Generation unverändert.“ [65]

Der wachsende Luxus der römischen Aristokratie und die Kosten der kaiserlichen Verwaltung wurden durch die maßlose Ausbeutung der Provinzen finanziert, was wirtschaftliche Zerrüttung, Entvölkerung und Auslaugung des Bodens zur Folge hatte. [66] Im Gegensatz zur kapitalistischen Welt, die am [relativen] Überfluß der Produktionsmittel zu Grunde gehen wird, geht die römische Welt am Mangel derselben zu Grunde.

Die Reformen Diokletians und Konstantins stellen den Versuch dar, das römische Reich auf der Basis der Naturalwirtschaft zu festigen. „Der Staat hatte jetzt in dem flachen Land und in den Bauern sein Fundament zu sehen.“ [67] Der Bauer war an sein Stückchen Erde gebunden. Jeder Grundbesitzer wurde verantwortlich für sein Gebiet und die Zahl der dort angesiedelten Pächter. Auf dieser Basis wurde die neue Steuer erhoben.

„Die Steuerreform Diokletians und die Edikte späterer Kaiser machten den Kolonen (...) zum Leibeigenen, der an seinen Herrn und an seinen Wohnsitz gefesselt war.“ [68]

Gleiches mit anderen Schichten der Bevölkerung: Kleineigentümern, Handwerkern, Händlern. Alle wurden an Wohnsitz und an Beruf gebunden. Die Epoche Konstantins ist die Zeit der unbegrenzten Herrschaft der Großgrundbesitzer, die die unbestittenen Herren weiter fürstlicher Domänen waren. Die Aristokratie verläßt mehr und mehr die verfallenden Städte und zieht sich in ihre prunkvollen Landhäuser zurück, wo sie umgeben von ihren Anhängern und Leibeigenen lebt.

Die Reformen Diokletians und Konstantins stellen den Versuch dar, das römische Reich auf die Naturalwirtschaft umzustellen. Aber wir haben gesehen, daß diese Basis dem römischen Reich nicht mehr zur Existenzgrundlage dienen konnte. Seine verschiedenen Teile konnten nur noch mit Tyrannei zusammengehalten werden. Wenn auch Konstantin aus wirtschaftlicher und sozialer Sicht eine neue geschichtliche Ära heraufführt, die durch die Anerkennung des Christentums symbolisiert wird, so ist dies doch politisch gesehen der letzte Akt der Geschichte des römischen Reiches.
 

3. Judentum und Christentum

Die Lage der Juden zum Zeit des Hellenismus hatte sich nach der römischen Eroberung nicht grundlegend geändert. Die Privilegien, die den Juden von den hellenistischen Gesetzen zuerkannt worden waren, wurden auch von den römischen Kaisern bestätigt. „Die Juden hatten im römischen Reich eine bevorzugte Stellung inne.“ [69] Allein in Alexandria wohnten nahezu eine Million Juden. Dies genügt, um die primär kommerzielle Rolle der Juden in der Diaspora zu charakterisieren. Diese umfaßte mehrere Jahrhunderte vor der Eroberung Jerusalems dreieinhalb Millionen Juden. In Palästina war kaum eine Million mehr verblieben.

„Alexandria in Ägypten spielte unter den römischen Kaisern dieselbe Rolle, die Tyros zur Blütezeit des phönizischen Handels inne hatte (...) Unter der Herrschaft der Ptolemäer setzte ein direkter Handel zwischen Ägypten und Indien ein. Von Theben zogen die Karawanen nach Meroe in Obernubien, dessen Märkte ebenso von den Karawanen Innerafrikas aufgesucht wurden. Eine römische Flotte fuhr zur Mündung des Nils, um Wertgegenstände aufzuladen und im ganzen Reich zu verteilen.“ [70]

Zwei von insgesamt fünf Stadtvierteln in Alexandria waren von Juden bewohnt. [71] Die Rolle der Juden in Alexandria war so bedeutend,daß ein Jude, Tiberius Julius Alexander, dort zum römischen Statthalter ernannt wurde.

Diese alexandrischen Juden waren kulturell völlig integriert und verstanden auch nur mehr griechisch. Für sie wurden die religiösen Bücher vom Hebräischen ins Griechische übersetzt. Gemeinschaften, vergleichbar der Alexandrias, waren in allen Handelszentren des Reiches verstreut. Die Juden verbreiteten sich über Italien, Gallien und Spanien. Jerusalem war noch immer der religiöse Mittelpunkt des zersprengten Judentums.

„Die Diadochen [Nachfolger] Davids und Salomons bedeuteten für die Juden jener Zeit kaum mehr als heutzutage Jerusalem für sie bedeutet; die Nation fand wohl für ihre religiöse und geistige Einheit einen sichtbaren Anhaltspunkt in dem kleinen Königreich von Jerusalem, aber sie bestand keineswegs in der Untertanenschaft der Hasmonäer [72], sondern in den zahllos durch das ganze parthitische und das ganze römische Reich zerstreuten Judenschaften. In Alexandria namentlich und ähnlich in Kyrene bildeten die Juden innerhalb dieser Städte eigene administrativ und selbst lokal abgegrenzte Gemeinwesen, den Judenvierteln unserer Städte nicht ungleich, aber freier gestellt und von einem ‚Volksherren‘ als oberstem Richter und Verwalter geleitet. (...) Auch zu jener Zeit war das vorwiegende Geschäft der Juden der Handel (...).“ [73]

In den Weissagungen der makkabäischen Epoche findet man, daß „alle Meere von Juden voll sind“. „Sie sind in beinahe alle Städte der Welt gezogen und es wäre schwierig, einen Ort auf der Erde zu finden, der diesen Stamm nicht gekannt hätte oder nicht von ihm beherrscht worden wäre“, schreibt Strabo. „Für Nationalökonomen ist die Tatsache unbestritten, daß der Großteil der Juden im Altertum mit dem Handel beschäftigt war.“ [74]

Jerusalem war eine große und reiche Stadt mit zweihunderttausend Einwohnern. Seine Bedeutung beruhte vor allem auf dem Tempel. Die Bewohner der Stadt und der Umgebung lebten in erster Linie von der Masse der Pilger, die in die Heilige Stadt strömten. „Für die Juden Palästinas ward ihr Gott das Mittel, aus dem sie ihre Existenz zogen.“ [75] Nicht nur die Priester lebten vom Gottesdienst, sondern auch unzählige Krämer, Geldwechsler und Handwerker. Auch die Bauern und Fischer Galiläas fanden sicherlich in Jerusalem Absatz für ihre Produkte. Es ist eine falsche Annahme, daß Palästina ausschließlich von Juden bewohnt gewesen wäre. Im Norden gab es mehrere griechische Städte. „Nahezu das ganze übrige Judäa stellt sich uns in Volksstämme zersplittert dar, die sich aus Ägyptern, Arabern und Phöniziern zusammensetzen“, sagte Strabo. [76]

Der jüdische Bekehrungseifer griff zu Anfang der christlichen Ära immer mehr um sich. „Teilnehmer an einer so weit verzweigten und aufblühenden Handelsgesellschaft zu sein, mochte nicht wenigen sehr verlockend erscheinen.“ [77] Schon im Jahre 139 vor Christus wurden die Juden aus Rom verbannt, weil sie dort Proselyten angeworben hatten. In Antiochia war der größte Teil der jüdischen Gemeinschaften aus Konvertierten zusammengesetzt.

Nur die wirtschaftliche und soziale Stellung der Juden in der Diaspora noch vor der Eroberung Jerusalems ermöglichte ihren religiösen und nationalen Zusammenhalt. Wenn auch der größte Teil der Juden im römischen Reich eine kommerzielle Rolle spielte, so ist daraus noch nicht zu entnehmen, daß alle Juden reiche Händler und Unternehmer waren. Im Gegenteil, die Mehrzahl der Juden waren sicherlich bescheidener Herkunft, von denen ein Teil seinen Unterhalt direkt oder indirekt aus dem Handel bezog. Sie waren Hausierer, Schiffslöscher, Kleinhandwerker etc. Diese Masse kleiner Leute wurde als erste von dem Niedergang des römischen Reiches getroffen und litt am meisten unter dem ökonomischen Druck von Seiten Roms. In den Städten zu großen Massen zusammengedrängt, waren sie zu größerem Widerstand fähig als die auf dem Land verstreute bäuerliche Bevölkerung. Sie waren sich auch ihrer Interessen viel bewußter. Deshalb bildeten die Juden in den Städten einen ständigen Herd von Unruhen und Erhebungen, die zugleich gegen Rom und gegen die reichen Klassen gerichtet waren.

Es ist zur Tradition geworden, in der jüdischen Erhebung vom Jahre 70 nach Christus den großen „nationalen Aufstand“ zu sehen. Dieser Aufstand war jedoch nicht nur gegen die unerträgliche Unterdrückung durch die römischen Statthalter gerichtet, sondern auch unverkennbar gegen die einheimischen reichen Klassen. Die Aristokraten erklärten sich alle gegen den Aufstand. Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln versuchten der König Agrippa und die anderen Mitglieder der reichen Klassen den Brand einzudämmen. Die Zeloten [78] mußten zuerst diese „besseren Leute“ beseitigen, bevor sie sich gegen die Römer wenden konnten. Der König Agrippa und Berenice befanden sich nach ihren gescheiterten „Versöhnungsversuchen“ nicht auf der Seite der Aufständischen sondern auf seiten der Römer. Die Mitglieder der herrschenden Klassen, die wie z.B. Flavius Josephus vorgegeben hatten, den Revolutionären zu helfen, beeilten sich, sie schändlich zu verraten. Andererseits war der Aufstand in Judäa nicht der einzige seiner Art. Mehrere Revolten brachen in griechischen Städten unter Vespasian aus. Eine intensive gesellschaftliche Agitation wurde von den Mitgliedern der philosophischen Schule der Zyniker geführt, die Vespasian aus den Städten vertreiben mußte. Auch die Alexandriner zeigten sich Vespasian gegenüber feindselig.

„Das Beispiel Bithyniens, die Unruhen in Alexandria unter Trajan zeigen, daß der Klassenkampf in Kleinasien und Ägypten (...) niemals nachließ (...).“ [79]

Aber die soziale Agitation beschränkte sich nicht auf die städtischen Massen, die freilich am meisten von der wachsenden Dekadenz des wirtschaftlichen Lebens betroffen waren. Die bäuerlichen Schichten gerieten ebenfalls in Bewegung. Die Lage der Bauern war schon im ersten und zweiten Jahrhundert sehr schlecht.

„Die Lage der Pächter [in Ägypten] verschlimmerte sich immer mehr. Die Verhältnisse, in denen die Massen der ägyptischen Bevölkerung lebten, lagen weit unter dem normalen Durchschnitt. Die Steuern waren drückend, die Art der Eintreibung brutal und unbillig (...).“ [80]

Unter Marc Aurel verbreitete sich die allgemeine Unzufriedenheit in allen Provinzen. Spanien weigerte sich, Soldaten zu stellen. Gallien war voll von Deserteuren. Die Revolten griffen auf Spanien, Gallien und Afrika über. In einer Bittschrift der kleinen afrikanischen Siedler an den Imperator Commodus heißt es: „Wir werden uns dorthin flüchten, wo wir als freie Menschen leben können.“ Unter Septimius Severus nahm das Bandentum verheerende Ausmaße an. Die Banden der „Heimatlosen“ verheerten verschiedene Teile des Reiches. In einer Bittschrift, von der man vor kurzem ein Exemplar fand, wenden sich die kleinen Farmer Lydiens in Kleinasien folgendermaßen an Septimius Severus: „Wenn die Steuerbeamten des Imperators in den Dörfern erscheinen, so bedeutet dies nichts Gutes. Sie quälen die Einwohner mit unerträglichen Requisitionsmethoden und mit Strafen (...).“ Andere Bittschriften sprechen von der Brutalität und der Willkür eben dieser Beamten.

Das Elend der städtischen und der bäuerlichen Massen war ein fruchtbarer Boden für die Ausbreitung des Christentums. Rostovtzeff sieht zurecht einen Zusammenhang zwischen den jüdischen Revolten und den Massenaufständen in Ägypten und in Kyrenaika unter Trajan und Hadrian. [81] Das Christentum breitet sich in den unteren Schichtender Großstädte der Diaspora aus.

„Die erste kommunistische Messiasgemeinde bildete sich in Jerusalem. (...) Aber bald entstanden Gemeinden in anderen Städten mit jüdischem Proletariat.“ [82]

„Die ältesten Stationen des phönizischen Handels auf Land- und Seewegen waren auch die ältesten Hochburgen des Christentums.“ [83]

Ebenso wie den jüdischen Revolten Aufstände nichtjüdischer Schichten folgten, verbreitete sich auch die jüdisch-kommunistische Religion mit großer Geschwindigkeit unter den heidnischen Massen aus. Die christliche Urgemeinde ist nicht auf dem Boden des orthdoxen Judentums entstanden. Sie stand in enger Verbindung mit den ketzerischen Sekten. [84] Sie befand sich unter dem Einfluß einer kommunistisch-jüdischen Sekte, den Essenern, die – so Philon – „kein Privateigentum, keine Häuser, keine Sklaven, keine Ländereien und keine Herden besaßen.“

Sie betrieben vielmehr Landwirtschaft. Handel war ihnen untersagt. Das Christentum in seinen Anfängen muß als Reaktion der arbeitenden Massen des jüdischen Volkes gegen die reichen Handelsklassen verstanden werden. Jesus gab, als er die Händler aus dem Tempel vertrieb, dem Hass der jüdischen Volksmassen gegen ihre Unterdrücker, ihrer Feindseligkeit gegen die überragende Rolle der reichen Kaufleute Ausdruck. Zu Anfang bildeten die Christen kleine Gemeinschaften ohne große Bedeutung. Aber im zweiten Jahrhundert, einer Periode großen Elends im römischen Reich, wurden sie zu einer außerordentlich bedeutenden Macht. „Im dritten Jahrhundert erstarkte die christliche Kirche außerordentlich.“ [85] „Im dritten Jahrhundert mehren sich die Zeugnisse für das Christentum in Alexandria.“ [86]

Der populäre, gegen die Reichen gerichtete Charakter des Christentums ist unbestreitbar. „Selig seid ihr Armen; denn das Reich Gottes ist euer. Selig seid ihr, die ihr hier hungert; denn ihr sollt satt werden.“ (...) Aber dagegen: Wehe euch Reichen! (...) weh euch, die ihr hier satt seid! denn euch wird hungern“ [87], heißt es im Evangelium des Lukas. Der Brief des Jakob geht ebenfalls in diese Richtung:

„Wohlan nun, ihr Reichen, weinet und heulet über das Elend, das über euch kommen wird! Euer Reichtum ist verfault, eure Kleider sind von Motten zerfressen. Euer Gold und Silber ist verrostet, und ihr Rost wird wider euch Zeugnis geben und wird euer Fleisch fressen wie Feuer (...) Siehe, der Arbeiter Lohn, die euer Land abgeerntet haben, der von euch vorenthalten ist, der schreit, und das Rufen der Schnitter ist gekommen vor die Ohren des Herren Zebaoth.“ [88]

Aber im Zuge des raschen Aufstiegs des Christentums versuchen die christlichen Führer seine gegen den Reichtum gewandte Spitze zu entschärfen. Das Evangelium des Mathäus zeigt die erfolgte Veränderung an. Es heißt hier:

„Selig sind, die da geistlich arm sind, denn das Himmelreich ist ihr. (...) Selig sind, die um Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn das Himmelreich ist ihr.“ [89]

Die Armen sind die geistig Armen geworden. Das Reich Gottes ist nur noch das Reich des Himmels. Die Hungrigen haben nur noch Durst nach der Gerechtigkeit. Die revolutionäre Religion der Volksmassen verwandelt sich in eine Religion, die die Massen trösten soll. Kautsky vergleicht dieses Phänomen mit dem sozial-demokratischen Revisionismus. Es wäre aber richtiger, diese Entwicklung mit dem heute aktuellen Phänomen des Faschismus zu vergleichen. Der Faschismus versucht, sich des „Sozialismus“ zu bedienen, um die Herrschaft des Finanzkapitals wieder zu befestigen. Er zögert nicht vor den schamlosesten Verfälschungen, um die Massen zu täuschen und die Macht der Schwerindustriemagnaten als die „Herrschaft der Arbeit“ darzustellen.

Allerdings hatte die „faschistische Revolution“ ebenfalls einen bestimmten wirtschaftlichen und sozialen Inhalt. Sie schließt endgültig die Epoche des Liberalismus ab und leitet die Epoche der unbegrenzten Herrschaft des Monopolkapitals ein, einer Antinomie zum Kapitalismus der freien Konkurrenz. Ebenso genügt es nicht festzustellen, daß das Christentum ein Instrument zum Betrug an den armen Klassen geworden ist. Es entwickelt sich zur Klassenideologie der Grundbesitzer, die unter Konstantin die absolute Macht an sich gerissen hatten. Der Triumph des Christentums fällt zusammen mit dem vollständigen Sieg der Naturalwirtschaft. Mit dem Christentum verbreitet sich auch das feudale Wirtschaftssystem in ganz Europa.

Sicherlich ist es falsch, das Christentum für den Sturz des römischen Reiches verantwortlich zu machen. Aber es hat die ideologischen Armaturen für die Klassen geliefert, die sich auf seinen Ruinen erhoben. „Der Klerus des Orients und des Abendlandes verurteilte sogar kleinste verzinsliche Darlehen.“ [90] Er nahm auf diese Art und Weise die Interessen der neuen Besitzerklasse in die Hände, die ihren Reichtum einzig und allein von Grund und Boden bezog. Die wesentliche Ursache des Versagens des „proletarischen“ und des Sieges des „faschistischen“ Christentums muß in der rückständigen Produktionsweise dieser Epoche gesucht werden. Die wirtschaftlichen Umstände waren noch nicht reif für den Sieg des Kommunismus. Die Klassenkämpfe des zweiten und dritten Jahrhunderts führten zu keinerlei Resultat für die Volksmassen. [91]

Dies bedeutet nicht, daß die ärmeren Klassen den Triumph des Katholizismus ohne Widerstand hingenommen hätten. Der Überfluß an Häresien ist der beste Beweis für das Gegenteil. Und wenn die offizielle Kirche das Ketzertum mit solcher Wut verfolgte, so geschah dies wenigstens zum Teil deshalb, weil jenes die Interessen der armen Klassen vertrat. Ein Autor des vierten Jahrhunderts schreibt über Konstantinopel:

„Diese Stadt ist voll von Sklaven und Handwerkern, die alle gute Theologen sind und in den Geschäften und auf den Straßen predigen. Bittet einen Mann, euch ein Geldstück zu wechseln und er wird euch erklären, wodurch sich der Sohn vom Vater unterscheidet. Fragt einen anderen nach dem Brotpreis und er wird euch antworten, der Sohn sei dem Vater Untertan. Fragt, ob das Bad fertig ist und man wird euch antworten, daß der Sohn aus dem Nichts geschaffen wurde.“

Wie wir gesehen haben, war das Christentum zunächst die Ideologie der ärmeren jüdischen Schichten. Die ersten christlichen Gemeinden entstanden in der Nähe von Synagogen. Die jüdischen Christen hatten ihr eigenes Evangelium, Evangelium der Hebräer genannt. Aber sie gingen wahrscheinlich sehr schnell in dem großen christlichen Schmelztiegel unter. Sie integrierten sich in die große Masse der Bekehrten. Seit dem zweiten Jahrhundert, der Epoche der breiten Ausdehnung des Christentums, hört man nichts mehr von der jüdischen Gemeinschaft in Alexandria. Wahrscheinlich ist der Großteil der alexandrinischen Juden in den Schoß der Kirche eingegangen. [92] Die alexandrinische Kirche hatte eine Zeit lang die Hegemonie innerhalb der neuen Religion. Auf dem Konzil von Nicäa gibt sie den Ton für alle anderen christlichen Gemeinden an.

Aber wenn auch die bäuerlichen Schichten des Judentums die Lehre Jesu mit Enthusiasmus aufnahmen, galt dies nicht in gleicher Weise für die herrschenden kaufmännischen Schichten. Im Gegenteil, diese verfolgten die Urform der kommunistischen Religion aufs Grausamste. Später, als das Christentum die Religion der Großgrundbesitzer geworden war und sich seine ursprünglich anti-plutokratische Spitze nur noch gegen Handel und Wucher richtete, ist es klar, daß die Opposition der reichen Juden auch jetzt nichts von ihrer Schärfe verlor. Ganz im Gegenteil, das Judentum gelangte immer mehr zum Bewußtsein seiner besonderen Rolle. Trotz des Verfalls des römischen Reiches war die Bedeutung des Handels noch keineswegs zu Ende. Die herrschenden Klassen verlangten immer noch nach orientalischen Luxusprodukten. Die Juden, die schon früher eine wichtige Rolle im Handel gespielt hatten, wurden jetzt immer mehr die einzigen Vermittler zwischen Orient und Abendland. Jude wird mehr und mehr identisch mit Kaufmann.

Der Sieg der Naturalwirtschaft und des Christentums ermöglichte also die Vollendung des Selektionsprozesses, der die Juden in eine Kaufmannsklasse verwandelte. Sicherlich existierten gegen Ende des römischen Reiches noch jüdische Gruppen, deren Hauptbeschäftigung die Landwirtschaft oder die Viehzucht war: in Arabien, Babylonien und Nordafrika. Die Juden waren keineswegs ganz aus Palästina verschwunden. Sie wurden nicht, wie Historiker und idealistische Ideologen fälschlicherweise annehmen, durch die Römer in alle Welt verstreut. Wir haben gesehen, daß die Diaspora andere Ursachen hatte. Im Jahre 484 nach Christus hatten die Eroberer sehr große Schwierigkeiten, einen gewaltsamen Aufstand der samaritischen Bauern zu unterdrücken. Zu Beginn des siebten Jahrhunderts überfielen die Juden Tyros und massakrierten seine Bevölkerung. [93] 614 halfen jüdische Bataillone aus Tiberias, Nazareth und Galiläa dem persischen König, Jerusalem zu erobern und töteten dabei eine Vielzahl von Einwohnern. Noch zur Zeit des muselmanischen Einfalls bildeten die Juden, nach Caro, den Grundstock der palästinensischen Bevölkerung. [94] Die islamische Eroberung hatte hier dieselben Folgen wie in allen anderen Ländern.

Die unterworfene Bevölkerung passte sich allmählich den Eroberern an. Ganz wie Ägypten seinen besonderen Charakter unter der mohammedanischen Herrschaft verlor, ging auch Palästina endgültig seiner jüdischen Eigenart verlustig. Heute erinnern nur noch einige Riten der in Palästina lebenden arabischen Bauern an ihren jüdischen Ursprung. Auch in anderen Ländern waren Gruppen von jüdischen Landwirten und Priestern einem starken Anpassungsdruck ausgesetzt und unterwarfen sich ihm früher oder später. Genau hier muß man ansetzen, um die jüdische Entwicklung zu verstehen. Nur jüdische Gemeinschaften mit rein kommerziellem Charakter, wie sie in Italien, Gallien und Germanien etc. zahlreich waren, erwiesen sich als fähig, allen Anpassungsversuchen zu widerstehen.

Was bleibt von den jüdischen Hirtenstämmen in Arabien zurück, von den jüdischen Landwirten in Nordafrika? Nichts außer Legenden. Im Gegensatz dazu blühen und gedeihen die jüdischen Handelsniederlassungen in Gallien, Spanien und Germanien.

Man kann also nicht sagen, daß die Juden sich als Juden trotz ihrer Zerstreuung, sondern gerade auf Grund derselben erhalten haben. Wenn die Diaspora nicht schon vor dem Untergang Jerusalems existiert hätte, wenn die Juden in Palästina geblieben wären, gäbe es keinen Anlaß zu glauben, daß ihr Schicksal anders verlaufen wäre, als das der übrigen antiken Nationen. Die Juden hätten sich, wie die Römer, Griechen und Ägypter, mit den Völkern ihrer Eroberer vermischt und deren Religion und Sitten angenommen. Selbst wenn die jetzigen Bewohner Palästinas weiterhin den Namen „Juden“ getragen hätten, hätten sie doch nicht mehr gemeinsam gehabt mit den Hebräern, wie die Einwohner Ägyptens, Syriens und Griechenlands mit ihren antiken Vorfahren. Alle Völker des römischen Reiches wurden in seinen Untergang hineingezogen. Nur die Juden erhielten sich, weil sie in die Welt der Barbaren, die Rom folgten, den Handel, wie er die Antike gekennzeichnet hatte, weitertrugen. Nachdem die mediterrane Welt zerstückelt war, fuhren die Juden fort, ihre einzelnen Teile zu verbinden.
 

4. Die Juden nach dem Untergang des römischen Reiches

Die „Erhaltung des Judentums ist also der Transformation der jüdischen Nation in eine Klasse zu verdanken. Zur Zeit des Abstiegs des römischen Reiches gewann die kaufmännische Rolle der Juden ständig an Bedeutung.

„Wenn die Juden schon vor dem Untergang Roms am Welthandel teilnahmen, so gelangten sie danach zu noch größerem Reichtum.“ [95]

Wahrscheinlich waren die syrischen Händler, von denen man zu jener Zeit sprach, ebenfalls Juden. Diese Verwechslung kam in der Antike häufig vor. Ovid spricht z. B. „von dem Tag, an dem keine Geschäfte gemacht wurden und der von den Syrern in Palästina jede Woche gefeiert wurde.“ [96]

Im vierten Jahrhundert gehörten die Juden den besseren und wohlhabenden Schichten der Bevölkerung an. Chrysostomos sagt von den Juden, daß sie viel Geld besäßen und daß die Patriarchen ungeheuere Schätze ansammelten. Er spricht von den Reichtümern der Juden wie von einer seiner Zeit wohlbekannten Tatsache. [97]

Während langer Jahrhunderte sind die Juden die einzigen Vermittler zwischen Orient und Occident. Der Mittelpunkt des jüdischen Lebens verlegt sich mehr und mehr nach Frankreich. Der arabische Postmeister Ibn Khordadhbeh [neuntes Jahrhundert] erwähnt in seinem Buch die Wege der radamitischen Juden, die

„persisch, römisch, arabisch, die fränkischen Sprachen, spanisch und slawisch sprechen. Sie pendeln zwischen Orient und Occident, zu Land und zur See. Sie bringen aus dem Westen Eunuchen, Sklavinnen, Knaben, Seide, Pelzwaren und Degen mit. Sie beladen ihre Schiffe in den Frankenländern und nehmen Kurs über das westliche Meer [Mittelmeer] nach Farama [Pelusion in Ägypten]. (...) Sie begeben sich nach Sind [Westpakistan], nach Indien und China. Auf dem Rückweg beladen sie ihre Schiffe mit Moschus, Aloe, Kampfer, Zimt und anderen Produkten aus morgenländischen Gefilden. Einige segeln nach Konstantinopel, andere fahren ins Land der Franken.“

Sicherlich sind die Verse Teodulphs über den Reichtum des Orients auf die Einfuhren der Juden zurückzuführen. Spanien wird noch einmal in einem Text von Ludwig dem Frommen wegen des Juden Abraham von Saragossa erwähnt. Die Juden übernahmen also die Versorgung mit Gewürzen und kostbaren Stoffen. Aber man ersieht aus den Texten Agobarts, daß sie auch Wein verkauften. An den Ufern der Donau betrieben sie Salzhandel. Im zehnten Jahrhundert besaßen Juden Salzbergwerke in der Nähe von Nürnberg. Sie betrieben auch Waffenhandel. Außerdem beuteten sie Kirchenschätze aus. Aber ihre große Spezialität war der Sklavenhandel. Einige Sklaven wurden im Lande selbst verkauft. Aber die meisten wurden nach Spanien exportiert. „Jude“ und „Händler“ werden zu Synonymen. [98]

So heißt es in einem Edikt des Königs Ludwig:

„Händler, d.h. Juden und andere Händler, wo immer sie auch herkommen, aus diesem oder aus anderen Ländern, müssen eine gerechte Steuer zahlen für Sklaven und die übrigen Waren, wie es schon Sitte unter früheren Königen war.“ [99]

Ohne Zweifel waren zur Zeit der Karolinger die Juden die Hauptvermittler zwischen Morgenland und Abendland. Ihre schon gegen Ende des römischen Reiches dominierende Stellung im Handel hatte sie gut auf diese Rolle vorbereitet. Man behandelte sie wie römische Bürger. Der Dichter Rutilius beklagte sich, daß die besiegte Nation die Sieger unterdrücke. [100]

Mitte des vierten Jahrhunderts hatten sich jüdische Händler in Tongern und Tournay [Belgien] niedergelassen. Die Bischöfe unterhielten beste Beziehungen zu ihnen und ermutigten besonders ihren Handel. Sidoine Apollinaire bat den Bischof von Tournay [im Jahre 470], sie wohlwollend aufzunehmen, da „diese Leute in der Regel gute Geschäfte betrieben.“ [101]

Im sechsten Jahrhundert spricht Gregor von Tours von jüdischen Niederlassungen in Clermont-Ferrand und in Orleans. Lyon besaß ebenfalls zu dieser Zeit zahlreiche jüdische Kaufleute. [102] Agobart, Erzbischof von Lyon, beklagt sich in seinem Brief Insolentia Judaeorum, daß die Juden christliche Sklaven nach Spanien verkauften. Der Mönch Aronius erwähnt im achten Jahrhundert einen Juden, der im Frankenland wohne und wertvolle Sachen aus Palästina einführe. [103] Es ist also offensichtlich, daß die Juden in Frankreich während der ersten Jahrhunderte des Mittelalters hauptsächlich Händler waren. [104] In Flandern, wo die Juden seit den Normanneneinfällen bis zu dem ersten Kreuzzug wohnten, befand sich der Handel in ihren Händen. [105] Gegen Ende des neunten Jahrhunderts gab es in Huy eine große jüdische Gemeinschaft. Diese Juden nahmen eine wichtige Stellung ein und betrieben einen blühenden Handel. Im Jahre 1040 hielten sie in Lüttich den Handel in ihren Händen. [106] In Spanien

„wurde der ganze Außenhandel von ihnen betrieben. Dieser Handel erstreckte sich auf alle Waren des Landes: Weine, Öle und Bodenschätze. Die Stoffe und Gewürze erhielten sie aus dem Osten. Ebenso war es in Gallien.“ [107]

Die Juden aus Polen und Kleinrußland kamen ebenfalls nach Westeuropa, um dort Sklaven, Pelze und Salz auf den Markt zu bringen und alle Arten von Stoffen einzukaufen. Man liest in einem hebräischen Text des zwölften Jahrhunderts, daß die Juden auf den rheinischen Märkten große Mengen flandrischer Stoffe kauften, um sie in Rußland gegen Pelze einzutauschen. Der Handel zwischen Mainz und Kiev, „dem wichtigsten Handelsort der südlichen Tiefebene“ [108], war sehr intensiv. [109]

Sicherlich befand sich zu dieser Zeit eine sehr wichtige jüdische Handelsniederlassung in Kiev; denn man liest in einer Chronik von 1113, daß „die Bewohner dieser Stadt, um Monomach [Vladimir II.] zu raschestmöglichem Kommen zu bewegen, ihn wissen ließen, daß sich die Bevölkerung vorbereitet, Bojaren und Juden auszuplündern.“ [110]

Der arabische Reisende Ibrahim Al-Tartuschi legt ebenfalls Zeugnis ab von der beachtlichen Ausdehnung des jüdischen Handels zwischen Europa und dem Orient. Er schreibt 973 bei einem Besuch zu Mainz:

„Es ist wunderbar, an einem so entfernten Punkt des Abendlandes solche Mengen von Gewürzen aus dem entferntesten Orient zu finden.“

In der unter dem Namen von Ben Gurion erschienen Geschichte, in dem Werk des arabisch-persischen Geographs Qazwini und in der Reiseerzählung des spanischen Juden Ibrahim ibn Jakov aus dem zehnten Jahrhundert werden der Weizenpreis in Krakau und Prag und einige den Juden gehörende Salzbergwerke erwähnt. [111] Nach Gumplowicz waren die Juden die einzigen Vermittler zwischen der baltischen Küste und Asien. Ein altes Dokument charakterisiert die Chazaren [112], einen mongolischen Volksstamm am Kaspischen Meer, der sich zum Judentum bekehrte, folgendermaßen: „Sie haben keine Sklaven als Landarbeiter, weil sie alles gegen Geld kaufen.“ [113] Itil, die Hauptstadt der Chazaren, war ein großes Handelszentrum, von dem aus der Warenverkehr bis nach Mainz ging.

Der Konvertit Hermann erzählt in seiner Autobiographie, daß er im Alter von zwanzig Jahren, etwa 1127, als er noch Jude war, regelmäßig zwischen Köln und Mainz verkehrte, um Handelsgeschäfte zu betreiben; denn „alle Juden treiben Handel [siquidem omnes judaei negotiationi inserviunt)“.

Ebenso charakteristisch für diese Zeit ist der Satz von Rabbin Eliezer ben Natan: „Der Handel ist unser hauptsächlicher Broterwerb.“ [114] Die Juden bilden „die einzige Klasse die ihren Lebensunterhalt dem Handel verdankt. Zugleich sind sie durch ihren Kontakt miteinander das einzige Bindeglied zwischen Orient und Occident.“ [115]

Die Lage der Juden in der ersten Hälfte des Mittelalters ist also ausgesprochen günstig. Die Juden werden als Teil der besseren Gesellschaft angesehen und ihre rechtliche Lage unterscheidet sich kaum von der des Adels. Das Edikt von Pitres von 864 unter Karl dem Kahlen bestraft den Verkauf von unreinem Gold und Silber mit Auspeitschung, wenn es sich um Leibeigene oder Fronpflichtige handelt, mit einer Geldstrafe, wenn es sich um Juden oder freie Menschen handelt. [116] „Die Juden übernahmen also eine Rolle, die einer dringenden wirtschaftlichen Notwendigkeit entsprach und die von niemand anderem sonst erfüllt werden konnte: den Kaufmannsberuf.“ [117]

Die bürgerlichen Historiker sehen in der Regel keinen großen Unterschied zwischen dem Handel und dem antiken oder mittelalterlichen Wucher und dem Kapitalismus unserer Zeit. Jedoch besteht zwischen dem mittelalterlichen Handel und dem mit ihm verbundenen Wucherwesen mindestens ebenso viel Unterschied wie zwischen dem kapitalistischen Großeigentümer, der für den Markt arbeitet, und dem feudalen Lehensherrn, zwischen dem modernen Proletariat und dem Leibeigenen oder Sklaven. Die herrschende Produktionsweise war zur Zeit des wirtschaftlichen Wohlstandes der Juden eine feudalistische Produktionsweise. Es wurden im wesentlichen Gebrauchswerte, keine Tauschwerte produziert. Jedes Gebiet deckte seinen Eigenbedarf selbst. Nur einige Luxusprodukte wie Gewürze und wertvolle Stoffe usw., waren Objekte von Austausch. Die Feudalherren gaben einen Teil der Rohprodukte ihrer Ländereien für diese seltenen Waren aus dem Orient.

Die feudale Gesellschaftsordnung, deren Grundlage die Produktion von Gebrauchswerten ist, und der primitive Kapitalismus, der auf Handel und Wucher basiert, schließen sich gegenseitig nicht aus, sondern ergänzen sich.

„Selbständige und vorwiegende Entwicklung des Kapitals als Kaufmannskapital ist gleichbedeutend mit Nichtunterwerfung der Produktion unter das Kapital. (...) Die selbständige Entwicklung des Kaufmannskapitals steht also im umgekehrten Verhältnis zur allgemeinen ökonomischen Entwicklung der Gesellschaft.“ [118]

„Solange das Handelskapital den Produktenaustausch unentwickelter Gemeinwesen vermittelt, erscheint der kommerzielle Profit nicht nur als Übervorteilung und Prellerei, sondern entspringt großenteils aus ihr. Abgesehen davon, daß es den Unterschied in den Produktionspreisen verschiedener Länder ausbeutet [und in dieser Beziehung wirkt es hin auf die Angleichung und Festsetzung der Warenwerte], bringen es jene Produktionsweisen mit sich, daß das Kaufmannskapital sich einen überwiegenden Teil des Mehrprodukts aneignet, teils als Zwischenschieber zwischen Gemeinwesen, deren Produktion noch wesentlich auf den Gebrauchswert gerichtet ist und für (...) [die] der Verkauf (...) der Produkte zu ihrem Wert von untergeordneter Wichtigkeit ist; teils weil in jenem frühen Produktionsweisen die Hauptbesitzer des Mehrprodukts, mit denen der Kaufmann handelt, der Sklavenhalter, der feudale Grundherr, der Staat [z.B. der orientalische Despot] den genießenden Reichtum vorstellen (...).“ [119]

Während das moderne Handels- oder Bankkapital volkswirtschaftlich gesehen nur ein Anhang des Industriekapitals ist und nichts anderes tutals sich einen Teil des im kapitalistischen Produktionsprozeß geschaffenen Mehrwerts anzueignen, realisiert das Kaufmanns- und Wucherkapital seine Gewinne, indem es die Differenz der Produktionspreise der verschiedenen Länder ausbeutet und indem es sich einen Teil des Mehrwerts aneignet, den die Feudalherrn aus den Leibeigenen herausziehen. Der jüdische Kaufmann investierte sein Geld nicht in der Produktion, wie es einige Jahrhunderte später der Händler der großen mittelalterlichen Städte tun wird. Er kauft keine Rohstoffe und zahlt nichts an Tuchhersteller. Sein Handelskapital vermittelt nur zwischen Produktionen, aus die er keinen Einfluß hat und deren Voraussetzungen er nicht schafft. [120]

Mit dem Handel verbrüdert sich das Zinsgeschäft, der Wucher. Wenn der in den Händen der Feudalherren akkumulierte Reichtum Luxus und Handel voraussetzt, wobei letzterer jenen erst ermöglicht, so wird der Luxus seinerseits Kennzeichen für vorhandenen Reichtum. Zu Anfang erlaubt das akkumulierte Mehrprodukt den Feudalherren den Erwerb von Gewürzen, orientalischen Geweben und Seidenstoffen. Später werden alle diese Produkte zu Statussymbolen der herrschenden Klasse. Der Rock macht nun den Mönch und wenn das normale Einkommen nicht einen der besitzenden Klasse entsprechenden Lebensstandard erlaubt, geht man zum Geldverleiher. Zum Händler gesellt sich der Wucherer. Beide fallen zu dieser Zeit meist in einer Person zusammen. Nur der Kaufmann verfügt über genügend Taler für den verschwendungssüchtigen Adel. Aber nicht nur der Lehnsherr kommt zum Geldverleiher. Wenn der König unerwartet eine Armee aufstellen muß und die normalen Steuereinnahmen dafür nicht ausreichen, muß er sich an den Wucherer wenden. Wenn der Bauer infolge einer schlechten Ernte, einer Epidemie oder der übergroßen Last von Gebühren, Steuern und Dienstleistungen nicht mehr in der Lage ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen, wenn er sein Samengut verbraucht hat, wenn er seine abgenützten Arbeitsinstrumente nicht mehr erneuern kann, muß er sich das nötige Geld beim Wucherer holen.

Der Tresor des Wucherers ist in einer Gesellschaft mit Naturalwirtschaft unentbehrlich; er bildet die Reserve der Gesellschaft für unvorhergesehene Ereignisse.

„Das zinstragende Kapital, oder wie wir es in seiner altertümlichen Form nennen können, das Wucherkapital, gehört mit seinem Zwillingsbruder, dem kaufmännischen Kapital, zu den antediluvianischen Formen des Kapitals, die der kapitalistischen Produktionsweise lange vorhergehn und sich in den verschiedensten ökonomischen Gesellschaftsformen vorfinden.“ [121]

Oft zogen die Könige und die Fürsten Juden zur Erhebung von Steuern und Gebühren heran. Und so erscheinen überall Juden in der Rolle von Gebühren- und Steuereintreibern. [122] Die königlichen Finanzminister im Hochmittelalter waren oft Juden. In Spanien waren bis zum Ende des vierzehnten Jahrhunderts die großen jüdischen Bankiers zugleich Steuereinzieher. In Polen

„vertrauten die Könige den Juden wichtige Funktionen innerhalb der Finanzverwaltung ihrer Domänen an (...). Unter Kasimir dem Großen und Wladyslaw Jagiello vertraute man den Juden nicht nur die öffentlichen Steuern an, sondern auch so wichtige Einkommensquellen wie das Münzgeld und die königlichen Salzbergwerke. So weiß man z.B., daß der ‚Rothschild‘ von Krakau, Levko, der Bankier von drei polnischen Königen in der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts, die berühmten Salzbergwerke von Wieliczka und von Bochia gepachtet hatte und außerdem das Münzhaus von Krakau verwaltete.“ [123]

Solange die Naturalwirtschaft dauerte, waren die Juden unentbehrlich. Erst ihr Verfall gibt das Signal für Judenverfolgungen und kompromittiert die Juden für lange Zeit.

Anmerkungen

1. Wahrscheinlich ist es der kommerzielle Wohlstand, der Palästina in den Augen der Israeliten als das Land, in dem „Milch und Honig fließen“, erscheinen läßt. Es ist auch anzunehmen, daß die israelitische Invasion dem palästinensischen Handel einen schweren Schlag versetzt hat. Aber mit der Zeit haben die Israeliten zu ihren Gunsten die einträglichen Beziehungen mit den Ländern des Euphrat und Tigris wiederaufgenommen.

2. Es ist also von Anfang an die besondere geographische und historische Lage, die den Handelscharakter der Phönizier und Juden bestimmt. Offensichtlich konnte nur die benachbarte Lage der Zivilisationszentren mit einer relativ entwickelten Industrie und der Länder, die bereits teilweise für den Austausch produzierten, die Entwicklung von spezifischen Handelsvölkern wie den Phönizier und Juden ermöglichen. Neben den ersten großen Zivilisationszentren entstanden die ersten großen Handelsvölker.

3. B.C. Movers, Die Phönizier, Bonn 1841-1856, S. 17. (R)

4. „Schon vor der Ankunft der Israeliten in Kanaan hatte der Handel dort eine hohe Stufe erreicht. In Briefen aus dem 15. Jahrhundert vor Chr. sind bereits Karawanen erwähnt, die Tell-el-Amarna durchqueren.“ F. Bühl, Die sozialen Verhältnisse der Israeliten, Berlin 1899, S. 76. (R)

5. Movers, op. cit., S. 19. (R)

6. Movers, op. cit., S. 18. (R)

7. „Mit ihrem unermüdlichen kaufmännischen Eifer und ihrem unzerstörbaren Unternehmergeist hatten sich die Phönizier den Namen eines Handelsvolkes erworben, mit dem sich kein anderes Volk der Antike messen konnte. Erst viel später, nämlich im Mittelalter, ging dieser Namen mit all seinen schlechten Implikationen auf ihre Nachbarn und Erben im Handel, auf die Juden der Diaspora, über.“ Movers, op. cit., S. 26. (R)

8. J. Toutain, L’Economie antique, Paris 1927, S. 24 f.

9. Diese „griechischen Seeleute“ scheinen vor allem Fremde gewesen zu sein, Fremde, die sich in Griechenland niedergelassen hatten. Die kaufmännische Rolle der Phönizier war an die Entfaltung der ägyptischen und assyrischen Zivilisationen gebunden; der Aufschwung der hellenistischen Zivilisation hatte den kommerziellen Wohlstand der Fremdländer zufolge.

10. Toutain, op. cit., S. 40.

11. Toutain, op. cit., S. 68.

12. J. Hasebroek, Staat und Handel im alten Griechenland, Tübingen 1928, S. 112.

13. Hasebroek, ebd., S. 78; Die Produktion von Gebrauchswerten bleibt die Grundlage der Wirtschaft. Alles, was man sagen kann, ist, daß die Produktion von Tauschwerten in Griechenland die für die antike Produktionsweise größtmöglichste Ausdehnung erlangt hat.

14. Pierre Roussel, La Grece et l’Orient, Paris 1928, (Koll. Ralphen und Sagnac, II), S. 301. So ebenfalls M. Clerc, Les Métèques athéniens, Paris 1893, S. 396: „Der Seehandel lag in der Tat zum großen Teil in den Händen von Fremden.“ Und H. Francotte, L’Industrie dans la Grece ancienne, Brüssel 1900, I., S. 192: „Der Seehandel wird im wesentlichen von Fremden repräsentiert“.

15. Hasebroek, op. cit., S. 28. Zu seiner Blütezeit zählte Athen 400.000 Sklaven, 20.000 Bürger und 30.000 Fremde.

16. „Von einer Kommerzialisierung der griechischen Welt dieser Jahrhunderte kann so wenig die Rede sein wie von einer Industrialisierung. Vielmehr ist der agrarische Charakter der Wirtschaft (...) noch im (...) 4. Jahrhundert ausschlaggebend.“ Hasebroek, op. cit., S. 101.

17. „Jede Art von Gleichsetzung der Häfen des alten Griechenland mit den modernen Hafenstädten wie Genua und Marseille kann nur Skeptizismus oder höchstens ein Lächeln hervorrufen. Dennoch war dieser Austausch, diese Transporte, dieses Hin und Her von Waren neu im Mittelmeer. Er unterschied sich durch seine Intensität, durch seine Natur weitgehend vom phönizischen Handel, der eher ein simpler Transport über Meer denn ein wirklicher Handel war.“ Toutain, op. cit., S. 84.

18. C. Autran, Pheniciens, Paris 1920, S. 51.

19. L. Brentano, Das Wirtschaftsleben der antiken Welt, Jena 1929, S. 80.

20. A. Causse, Les Dispersés d’Israel, Paris 1929, S. 7.

21. Ebd., S. 54.

22. Esra, I, 6.

23. Jüdisches Lexikon, Berlin 1927 ff, Art. Elephantine. (R)

24. A. Causse, op. cit., S. 79.

25. Zweites Buch der Makkabäer, III, 6.

26. Eduard Meyer, Blüte und Niedergang des Hellenismus in Asien, Berlin 1925, S. 20.

27. Pierre Roussel, La Grece et l’Orient, S. 486.

28. Eduard Meyer, op. cit., S. 22.

29. Roussel, op. cit., S. 480.

30. L. Brentano, Das Wirtschaftsleben der antiken Welt, op. cit., S. 78.

31. Eduard Meyer, op. cit., S. 84.

32. Andre Piganiol, La Conquête romaine, 4. Aufl., Paris 1944 (Koll. Halphen und Sagnac, III), S. 207.

33. Diese Klassenkämpfe sind auf die freie Bevölkerung der griechischen Städte beschränkt.

„Eine mehr oder minder große Gleichheit in der Verteilung der Güter erschien nötig, um diese politische Demokratie aufrechtzuerhalten. Hier Hegt der Grund für die blutigen Kriege, zu denen die hellenische Volksherrschaft schließlich führt. Aber niemals beteiligen sich Sklaven, Halbfreie und Fremde an diesen Forderungen (...).“ Claudio Jannet, Les Grandes Epoques de l’Histoire economique jusqu’ à la fin du XVIe siècle, Paris-Lyon S. 8.

34. „Mit dem Hellenismus verlagerte sich das ökonomische Zentrum der Welt nach dem Osten.“ K.J. Boloch, Geschichte Griechenlands (Hellas und Rom), o.O.u.J., S. 232.

35. Vgl. Fustel de Coulanges, La Cité antique, Paris 1883.

36. Maurice Holleaux, Rome, la Grece et les monarchies héllénistiques au IIIe siècle av. J.-C., Paris 1921, S. 231.

37. André Piganiol, op. cit., S. 232.

38. H. Cunow, Allgemeine Wirtschaftsgeschichte, Bd. II, Berlin 1927, S. 61.

39. Henri Pirenne, Histoire de l’Europe, Brüssel 1936, S. 14. „Die Produkte flossen ins Zentrum, ohne daß ein entsprechender Gegenstrom entstand.“ G. Legaret, Histoire du développment du Commerce, Paris 1927, S. 13.

40. Tenney Frank, An Economic History of Rome to the End of the Republic, Baltimore 1920, S. 108.

41. Ebd., S. 118.

42. Ebd., S. 261.

43. Strabo, Geographie, XIV, 5.

44. Tenney Frank, op. cit., S. 102 ff, von Toutain zitiert, op. cit., S. 300. Toutain teilt diese Meinung nicht.

45. Jean Hatzfeld, Les trafiquants Italiens dans l’Orient hellénique, Paris 1919, S. 190 f.

46. „(...) zur Zeit des Augustus bildete das Verschwinden der Bauern das Tagesgespräch der führenden Kreise (...). „M. Rostovtzeff Gesellschaft und Wirtschaft im römischen Kaiserreich, Bd. I, Leipzig 1931, S. 56.

47. K. Kautsky, Der Ursprung des Christentums, Stuttgart 1910, S. 432 ff.

48. Th. Mommsen, op. cit., S. 518.

49. Ebd., S. 542.

50. G. Salvioli, Le capitalisme dans le monde antique, frz. Übs., Paris 1906.

51. Th. Mommsen, op. cit., S. 544.

52. M. Rostovtzeff, op. cit., I, S. 165.

53. Ebd., Bd. II, S. 180.

54. Wilhelm Schubart, Ägypten von Alexander dem Großen bis auf Mohammed, Berlin 1922, S. 167.

55. M. Rostovtzeff, op. cit., Bd. II, S. 135.

56. E. Albertini, L’Empire romain, (Koll. Ralphen und Sagnac, IV), 3. Aufl. Paris 1939, S. 306.

57. E. Lavisse und A. Rambaud, Histoire générale du IVe siècle à nos jours, Bd. I, Paris 1894, S. 16.

58. W. Schubart, op. cit., S. 29. Sehr bezeichnend ist auch das Verschwinden der Klasse der Ritter, der „Kapitalisten-Klasse“ Roms.

59. „Die Organisation der Güter, wie sie vom 9. Jahrhundert an erscheint, ist also das Ergebnis äußerer Umstände; von einer organischen Veränderung ist nichts zu bemerken. Man könnte ebensogut sagen, daß sie ein anomales Phänomen ist.“ Das Frankenreich wird die Grundlagen für das Europa des Mittelalters legen. Aber die Mission, die es erfüllt hat, hatte die Umkehrung der traditionellen Weltordnung zur wesentlichen Voraussetzung.

„Nichts hätte es dort erreicht, wenn die historische Entwicklung nicht durch die muselmanische Invasion von ihrem Kurs abgebracht und sozusagen aus dem Gleichgewicht gebracht worden wäre. Ohne den Islam hätte das Frankreich wahrscheinlich niemals existiert und Karl der Große ist ohne Mohammed nicht denkbar.“ H. Pirenne, Les Villes du Moyen Age, Brüssel 1927. Für Pirenne resultiert die feudale Wirtschaft also aus der Zerstörung der mediterranen Einheit durch den muselmanischen Einfall.

60. M. Rostovtzeff, op. cit., Bd. I, S. 125.

61. Salvioli, Le capitalisme dans le monde antique, op. cit.,

62. E. Gibbon, Histoire de la décadence et la chute de l’Empire romain, frz. Übs., Paris 1835-1836, Bd. I, S. 840.

63. Ebd., S. 840.

64. M. Rostovtzeff, op. cit., Bd. II, S. 184.

65. Toutain, op. cit., S. 363.

66. Einige Autoren sehen in der Entvölkerung und in der Auslaugung des Bodens die entscheidenden Gründe für den Verfall des Reiches.

67. M. Rostovtzeff, op. cit., Bd. II, S. 213.

68. Ebd., Bd. II, S. 233.

69. Jacques Zeiller, L’Empire romain et l’Eglise, Paris 1928 (Coll. Histoire du Monde, V, 2), S. 28.

70. G.-B. Depping, Histoire du Commerce entre l’Europe et le Levant, Paris 1826.

71. W. Schubart, op. cit., S. 23.

72. Herrscherdynastie des jüdischen Königreichs von 142 bis 37 v.Chr. Die Hasmonäer wurden von Herodes I. [dem Großen – 37 v. Chr. bis 4 n.Chr.] mit Unterstützung von Marcus Antonius aufgrund ihrer engen Beziehungen zu den Parthern entthront und anschließend ausgerottet.

73. Th. Mommsen, op. cit., S. 549.

74. W. Roscher, Die Juden im Mittelalter, S. 328. (R)

75. K. Kautsky, Der Ursprung des Christentums, op. cit., S. 282.

76. Strabo, Geographie, XVI, 2, 34.

77. K. Kautsky, op. cit., S. 279.

78. Die Zeloten waren eine römerfeindliche jüdische Nationalpartei in Palästina, die zahlreiche Aufstände der Juden in Palästina gegen die Römer verursachte. Zu ihren Anhängern gehörte vermutlich auch Simon Kananäus, einer der 12 Apostel.

79. M. Rostovtzeff, op. cit., Bd. I, S. 108. Weiterhin:

„In Mesopotamien, Palästina, Ägypten und der Cyrenaika erhoben sich [nach dem Tode Trajans] die Juden in gefährlichen und blutigen Aufständen, deren letzter die Cyrenaika stark verwüstete.“ Rostovtzeff, op. cit., Bd. II, S. 76.

80. M. Rostovtzeff, op. cit., Bd. II, S. 64.

81. M. Rostovtzeff, op. cit., Bd. II, S. 65.

82. K. Kautsky, Der Ursprung des Christentums, op. cit., S. 404.

83. Movers, Die Phönizier, op. cit., S. 1. (R)

84. Hölscher, Urgemeinde und Spätjudentum (Avhandlinger utgitt av Det Norske Videnskaps Akademie i Oslo. Hist.-filos. Klasse, 1928 Nr. 4), S. 26. (Vermutlich norwegisch, obgleich Leon den Titel auf deutsch zitiert.)

85. M. Rostovtzeff, op. cit., Bd. II, S. 216.

86. W. Schubart, op . cit., S. 97.

87. Lukas 6, 20–25.

88. Jakobus 5, l–4.

89. Matthäus 5, l und 10.

90. Gibbon, op. cit., Bd. II, S. 196 f.

91. In ihnen manifestiert sich der Verfall der römischen Wirtschaft. Aber die unteren Klassen waren nicht in der Lage, die Macht an sich zu reißen. Eine neue Klasse von Besitzenden benutzte ihre Ideologie, um sich durchzusetzen. Eine Veränderung war nötig, die sich aber ausschließlich zum Profit der neuen Klasse vollzog. Das Gleiche gilt übrigens mutatis mutandis für die „faschistische Revolution“.

92. W. Schubart, op. cit., S. 46.

93. Samuel Krauss, Studien zur byzantinischen-jüdischen Geschichte, Wien 1914. (R)

94. G. Caro, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Juden im Mittelalter und der Neuzeit, 1908–1920. (R)

95. L. Brentano, Eine Geschichte der wirtschaftlichen Entwicklung Englands, Jena 1927–1929, S. 361. (R)

96. Selbst wenn diese Syrer keine Juden gewesen sind, so wird dieses Faktum in der Karolingerzeit nicht mehr erwähnt. Möglicherweise haben sich diese Syrer mit den jüdischen Handelsgemeinschaften vermischt, es sei denn, daß sie aus anderen Gründen völlig verschwunden wären. Zur Zeit der Karolinger ist „Jude“ gleichbedeutend mit „Händler“.

97. Rabbi Dr. L. Lucas, Zur Geschichte der Juden im 4. Jahrhundert, Berlin 1910. (R)

„In Antiochia sagt der heilige Johannes Chrysostomos über die Juden, die die wichtigsten Handelspositionen innehaben, daß sie alle ihre Geschäfte ruhenlassen, wenn sie ihre Feste feiern.“ C. Jannet, Les Grandes Epoques de l’Histoire économique, S. 137.

98. Henri Pirenne, Mahomet et Charlemagne, op. cit., S. 237.

99. Dr. Julius Brutzkus, Der Handel der westeuropäischen Juden mit dem mittelalterlichen Kiew (auf jiddisch), in: Schriften für Wirtschaft und Statistik, 1928.

100. De reditu suo, I, 398; vgl. G.B. Depping, Les Juifs dans le Moyen Age, Paris 1834, S. 18.

101. S. Ullmann, Histoire des Juifs en Belgique jusqu’au XVIIIe siècle, Anvers S. 9 f.

102. H. Pirenne, Les villes au Moyen Age, S. 313.

103. I. Schipper, Anfänge des Kapitalismus bei den abendländischen Juden im früheren Mittelalter, 1907. (R)

104. H. See, Esquisse d’une histoire économique et sociale de la France, Paris 1929, S. 91.

105. Verhoeven, Algemeene Inleiding tot de Belgische Historie, zitiert von Ullmann, op. cit., S. 8.

106. Ullmann, op. cit., S. 12–14.

107. Bedarride, Les Juifs en France, en Italie, en Espagne, S. 53.

108. H. Pirenne, op. cit.

109. Dr. Julius Brutzkus, op. cit.

110. Ebd.

111. Schipper, Anfänge des Kapitalismus bei den abendländischen Juden. (R)

112. Die Chazaren waren ein innerasiatischer [mongolischer] Volksstamm, der sich Anfang des 7. Jahrhunderts, von Byzanz gegen das Großbulgarische Reich unterstützt, im Kaukasus und an der unteren Wolga festsetzte, um 650 das Großbulgarische Reich vernichteten und ein Reich errichteten, das während des 8. und 9. Jahrhunderts bis zum oberen Dnjepr, also bis Kiev, reichte. Seit 730 Hauptstadt Itil an der Wolgamündung. Seit etwa 860 Anhänger der jüdischen Lehre. Verfall des Chazarenreichs in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts durch den Druck der Reichsgründung der Waräger [Kiever Rus] am Dnjepr.

113. Dr. Julius Brutzkus, Di Geshikhte fun di Bergyiden oyf kavkaz (Geschichte der Bergjuden im Kaukasus), auf jiddisch, in: Historishe Shriften fun Yivo (Yivo Studies in History), B. II, Wilno 1937, S. 26–42, englische Zusammenfassung, S. VI–VII.

114. I. Schipper, Yidishe Geschikhte (Wirtschaftsgeshikhte), Warschau 1930 (auf jiddisch), Bd. II, S. 45.

115. Henri Pirenne, Mahomet et Charlemagne, S. 153.

116. Die Juden werden sogar besser beschützt als die Adeligen durch das Privileg, das Heinrich VI. den Juden von Speyer zugesteht. Von einem polnischen Chronisten des 12. Jahrhunderts, Vincenti Kadlubek, erfahren wir, daß die gleiche Strafe, nämlich die „Septuaginta“, ausgesetzt war für Majestätsbeleidigung, Blasphemie und Judenmord. 966 beklagte sich der Bischof von Verona, daß bei den Kämpfen zwischen Geistlichen und Juden die ersteren eine dreimal so hohe Geldstrafe bezahlen mußten wie die Juden.

117. W. Roscher, Die Juden im Mittelalter, S. 324. (R)

118. K. Marx, Das Kapital, Bd. III, op. cit., S. 340.

119. Ebd., S. 343.

120. Vgl. ebd., S. 342 ff.

121. Ebd., S. 607. – „Es ist unbestritten, daß die deutschen Juden schon vor dem 1. Kreuzzug Zinsgeschäfte betrieben. 1107 verpfändete der Bischof Hermann von Prag den Juden von Regensburg herrliche Tücher der Kirche für eine Summe von 500 Mark in Silber. Es ist kaum glaublich, daß dies das erste Kreditgeschäft dieser Art gewesen wäre. Im übrigen bezeugt ein hebräisches Dokument, daß das Pfandgeschäft bei den deutschen Juden dieser Zeit üblich war. Aber damals bildete das Kreditgeschäft noch keinen selbständigen Beruf, sondern war eng mit dem Handel verknüpft.“ Caro, op. cit., S. 197. (R)

122. „Die Bankiers kümmerten sich auch um die Einziehung der Einnahmen der großen herrschaftlichen Besitztümer. Sie waren in gewisser Weise Gutsverwalter und Pächter.“ G. d’Avenel, Histoire économique de la Proprieté, etc., Paris 1886–1920, Bd. I, S. 109.

123. I. Schipper, Yidishe Geschikhte, op. cit., Bd. IV, S. 224.


Zuletzt aktualisiert am 8 April 2010