Georg Lukács

 

Lenin

 

Vorwort

Die hier folgenden, wenigen Bemerkungen erheben keinen Augenblick den Anspruch, die Theorie und die Praxis Lenins irgendwie erschöpfend zu behandeln. Sie versuchen bloß – in groben Umrissen – auf den Zusammenhang zwischen seiner Theorie und seiner Praxis hinzuweisen, aus dem Gefühl heraus, daß gerade dieser Zusammenhang, sogar im Bewußtsein vieler Kommunisten, nicht in hinreichender Deutlichkeit vorhanden ist. Eine wirkliche Behandlung all dieser Probleme würde nicht nur einen ganz anderen Umfang als diese wenigen Seiten erfordern, sondern es liegt für eine solche Darstellung von Lenins Lebenswerk, besonders für jene, denen die russische Literatur nur in Übersetzungen zugänglich ist, keineswegs ein hinreichend komplettes Material vor. Die Geschichte Lenins erfordert als Rahmen zumindest die Geschichte der vergangenen 30 bis 40 Jahre. Hoffen wir, daß ihre würdige Darstellung nicht allzulange auf sich warten läßt. Der Verfasser dieser andeutenden Bemerkungen fühlt selbst am drückendsten, wie schwer es ist, Einzelprobleme zu behandeln, bevor das Ganze, dem sie angehören, geklärt; zu popularisieren, bevor das, war popularisiert werden soll, wissenschaftlich einwandfrei niedergelegt ist. Darum ist hier eine Vollständigkeit der Probleme, die Lenins Leben erfüllt haben, eine geschichtlich genaue Aufeinanderfolge ihres Auftauchens gar nicht versucht worden. Die Auswahl und die Aufeinander- und Auseinanderfolge ist bloß vom Gesichtspunkte bestimmt, den Zusammenhang dieser Probleme so deutlich wie irgend möglich hervortreten zu lassen. Es versteht sich von selbst, daß die Auswahl der Zitate ebenfalls von diesem Gesichtspunkt und nicht von dem einer chronologischen Genauigkeit bestimmt ist.

Wien, Februar 1924

 


Zuletzt aktualisiert am 11.10.2003