Paul Mattick


King Ben

(August 1928)


In: Kampfruf, Organ der Allgemeinen Arbeiter-Union (Revolutionäre Betriebs-Organisation), 9. Jg. Nr. 41, August 1928, S. 2-3.
Transkription/HTML-Markierung: Thomas Schmidt für das Marxists’ Internet Archive.



King Ben, alias Benjamin Purnell nach den Akten amerikanischer Gerichte. Er stammt angeblich aus Australien und landete nach mancherlei Irrfahrten in einem Badeort (Benton Harbor) in der Nähe Chicagos. Sein Antlitz kopiert die schlechtesten Christusbilder, das etwas speckige Haupthaar wallt auf die Schultern. Er ist ein „good businessman“ und handelt so selbstverständlich mit „Geist“, da er kein Anlagekapital ererbt von seinen Vätern hat. Er nennt sich „King of House of David“, was er tatsächlich war und wieder werden soll: „denn der König ist der siebente Bote der Einversammlung der Israeliten und niemand kann ihn ersetzen“, wie er verkündet. Er läßt an sein ewiges Leben glauben und erzählt von „Towes“ (?), die aus dem Blut entfernt werden müßten, um den Tod zu überwinden. Es ist für ihn trotzdem an der Zeit, sich verjüngen zu lassen; denn grau ist sein Haar und Krücken stützen seinen Leib, wie seine Jünger jetzt verbreiten, um „Mitleid“ für ihn zu erwecken.

Ideen waren es nicht, die ihn alt und müde gemacht haben, seinem Leben den Erfolg gaben. Er hatte die uralte Formel von der Ausnutzung der Dummen gefunden und sie trefflich anzuwenden verstanden. Der Erfolg beschränkte sich auf ihn selbst, den Ruhm besorgte die amerikanische Presse. Diese Presse, die wie keine andere der Welt Berühmtheiten aus der Erde stampfen kann. Der ehemalige Geschirrwäscher vom Breadway, Rudolph Valentino, konnte nur durch diese Presse gemacht, ohne jedes ernstliche Talent und Können ein Erbe hinterlassen, über das sich reden läßt. Und jenes kleine Modell, das irgendwo an der Küste im feudalen Nachtklub ein Champagnerbad gegen klingende Münze genoß, vermochte in Druckerschwärze gewandelt, eine Zeitlang die Popularität Coolidges zu übertreffen. Man feierte sie mit dem leisen Mitleid, das man am Decoration Day den Opfern des kapitalistischen Massenmordes widmet.

In Amerika wird eben alles auf diesem Wege zu einer nationalen Angelegenheit. Die Virtuosität der amerikanischen Presse hat nicht ihresgleichen bei der Zustutzung der Massenansicht zur Aufrechterhaltung des kapitalistischen Mechanismus. Die künstliche Nase des Boxerweltmeisters, der Haarschnitt irgendeines Ziegfield-Girls, die Hundedressurerfolge der glücklichen Frau Coolidges, all das beschäftigt ausschließlich die amerikanische Oeffentlichkeit, vermag ihre Begeisterung in einer Art zu wecken, wie man sie in Deutschland nur bei Fürstenabfindung und Reichstagswahl trifft.

Es gibt für die amerikanische Masse keine Probleme, keine politischen Erörterungen, es gibt nur das „bisniss“ und die billige Sensation. Man hat keine Zeit zur Unterhaltung, noch zum Vergnügen. Die Jagd nach dem Dollar ist nicht nur bemitleidenswerte Gier, sie ist mehr ökonomischer Zwang: sie ist die psychologische Anpassung an das Gesetz des Lebens, das den einzelnen nach seiner Fähigkeit, Geld zu machen, einschätzt und behandelt. Die Masse ist gezwungen, am Dasein vorbei zu leben, ihre Existenz teilt sich in Arbeit und Schlaf vollkommen auf. Erst alt und verbraucht, oder in Zwischenminuten auf der Tram und beim Lunch weckt die Zeitung Interesse für Dinge, die außerhalb des eigenen Ichs sich scheinbar bewegen. Man will wissen, was auf der Welt vorgeht, will sein verhindertes Leben wenigstens in der Vorstellung verbreitern und läßt sich so servieren, was nicht abstellbare Teile des Organismus stetig verlangen. Denn was in der Welt vorgeht, verbreitet die Presse, und was sie verbreitet, ist billigste Sensation bis zur übelsten Kitschigkeit, ist die anständige Wiedergabe der mühevoll ausgeschnüffelten Unanständigkeit, was ihnen Millionen Abonnenten sichert. Und diese genießen, wozu sie verhindert sind; sie sind die kleinen Schmarotzer der großen Parasiten.

Das Niveau der Masse wird organisiert, wie alle anderen Einrichtungen im Dienste der „Ruhe und Ordnung“. Die Niveaumaschinerie ist durchaus nichts anderes, als der Gasangriff der wackeren Policemen gegen streikende Textilarbeiter. Der ideologische Ueberbau des Staates steht parallel zur unsinnigen, widerlichen Profitordnung, die gleicherweise benötigt: Massen abzuschlachten und Massen das Gehirn zu zerfressen. Und was zerfrißt besser, als Erotik und Religion, was hindert mehr die Denktätigkeit? Es gibt kein besseres Sammelbecken für unausgebeutete, nicht fabrikmäßig entzogene Energie, als Kirche und Bordell.

Der Geist dieser Welt, journalistisch gewendet, ergibt das Bedürfnis der 100 Millionen, die heut fieberhaft die Zeitungen durchstöbern, um das Neueste über King Ben, den „interessanten Verbrecher“ zu erfahren. Und nirgends als an diesem Fall kann man wohl deutlicher spüren, daß die kriminellen Verbrecher der bürgerlichen Gesellschaft genau so unentbehrlich sind, wie ihre verbrecherische Polizei. Denn wo sollte man den Stoff hernehmen, der vom wirklichen Denken abhalten soll, wenn nicht eine Schicht der Gesellschaft deren Phantasie zu bilden hätte. Und wie wären anbiedernde Polizeiausstellungen möglich, ohne die braven Männer, die von Zeit zu Zeit die Spalten füllen, ohne selbst schreiben zu können.

Das Resultat dieser staatserziehenden, vom Staate selbst besorgten, systematischen Verblödung, nennt man dann Massenideologie; nennt man dann niedriges Niveau, dem man sich notgedrungen anpassen muß, nachdem man es bestimmt hat. Es ist hier nicht der Ort, um diese Erscheinungen der amerikanischen Massenideologie weiter zu analysieren. Wir wollen nur bemerken, daß man erneut im Begriff ist, ein Gesicht zur Ausfüllung der nächtlichen Träume für die Bürger der U. S. A. aufzustellen. In diesem Falle hat die Presse das besondere Glück, beide Faktoren der Ideologienzucht zugleich spielen zu lassen: Purnell läßt sich religiös wie sexuell glänzend ausschlachten. Bei solchen Anlagen ist es verständlich, daß die Achse des amerikanischen Interesses sich um ihn zu drehen hat.

Ich weiß nicht, ob sein Ruhm bereits den Ozean überquert hat, vielleicht ist seine Stunde noch nicht gekommen (es kann noch einige Zeit bis zu seinem Prozeß verstreichen), vielleicht aber auch ist Europas Interesse für die amerikanische „Seele“ nach dem eigentlich schon alles sagenden Daytoner Affenprozeß zu Ende. Ich weiß es nicht, aber ich bin sicher, daß Dayton in Europa nur so viel Aufsehen erregen konnte, weil damit die Wolkenkratzer zur steinernen Janusfratze wurden, deren dem Atlantik entgegengesetzter Partie der Stempel des Mittelalters auf der Stirn saß. Es scheint fast unvereinbar, Amerika, das Land der höchsten Entwicklung der Produktion, mit allen Möglichkeiten weiterer technischer Entfaltung, mit ökonomischer Organisation (die Europas Abstieg mit bedingen), und trotzdem mit einer Ideologie behaftet, deren Analogie im Europa des 15. Jahrhunderts zu suchen ist. Die jedem sichtbare, nackte, rücksichtslose Wirklichkeit in Politik und Geschäft, die ganze Brutalität des eilenden Dollar-Marathon haben als Gegengewicht einen schleimigen Nebel von Phrasen und Unkultur, der weit über das Groteske hinaus geht. Dayton sagte noch nicht deutlich genug, welche Macht die der geistigen Finsternis ist; es blieb immer noch die Vermutung offen, daß es als Einzelfall nicht viel mit der übrigen geistigen Verfassung unter dem Sternenbanner zu tun habe. King Ben ist nach Dayton die zweite Blitzlichtaufnahme, die uns die Wolkenkratzer als riesige Potemkins zeichnen, welche Schmutz und Schande zu verbergen haben.

Vor ungefähr zwölf Jahren gründete Benjamin Purnell in Benton Harbor das „House of David“ und damit eine neue Religion, die nicht mehr besagt, als die christliche, aber mehr suggestiives Theater benutzte und so in der Lage war, mit ersterer zu konkurrieren. Nach Buddha, Christus, Mohammed entstand nun der neue Prophet Purnell, reformistisch geläutert durch den Zwang dies 20. Jahrhunderts. Er fand Jünger, Gläubige, oder Opfer, wie man es nennen will. Es gehört ja nicht viel dazu, Gewalt über die Menge zu bekommen: in der ganzen Welt beweist ja die Weiterexistenz des kapitalistischen Systems, wie leicht es ist, die Ausgebeuteten gegen ihre eigentlichen Interessen zu dressieren. Ein massenpsychologisches Rätsel für manchen Ungeduldigen, der nicht die sprunghafte Entwicklung der Ideologien zu begreifen vermag, ist ja die Möglichkeit der Begeisterung zum Selbstabschlachten für die Interessen der gegnerischen Klassen in Konkurrenzkriegen. Ferner die Ernährung der eigenen Judase in verräterischen Organisationen, deren Zweck es immer sein muß, einen Gradmesser des Stumpfsinns aufzustellen. Es ist keine klare Parallele in der Wechselwirkung von Oekonomie und Ideologie. Das Gehirn schleppt hinter allen anderen Dingen her, um plötzlich wie mit einem gewaltigen Aufschrei Jahrhunderte abzuschütteln. Aber noch mit der jahrtausendalten knechtischen Tradition belastet, mit allen Mitteln von der herrschenden Klasse mit Rüstzeug zum Ertragen dieses Zustandes versehen, mit der bisherigen Hilflosigkeit verknüpften, himmlischen Hoffnung auf die Befreiung, die getan werden sollte, da die Geschichte ihnen noch keinen eigenen Platz in der Menschheitsentwicklung angeboten hatte, war diese Klasse getreten genug, am sich in lächerliche Mystik und himmlischen Betrug zurückzuziehen.

Benjamin Purnells Lebensziel war nicht das Glück eines Fordautos, er hatte alle Sekten Amerikas durchstreift von den Mormonen bis zu den Fußwaschern und hatte danach keine Lust mehr, als bescheidener Prediger sein Salär zusammenzutrommeln. Er sah die Proleten aus den Eisengießereien mit ihren verlorenen Augen und verbrannten Waden; er erlebte, wie durch die große Weizenkrise die Farmer allen Glauben an Kirchengott und Geschäft verloren, und wußte mit sicherer Bestimmtheit, daß diese Zerquälten dankbarer wären, den Himmel auf Vorschuß zu erhalten, als mit der alleinigen Hoffnung auf ihn zu krepieren. So gründete er den „Garten Eden“. Seine nicht allzugroße Beredsamkeit genügte zur Ueberredung der Hoffnungslosen. Sie verkauften, was sie besaßen und folgten ihm nach.

Die Gemeinde wuchs, Purnell kassierte die Gelder. Aber er war keiner von den Kleinen, die man hängt, er bereicherte sich nicht persönlich, er wollte mehr. Seine Hände blieben rein, er wurde der Hirte, der König, der Gott. Man baute Häuser, „Jerusalem“, „Bethlehem“, er ließ einen großen Park anlegen, ja, er wurde ein größerer „kultureller Faktor“, als es mancher deutsche Bürgermeister ist. Er organisierte ganz systematisch, er schuf eine kleine, vollständig von der Umwelt unabhängige Gemeinde mit eigenem Kraftwerk, Gasstation, Farmereien, Vergnügungsstätten, eine ganze Stadt an der Peripherie der größeren. Nach kaum mehr als einem Jahrzehnt ist das „House of David“ der beliebteste Ausflugsort der jüdischen Bourgeoisie Chicagos. Lokalpatriotismus sprach mit Stolz vom „Garten Eden“, die Straßenbahnen rollten und imitierte Christusse boten die Tikets feil; wallende Locken und fallende Bärte bildeten Jazz-Bands, und aus dem Lande Gottes tönte das Saxophon: – – – Valencia – – –“.

Es ging altes ausgezeichnet, man brauchte nicht mehr zu streiten, ob das Paradies im Orient oder im Germanenland zu suchen sei. Hier schuf amerikanische Tüchtigkeit ein neues, formte das Tausendjährige Reich, ohne chiliastische Probleme nach kapitalistischen Grundsätzen. Ein profitables, akkumulierendes Paradies. Aber das nur nach außen. Die Innenpolitik für die Auserwählten, die 500 Dollar mindestens, sofern sie nicht ein ganzes Vermögen zu opfern hatten, Eintrittsgeld hinlegen mußten, war als humanistisches Gemeinschaftsziel bedarfskommunistisch verwaltet. Auf der Kulturstufe der Eskimos und Feuerlandindianer, mit der Kopie des Urchristentums in der Tasche, kollektivierte man sich zu einem menschlichen Zoo, opferte seinem Bart- und Haupthaar die Forderungen der bürgerlichen Individualität. Selbstverständlich lebte man vegetarisch, das in Anbetracht lieblicher Lämmerlöwen, den Freunden des klosgeformten, ersten Menschen. Die Anhänger oder Opfer gingen ihrer neuen oder gewohnten Arbeit nach, nur lieferten sie jetzt jeden Cent der Siedlung ab.

Sie hatten keine Privatinteressen, sie besaßen nichts als das Recht auf die Portion aus der Gemeinschaftsküche, sie arbeiteten kapitalistisch und aßen kommunistisch. Sie wurden weiter privat ausgebeutet, doch sie hatten keine privaten Bedürfnisse mehr. Sie wurden geprellt, da die Gemeinschaft des 20. Jahrhunderts produktionskommunistisch geregelt werden muß. Sie gerieten auch nicht mehr in direkte Not, sie waren weniger den bitteren Zufälligkeiten des Daseins ausgesetzt, sie brauchten nicht mehr ihr Gehirn anstrengen, um ihre Leiber aufrecht zu erhalten. Die Organisation nahm ihnen das ab, die Organisation ersparte ihnen den Kampf. Welch ein idealer Zustand auch für die Bourgeoisie. Welch eine herrliche Methode, die willigen Elemente in immer gleicher Gemütsverfassung zu erhalten. Die Kasernierung des Proletariats, die Zuteilung der notwendigen Rationen zur Reproduktion der Arbeitskraft, ein Zuchthausleben ohne Gitterstäbe, – – welch herrliches Mittel zum Ausgleich der Klassendifferenzen. Es sei allen demokratischen Staaten warm empfohlen.

Dieses Paradies, in mehr als demokratischer Form, konnte wohl die Sehnsüchte der feigen Weltflüchtigen stillen, die es mit ihrem Geld und Schweiß errichtet hatten. Purnell selbst konnte sich nicht damit begnügen. Die Zeit der intrigierenden Giftmischer um den Thron des Papstes ist vorbei, die Aera Napoleon ist vorbei, der heutige „Abenteurer“ findet im Bereich des kapitalistischen „teile und herrsche“ nur Miniaturausgaben von gesellschaftlichen „Zufälligkeiten“, die „große Menschen“ formen. Purnell begnügte sich, er ließ sich zum König krönen, zum Nachfolger Davids und improvisierte dessen Herrlichkeit. Er war der einzige Mensch, der innerhalb der Gemeinde von deren Leben in jeder Beziehung gesondert war. Er fraß, er hüllte sich in märchenhafte Gewänder, kostbaren orientalischen Stoffen und Schnitten, und diese Amtsrobe imponierte enorm. Er war ein echter Nachkomme Davids, sein Harem stand dem seines Vorgängers in nichts nach. Sein Penis – die göttliche Taute – befruchtete wie der Göttersohn, ohne Schaden anzurichten. Geheimnisvolle Tapetentüren, Bauchreden und Taschenspielerstückchen lieferten ihm, wie dem Spiritualismus überhaupt, die Schaffung der Materie durch den Geist. Er schwängerte vermittels dieses faulen Zaubers, was zu schwängern war. Sein Geschmack verfeinerte sich, das „House of David“ ward zum Kindlerbordell. Und wiederum die Opfer, die sittigen Farmer, die hexengläubigen Misses, sie brachten ihm ihre 14-15jährigen Töchter, damit er seine Auswahl treffe.

Purnell war wohl der glücklichste König des Erdballs, er besaß alles, alles, was ein Mensch nur verdauen kann. Bis – – vor vier Jahren drei junge Mädchen zu sprechen begannen, bis die pfäffische Konkurrenz die ersten Beweise zum Vorgehen hatte. Untersuchungen führten die unglaublichsten Dinge zutage und der brave Sheriff mußte schweren Herzens an die Verhaftung denken. Doch Benjamin Purnell war nicht mehr aufzuspüren. Gleich Elias war er im feurigen Wagen zu seinem Vater geeilt, um von den Zinnen „Jerusalems“ erhaben und göttlich auf das Gewürm von Pinkertons herab zu schauen.

Benjamin war König geblieben. Benjamin wandelte weiter im „Garten Eden“, und seine Besten sprachen in allen Zungen von Prophezeiungen, die schon im Jahre 1903 verrieten, daß ihr König eines Tages von Frauen fälschlich angeklagt werde.

Endlich, nach vier Jahren, wurde King Ben bei einer Razzia im Hause David verhaftet. Es war Sheriffwahl im Ort und wohl nur deshalb geglückt. Desselben Tages wurde er wieder gegen eine Kaution von 120 000 Dollar freigelassen und harrt nun seines Prozesses, aus dem er zweifellos glücklich herauskommen wird. Sein Fall ist keine Privatsache, sondern behandelt die Organisation des amerikanischen Staates, die das Sektenwesen zur höchsten Blüte treibt, um den Etat für Polizei, Justiz usw. nicht übermäßig zu belasten.

In keinem Lande der Welt spielen Religion und Sektenwesen eine so große Rolle wie hier. Amerikanische Verfassung spricht von Religionsfreiheit, erhebt sie zu einer privaten Angelegenheit (die Kirche wird nicht vom Staate unterstützt), aber wagt ja nicht, daran zu glauben, wagt ja nicht, gegen solche „privaten“ Institutionen zu sprechen, es würde euch sicher nicht gut bekommen, sowas setzt Zuchthaus. Die Sekten beherrschen ihre Anhänger und meistens sind ihre Funktionäre zugleich Fabrikboß, und so bleibt, will man nicht allzusehr den Zufällen des Arbeitsmarktes ausgesetzt sein, nichts anderes, als diesem zu gefallen.

Die Geldschneiderei der Sekten grenzt ans Unglaubliche. Mit welchem Zynismus den Abgeschufteten das Geld aus den Taschen gelockt wird, mit welchem Maß von Dummheit man rechnet, kann nur glauben, wer es gesehen hat. Mit dreistem Gesicht behaupten rattengesichtige Hochstapler, daß Blinddarm, überhaupt alle Krankheiten, durch Beten geheilt werden können, daß man als wahrer Christ jede medizinische oder chirurgische Behandlung abzulehnen hat.

Die Gesundbeter finden immer noch genug Selbstmörder, die ihre Inspiratoren glänzend bezahlen; und wer es wagen wollte, diese Leute unschädlich zu machen, würde ebenfalls Selbstmord betreiben. Nicht umsonst ist dieser Stumpfsinn ein der Polizei ebenbürtiges Mittel zur Unterdrückung des Fortschritts. Als solches ist es gegen alle Angriffe der Kritik geschützt, gegen alle papiernen Gesetze gefeit, als solches wird auch Benjamin Purnell weiter Körnig sein, mitten in der Republik. Und all das wird erst zerstört werden, wenn die Ideologie der Menschheit sich notgedrungen der Ökonomischen Wirklichkeit anpassen muß, wenn der Sprung aus der Phrase getan werden muß, um nicht das Paradies – – aber doch die bestmöglichste Gesellschaftsordnung zu schaffen.


Zuletzt aktualisiert am 14.2.2009