E. Preobraschensky

 

Resolution über die Parteidemokratie

(Oktober 1923)


Resolution im Namen der Opposition für eine Plenarsitzung des Zentralkomitees und der Zentralen Kontrollkommission, die vom 25.–27. Oktober 1923 tagte. [1]
Transkription: Internationale Sozialisten.
HTML-Markierung: Einde O’Callaghan für das Marxists’ Internet Archive.


Um die Resolution des 10. Parteitags [2] über die Parteiarbeit wirksam werden zu lassen und die Prinzipien der Arbeiterdemokratie im Parteileben zu verwirklichen, sind folgende Maßnahmen notwendig:

1. Es ist erforderlich, eine Reihe von Resolutionen über die Heranziehung der Peripherie der Partei zur aktiven Arbeit auch tatsächlich zu praktizieren. Dies darf nicht nur ein Transmissionsriemen der höchsten Parteiorgane zu den arbeitenden Massen sein, sondern gerade der Bereich, in dem die Meinung der Partei und der Gesellschaft auf der Grundlage der Verbindung mit den Massen gebildet wird. Es ist notwendig, daß eine breite Diskussion aller wichtigen Fragen des politischen, wirtschaftlichen und Parteilebens in allen Parteiorganisationen stattfindet; miteingeschlossen die Erlaubnis, in Debatten Parteifragen nicht nur auf Vorschlag des Parteikomitees aufzuwerfen, sondern auch durch die Initiative der Parteizellen selbst.

2. Es ist notwendig, das Verbot von Diskussionen, die gerade die grundlegende Form der Parteikritik sind, im allgemeinen aufzuheben und im besonderen die Diskussionen in den Parteizirkeln und der Parteipresse wieder zu beleben.

3. Es ist notwendig, eine wirksame und ständige Kontrolle der öffentlichen Parteimeinung über die Arbeit der leitenden Organe durch systematische Rechenschaftsberichte der Parteikomitees vor lokalen Zellen und allgemeinen Parteiversammlungen zu sichern.

4. Es ist notwendig, die Praxis der Kooptation durch die Parteiführung zu stoppen und das Prinzip der Wahl der ausführenden Parteiorgane und -funktionen wiederherzustellen, wie es immer in der Partei existiert hat.

5. Es ist notwendig, mit dem bestehenden System der Auswahl der Parteiarbeiter aufzuhören, die nicht nur nach Maßgabe der Eignung für diese oder jene Aufgabe geschieht, sondern auch nach der Bereitschaft, sich den gegebenen Anordnungen zu unterwerfen. Dieses System ermöglicht das Auftauchen solch negativer Phänomene in der Partei wie Unterwürfigkeit und Karrierismus. Um diese unerwünschten Phänomene zu bekämpfen ist es notwendig, die Arbeit der Auswahlkommissionen von Grund auf zu ändern.

6. Es ist notwendig, personelle Veränderungen zu überprüfen, die im Laufe des Kampfes gegen Genossen mit abweichenden Meinungen erfolgt sind und solche Umsetzungen wieder rückgängig zu machen, die für unsere Parteiarbeit besonders schädlich waren und immer noch sind.

 

 

Anmerkungen

1. In sechs Punkten forderte diese resolution Maßnahmen zur Wiederherstellung der innerparteilichen Demokratie. Diese Resolution wurde mit 102 gegen 2 Stimmen abgelehnt – ein Mehrheitsverhältnis, das zeigt, wie weit die Korrumpierung der Partei bereits zu diesem Zeitpunkt fortgeschritten war.

Preobraschenski, Jewgenij Alexejewitsch (1886–1937): Parteimitglied seit 1903; von 1921 an Vorsitzender des Finanzausschusses beim Zentralkomitee und dem Rat der Volkskommissare. Hervorragender Ökonom und Schriftsteller, Herausgeber der Prawda, leistete Bildungsarbeit. Autor des Werks Von der NEP zum Sozialismus. In Trotzkis Abwesenheit übernahm er die führende Rolle im Kampf der Opposition von 1923 gegen die wachsende Bürokratie. Spielte eine Schlüsselrolle in der Vereinigten Opposition von 1926. Wurde als einer der ersten 1927 aus der Partei ausgeschlossen. Im Moskauer Prozeß von 1936 angeklagt. Von Stalin ermordet.

2. 10. Parteitag – Der 10. Parteitag, der vom 8. bis 16. März 1921 in Moskau stattfand, beschloß die Einführung der Neuen Ökonomischen Politik (NEP) und verhängte ein zeitweiliges Fraktionsverbot in der Partei.


Zuletzt aktualisiert am 15. Mai 2021