Jakob Stern


Gott? Gottglaube oder Atheismus?


Der Pantheismus

Hier mag auch der Pantheismus (Pan = das All, griechisch) beleuchtet werden, eine Art Mittelding zwischen Theismus und Atheismus; die Lehre, daß Gott und die Welt eins sei.

Man hat damit namentlich die Spinozistische Weltanschauung bezeichnet und im Sinn vorstehender Ausführungen könnte man es gelten lassen. Vielfach aber verbindet man damit die Vorstellung einer mystischen Weltseele, wie sie von älteren und neueren Philosophierern phantasiert wurde, die dem lieben Gott nicht den Abschied geben wollten, aber ihn aus seiner himmlischen Residenz in die Welt selbst, sozusagen als seinen Leib, versetzten; womit zugleich der Welt eine geheimnisvolle Intelligenz angedichtet wurde. Ein verwaschener oder verdünnter Theismus.

Zum Teil aber ist der Pantheismus nichts als ein verkappter oder, wie Heine sagt, ein verschämter Atheismus. Dieses Urteil fällt auch Schopenhauer, der an jenen Fürsten erinnert, welcher den Adel in seinem Lande dadurch abschaffen wollte, daß er beschloß, die gesamte Bevölkerung in den Adelsstand zu versetzen. Es ist die Scheu vor dem Wort, nicht vor der Sache; oft aber auch ein mit dem lieben Publikum getriebener Hokuspokus, à la Faust, der dem guten Gretchen auf seine Frage: „Glaubst du an Gott?“ so schön pantheistisch antwortet:

Der Allumfasser,
Der Allerhalter,
Faßt und erhält er nicht
Dich, mich, sich selbst? ...
Liegt die Erde nicht hierunten fest?
Und steigen freundlich blickend
Ewige Sterne nicht herauf?
Schau ich nicht Aug’ ins Auge dir,
Und drängt nicht alles
Nach Haupt und Herzen dir
Und webt in ewigem Geheimnis
Unsichtbar, sichtbar neben dir?
Erfüll’ davon dein Herz, so groß es ist,
Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist,
Nenn’ es dann wie du willst,
Nenn’s Glück! Herz! Liebe! Gott ...
Name ist Schall und Rauch.

Und das gute Gretchen meint naiv:

Ungefähr sagt das der Pfarrer auch.

Wenn aber der Faustdichter auch sonst pantheistische Verse geprägt hat, so ist das mehr poetisch, denn als Bekenntnis zu nehmen.

Was wär’ ein Gott, der nur von außen stieße,
Im Kreis das All am Finger laufen ließe?
Ihm ziemt’s, die Welt im Innern zu bewegen,
Natur in sich, sich in Natur zu hegen,
So daß, was in ihm lebt und webt und ist,
Nie seine Kraft, nie seinen Geist vermißt.

Und Heine:

Hörst du den Gott im finstern Meer?
Mit tausend Stimmen spricht er.
Und siehst du über unserm Haupt
Die tausend Gotteslichter?
Der heilige Gott, der ist im Licht
Wie in den Finsternissen;
Und Gott ist alles was da ist;
Er ist in unseren Küssen.


Zuletzt aktualisiert am 9.8.2008