Leo Trotzki

Terrorismus und Kommunismus

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Die Pariser Kommune und Sowjetrußland

Die kurze Episode der ersten Revolution, die vom Proletariat für das Proletariat durchgeführt wurde, endete mit dem Triumph seiner Gegner. Diese Episode dauerte vom 18. März bis zum 28. Mai, d. h. 72 Tage.
Die Pariser Kommune vom 18. März 1871. P. L. Lawrow, Petrograd 1919, S. 160
 

Der Mangel an Vorbereitung bei den sozialistischen Parteien der Kommune

Die Pariser Kommune des Jahres 1871 war der erste, noch schwache historische Versuch der Herrschaft der Arbeiterklasse. Wir schätzen das Andenken der Kommune, ungeachtet der äußersten Beschränktheit ihrer Erfahrung, der schlechten Vorbereitung ihrer Teilnehmer, der Unklarheit ihres Programms, des Mangels an Einigkeit unter den Führern, der Unentschlossenheit der Pläne, der hoffnungslosen Verwirrung bei der Ausführung und des schrecklichen, durch dieses alles fatal bedingten Zusammenbruches. Wir schätzen in der Kommune, nach dem Ausdruck Lawrows, „die erste, wenn auch überaus bleiche Morgenröte der Republik des Proletariats“. Ganz anders Kautsky. Nachdem er einen bedeutenden Teil seines Buches (Terrorismus und Kommunismus) der grob tendenziösen Gegenüberstellung von Kommune und Sowjetmacht gewidmet hat, sieht er die Hauptvorzüge der Kommune darin, worin wir ihr Unglück und ihre Schuld sehen.

Kautsky beweist eifrig, daß die Pariser Kommune von 1871 nicht „künstlich“ vorbereitet worden, sondern unerwartet entstanden sei und die Revolutionäre überrascht habe, – im Gegensatz zur Novemberrevolution, die unsere Partei sorgfältig vorbereitet habe. Das ist unbestreitbar. Da er sich nicht entschließen kann, seine tief reaktionären Gedanken klar zu formulieren, sagt Kautsky nicht direkt, ob die Pariser Revolutionäre von 1871 dafür, daß sie den proletarischen Aufstand nicht vorhergesehen haben und sich zu ihm nicht vorbereiten konnten, Anerkennung verdienen, und ob wir dafür, daß wir das Unvermeidliche voraussahen und ihm bewußt entgegengingen, getadelt werden müssen. Jedoch die ganze Auslegung Kautskys ist so aufgebaut, daß bei dem Leser gerade diese Vorstellung hervorgerufen wird. Ueber die Kommunarden war einfach ein Unglück hereingebrochen (der bayrische Philister Vollmar drückte einst sein Bedauern aus, daß die Kommunarden nicht schlafen gegangen sind, anstatt die Macht an sich zu reißen), und deshalb verdienen sie Nachsicht; die Bolschewiki sind dem Unglück (der Macht) bewußt entgegengegangen, und deshalb wird ihnen weder in dieser noch in jener Welt verziehen werden. Eine solche Fragestellung kann ihrem inneren Widerspruch nach unglaubwürdig erscheinen. Dessenungeachtet folgt sie unvermeidlich aus der Position der „unabhängigen“ Kautskyaner, die den Kopf in den Sand stecken, um nichts zu sehen und nichts vorauszusehen, und die nur dann einen Schritt vorwärts tun, wenn sie vorher einen tüchtigen Puff in den Rücken bekommen haben.

„Paris zu erniedrigen – schreibt Kautsky –, ihm jede Selbstverwaltung vorzuenthalten, ihm seine Stellung als Hauptstadt zu rauben, endlich es zu entwaffnen, um in voller Sicherheit den monarchistischen Staatsstreich wagen zu können, das wurde die wichtigste Sorge der Nationalversammlung und des von ihr erwählten Chefs der Exekutive, Thiers. Aus dieser Situation entsprang der Konflikt, der zum Ausbruch der Pariser Insurrektion führte.

„Man sieht, wie ganz anderer Art sie war als der Staatsstreich des Bolschewismus, der aus dem Friedensbedürfnis seine Kraft zog, der die Bauern hinter sich hatte, der in der Nationalversammlung keine Monarchisten sich gegenübersah, sondern Sozialrevolutionäre und menschewistische Sozialdemokraten.

„Die Bolschewiki kamen zur Macht durch einen wohlvorbereiteten Staatsstreich, der ihnen mit einem Schlage die gesamte Staatsmaschinerie auslieferte, die sie sofort aufs energischste und rücksichtsloseste zur politischen und ökonomischen Enteignung ihrer Gegner – aller ihrer Gegner, auch der proletarischen – ausnutzten.

„Durch die Erhebung der Kommune wurde dagegen niemand mehr überrascht als die Revolutionäre selbst. Und einem großen Teil unter ihnen kam der Konflikt äußerst unerwünscht.“ (S. 44)

Um uns den wirklichen Sinn dessen, was Kautsky hier über die Kommunarden sagt, besser klarzumachen, wollen wir folgende interessante Zeugnisse anführen:

„... Am 1. März 1871 – schreibt Lawrow in seinem sehr lehrreichen Buch über die Kommune –, ein halbes Jahr nach dem Fall des Kaiserreichs und einige Tage vor dem Ausbruch der Kommune, hatten die leitenden Persönlichkeiten der Pariser Internationale dennoch kein bestimmtes politisches Programm ... [1]

„Nach dem 1. März – schreibt derselbe Verfasser – war Paris in den Händen des Proletariats, seine Führer aber, die durch die ihnen unerwartet zugefallene Macht die Geistesgegenwart verloren hatten, ergriffen nicht einmal die elementarsten Maßnahmen.“ [2]

„Ihr seid eurer Rolle nicht gewachsen und eure einzige Sorge ist es, euch von der Verantwortung freizumachen, sagte ein Mitglied des Zentralkomitees der Nationalgarde.“

Darin liegt viel Wahrheit – schreibt der Teilnehmer und Historiker der Kommune Lissagaray – aber im Augenblick der Handlung selbst macht sich der Mangel an vorheriger Organisation und Vorbereitung sehr häufig dadurch bemerkbar, daß den Menschen eine Rolle zufällt, die ihre Kräfte übersteigt. [3]

Hieraus ist bereits ersichtlich (weiterhin wird das noch klarer werden), daß das Fehlen eines direkten Kampfes um die Macht von Seiten der Pariser Sozialisten durch ihre theoretische Formlosigkeit und politische Verwirrung zu erklären war und durchaus nicht durch höhere taktische Erwägungen.

Man braucht nicht daran zu zweifeln, daß die Treue Kautskys selbst in bezug auf die Traditionen der Kommune hauptsächlich in der außerordentlichen Verwunderung bestehen wird, mit der er dem proletarischen Umsturz in Deutschland als einem im höchsten Grade unerwünschten Konflikt begegnen wird. Wir zweifeln jedoch daran, daß ihm dies von den Nachkommen als Verdienst angerechnet werden wird. In bezug auf das Wesen seiner historischen Analogie aber müssen wir sagen, daß sie ein Gemisch von Konfusion, Vertuschungen und Täuschungen darstellt.

Die gleichen Absichten, die Thiers in bezug auf Paris hatte, hatte Miljukow, der von Zeretelli und Tschernow offen unterstützt wurde, in bezug auf Petrograd. Sie alle – von Kornilow bis Potressow – wiederholten tagaus, tagein, daß sich Petrograd vom Lande losgerissen habe, daß es mit ihm nichts gemein habe, daß es total demoralisiert sei und danach strebe, dem Lande seinen Willen aufzuzwingen. Petrograd absetzen und erniedrigen, das war die erste Aufgabe Miljukows und seiner Gehilfen. Und das fand in einer Periode statt, als Petrograd der wirkliche Mittelpunkt der Revolution war, die sich in den übrigen Teilen des Landes noch nicht hatte befestigen können. Der frühere Vorsitzende der Duma, Rodsjanko, sprach offen davon, Petrograd den Deutschen zur Dressur zu übergeben, ähnlich wie Riga übergeben worden war. Rodsjanko nannte nur das beim Namen, was die Aufgabe Miljukows war und was Kerenski durch seine ganze Politik förderte.

Miljukow wollte, wie auch Thiers, das Proletariat entwaffnen. Und mit Hilfe von Kerenski, Tschernow und Zeretelli wurde das Petrograder Proletariat im Juli 1917 auch in bedeutendem Maße entwaffnet. Es bewaffnete sich teilweise wieder während des Kornilowschen Vormarsches auf Petrograd im August. Und diese neue Bewaffnung war ein ernstes Element der Vorbereitung zum Novemberaufstand. Demgemäß fallen gerade die Punkte, in denen Kautsky unserer Novemberrevolution den Märzaufstand der Pariser Arbeiter entgegenstellt, in bedeutendem Maße zusammen.

Worin besteht aber der Unterschied zwischen ihnen? Vor allem darin, daß die schändlichen Pläne Thiers gelangen, daß Paris von ihm erwürgt wurde, viele Tausende von Arbeitern vernichtet wurden. Miljukow dagegen erlitt eine schimpfliche Niederlage, Petrograd blieb die unbezwingbare Feste des Proletariats und der Führer der Bourgeoisie fuhr in die Ukraine, um für die Okkupation Rußlands durch die Truppen des Kaisers Sorge zu tragen. In diesem Unterschiede liegt ein bedeutender Teil unserer Schuld, und wir sind bereit, die Verantwortung dafür zu übernehmen. Ein kapitaler Unterschied bestand auch darin – und das zeigte sich bei der weiteren Entwicklung der Ereignisse –, daß, während die Kommunarden vorwiegend von patriotischen Erwägungen ausgingen, wir uns unabänderlich vom Gesichtspunkt der internationalen Revolution leiten ließen. Die Zertrümmerung der Kommune führte zum tatsächlichen Zusammenbruch der Ersten Internationale. Der Sieg der Sowjetmacht führte zur Gründung der Dritten Internationale.

Aber Marx riet den Kommunarden – kurz vor dem Umsturz – nicht zum Aufstand, sondern zur Schaffung einer Organisation! Man könnte es noch verstehen, wenn Kautsky dieses Zeugnis anführen würde, um zu beweisen, daß Marx die Zuspitzung der Lage in Paris nicht klar genug übersehen hat. Kautsky aber versucht den Rat Marxens als Beweis dafür auszubeuten, daß Aufstände überhaupt tadelnswert seien. Wie alle Bonzen der deutschen Sozialdemokratie sieht Kautsky in der Organisation vor allem ein Mittel, revolutionäre Aktionen zu verhindern.

Aber sogar wenn man sich auf die Frage der Organisation als solche beschränkt, so darf man nicht vergessen, daß der Novemberrevolution neun Monate der Regierung Kerenskis vorausgegangen waren, in deren Verlauf unsere Partei nicht ohne Erfolg nicht nur agitatorisch, sondern auch organisatorisch gearbeitet hatte. Der Novemberumsturz vollzog sich, nachdem wir in den Arbeiter- und Soldatensowjets von Petrograd, Moskau und aller Industriezentren des Landes überhaupt eine erdrückende Mehrheit erobert und die Sowjets in machtvolle, von unserer Partei geleitete Organisationen verwandelt hatten. Die Kommunarden hatten ähnliches nicht aufzuweisen. Endlich hatten wir hinter uns die heldenhafte Pariser Kommune, aus deren Zusammenbruch wir für uns den Schluß zogen, daß Revolutionäre die Ereignisse voraussehen und sich auf sie vorbereiten müssen. Dies ist eine Schuld, die wir ebenfalls gern auf uns nehmen.
 

Die Pariser Kommune und der Terrorismus

Den ausführlichen Vergleich zwischen der Kommune und Sowjetrußland benutzt Kautsky nur, um die lebendige und siegreiche Diktatur des Proletariats gegenüber dem Versuch einer Diktatur, der einer schon ziemlich entfernten Vergangenheit angehört, zu verleumden und zu erniedrigen.

Kautsky zitiert mit außerordentlicher Genugtuung die Erklärung des Zentralkomitees der Nationalgarde vom 19. März aus Anlaß der Ermordung zweier Generale durch Soldaten:

„Wir sagen es mit Entrüstung, der blutige Schmutz, mit dem man unsere Ehre zu schänden sucht, ist eine elende Infamie. Niemals wurde von uns eine Exekution beschlossen, niemals hat die Nationalgarde an der Ausübung eines Verbrechens teilgenommen.“

Das Zentralkomitee konnte selbstverständlich gar keine Veranlassung haben, die Verantwortung für Morde zu übernehmen, an denen es nicht beteiligt war. Der sentimental-pathetische Ton der Erklärung jedoch charakterisiert deutlich die politische Schüchternheit dieser Leute in bezug auf die bürgerliche öffentliche Meinung. Und das ist kein Wunder. Die Vertreter der Nationalgarde waren in der Mehrzahl Leute mit sehr bescheidener revolutionärer Vergangenheit:

„Nicht ein bekannter Name“ –, schreibt Lissagaray. – „Das waren Kleinbürger, Krämer, die geschlossenen revolutionären Kreisen und größtenteils auch der Politik bisher ferngestanden hatten.“ (S. 70)

„Das schüchterne, etwas furchtsame Gefühl der drohenden geschichtlichen Verantwortung und der Wunsch, sich sobald wie möglich von ihr zu befreien – schreibt Lawrow über sie – blickt aus allen Proklamationen des Zentralkomitees hervor, in dessen Händen das Schicksal von Paris lag.“ (S. 77)

Nachdem er zu unserer Beschämung die Deklamation über das Blut angeführt hat, kritisiert Kautsky nach Marx und Engels die Unentschlossenheit der Kommune:

„Wären die Pariser (d. h. die Kommunarden) Thiers auf den Fersen geblieben, es wäre ihnen vielleicht gelungen, sich der Regierung zu bemächtigen. Die aus Paris abziehenden Truppen hätten nicht den geringsten Widerstand geleistet ... Aber Thiers zog unbehelligt ab. Man gestattete ihm, seine Truppen mit sich zu nehmen und in Versailles zu reorganisieren, mit neuem Geiste zu erfüllen und zu verstärken.“ (S. 49)

Kautsky begreift nicht, daß dieselben Leute aus denselben Gründen die oben angeführte Erklärung vom 19. März abgegeben und – Thiers erlaubt haben, den Rückzug anzutreten und Truppen zu sammeln. Hätten die Kommunarden mit den Mitteln der bloßen geistigen Einwirkung gesiegt, dann hätte ihre Erklärung großes Gewicht bekommen. Doch das ist nicht geschehen. In Wirklichkeit war ihre sentimentale Humanität nur die Kehrseite ihrer revolutionären Passivität. Die Leute, denen das

Schicksal die Macht in Paris gegeben hatte und die die Notwendigkeit nicht einsahen, diese Macht unverzüglich bis zu Ende auszunutzen, Thiers zu verfolgen und ihn, ehe er zur Besinnung kommen konnte, aufs Haupt zu schlagen, in ihren Händen Truppen zu konzentrieren, die nötige Säuberung des Kommandobestandes vorzunehmen, sich der Provinz zu bemächtigen, – diese Leute waren natürlich nicht geneigt, Maßnahmen der strengen Justiz in bezug auf gegenrevolutionäre Elemente zu treffen. Eines ist mit dem andern eng verknüpft. Mau kann Thiers nicht verfolgen, ohne die Agenten Thiers’ in Paris zu verhaften und die Verschwörer und Spione zu erschießen. Wenn man die Ermordung gegenrevolutionärer Generale für ein unzulässiges „Verbrechen“ hält, kann man bei der Verfolgung der Truppen, die von gegenrevolutionären Generalen geführt werden, keine Energie entwickeln.

Während der Revolution ist höchste Energie höchste Humanität.

„Gerade die Menschen – sagt Lawrow sehr richtig –, die Menschenleben, Menschenblut schätzen, müssen danach streben, die Möglichkeit eines schnellen und entschiedenen Sieges zu organisieren und daher möglichst schnell und energisch zu handeln, um die Feinde zu unterdrücken, da nur auf diesem Wege das Minimum an Blutvergießen erreicht werden kann.“ (S. 225)

Die Erklärung vom 19. März kann jedoch viel richtiger eingeschätzt werden, wenn man sie nicht als unbedingtes Glaubensbekenntnis, sondern als Ausdruck vorübergehender Stimmungen betrachtet, die am Tage nach dem unerwarteten und unblutigen Siege herrschten. Kautsky, der für die Dynamik der Revolution und die innere Bedingtheit ihrer schnell anwachsenden Stimmungen kein Verständnis hat, denkt in leblosen Schemata und entstellt die Perspektive der Ereignisse durch willkürlich gewählte Analogien. Er versteht nicht, daß weichherzige Unentschlossenheit den Massen in der ersten Epoche der Revolution überhaupt eigen ist. Die Arbeiter gehen nur unter dem Druck der eisernen Notwendigkeit zum Angriff über, wie sie zum roten Terror nur unter der Drohung der Vernichtung durch die Weißgardisten übergehen. Das, was Kautsky als Resultat einer besonders hohen Moral des Pariser Proletariats im Jahre 1871 hinstellt, kennzeichnet in Wirklichkeit nur die anfängliche Etappe des Bürgerkrieges. Solche Erscheinungen sind auch bei uns beobachtet worden.

In Petrograd wurde die Macht von uns im November 1917 fast ohne Blutvergießen und sogar ohne Verhaftungen erobert. Die Minister der Regierung Kerenskis wurden sehr bald nach dem Umsturz in Freiheit gesetzt. Mehr als das, der Kosakengeneral Kraßnow, der im Verein mit Kerenski, nachdem die Macht an die Sowjets übergegangen war, gegen Petrograd vorrückte und von uns in Gatschina gefangen genommen war, wurde am nächsten Tage auf Ehrenwort in Freiheit gesetzt. „Das war eine Großmut“ ganz im Geiste der ersten Schritte der Kommune. Das war aber ein Fehler. Unlängst ist General Kraßnow, der ein ganzes Jahr im Süden gegen uns gekämpft und viele Tausende Kommunisten vernichtet hat, wieder auf Petrograd vorgerückt, diesmal in den Reihen der Armee von Judenitsch. Einen grausameren Charakter nahm die proletarische Revolution erst nach dem Aufstand der Junker in Petrograd an und besonders nach dem von den Kadetten, Sozialrevolutionären und Menschewiki vorbereiteten Aufstand der Tschechoslowaken an der Wolga, nach der Massenvernichtung der Kommunisten durch diese, dem Attentat auf Lenin, der Ermordung Uritzkis u. a.

Dieselben Tendenzen, nur im Anfangsstadium, finden wir in der Geschichte der Kommune.

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Von der Logik des Kampfes gezwungen, betrat sie im Prinzip den Weg der Abschreckung. Die Gründung des Ausschusses der öffentlichen Wohlfahrt war für viele seiner Anhänger von der Idee des roten Terrors diktiert worden. Der Ausschuß war dazu bestimmt, „die Verräter zu köpfen“ (Journal Officiel, Nr. 182), „den Verrat besiegen“. (ibid., Nr. 124) Zu den „Abschreckungs“-Dekreten muß die Verfügung (vom 3. April) über die Beschlagnahme des Vermögens von Thiers und seiner Minister, über die Zerstörung der Vendomesäule, besonders aber das Dekret über die Geiseln gerechnet werden. Für jeden von den Versaillern erschossenen Gefangenen oder Anhänger der Kommune sollte die dreifache Anzahl der Geiseln erschossen werden. Die Maßnahmen der von Raoul Rigault geleiteten Polizeipräfektur trugen einen rein terroristischen, wenn auch nicht immer zweckmäßigen Charakter.

Die Wirksamkeit all dieser Abschreckungsmaßnahmen wurde gelähmt durch die formlosen Kompromisse der leitenden Elemente der Kommune, durch ihr Bestreben, die Bourgeoisie mittels kläglicher Phrasen mit der vollzogenen Tatsache zu versöhnen, durch ihr Schwanken zwischen der Fiktion der Demokratie und der Realität der Diktatur. Diesen letzten Gedanken hat der verstorbene Lawrow in seinem Buch über die Kommune vortrefflich formuliert.

„Das Paris der reichen Bourgeoisie und der bettelarmen Proletarier verlangte als politische, aus verschiedenen Ständen bestehende Gemeinde im Namen der liberalen Grundsätze die Freiheit des Wortes, der Versammlung, der Kritik der Regierung usw. Paris, das die Revolution zugunsten des Proletariats vollzogen und es sich zur Aufgabe gemacht hatte, diese Revolution in den Institutionen durchzuführen, Paris als Gemeinde des emanzipierten Arbeiterproletariats erforderte revolutionäre, d. h. diktatorische Maßnahmen in bezug auf die Feinde des neuen Regimes.“ (S. 143–144)

Wäre die Pariser Kommune nicht gefallen, sondern hätte sie sich weiter in ununterbrochenem Kampfe gehalten, so wäre sie, das unterliegt keinem Zweifel, gezwungen gewesen, zu schärferen Maßnahmen zwecks Unterdrückung der Gegenrevolution überzugehen. Freilich hätte Kautsky dann nicht die Möglichkeit gehabt, den humanen Kommunarden die unmenschlichen Bolschewiki gegenüberzustellen. Dafür hätte wahrscheinlich auch Thiers nicht die Möglichkeit gehabt, seinen ungeheuerlichen Aderlaß an dem Proletariat von Paris vorzunehmen. Die Geschichte wäre dabei gewiß nicht zu kurz gekommen.
 

Das eigenmächtige Zentralkomitee und die „demokratische” Kommune

„Am 19. März – erzählt Kautsky – verlangten im Zentralkomitee die einen, man solle nach Versailles marschieren, andere, man solle sofort an die Wähler appellieren, wieder andere, man solle sofort revolutionäre Maßnahmen ergreifen. Als ob nicht jeder dieser Schritte – belehrt uns der Verfasser scharfsinnig – gleich notwendig gewesen wäre und einer von ihnen den anderen ausgeschlossen hätte.“ (S. 4)

Im weiteren trägt uns Kautsky anläßlich dieser Uneinigkeiten in der Kommune aufgewärmte Banalitäten über die Wechselbeziehungen zwischen Reform und Revolution vor. In Wirklichkeit stand die Frage so: wollte man gegen Versailles vorrücken, und wollte man das sofort, ohne auch nur eine Stunde zu verlieren, so mußte die Nationalgarde sofort reorganisiert, an ihre Spitze die kampffähigsten Elemente des Pariser Proletariats gestellt und Paris dadurch zeitweilig in revolutionärer Hinsicht geschwächt werden. Aber in Paris Wahlen vornehmen und gleichzeitig die Blüte der Arbeiterklasse aus seinen Mauern hinausführen, das wäre vom Gesichtspunkt der revolutionären Partei aus sinnlos gewesen. Theoretisch widersprechen der Vormarsch auf Versailles und die Wahlen zur Kommune einander selbstverständlich durchaus nicht, praktisch aber schließen sie einander aus: um den Wahlen Erfolg zu sichern, mußte der Vormarsch aufgeschoben werden, um dem Vormarsch Erfolg zu sichern, mußten die Wahlen aufgeschoben werden. Endlich, wenn das Proletariat ins Feld geführt und Paris zeitweilig geschwächt werden sollte, so mußte man sich vor der Möglichkeit gegenrevolutionärer Anschläge auf die Hauptstadt sichern, denn Thiers hätte vor keinerlei Maßnahmen haltgemacht, um im Rücken der revolutionären Armee sein weißes Feuer zu entzünden. Es mußte ein militärisches, d. h. strengeres Regime in der Hauptstadt festgesetzt werden.

„Es mußte – schreibt Lawrow – gegen zahlreiche innere Feinde gekämpft werden, die Paris anfüllten und gestern noch vor der Börse auf dem Vendomeplatz revoltiert hatten, die ihre Vertreter in der Verwaltung, in der Nationalgarde hatten, die ihre Presse, ihre Versammlungen hatten, die fast offen zu den Versaillern in Beziehungen standen und bei jeder Unvorsichtigkeit, bei jedem Mißerfolg der Kommune entschlossener und frecher wurden.“ (S. 87)

Es war außerdem notwendig, revolutionäre Maßnahmen finanziellen und überhaupt ökonomischen Charakters, vor allem zur Sicherstellung der revolutionären Armee, zu treffen. Alle diese notwendigsten Maßnahmen der revolutionären Diktatur waren kaum mit einer ausgedehnten Wahlkampagne in Einklang zu bringen. Kautsky aber hat keine Ahnung davon, was eine in Wirklichkeit geführte Revolution ist. Er denkt, daß theoretisch in Einklang bringen dasselbe sei, wie praktisch verwirklichen.

Das Zentralkomitee hatte die Wahlen auf den 22. März festgesetzt, trat aber, seiner selbst nicht sicher, aus Angst vor seiner Illegalität, bestrebt, in Uebereinstimmung mit „gesetzlichen“ Institutionen zu handeln, in sinnlose und endlose Verhandlungen mit der vollständig machtlosen Versammlung der Maires und der Deputierten von Paris ein, bereit, mit ihnen die Macht zu teilen, um nur eine Verständigung zustandezubringen. Indessen verrann die wertvolle Zeit.

Marx, auf den sich Kautsky aus alter Anhänglichkeit zu stützen sucht, hat auf keinen Fall vorgeschlagen, Wahlen zu der Kommune vorzunehmen und gleichzeitig die Arbeiter ins Feld zu führen. In einem Brief an Kugelmann schreibt Marx am 12. April 1871, daß das Zentralkomitee der Nationalgarde die Macht zu früh übergeben habe, um der Kommune Platz zu machen. Kautsky „begreift“, seinen eigenen Worten zufolge, diese Ansicht Marxens nicht. Das ist ganz einfach. Marx hat auf jeden Fall begriffen, daß die Aufgabe nicht in der Jagd nach Legalität, sondern darin bestand, dem Feinde den Todesstoß zu versetzen.

„Hätte das Zentralkomitee aus wirklichen Revolutionären bestanden – sagt Lawrow richtig – so hätte es anders handeln müssen. Es wäre dann unverzeihlich gewesen, den Feinden vor der Wahl und der Einberufung der Kommune zehn Tage zur Erholung zu geben, während die Führer des Proletariats die Pflicht und das Recht ablehnten, das Proletariat unverzüglich in den Kampf zu führen. Der fatale Mangel an Vorbereitung der Volksparteien schuf das Komitee, das sich zu diesen 10 Tagen der Untätigkeit verpflichtet fühlte.“ (S. 78)

Das Bestreben des Zentralkomitees, die Macht sobald wie möglich einer „gesetzlichen“ Regierung zu übergeben, wurde nicht so sehr vom Aberglauben des formalen Demokratismus, an welchem übrigens auch kein Mangel herrschte, diktiert, wie von der Furcht vor der Verantwortung. Unter dem Vorwand, daß es eine provisorische Institution sei, wich das Zentralkomitee der Ergreifung der notwendigsten und dringendsten Maßnahmen aus, ungeachtet dessen, daß sich der ganze materielle Apparat der Macht in seinen Händen befand. Aber auch die Kommune hatte nicht in vollem Maße die politische Macht aus den Händen des Zentralkomitees übernommen, das fortfuhr, sich ziemlich ungeniert in alle Angelegenheiten einzumischen. Das schuf eine besonders in militärischer Hinsicht gefährliche Doppelherrschaft.

Am 3. Mai sandte das Zentralkomitee eine Deputation in die Kommune und verlangte die Verwaltung des Kriegsministeriums für sich. Von neuem wurde, wie Lissagaray sagt, die Frage aufgeworfen, „ob das Zentralkomitee aufzulösen oder zu verhaften oder ob ihm die Verwaltung des Kriegsministeriums zu überlassen sei.“

Es handelte sich hier durchaus nicht um die Prinzipien der Demokratie, sondern um den Mangel an einem klaren Aktionsprogramm bei beiden Beteiligten und um die Bereitschaft sowohl der eigenmächtigen revolutionären Organisation des Zentralkomitees, als auch der „demokratischen“ Organisation der Kommune, sich gegenseitig die Verantwortung zuzuschieben, ohne gleichzeitig ganz der Macht zu entsagen. Das sind politische Beziehungen, die, scheint es, durchaus nicht nachahmungswürdig genannt werden können.

„Aber das Zentralkomitee – tröstet sich Kautsky – versuchte nie, das Prinzip anzutasten, daß den Erwählten des allgemeinen Stimmrechts die oberste Macht gebühre ... In diesem Punkte war die Pariser Kommune das gerade Gegenteil der russischen Sowjetrepublik.“ (S. 55)

Die Regierung besaß weder Einheit des Willens noch revolutionäre Entschlossenheit; es bestand eine Doppelherrschaft, die im Resultat zum schnellen und fürchterlichen Zusammenbruch führte. Dafür aber – ist das etwa nicht tröstlich? – wurde das „Prinzip“ der Demokratie nicht verletzt.
 

Die demokratische Kommune und die revolutionäre Diktatur

Genosse Lenin hat Kautsky schon darauf hingewiesen, daß die Versuche, die Kommune als Ausdruck der formalen Demokratie hinzustellen, eine direkte theoretische Charlatanerie sind. Die Kommune war, nach den Traditionen und dem Plan ihrer leitenden politischen Partei, der Blanquisten, der Ausdruck der Diktatur einer revolutionären Stadt über das ganze Land. So war es in der großen Französischen Revolution; so wäre es auch in der Revolution von 1871 gewesen, wenn die Kommune nicht gleich zu Anfang gefallen wäre. Die Tatsache, daß die Macht in Paris selbst auf Grund allgemeiner Abstimmung gewählt war, beseitigt nicht eine andere Tatsache, die von viel größerer Tragweite ist: die militärischen Aktionen der Kommune, einer Stadt, gegen das bäuerliche Frankreich, d. h. das ganze Land. Um den großen Demokraten Kautsky zu befriedigen, hätten die Revolutionäre der Kommune erst durch allgemeine Abstimmung die ganze Bevölkerung Frankreichs befragen sollen, ob sie ihnen gestatte, gegen die Banden von Thiers zu kämpfen.

Endlich wurden die Wahlen in Paris selbst nach der Flucht der Thiersschen Bourgeoisie, wenigstens ihrer aktivsten Elemente, und nach der Entfernung der Thiersschen Truppen vorgenommen. Die in Paris gebliebene Bourgeoisie fürchtete bei all ihrer Frechheit dennoch die revolutionären Bataillone, und die Wahlen fanden unter dem Zeichen dieser Furcht statt, die eine Vorahnung des weiterhin unvermeidlichen roten Terrors war. Sich damit trösten zu wollen, daß das Zentralkomitee der Nationalgarde, unter dessen zum Unglück äußerst matter und formloser Diktatur sich die Wahlen zur Kommune vollzogen, das Prinzip der allgemeinen Abstimmung nicht verletzt habe, heißt wahrlich, mit dem Schatten der Bürste den Schatten des Wagens reinigen.

Bei seinen furchtlosen Gegenüberstellungen nutzt Kautsky den Umstand aus, daß der Leser nicht mit den Tatsachen bekannt ist. In Petersburg haben wir im Dezember 1917 ebenfalls eine Kommune (die Stadtduma) auf der Grundlage der „demokratischsten“ Abstimmung, ohne Einschränkung für die Bourgeoisie, gewählt. Diese Wahlen ergaben für uns bei dem Boykott der bürgerlichen Parteien eine erdrückende Mehrheit. [4] Die „demokratisch“ gewählte Stadtduma unterwarf sich freiwillig dem Petersburger Sowjet, d. h. sie stellte die Tatsache der Diktatur des Proletariats über das „Prinzip“ der allgemeinen Abstimmung und löste sich nach einiger Zeit durch eigene Verfügung zugunsten einer der Abteilungen des Petersburger Sowjets auf. Demgemäß ist dem Petersburger Sowjet – diesem echten Vater der Sowjetmacht – der Segen der formalen „demokratischen“ Weihe ebenso zu teil geworden wie der Pariser Kommune.

„Bei der Wahl am 26. März wurden 90 Mitglieder der Kommune gewählt. Darunter 15 Regierungsleute und sechs Bürgerlich-Radikale, die in Opposition zur Regierung standen, die Insurrektion (der Pariser Arbeiter) aber verurteilten.“

„Eine Sowjetrepublik – belehrt Kautsky – hätte es gar nicht gestattet, daß solche Elemente der Gegenrevolution sich als Kandidaten präsentieren, geschweige denn sich wählen lassen konnten. Die Kommune bereitete, ihrem Respekt vor der Demokratie entsprechend, der Wahl ihrer bürgerlichen Gegner nicht die geringsten Hindernisse.“ (S. 55–56)

Wir haben schon oben gesehen, daß Kautsky hier in jeder Hinsicht ins Blaue trifft. Erstens haben im analogen Entwicklungsstadium der russischen Revolution demokratische Wahlen in die Petersburger Kommune stattgefunden, wobei die Sowjetmacht den bürgerlichen Parteien keinerlei Hindernisse in den Weg legte; und wenn die Kadetten, Sozialrevolutionäre und Menschewiki, die durch ihre Presse offen zum Sturz der Sowjetmacht aufforderten, die Wahlen boykottiert haben, so nur deshalb, weil sie zu der Zeit noch hofften, durch militärische Kraft schnell mit uns fertig zu werden. Zweitens gab es auch in der Pariser Kommune eine alle Klassen umfassende Demokratie nicht. Für die bürgerlichen Deputierten – die Konservativen, Liberalen, Gambettisten – war in ihr kein Platz.

„Fast alle diese Personen – sagt Lawrow – traten sofort oder sehr bald aus dem Rat der Kommune aus; sie hätten Vertreter von Paris – der freien Stadt unter der Verwaltung der Bourgeoisie – sein können, gehörten aber durchaus nicht in den Rat einer Gemeinde, die mit ihrem Willen oder gegen denselben, bewußt oder unbewußt, vollkommen oder unvollkommen die Revolution des Proletariats und einen, wenn auch schwachen Versuch darstellte, Gesellschaftsformen zu schaffen, die dieser Revolution entsprachen.“ (S. 111–112)

Hätte die Petersburger Bourgeoisie nicht die Kommunalwahlen boykottiert, so hätten ihre Vertreter zur Petersburger Stadtduma gehört. Dort wären sie bis zum ersten Aufstand der Sozialrevolutionäre und Kadetten geblieben, wonach sie – mit oder ohne Erlaubnis von Kautsky – wahrscheinlich verhaftet worden wären, wenn sie es nicht vorgezogen hätten, die Duma rechtzeitig zu verlassen, wie dies zu einem gewissen Zeitpunkt die bürgerlichen Glieder der Pariser Kommune getan haben. Der Gang der Ereignisse wäre derselbe geblieben, – nur daß sich an seiner Oberfläche einige Episoden anders gestaltet hätten.

Kautsky, der die Demokratie der Kommune preist und sie gleichzeitig ungenügender Entschlossenheit in bezug auf Versailles beschuldigt, begreift nicht, daß die Kommunalwahlen, die unter der zweideutigen Teilnahme der „gesetzmäßigen“ Maires und Deputierten durchgeführt wurden, die Hoffnung auf einen friedlichen Vertrag mit Versailles widerspiegelten. Darin liegt das Wesen der Sache. Die Führer wollten eine Verständigung und nicht den Kampf. Die Illusion der Wahlen hatte sich in den Massen noch nicht überlebt. Die falschen revolutionären Autoritäten hatten sich noch nicht blamiert. Alles zusammen wurde Demokratie genannt.

„Wir müssen unsere Feinde durch moralische Kraft beherschen“ ... predigte Vermorel. „Man darf die Freiheit und das Leben der Persönlichkeit nicht antasten ...“

Im Bestreben den „Bürgerkrieg“ zu verhüten, forderte Vermorel die liberale Bourgeoisie, die er früher so schonungslos gebrandmarkt hatte, auf, eine „richtige, von der ganzen Bevölkerung von Paris anerkannte und geachtete Macht“ zu schaffen. Das Journal Officiell, das unter der Leitung des Internationalisten Longuet erschien, schrieb:

Das traurige Mißverhältniß, das in den Junitagen (1848) zwei Gesellschaftsklassen gegeneinander bewaffnet hat, kann sich nicht mehr wiederholen ... Der Klassenantagonismus hat aufgehört zu existieren ... (v. 30. März)

Und weiter:

„Jetzt wird jede Zwietracht aufhören, weil alle solidarisch sind, weil der soziale Haß, der soziale Antagonismus niemals so gering waren.“ (v. 3. April)

In der Sitzung der Kommune vom 25. April konnte sich Jourde nicht ohne Grund dessen rühmen, daß die Kommune „noch nicht das Eigentumsrecht verletzt habe“. Dadurch hoffte man die bürgerliche öffentliche Meinung zu erobern und den Weg zur Verständigung zu finden.

„Eine derartige Predigt – sagt Lawrow ganz richtig – entwaffnete die Feinde des Proletariats, die sehr gut verstanden, womit ihnen der Triumph des Proletariats drohte, durchaus nicht, beraubte aber das Proletariat der Energie und verblendete es gleichsam vorsätzlich angesichts der unversöhnlichen Feinde.“ (S. 137)

Aber diese lähmende Predigt war untrennbar mit der Fiktion der Demokratie verbunden. Die Form der scheinbaren Legalität gestattete die Annahme, daß die Frage ohne Kampf gelöst würde.

„Was die Bevölkerungsmassen anbetrifft, – schreibt das Mitglied der Kommune Arthur Arnould, – so glaubten sie mit einigem Recht an einen mindestens geheimen Vertrag mit der Regierung.“

Machtlos die Bourgeoisie anzuziehen, täuschten die Kompromißler, wie immer, das Proletariat.

Daß der demokratische Parlamentarismus unter den Verhältnissen des unvermeidlichen und schon beginnenden Bürgerkrieges nur die den Kompromißlern eigene Hilflosigkeit der leitenden Gruppen ausdrückte, davon zeugt am deutlichsten die sinnlose Prozedur der Ergänzungswahlen zur Kommune vom 16. April. Zu dieser Zeit „war schon kein Sinn für Abstimmung vorhanden“ – schreibt Arthur Arnould. –

„Die Lage war so tragisch, daß es an der Zeit und der Kaltblütigkeit fehlte, die nötig waren, sollte die Abstimmung überhaupt ihren Zweck erreichen können ... Alle, die der Kommune ergeben waren, befanden sich auf den Befestigungen, in den Forts, in den vordersten Reihen der Truppen ... Das Volk legte den Ergänzungswahlen gar keine Bedeutung bei. Die Wahlen waren eigentlich nur Parlamentarismus. Man hätte nicht die Wähler zählen, sondern Soldaten haben müssen; man hätte nicht ermitteln sollen, ob wir in der Meinung von Paris gestiegen oder gefallen seien, sondern man hätte Paris vor den Versaillern schützen sollen.“

Aus diesen Worten hätte Kautsky ersehen können, warum es in der Praxis nicht so einfach ist, den Klassenkampf mit der alle Klassen umfassenden Demokratie zu verbinden.

„Die Kommune ist keine Konstituierende Versammlung, – schrieb in seiner Zeitschrift Millière, einer der besten Köpfe der Kommune, – sie ist ein Kriegsrat. Sie muß ein Ziel haben: den Sieg; eine Waffe: die Kraft; ein Gesetz: das Gesetz der Rettung der Gesellschaft.“

„Sie konnten nie begreifen, – beschuldigt Lissagaray die Führer, – daß die Kommune eine Barrikade und keine Verwaltung war ...“

Erst am Schluß, als es schon zu spät war, fingen sie an, das zu begreifen. Kautsky hat das bis zum heutigen Tage nicht begriffen. Es ist kein Grund, anzunehmen, daß er es jemals begreifen wird.

* * *

Die Kommune war die lebendige Verneinung der formalen Demokratie, denn in ihrer Entwicklung bedeutete sie die Diktatur des werktätigen Paris über das bäuerliche Land. Diese Tatsache beherrscht alle übrigen. Wie sehr sich die politischen Routiniers aus der Mitte der Kommune selbst auch an den Schein der demokratischen Legalität klammerten, jede Handlung der Kommune, die für den Sieg nicht ausreichte, genügte doch zur Enthüllung ihrer illegalen Natur.

Die Kommune, d. h. die Pariser Stadtverwaltung, schaffte das Reichsgesetz über die Konskription ab. Sie nannte ihr offizielles Organ: Offizielles Journal der französischen Republik. Sie rührte, wenn auch zaghaft, an die Staatsbank. Sie proklamierte die Trennung von Kirche und Staat und schaffte das Budget der Glaubensbekenntnisse ab. Sie trat in Beziehungen zu den ausländischen Botschaften usw. Alles dies tat sie mit dem Recht der revolutionären Diktatur. Dieses Recht aber wollte der damals noch grüne Demokrat Clemenceau nicht anerkennen.

Auf einer Konferenz mit dem Zentralkomitee sagte Clemenceau:

„Der Aufstand hatte eine ungesetzliche Veranlassung ... Bald wird das Komitee lächerlich sein und werden seine Dekrete verachtet werden. Außerdem hat Paris nicht das Recht, sich gegen Frankreich zu erheben und muß unbedingt die Autorität der Nationalversammlung anerkennen.“

Es war die Aufgabe der Kommune, die Nationalversammlung aufzulösen. Leider gelang ihr dies nicht. Heute sucht Kautsky nach mildernden Umständen für ihre „verbrecherische“ Absicht.

Er weist darauf hin, daß die Kommunarden in der Nationalversammlung Monarchisten als Gegner hatten, während wir in der Konstituierenden Versammlung Sozialisten in der Person der Sozialrevolutionäre und der Menschewiki gegen uns hatten. Vollständige Geistesverwirrung! Kautsky spricht von den Menschewiki und den Sozialrevolutionären, vergißt aber den einzigen ernsten Feind – die Kadetten. – Gerade sie waren unsere russische Partei Thiers, d. h. der Block der Eigentümer im Namen des Eigentums, und Professor Miljukow war aus allen Kräften bestrebt, es dem kleinen großen Mann nachzumachen. Schon sehr bald – lange vor der Novemberumwälzung – begann Miljukow seinen Gallifet zu suchen, der Reihe nach in der Person der Generale Kornilow, Alexejew, darauf Kaledin, Kraßnow, und nachdem Koltschak die Konstituierende Versammlung auseinandergejagt und alle politischen Parteien in den Winkel gedrängt hatte, versagte die Partei der Kadetten, die einzige ernste bürgerliche. ihrem Wesen nach durch und durch monarchistische Partei, ihm nicht die Unterstützung, sondern umgab ihn im Gegenteil mit noch größeren Sympathien.

Die Menschewiki und Sozialrevolutionäre spielten bei uns gar keine selbständige Rolle, ebenso wie die Partei Kautskys bei den revolutionären Ereignissen in Deutschland. Ihre Politik stützten sie voll und ganz auf die Koalition mit den Kadetten und räumten diesen dadurch die entscheidende Stellung ein, ganz unabhängig von dem politischen Kräfteverhältnis. Die Partei der Sozialrevolutionäre und Menschewiki war nur der Verbindungsapparat, der dazu diente, in den Versammlungen und bei den Wahlen, das politische Vertrauen der durch die Revolution erweckten Massen zu sammeln und es darauf der gegenrevolutionären imperialistischen Partei der Kadetten, unabhängig von dem Ausgang der Wahlen, zur Verfügung zu stellen. Die wahre Vasallenabhängigkeit der sozialrevolutionär-menschewistischen Mehrheit von der kadettischen Minderheit war an und für sich schon eine schlecht verhüllte Verspottung der Idee der „Demokratie“. Doch damit nicht genug. In allen den Gebieten des Landes, wo das Regime der „Demokratie“ zu lange anhielt, endete es unausbleiblich mit dem offenen Staatsstreich der Gegenrevolution. So war es in der Ukraine, wo die demokratische Rada, die die Sowjetmacht dem deutschen Imperialismus ausgeliefert hatte, selbst von dem Monarchisten Skoropadski gestürzt wurde. So war es im Kubangebiet, wo sich die demokratische Rada als unter dem Stiefel Denikins stehend erwies. So war es – und das ist das wichtigste Experiment unserer „Demokratie“ – in Sibirien, wo die Konstituierende Versammlung, unter der formalen Herrschaft der Sozialrevolutionäre und Menschewiki, bei Abwesenheit der Bolschewiki und unter der faktischen Leitung der Kadetten, zur Diktatur des Zarenadmirals Koltschak führte. So war es endlich in unserem Norden, wo sich die Konstituantler als Regierung des Sozialrevolutionärs Tschaikowski in eine nachlässige Dekoration für die Herrschaft der russischen und englischen gegenrevolutionären Generale verwandelt hatten. So war es oder ist es in allen kleinen Randstaaten: in Finnland, in Estland, in Lettland, in Litauen, in Polen, in Georgien, in Armenien, wo sich unter der formalen Fahne der Demokratie die Befestigung der Herrschaft der Grundbesitzer, der Kapitalisten und des ausländischen Militarismus vollzieht.
 

Der Pariser Arbeiter von 1871
Der Petersburger Proletarier von 1917

Eine der gröbsten, unmotiviertesten und politisch schädlichsten Gegenüberstellungen, die Kautsky zwischen der Kommune und Sowjetrußland macht, betrifft den Charakter des Pariser Arbeiters von 1871 und des russischen Proletariers von 1917 bis 1919. Ersteren schildert Kautsky als revolutionären Enthusiasten, der zu hoher Selbstaufopferung fähig war, letzteren als Egoisten, Feigling, elementaren Anarchisten.

Der Pariser Arbeiter hat eine zu bestimmte Vergangenheit, um der revolutionären Empfehlung oder des Schutzes vor dem Lobe des jetzigen Kautsky zu bedürfen. Trotzdem hat der Petersburger Proletarier keinen Grund und kann keinen Grund haben, einem Vergleich mit seinem heldenhaften älteren Bruder auszuweichen. Der ununterbrochene dreijährige Kampf der Petersburger Arbeiter – erst um die Eroberung der Macht, darauf um ihre Erhaltung und Befestigung, – unter nie dagewesenen, durch Hunger, Kälte und ewige Gefahren verursachten Qualen bildet eine einzige Chronik des kollektiven Heldenmuts und der Selbstaufopferung. Kautsky, wie wir dies in einem anderen Zusammenhang erklären, nimmt zum Vergleich mit der Blüte der Kommunarden die dunkelsten Elemente des russischen Proletariats. Er unterscheidet sich auch in dieser Beziehung nicht von den bürgerlichen Sykophanten, denen die toten Kommunarden ungleich anziehender scheinen als die lebenden.

Das Petersburger Proletariat hat die Macht viereinhalb Jahrzehnte später als die Pariser Proletarier in Besitz genommen. Diese Frist hat uns ungeheure Vorzüge in die Hand gegeben. Der kleinbürgerliche Handwerkercharakter des alten, zum Teil auch des neuen Paris ist Petersburg, dem Mittelpunkt der konzentriertesten Industrie der Welt, vollständig fremd. Der letzte Umstand hat uns die Aufgaben der Agitation und Organisation wie die Errichtung des Sowjetsystems außerordentlich erleichtert.

Unser Proletariat verfügt auch nicht im entferntesten Maße über die reichen revolutionären Traditionen des französischen Proletariats. Dafür aber war zu Beginn der gegenwärtigen Revolution im Gedächtnis der älteren Generation unserer Arbeiter der große Versuch von 1905, sein Mißerfolg und die von ihm ererbte Pflicht der Rache noch frisch.

Die russischen Arbeiter konnten nicht wie die französischen auf eine lange Jahre währende Schule der Demokratie und des Parlamentarismus zurückblicken, die zu einer gewissen Epoche ein wichtiger Faktor der politischer Kultur des Proletariats war. Andererseits aber hatten sich auf die russische Arbeiterklasse noch nicht die Bitterkeit der Enttäuschung und das Gift des Skeptizismus gelegt, die bis zu einem gewissen, hoffentlich nicht mehr fernen Augenblick den revolutionären Willen des französischen Proletariats lähmen.

Die Pariser Kommune brach militärisch zusammen, ehe die ökonomischen Fragen in ihrer ganzen Größe an sie herantraten. Trotz der vortrefflichen Kampfeseigenschaften der Pariser Arbeiter war das militärische Schicksal der Kommune von vornherein als hoffnungslos vorausbestimmt: die Unentschlossenheit und der Hang zu Kompromissen unter der Elite erzeugten den Verfall in den Unterschichten.

Der Nationalgarde wurde der Sold für 162.000 Soldaten und 6.500 Offiziere ausgezahlt; aber die Zahl derer, die tatsächlich in den Kampf gingen, schwankte, besonders nach dem mißlungenen Außfall am 3. April, zwischen 20.000 und 30.000.

Diese Angaben kompromittieren die Pariser Arbeiter durchaus nicht und geben nicht das Recht, sie als Feiglinge und Fahnenflüchtige zu betrachten, obgleich natürlich auch an Fahnenflucht kein Mangel herrschte. Eine kampffähige Armee braucht vor allem einen zentralisierten und genauen Verwaltungsapparat. Davon war bei der Kommune keine Rede.

Das Militärressort der Kommune glich, nach dem Ausdruck eines Verfassers, einem dunklen Zimmer, in dem alle aufeinanderstießen. Die Kanzlei des Ministeriums war von Offizieren und einfachen Gardisten angefüllt, die Kriegsvorräte und Verpflegung forderten und sich beklagten, daß man sie nicht ablöse. Man schickte sie auf die Kommandantur.

„Einige Bataillone blieben 20 bis 30 Tage in den Laufgräben, während andere beständig in der Reserve gehalten wurden ... Diese Sorglosigkeit tötete bald jede Disziplin. Die Tapferen wollten bald nur von sich selbst abhängig sein; andere wichen dem Dienst aus. Ebenso handelten auch die Offiziere; die einen verließen ihren Posten, um dem Nachbar, der im Feuer stand, zu Hilfe zu eilen; andere gingen fort in die Stadt ...“ (Pariser Kommune von 1871, P. L. Lawrow, 1919, S. 100)

Dieses Regime konnte nicht ungestraft bleiben: die Kommune wurde im Blut erstickt. Diesbezüglich aber hat Kautsky einen unvergleichlichen Trost:

„Das Kriegführen – sagt er und schüttelt den Kopf – ist eben nicht die starke Seite des Proletariats.“ (S. 76)

Dieser Aphorismus, der eines Pangloß würdig ist, steht vollständig auf der Stufe eines anderen großen Ausspruchs von Kautsky, – nämlich daß die Internationale während des Krieges nicht brauchbar ist, da sie ihrem Wesen nach ein „Friedensinstrument“ sei.

In diesen beiden Aphorismen zeigt sich eigentlich der jetzige Kautsky voll und ganz, d. h. fast als völlige Null. Das Kriegführen, seht ihr wohl, ist überhaupt nicht die starke Seite des Proletariats, umso mehr, da auch die Internationale nicht für die Kriegsepoche geschaffen worden ist. Das Schiff Kautskys ist für Teiche und für ruhige Buchten geschaffen und nicht für das offene Meer und für stürmische Zeiten. Wenn dieses Schiff ein Leck bekommen hat und nun glücklich sinkt, so sind daran der Sturm, die große Masse des Wassers, das Uebermaß der Wogen und eine Reihe anderer, nicht vorhergesehener Umstände schuld, für die Kautsky sein prächtiges Instrument nicht vorherbestimmt hat.

Das internationale Proletariat hat die Eroberung der Macht zu seiner Aufgabe gemacht. Unabhängig davon, ob der Bürgerkrieg „im allgemeinen“ zu den notwendigen Attributen der Revolution „im allgemeinen“ gehört, bleibt die Tatsache unzweifelhaft bestehen, daß die Vorwärtsbewegung des Proletariats, wenigstens in Rußland, in Deutschland, in den Teilen des früheren Oesterreich- Ungarns, die Form eines intensiven Bürgerkrieges angenommen hat, und dies nicht nur an den inneren, sondern auch an den äußeren Fronten. Wenn die Kriegführung nicht die starke Seite des Proletariats ist und wenn die Arbeiterinternationale nur für die Friedensepoche brauchbar ist, dann muß man die Revolution und den Sozialismus zu Grabe tragen, denn die Kriegführung bildet eine ziemlich starke Seite des kapitalistischen Staates, der ohne Krieg die Arbeiter nicht zur Verwaltung zulassen wird. Dann bleibt nur übrig, die sogenannte „sozialistische“ Demokratie einfach für eine Schmarotzerin der kapitalistischen Gesellschaft und des bürgerlichen Parlamentarismus zu erklären, d. h. offen das zu sanktionieren, was in der Politik die Ebert, Scheidemann und Renaudel tun und wogegen Kautsky immer noch mit Worten zu protestieren scheint.

Die Kriegführung war nicht die starke Seite der Kommune. Eben deshalb wurde die Kommune zertrümmert. Und wie schonungslos zertrümmert!

„Man muß – schrieb seinerzeit der ziemlich gemäßigte Liberale Fiaux – zu den Proskriptionen von Sulla, Antonius und Oktavius zurückkehren, um derartige Morde in der Geschichte der zivilisierten Nationen zu finden; die Religionskriege unter den letzten Valois, die Bartholomäusnacht, die Epoche des Terrors waren im Vergleich mit ihnen Kinderspiel. In der letzten Woche des Mai wurden in Paris 17.000 Leichen der föderierten Insurgenten aufgefunden ... Noch am 15. Juni wurde gemordet.“

„Das Kriegführen ist eben nicht die starke Seite des Proletariats.“

Das ist nicht wahr! Die russischen Arbeiter haben gezeigt, daß sie fähig sind, sich auch des „Kriegsinstrumentes“ zu bemächtigen. Wir sehen hier einen gigantischen Schritt vorwärts im Vergleich zur Kommune. Das ist keine Lossagung von der Kommune – denn die Traditionen der Kommune liegen durchaus nicht in ihrer Hilflosigkeit – es ist die Fortsetzung ihres Werks. Die Kommune war schwach. Um ihr Werk zu Ende zu führen, sind wir stark geworden. Die Kommune wurde geschlagen. Wir versetzen den Henkern der Kommune Schlag auf Schlag. Wir rächen die Kommune und wir werden unsere Rache zu Ende führen.

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Von den 162.000 Nationalgardisten, die Gehalt bezogen, gingen 20.000 bis 30.000 in den Kampf. Diese Ziffern bilden ein interessantes Material für die Schlußfolgerung über die Rolle der formalen Demokratie in der revolutionären Epoche. Das Schicksal der Pariser Kommune wurde nicht bei den Abstimmungen entschieden, sondern in den Kämpfen mit den Truppen von Thiers. 162.000 Nationalgardisten bildeten die Hauptmasse der Wähler. Tatsächlich aber, in den Kämpfen, wurde das Schicksal der Kommune von 20.000 bis 30.000 Mann, der aufopferungsfähigsten kämpfenden Minderheit, entschieden. Diese Minderheit stand nicht allein, – sie äußerte nur mutiger und selbstaufopfernder den Willen der Mehrheit. Es war aber doch nur die Minderheit. Die übrigen, die sich in kritischen Augenblicken versteckten, waren der Kommune nicht feindlich gesinnt; im Gegenteil, sie unterstützten sie aktiv und passiv; sie waren aber weniger klassenbewußt, weniger entschieden. In der Arena der politischen Demokratie machte ihre niedrige Erkenntnisfähigkeit es möglich, daß sie von Abenteurern, Betrügern, kleinbürgerlichen Scharlatanen und ehrlichen Dummköpfen, die sich selbst betrogen, getäuscht wurden. Im Augenblick des offenen Klassenkampfes aber folgten sie mehr oder weniger der selbstaufopfernden Minderheit. Dies fand auch in der Organisation der Nationalgarde seinen Ausdruck. Hätte die Existenz der Kommune länger gedauert, so hätte sich diese Wechselbeziehung zwischen der Vorhut und der Masse des Proletariats mehr und mehr befestigt. Die Organisation die sich im Prozeß des offenen Kampfes als Organisation der werktätigen Massen gebildet hatte, wäre zur Organisation ihrer Diktatur, zum Rat der Deputierten des bewaffneten Proletariats geworden.

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Anmerkungen

1. Die Pariser Kommune vom 18. März 1871, P. L. Lawrow, Verlagsgesellschaft „Kolos“, Petersburg 1919, S. 64–65.

2. Ibid., S. 71.

3. Histoire de la Commune de 1871, par Lissagaray, Bruxelles 1876, S. 106.

4. Es ist interessant, festzustellen, daß sich an den Kommunalwählen im Jahre 1871 in Paris 230.000 Wähler beteiligt haben. An den Wahlen in die Stadtverwaltung im Dezember 1917 in Petersburg nahmen, trotz des Boykotts der Wahlen seitens aller Parteien, außer unserer und der Partei der linken Sozialrevolutionäre, die in der Hauptstadt fast gar keinen Einfluß hatten, 400.000 Wähler teil. Paris zählte im Jahre 1871 – 2.000.000 Bevölkerung. Petersburg hatte im Jahre 1917 – 2.000.000 Bevölkerung. Man muß in Betracht ziehen, daß unser Wahlsystem ungleich demokratischer war. Das Zentralkomitee der Nationalgarde führte die Wahlen auf Grund des Wahlgesetzes des Kaiserreichs durch.


Zuletzt aktualisiert am 8. Februar 2020