Leo Trotzki

 

Manifest der IV. Internationale zum imperialistischen Krieg und zur proletarischen Weltrevolution

(Teil 1)

 

Die Notkonferenz der IV. Internationale, der Weltpartei der sozialistischen Revolution, versammelt sich am Wendepunkt des zweiten imperialistischen Krieges. Das Stadium des Sondierens günstiger Gelegenheiten, der Vorbereitungen und der relativen militärischen Inaktivität wurde weit zurückgelassen. Deutschland hat in einer Großoffensive alle Furien der Hölle losgelassen, die die Alliierten gleichermaßen mit all ihren Vernichtungskräften erwidern. Von jetzt an wird das Leben Europas und der gesamten Menschheit für eine lange Zeit vom Verlauf des imperialistischen Krieges und seinen ökonomischen und politischen Konsequenzen bestimmt werden.

Die IV. Internationale ist der Ansicht, dass es jetzt an der Zeit ist, offen und klar zu sagen, wie sie diesen Krieg und seine Teilnehmer beurteilt, wie sie die Kriegspolitik der verschiedenen Arbeiterorganisationen einschätzt, und, als Wichtigstes, was der Weg zu Frieden, Freiheit und Wohlstand ist. Die IV. Internationale wendet sich nicht an die Regierungen, die die Völker in das Gemetzel gezwungen haben, noch an die bürgerlichen Politiker, die die Verantwortung für diese Regierungen tragen, noch an die Arbeiterbürokratie, die die kriegführende Bourgeoisie unterstützt. Die IV. Internationale wendet sich an die arbeitenden Männer und Frauen, die Soldaten und Matrosen, die ruinierten Bauern und die versklavten Kolonialvölker. Die IV. Internationale hat keinerlei Bindung an die Unterdrücker, die Ausbeuter, die Imperialisten. Sie ist die Weltpartei der Werktätigen, der Unterdrückten und der Ausgebeuteten. Dieses Manifest richtet sich an sie.

 

 

Die allgemeinen Gründe des jetzigen Krieges

Die Technologie ist jetzt unendlich mächtiger als am Ende des Krieges von 1914/18, wohingegen die Menschheit sehr viel mehr von Armut betroffen ist. Der Lebensstandard ist in einem Lande nach dem anderen gesunken. An der Schwelle des jetzigen Krieges war die Landwirtschaft in schlechterer Verführung als beim Ausbruch des letzten Krieges. Die Agrarländer sind ruiniert, In den Industrieländern werden die Mittelklassen ökonomisch zerstört, und eine permanente Unterklasse von Arbeitslosen – moderne Parias – wurde geschaffen. Der Binnenmarkt hat sich verengt. Der Kapitalexport wurde reduziert. Der Imperialismus hat den Weltmarkt faktisch vernichtet, indem er ihn in Gebiete aufspaltete, die von mächtigen Einzelstaaten beherrscht werden. Trotz beträchtlichen Anwachsens der Weltbevölkerung fiel der Welthandel von 109 Staaten auf unserem Planeten um fast ein Viertel, alleine in einem Jahrzehnt vor dem jetzigen Krieg. Der Umsatz im Außenhandel einiger Länder wurde auf die Hälfte, ein Drittel und ein Viertel gekürzt.

Die Kolonialländer leiden unter ihren eigenen inneren Krisen und den Krisen der Metropolen. Rückständige Nationen, die gestern noch halbfrei waren, werden heute in die Sklaverei gestürzt (Abessinien, Albanien, China). Jedes imperialistische Land muss seine eigenen Rohstoffquellen, vor allem für den Krieg, haben, d. h. für einen neuen Kampf um Rohstoffe. Um sich selbst noch mehr zu bereichern, zerstören und verwüsten die Kapitalisten alles, was durch jahrzehntelange Arbeit geschaffen wurde.

Die Welt des niedergehenden Kapitalismus ist übervölkert. Die Frage, hundert zusätzliche Flüchtlinge aufzunehmen, wird ein Hauptproblem für eine derartige Weltmacht wie die Vereinigten Staaten. In einer Ära der Luftfahrt, des Telegrafen, des Telefons, des Radios und des Fernsehens wird die Reise von einem Land ins andere durch Pässe und Visa gelähmt. Die Periode des Nachlassens des Außenhandels und des Niedergangs des Binnenhandels ist gleichzeitig die Periode der enormen Steigerung von Chauvinismus und Antisemitismus. In der Epoche seines Aufstieges holte der Kapitalismus die Juden aus dem Ghetto und benutzte sie als ein Instrument in seiner Handelsexpansion, Heute bemüht sich die niedergehende kapitalistische Gesellschaft, die Juden bis zum letzten Tropfen auszupressen; l7 Millionen Menschen von den zwei Milliarden, die den Globus bevölkern, d. h. weniger als 1 Prozent, können heute keinen Platz mehr auf unserem Planeten finden! Inmitten der weiten Ausdehnung des Landes und der Wundertaten der Technologie, die für den Menschen sowohl den Himmel als auch die Erde eroberte, hat es die Bourgeoisie fertiggebracht, unseren Planeten zu einem ekelerregenden Gefängnis zu machen.

 

 

Lenin und Imperialismus

Am 1, November 1914, zu Beginn des letzten imperialistischen Krieges, schrieb Lenin: „Der Imperialismus hat das Geschick der europäischen Kultur aufs Spiel gesetzt: Diesem Krieg werden bald, wenn es nicht eine Reihe erfolgreicher Revolutionen geben wird, andere Kriege folgen – das Märchen vom ‚letzten Krieg’ ist ein leeres, schädliches Märchen ...“ [1] Arbeiter, ruft euch diese Voraussage ins Gedächtnis! Der jetzige Krieg – der zweite imperialistische Krieg – ist kein unvorhergesehenes Ereignis; er erwächst nicht aus dem Willen des einen oder anderen Diktators. Er war lange vorausgesagt. Er Ieitet seinen Ursprung unerbittlich ab aus den Widersprüchen der internationalen kapitalistischen Interessen. Im Gegensatz zu den offiziellen Geschichten, die konstruiert wurden, um die Leute zu betäuben, ist der Hauptgrund des Krieges sowie aller anderen gesellschaftlichen Übel – Arbeitslosigkeit, die hohen Lebenshaltungskosten, Faschismus, koloniale Unterdrückung – das Privateigentum an den Produktionsmitteln zusammen mit dem bürgerlichen Staat, der auf dieser Grundlage beruht.

Mit dem gegenwärtigen Stand der Technologie und den Fähigkeiten der Arbeiter ist es durchaus möglich, angemessene Bedingungen für die materielle und geistige Entwicklung der gesamten Menschheit zu schaffen, Es wäre nur nötig, das wirtschaftliche Leben in jedem Land und auf unserem ganzen Planeten korrekt, wissenschaftlich und rationell nach einem allgemeinen Plan zu organisieren, Solange jedoch die Hauptproduktivkräfte der Gesellschaft in den Händen der Konzerne liegen, d. h. in den Händen von getrennten Kapitalistencliquen, und solange der Nationalstaat ein williges Werkzeug in den Händen dieser Cliquen bleibt, muss der Kampf um Märkte, um Rohstoffquellen, um die Weltherrschaft unweigerlich einen mehr und mehr destruktiven Charakter annehmen. Die Staatsmacht und die Beherrschung der Wirtschaft kann den Händen dieser räuberischen imperialistischen Cliquen nur durch die revolutionäre Arbeiterklasse entrissen werden. Das ist die Bedeutung von Lenins Warnung, dass ohne „eine Reihe erfolgreicher Revolutionen“ unweigerlich ein neuer imperialistischer Krieg folgen wird. Die verschiedenen Voraussagen und Versprechungen, die man machte, sind der Prüfung durch die Ereignisse unterworfen worden, Das Märchen vom „letzten Krieg“ hat sich als Lüge erwiesen, Lenins Voraussage ist zur tragischen Wahrheit geworden.

 

 

Die direkten Gründe des Krieges

Der direkte Grund des jetzigen Krieges ist die Rivalität zwischen den alten wohlhabenden Kolonialreichen Großbritannien und Frankreich und den zu spät gekommenen imperialistischen Plünderern Deutschland und Italien.

Das 19. Jahrhundert war die Ära der unbestrittenen Hegemonie der ältesten kapitalistischen Macht: Großbritannien. Von 1815 bis 1914 regierte der „Britische Frieden“, wenn auch nicht ohne vereinzelte militärische Ausbrüche. Die britische Flotte, die mächtigste der Welt, spielte die Rolle des Polizisten der Meere. Diese Ära gehört jedoch der Vergangenheit an. Bereits am Ende des letzten Jahrhunderts begann das mit der modernen Technologie bewaffnete Deutschland den Weg an die Spitze Europas. Auf der anderen Seite des Ozeans erhob sich ein noch mächtigeres Land, eine ehemalige britische Kolonie. Der wichtigste ökonomische Widerspruch, der zum Krieg von 1914/18 führte, war die Rivalität zwischen Großbritannien und Deutschland. Für die Vereinigten Staaten hatte die Teilnahme am Krieg einen präventiven Charakter – man durfte Deutschland nicht erlauben. den europäischen Kontinent zu unterwerfen.

Die Niederlage warf Deutschland in vollständige Ohnmacht zurück. Zerstückelt, von Feinden umgeben, ruiniert durch die Kriegsschulden, geschwächt durch die Erschütterungen des Bürgerkrieges schien es für eine lange Zeit, wenn nicht für immer, aus dem Rennen zu sein. Auf dem europäischen. Kontinent spielte zeitweilig Frankreich die erste Geige. Für das siegreiche England waren in letzter Konsequenz Schulden die Bilanz des Krieges: wachsende Unabhängigkeit der Kolonien. Koloniale Unabhängigkeitsbewegungen Verlust der Seeherrschaft, Nachlassen der Bedeutung seiner Marine durch die Entwicklung der Luftfahrt.

Durch Beharrungsvermögen versuchte England noch immer, die führende Rolle in der Weltarena während der ersten paar Jahre nach dem Sieg zu spielen, Seine Konflikte mit den Vereinigten Staaten begannen einen offensichtlich bedrohlichen Charakter anzunehmen. Es schien, als würde der nächste Krieg zwischen den beiden angelsächsischen Anwärtern auf die Weltherrschaft entbrennen. England musste sich jedoch davon überzeugen, dass sein eigenes wirtschaftliches Gewicht für einen Kampf mit dem Koloss jenseits des Ozeans nicht ausreichte. Sein Abkommen mit den Vereinigten Staaten über die Gleichheit zur See bedeutete einen formalen Verzicht auf die Seeherrschaft, die in Wirklichkeit schon längst verloren war. Das Ersetzen des freien Handels durch Zollschranken kennzeichnete das offene Eingeständnis der Niederlage der britischen Industrie auf dem Weltmarkt. Englands Verzicht auf die Politik der „splendid isolation“ zog die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht nach sich. Auf diese Weise wurden all die geheiligten Traditionen davongefegt.

Ein ähnlicher Mangel an Übereinstimmung zwischen seinem wirtschaftlichen Gewicht und seiner internationalen Position ist ebenfalls für Frankreich charakteristisch, wenn auch in kleinerem Maßstab. Seine Hegemonie in Europa beruhte auf einem zeitweiligen Zusammentreffen, die durch die Vernichtung Deutschlands und die künstlichen Zusammenstellungen des Versailler Vertrages geschaffen worden waren. Die Bevölkerungsmenge und die wirtschaftlichen Grundlagen, die diese Hegemonie stützten, standen in keinem Verhältnis zueinander. Als der Siegestaumel vorbei war, drängten die wirklichen Kräfteverhältnisse an die Oberfläche. Frankreich erwies sich nicht nur seinen Freunden, sondern auch seinen Feinden gegenüber als viel schwächer, als es vorher den Anschein gehabt hatte. Auf der Suche nach Schutz wurde es im Wesentlichen Großbritanniens neueste Besitzung.

Deutschlands Wiederaufstieg war auf der Basis seiner erstklassigen Technologie und seiner organisatorischen Fähigkeiten unvermeidlich. Er kam eher, als für möglich gehalten, in großem Maße dank der englischen Unterstützung Deutschlands gegen die UdSSR, gegen die exzessiven Ansprüche Frankreichs und zum geringeren Teil gegen die Vereinigten Staaten. Solche internationalen Verbindungen erwiesen sich für das kapitalistische England in der Vergangenheit mehr als erfolgreich, solange es die stärkste Macht war. In seiner Senilität zeigte es sich als unfähig, mit den Geistern fertig zu werden, die es selbst gerufen hatte.

Bewaffnet mit einer moderneren Technologie von größerer Flexibilität und höherer Produktionskapazität begann Deutschland erneut, England von sehr wichtigen Märkten zu verdrängen, besonders aus Südosteuropa und Lateinamerika. Im Gegensatz zum 19. Jahrhundert, als sich der Wettbewerb zwischen kapitalistischen Ländern auf einem expandierenden Weltmarkt entwickelte, verengte sich die ökonomische Arena derart, dass den Imperialisten nichts mehr übrigbleibt, als sich gegenseitig Teile des Weltmarkts zu entreißen.

Die Initiative für eine Neuaufteilung der Welt ging diesmal, wie auch 1914, vom deutschen Imperialismus aus. Von der Situation überrascht, versuchte die britische Regierung zunächst, sich durch Zugeständnisse zu Lasten anderer (Österreich, Tschechoslowakei) vom Krieg freizukaufen. Aber diese Politik war kurzlebig, Für Hitler war die „Freundschaft“ mit Großbritannien nur eine kurze taktische Phase. London hatte Hitler bereits mehr zugestanden, als er zu erreichen erwartet hatte. Das Münchner Abkommen, mit dem Chamberlain hoffte, eine langfristige Freundschaft mit Deutschland zu besiegeln, führte statt dessen zu einem beschleunigten Bruch. Hitler konnte nichts mehr von London erwarten – eine weitere Expansion Deutschlands wurde auf den Lebensnerv Großbritanniens selbst abzielen. So führte die von Chamberlain im Oktober 1938 ausgerufene „neue Ära des Friedens“ innerhalb weniger Monate zu dem schrecklichsten aller Kriege.

 

 

Die Vereinigten Staaten

Während Großbritannien seit den ersten Monaten des Krieges alles darangesetzt hatte, sich der vom blockierten Deutschland aufgegebenen Positionen auf dem Weltmarkt zu bemächtigen, haben die Vereinigten Staaten Großbritannien fast automatisch ausgespielt. Zwei Drittel des Weltbestandes an Gold ist in den amerikanischen Tresoren konzentriert. Das restliche Drittel fließt zu demselben Ort. Englands Rolle als Bankier für die Welt gehört der Vergangenheit an. Auch auf anderen Gebieten stehen die Dinge nicht besser. Während die Kriegs- und die Handelsmarine Großbritanniens große Verluste erleiden, bauen die amerikanischen Werften in einem riesigen Ausmaß Schiffe, die die Vorherrschaft der amerikanischen Flotte über die britische und japanische sichern werden. Die Vereinigten Staaten bereiten sich offensichtlich darauf vor, den Zwei-Mächte-Standard (eine Marine stärker als die Flotten der beiden nächststärkeren Mächte zusammen) zu erreichen. Das neue Programm für die Luftflotte führt ins Auge, die Überlegenheit der Vereinigten Staaten über den Rest der Welt zu sichern.

Die industrielle, finanzielle und militärische Stärke der Vereinigten Staaten, der führenden kapitalistischen Macht in der Welt, garantiert jedoch ganz und gar nicht das Aufblühen des amerikanischen Wirtschaftslebens, sondern versieht ganz im Gegenteil die Krise ihres sozialen Systems mit einem besonders bösartigen und erschütternden Charakter. Weder die riesigen Goldmengen noch die Millionen Arbeitslosen können nützlich eingesetzt werden. In den vor sechs Jahren veröffentlichten Thesen der IV. Internationale Der Krieg und die IV. Internationale wurde vorausgesagt:

Der US-Kapitalismus hat sich gegen dieselben Probleme erhoben., die Deutschland 1914 auf den Weg des Krieges drängten.

Die Welt ist geteilt, sie muss neu aufgeteilt werden, Für Deutschland war es eine Frage der „Organisierung Europas“. Die Vereinigten Staaten müssen die Welt „organisieren“. Die Geschichte konfrontiert die Menschheit mit dem Vulkanausbruch des amerikanischen Imperialismus.

Der „New Deal“ und die „Gute Nachbar“-Politik waren die letzten Versuche, den Höhepunkt durch Verbesserung der sozialen Krise mit Hilfe von Zugeständnissen und Übereinkünften hinauszuschieben. Nach dem Bankrott dieser Politik, die Unsummen schluckte, blieb dem amerikanischen Imperialismus nichts anderes übrig, als zur Methode der Waffengewalt zu greifen. Mit einem x-beliebigen Vorwand und Wahlspruch werden die Vereinigten Staaten in die gewaltige Kollision intervenieren, um ihre Weltherrschaft aufrechtzuerhalten. Der Plan und der Zeitpunkt des Kampfes zwischen dem amerikanischen Kapitalismus und seinen Feinden ist – vielleicht sogar auch in Washington – noch nicht bekannt. Ein Krieg mit Japan würde ein Kampf um Lebensraum im Pazifik sein. Ein Krieg im Atlantik würde ein Kampf um das Erbe Großbritanniens, sein, auch wenn er sofort gegen Deutschland gerichtet würde.

Der potenzielle Sieg Deutschlands über die Alliierten liegt wie ein Alpdruck auf Washington, Deutschland würde – besonders in Verbindung mit Japan im Osten – mit dem europäischen Kontinent und den Hilfsquellen seiner Kolonien als Rückhalt, mit all den europäischen Munitionsfabriken und Werften zu seiner Verfügung, eine tödliche Gefahr für den amerikanischer Imperialismus darstellen. Die gegenwärtigen titanenhaften Schlachten auf den Feldern Europas sind in diesem Sinn vorbereitende Episoden auf den Kampf zwischen Deutschland und Amerika. Frankreich und England sind nur befestigte, über den Atlantik ausgedehnte Positionen des amerikanischen Kapitalismus. Wenn der Rhein über die Grenze Englands ist, wie es ein britischer Premierminister dargestellt hat, dann könnten die amerikanischen Imperialisten mit Recht sagen, dass die Grenzen der Vereinigten Staaten an der Themse liegen. In seiner fieberhaften Vorbereitung der öffentlichen Meinung auf den kommenden Krieg hält Washington nicht mit edler Entrüstung zurück über das Schicksal von Finnland, Dänemark, Norwegen, Holland, Belgien ... Mit der Besetzung Dänemarks wurde unerwartet die Grönlandfrage aufgeworfen, da es „geologisch“ ein Teil der westlichen Hemisphäre ist und durch einen glücklichem Zufall Lagerstätten besitzt, die unentbehrlich bei der Aluminiumherstellung sind. Auch übersieht Washington nicht das unterjochte China, die hilflosen Philippinen, das verwaiste Indochina und offene Seewege. Solch philanthropische Sympathien für unterdrückte Nationen und sogar geologische Erwägungen treiben die Vereinigten Staaten in den Krieg.

Die amerikanischen Streitkräfte könnten jedoch nur solange erfolgreich intervenieren, wie Frankreich und die britischen Inseln zuverlässige Nachschubbasen bleiben. Sollte Frankreich besetzt werden und sollten deutsche Truppen an der Themse auftauchen, so würde sich das Kräfteverhältnis drastisch zum Nachteil der Vereinigten Staaten verschieben. Diese Betrachtungen zwingen Washington, alles enorm zu beschleunigen, aber genauso dazu, die Frage zu erwägen: Wurde der günstigste Augenblick nicht verpasst?

Der offiziellen Position des Weißen Hauses werden laute Proteste des amerikanischen Isolationismus entgegengehalten, der selbst nur eine andere Variante desselben Imperialismus ist. Derjenige Teil der Kapitalisten, deren Interessen in erster Linie an den amerikanischen Kontinent, an Australien und den Fernen Osten gebunden sind, kalkuliert, dass die Vereinigten Staaten im Falle einer Niederlage der Alliierten automatisch ein Monopol zu ihrem eigenen Vorteil nicht nur Im Lateinamerika, sondern auch in Kanada, Australien und Neuseeland gewinnen würden. Was China Indonesien und den Orient im Allgemeinen betrifft, so ist die Überzeugung der gesamten herrschenden Klasse der Vereinigten Staaten, dass ein Krieg mit Japan auf jeden Fall in naher Zukunft unvermeidlich ist. Unter dem Vorwand des Isolationismus und Pazifismus arbeitet ein einflussreicher Teil der Bourgeoisie ein Programm aus für die amerikanische kontinentale Expansion und für die Vorbereitung auf einen Kampf mit Japan. Ein Krieg gegen Deutschland um die Weltherrschaft ist nach diesem Plan nur zurückgestellt. Die kleinbürgerlichen Pazifisten wie Norman Thomas und seine Sippschaft sind nur Chorknaben in einem der imperialistischen Clans.

Unser Kampf gegen die Intervention der Vereinigten Staaten in den Krieg hat nichts gemein mit Isolationismus und Pazifismus. Wir erklären den Arbeitern offen, dass die imperialistische Regierung nicht versäumen wird, dieses Land in den Krieg zu stürzen. Die Auseinandersetzung innerhalb der herrschenden Klasse betrifft nur die Frage, wann man in den Krieg eintreten und gegen wen man zuerst das Feuer eröffnen soll. Sich darauf zu verlassen, die Vereinigten Staaten durch Zeitungsartikel und pazifistische Resolutionen in Neutralität zu halten, ist wie der Versuch, die Flut mit dem Besen zurückzuhalten. Wirklicher Kampf gegen den Krieg bedeutet Klassenkampf gegen Imperialismus und eine schonungslose Bloßstellung des kleinbürgerlichen Pazifismus. Nur die Revolution könnte die amerikanische Bourgeoisie daran hindern, in den zweiten imperialistischen Krieg zu intervenieren oder einen dritten imperialistischen Krieg zu beginnen. Alle anderen Methoden sind entweder Scharlatanerie oder Dummheit oder eine Kombination von beidem.

 

 

Die „Vaterlands“verteidigung

Vor fast einhundert Jahren, als der Nationalstaat noch einen relativ fortschrittlichen Faktor darstellte, proklamierte das Kommunistische Manifest, dass die Proletarier kein Vaterland haben. Ihr einziges Ziel ist die Schaffung eines Vaterlandes der Werktätigen, das die ganze Welt umfasst. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde der bürgerliche Staat mit seinen Armeen und Zollgrenzen die stärkste Bremse in der Entwicklung der Produktivkräfte, die eine sehr viel ausgedehntere Arena fordern. Ein Sozialist, der heute für die Verteidigung des „Vaterlandes“ eintritt, spielt dieselbe reaktionäre Rolle wie die Bauern der Vendée, die zur Verteidigung des feudalen Regimes, d. h. ihrer eigenen Ketten stürmten.

In den letzten Jahren und sogar Monaten hatte die Welt mit Erstaunen beobachtet, wie leicht Staaten von der Landkarte Europas verschwinden: Österreich, Tschechoslowakei, Albanien, Polen, Dänemark, Norwegen, Holland, Belgien ... Die politische Landkarte wurde in keiner anderen Epoche, außer der der Napoleonischen Kriege, mit einer ähnlichen Geschwindigkeit umgestaltet. Zu jener Zeit ging es um die überlebten Feudalstaaten, die für den bürgerlichen Nationalstaat das Feld räumen mussten. Heute handelt es sich um die überlebten bürgerlichen Staaten, die Platz machen müssen für die sozialistische Völkergemeinschaft. Die Kette reißt immer an ihrem schwächsten Glied. Der Kampf der imperialistischen Banditen lässt unabhängigen kleinen Staaten genauso wenig Platz, wie es die tückische Konkurrenz der Konzerne und Kartelle für die unabhängigen Fabrikanten und Händler tut.

Wegen seiner strategischen Position hält Deutschland es für günstiger, seine Hauptfeinde über die kleinen und neutralen Staaten anzugreifen. Großbritannien und Frankreich dagegen scheint es günstiger, sich mit der Neutralität der kleinen Staaten zu bemänteln und es Deutschland zu überlassen, sie durch seine Schläge ins Lager der demokratischen Alliierten zu treiben. Der Kern der Sache wird durch diese Unterschiedlichkeit der strategischen Methoden nicht geändert. Zwischen den Zahnrädern der großen imperialistischen Länder werden die kleinen Vasallenstaaten zu Staub zermahlen. Die „Verteidigung“ der großen Vaterländer verlangt die Überwältigung von einem Dutzend kleiner und mittelgroßer Vaterländer.

Aber auch im Hinblick auf die großen Staaten dreht es sich für die Bourgeoisie nicht im geringsten um die Verteidigung des Vaterlandes, sondern vielmehr um die der Märkte, der Auslandskonzessionen, der Rohstoffquellen und der Einflusssphären. Die Bourgeoisie verteidigt niemals das Vaterland um seiner selbst willen. Sie verteidigt Privateigentum, Privilegien Profite. Wann immer diese geheiligten Werte bedroht sind, beschreitet die Bourgeoisie sofort den Weg des Defätismus. Das war der Weg der russischen Bourgeoisie, deren Söhne nach der Oktoberrevolution gegen ihr früheres Vaterland kämpften und auch jetzt wieder dazu bereit sind, es in jeder Armee der Welt zu tun. Um ihr Kapital zu retten, wandte sich die spanische Bourgeoisie um militärische Hilfe gegen ihre eigene Bevölkerung an Mussolini und Hitler. Die norwegische Bourgeoisie unterstützte Hitlers Invasion in Norwegen. So war es immer und wird es immer bleiben.

Offizieller Patriotismus ist eine Maske für die Ausbeuterinteressen. Klassenbewusste Arbeiter werfen diese Maske verächtlich beiseite. Sie verteidigen nicht das bürgerliche Vaterland, sondern die Interessen der Werktätigen und Unterdrückten ihres eigenen Landes und der ganzen Welt. Die Thesen der IV. Internationale stellen fest:

Es ist notwendig, gegen die reaktionäre Losung der „Nationalen Verteidigung“ die Losung der revolutionären Vernichtung des Nationalstaates voranzutreiben. Es ist notwendig dem Irrenhaus des kapitalistischen Europas das Programm der Vereinigten sozialistischen Staaten von Europa als eine Stufe auf dem Weg zu den Vereinigten sozialistischen Staaten der Welt entgegenzusetzen.

 

 

Der „Kampf für Demokratie“

Nicht weniger eine Lüge ist die Losung eines Krieges Eile Demokratie gegen den Faschismus, Als wenn die Arbeiter vergessen hätten, dass die britische Regierung Hitler und seiner Henkertruppe geholfen hat, die Macht zu erlangen. Die imperialistischen Demokratien sind in Wirklichkeit die größten Aristokratien in der Geschichte, England, Frankreich, Holland, Belgien stützen sich auf die Versklavung kolonialer Völker. Die Demokratie der Vereinigten Staaten beruht auf der Besitzergreifung des großen Reichtums eines ganzen Kontinents. All die Bemühungen dieser „Demokratien“ stützen sich auf die Erhaltung ihrer privilegierten Stellung. Ein beträchtlicher Teil der Kriegslast wird von den imperialistischen Demokratien ihrem Kolonien aufgeladen. Die Sklaven werden gezwungen, Blut und Gold zu liefern, um die Möglichkeit ihrer Herren, Sklavenhalter zu bleiben, zu erhalten. Die kleinen kapitalistischen Demokratien ohne Kolonien sind Vasallen der Großmächte und liefern einen Teil der kolonialen Profite. Die herrschenden Klassen in diesen Staaten sind bereit, die Demokratie jederzeit aufzugeben um ihre eigenen Privilegien zu erhalten.

Im Fall des kleinen wurden die inneren Mechanismen der niedergehender Demokratie vor der ganzen Welt erneut aufgedeckt. Die norwegische Bourgeoisie machte gleichzeitig Gebrauch von der sozialdemokratischen Regierung und den faschistischen Polizeibeamten, Richtern und Offizieren. Beim ersten ernsthaften Zusammenstoss wurden die demokratischen Häupter weggefegt und die faschistische Bürokratie, die sofort eine gemeinsame Sprache mit Hitler fand, wurde der Herr im Haus. Mit verschiedenen nationalen Varianten war dasselbe Experiment vorher in Italien, Deutschland, Österreich, Polen, der Tschechoslowakei und einer Anzahl anderer Staaten durchgeführt worden. In einem Augenblick der Gefahr ist die Bourgeoisie immer in der Lage gewesen, den wahren Apparat ihrer Herrschaft als das direkte lnstrument des Finanzkapitals von demokratischen Verzierungen zu befreien. Nur die hoffnungslos Blinden sind fähig zu glauben, dass die britischen und französischen Generäle einen Krieg gegen den Faschismus führen!

Der Krieg hat, den Prozess der Umwandlung von Demokratien in reaktionäre Diktaturen nicht gestoppt, sondern führt vor unseren Augen diesen Prozess zu seinem Abschluss.

Innerhalb jedes Landes genauso wie in der Weltarena stärkte der Krieg sofort die reaktionärsten Gruppen und Institutionen. Die Generalstäbe, jene Nester der bonapartistischen Konspiration, die üblen Höhlen der Polizei, die Banden von geheuerten Patrioten, die Kirchen aller Glaubensbekenntnisse wurden sofort an die vorderste Front geworfen. Der Heilige Stuhl, das Zentrum von Fortschrittsfeindlichkeit und Hass unter den Menschen, wird von allen Seiten umworben, speziell von dem protestantischen Präsidenten Roosevelt. Materieller und geistiger Verfall bringt immer in seinem Gefolge Polizeirepression und eine wachsende Nachfrage nach dem Opium der Religion.

In den Bemühungen, die Vorteile eines totalitären Regimes zu erlangen, starten die imperialistischen Demokratien ihre eigene Verteidigung mit einem verstärkten Vorstoß gegen die Arbeiterklasse und mit der Verfolgung von revolutionären Organisationen. Die Kriegsgefahr und jetzt der Krieg selbst werden von ihnen in allererster Linie benutzt, um innere Feinde zu zerschlagen. Die Bourgeoisie folgt unabänderlich und unerschütterlich der Regel: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land.“

Wie es immer der Fall ist, die Schwächsten leiden am meisten. Die Schwächsten in der gegenwärtigen Völkerschlacht sind die unzähligen Flüchtlinge aus allen Ländern, unter ihnen die revolutionären Verbannten. Bürgerlicher Patriotismus manifestiert sich zuerst in der brutalen Behandlung von wehrlosen Ausländern. Bevor die Konzentrationslager für Kriegsgefangene gebaut wurden, errichteten alle Demokratien Konzentrationslager für die revolutionären Verbannten. Die Regierungen der ganzen Welt, besonders die Regierung der UdSSR, haben durch ihre Behandlung der Flüchtlinge, Verbannten und Heimatlosen das schwärzeste Kapitel in unserer Epoche geschrieben. Wir senden unsere wärmsten Grüße an unsere inhaftierten und verfolgten Brüder und sagen ihnen, dass sie nicht den Mut verlieren sollen. Aus den kapitalistischen Gefängnissen und Konzentrationslagern werden die meisten Führer des morgigen Europas und der Welt kommen.

 

 

Die Kriegsparolen der Nazis

Hitlers offizielle Parolen halten im allgemeinen keiner Überprüfung stand. Der Kampf für die „nationale Vereinigung“ hat sich seit seinem Bestehen als Lüge erwiesen, dann Hitler ist dabei, den Nationalstaat in einen Vielvölkerstaat umzugestalten, die Freiheit und Einheit anderer Völker mit Füßen tretend. Der Kampf um „Lebensraum“ ist nichts als Tarnung für eine imperialistische Expansion, d. h. für die Politik der Annektierung und Plünderung. Die rassische Rechtfertigung für diese Expansion ist eine Lüge; der Nationalsozialismus ändert seine rassischen Sympathien und Antipathien in Übereinstimmung mit strategischen Erwägungen. Ein auf gewisse Art stabiles Element in der faschistischen Propaganda ist vielleicht der Antisemitismus, dem Hitler eine zoologische Form gegeben hat, indem er die wahre Sprache der „Rasse“ und des „Blutes“ im Bellen des Hundes und im Grunzen des Schweines entdeckte, Nicht umsonst bezeichnete Friedrich Engels den Antisemitismus als den „Sozialismus der Idioten“! Die einzige Erscheinungsform dar Faschismus die nicht geheuchelt ist, ist sein Wille nach Macht, Unterjochung und Raub. Faschismus ist ein chemisch reines Destillat der Kultur des Imperialismus.

Die demokratischen Regierungen, die Hitler seinerzeit als einem Kreuzritter gegen den Bolschewismus zujubelten, machen ihn jetzt zu einer Art Satan, unerwartet aus den Tiefen der Hölle losgelassen, der die Heiligkeit der Verträge, der Grenzen und aller Regeln verletzt. Gäbe es Hitler nicht, würde die kapitalistische Welt wie ein. Garten blühen. Was für eine elende Lüge! Dieser deutsche Epileptiker mit einer Rechenmaschine in seinem Schädel und unbegrenzter Macht in seinen Händen ist nicht vom Himmel gefallen oder aus der Hölle gestiegen: Er ist nichts anderes als die Personifizierung aller destruktiven Kräfte des Imperialismus. So wie Dschingis Khan und Tamerlan den schwächeren Hirtenvölkern als die zerstörerischen Geißeln Gottes erschienen, während sie in Wirklichkeit nichts anderes taten, als dem Bedürfnis aller Hirtenvölker nach mehr Weideland und dem Plündern besiedelter Gebiete Ausdruck zu geben, so macht Hitler, indem er die alten Kolonialmächte bis zu ihren Grundfesten erschüttert, nichts anderes, als dem imperialistischen Willen nach Macht einen vollendeteren Ausdruck zu geben. Mittels Hitler hat der durch seine auswegslose Situation zur Verzweiflung getriebene Kapitalismus begonnen, sich einen scharfen Dolch in die eigenen Eingeweide zu bohren.

Die Schlächter des zweiten imperialistischen Krieges werden keinen Erfolg damit haben, Hitler zum Sündenbock für ihre eigenen Sünden zu machen.

Vor der Gerichtsschranke des Proletariats werden sich all die jetzigen Herrscher verantworten müssen. Hitler wird nicht mehr tun, als den ersten Platz unter den Verbrechern auf der Anklagebank einzunehmen.

 

 

Die Übermacht Deutschlands

Wie auch immer der Krieg ausgehen mag, die Übermacht Deutschlands hat sich bereits klar gezeigt. Fraglos hat es Hitler versäumt, irgendeine geheime „neue Waffe“ zu besitzen. Aber die Perfektionierung all der unterschiedlichen vorhandenen Waffen und die gut koordinierte Zusammenstellung dieser Waffen – auf der Grundlage einer höher rationalisierten Industrie – verleiht dem deutschen Militarismus ein enormes Gewicht. Die militärische Dynamik ist eng gebunden an die besonderen Erscheinungsformen eines totalitären Regimes: Einheit des Willens, geballte Initiative, Geheimhaltung von Vorbereitungen, Plötzlichkeit der Durchführung. Überdies hat der Versailler Vertrag den Alliierten einen schlechten Dienst erwiesen. Nach 15 Jahren der deutschen Abrüstung war Hitler gezwungen, eine Armee aus dem Nichts aufzubauen, und dank dieses Umstandes ist die Armee frei von Routine und braucht keine veraltete Technik und Ausrüstung mitzuschleifen. Die taktische Ausbildung der Truppen wird getragen von neuen Ideen, die auf den modernen technologischen Erkenntnissen basieren. Offensichtlich sind nur die Vereinigten Staaten ausersehen, die deutsche Mordmaschinerie zu überwinden.

Die Schwäche von Frankreich und Großbritannien war nicht unerwartet. Die Thesen der IV. Internationale (1934) stellen fest: „Der Zusammenbruch des Völkerbundes ist unlösbar verknüpft mit dem Beginn des Zusammenbruchs der französischen Hegemonie auf dem europäischen Kontinent.“ Dieses programmatische Dokument erklärt weiter, dass „das herrschende England mit seinen intriganten Plänen immer weniger erfolgreich ist“, dass die britische Bourgeoisie „erschreckt“ ist „durch den Zerfall ihres Empires, durch die revolutionäre Bewegung in Indien, durch die Unsicherheit ihrer Positionen in China“. Die Macht der IV. Internationale liegt darin, dass ihr Programm fähig ist, der Prüfung durch große Ereignisse standzuhalten.

Die Industrie Englands und Frankreichs hat sich dank des sicheren Stroms der kolonialen Superprofite sowohl in der Technologie als auch in der Organisation nur langsam vorwärts bewegt. Dazu kommt, dass die sogenannte „Verteidigung der Demokratie“ durch die sozialistischen Parteien und Gewerkschaften eine äußerst privilegierte politische Position für die britische und französische Bourgeoisie geschaffen hat. Privilegien fördern immer Trägheit und Stagnation. Wenn Deutschland heute eine so große Übermacht über Frankreich und England zur Schau stellt, dann liegt der Löwenanteil der Verantwortung bei den sozialpatriotischen Verteidigern der Demokratie, die das Proletariat davon zurückgehalten haben, England und Frankreich durch eine rechtzeitige sozialistische Revolution aus der Atrophie zu reißen.

 

 

„Das Friedensprogramm“

Als Gegenleistung für die Versklavung der Völker verspricht Hitler, in Europa für Jahrhunderte einen „Deutschen Frieden“ zu errichten. Eine leere Illusion! Der „Britische Frieden“ nach dem Sieg über Napoleon konnte ein Jahrhundert dauern – nicht tausend Jahre! – einzig und allein, weil Britannien der Bahnbrecher einer neuen Technologie und eines fortschrittlichen Produktionssystems war. Ungeachtet der Stärke seiner Industrie ist das heutige Deutschland wie seine Feinde der Bannerträger eines zum Untergang verurteilten Gesellschaftssystems. Hitlers Sieg würde in Wirklichkeit nicht Frieden bedeuten, sondern den Beginn einer neuen Serie blutiger Zusammenstöße im Weltmaßstab. Durch Zerschlagung des britischen Empires, Degradierung Frankreichs zu dem Status von Böhmen und Mähren und Sich–Stützen auf den europäischen Kontinent und seine Kolonien, würde Deutschland zweifellos die erste Macht in der Welt werden. Parallel dazu könnte Italien im besten Fall, jedoch nicht für lange, die Kontrolle über den Mittelmeerraum ergreifen, Aber die erste Macht zu sein, bedeutet nicht, die einzige Macht zu sein. Der Kampf ein „Lebensraum“ wurde nur in ein neues Stadium eintreten.

Die „neue Ordnung“, die Japan zu etablieren versucht, indem es sich auf den deutschen Sieg stützt, hat die Perspektive einer Ausdehnung der japanischen Herrschaft über den größeren Teil des asiatischen Kontinents. Die Sowjetunion würde sich eingezwängt zwischen einem germanisierten Europa und einem japanisierten Asien wiederfinden. Alle drei Amerikas, und ebenfalls Australien und Neuseeland würden den Vereinigten Staaten zufallen. Wenn wir obendrein das provinzielle italienische Reich in Betracht ziehen, dann würde die Welt vorübergehend in fünf „Lebensräume“ aufgeteilt sein. Aber der Imperialismus verabscheut eben auf grund seines Charakters jegliche Teilung der Macht. Um wieder freie Hand gegen Amerika zu haben müsste Hitler mit seinen Freunden von gestern, Stalin und Mussolini blutig abrechnen. Japan und die Vereinigten Staaten würden keine unbeteiligten Beobachter des neuen Kampfes bleiben. Der dritte imperialistische Krieg würde nicht von Reichen alter Prägung. sondern von ganzen Kontinenten geführt werden ... Hitlers Sieg im jetzigen Krieg würde infolgedessen nicht tausend Jahre „deutschen Friedens“ sondern blutiges Chaos für viele Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte bedeuten.

Aber genauso wenig würde ein Triumph der Alliierten in glänzenderen Konsequenzen enden. Das siegreiche Frankreich könnte seine Stellung als Großmacht nur durch Zersplitterung Deutschlands, Restauration der Habsburger und Balkanisierung Europas wieder aufbauen. Großbritannien könnte nur durch erneutes Ausspielen der Widersprüche zwischen Deutschland und Frankreich auf der einen Seite und Europa und Amerika auf der anderen wieder eine führende Rolle in den europäischen Angelegenheiten spielen. Das würde eine neue und zehnmal schlimmere Ausgabe des Versailler Friedens mit unendlich übleren Auswirkungen auf den geschwächten Organismus Europas bedeuten. Dem muss hinzugefügt werden, dass ein Sieg der Alliierten ohne amerikanische Hilfe unwahrscheinlich ist, obwohl die Vereinigten Staaten diesmal einen höheren Preis für ihre Hilfe verlangen würden als beim letzten Krieg. Das erniedrigte und erschöpfte Europa, der Gegenstand Herbert Hoovers Philanthropie – würde der ruinierte Schuldner seines transatlantischen Retters werden.

Wenn wir schließlich die am wenigsten wahrscheinliche Variante annehmen, nämlich den Friedensschluss durch die erschöpften Gegner in Anlehnung an die pazifistische Formel „keine Sieger, keine Besiegten“, würde das eine Restauration des internationalen Chaos, das vor dem Krieg existierte, bedeuten, aber diesmal gestützt auf blutige Ruinen, auf Erschöpfung, auf Verbitterung. In kürzester Frist würden alle alten Antagonismen mit explosiver Gewalt an die Oberfläche dringen und in neue internationale Erschütterungen ausbrechen.

Das Versprechen der Alliierten, ein demokratisches europäisches Bündnis zu schaffen, ist diesmal die primitivste aller pazifistischen Lügen. Der Staat ist kein Abstraktum, sondern das Instrument des Monopolkapitalismus. Solange die Konzerne und Banken nicht zum Wohle des Volkes enteignet sind, ist der Kampf zwischen Staaten genauso unvermeidlich wie der Kampf zwischen den Konzernen selbst. Der freiwillige Verzicht der mächtigsten Staaten auf durch ihre Stärke erworbene Vorteile ist eine genauso lächerliche Utopie wie die freiwillige Aufteilung der kapitalistischen Pfründen unter den Konzernen. Solange das kapitalistische Eigentum erhalten bleibt, wird ein demokratisches Bündnis nichts als eine schlimmere Wiederholung des Völkerbundes sein, mit all seinen Fehlern, nur ohne seine Illusionen.

Vergeblich versuchen die imperialistischen Schicksalslenker, ein Heilsprogramm wiederzubeleben, das durch die Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte vollständig in Zweifel gezogen wurde. Vergeblich wärmen deren kleinbürgerliche Lakaien pazifistische Allheilmittel auf, die schon vor langer Zeit zu ihrer eigenen Karikatur geworden sind. Die fortgeschrittenen Arbeiter werden sich nicht betrügen lassen. Der Friede wird nicht von den jetzt kriegführenden Kräften geschlossen. Die Arbeiter und Soldaten werden ihr eigenes Friedensprogramm diktieren!

 

 

Die Verteidigung der UdSSR

Stalins Bündnis mit Hitler, das den Vorhang zum Weltkrieg hob und unmittelbar zur Versklavung des polnischen Volkes führte, resultierte aus der Schwäche der UdSSR und der Panik des Kreml angesichts Deutschlands. Die Verantwortung für diese Schwäche liegt bei niemand anders als bei eben demselben Kreml; bei seiner Innenpolitik, die einen Abgrund zwischen der herrschenden Kaste und dem Volk auftat; seiner Außenpolitik, die die Interessen der Weltrevolution den Interessen der stalinistischen Clique opferte.

Die Besitzergreifung Ostpolens – ein Unterpfand des Bündnisses mit Hitler und eine Garantie gegen Hitler – wurde begleitet von der Nationalisierung halbfeudalen und kapitalistischen Besitzes in der Westukraine und im westlichen Weißrussland. Ohne diese Maßnahmen hätte der Kreml das besetzte Gebiet nicht in die UdSSR eingliedern können, Die gewürgte und geschändete Oktoberrevolution bewies, dass sie noch lebendig war.

In Finnland hatte der Kreml keinen Erfolg, einen ähnlichen gesellschaftlichen Umsturz durchzuführen. Die imperialistische Mobilisierung der öffentlichen Meinung der Welt zu einer „Verteidigung Finnlands“; die Drohung einer unmittelbaren Intervention durch England und Frankreich; die Ungeduld Hitlers, der Dänemark und Norwegen in Besitz nehmen musste, ehe französische und britische Truppen auf skandinavischen Boden erschienen – all das zwang den Kreml, die Sowjetisierung Finnlands aufzugeben und sich auf die Besitzergreifung unbedingt notwendiger strategischer Positionen zu beschränken.

Die Invasion in Finnland verursachte fraglos auf Seiten der sowjetischen Bevölkerung eine völlige Ablehnung. Die fortgeschrittenen Arbeiter verstanden jedoch, dass die Verbrechen der Kreml – Oligarchie die Frage der Existenz der UdSSR nicht von der Tagesordnung strichen. Die Niederlage der UdSSR im Weltkrieg würde nicht nur die Beseitigung der totalitären Bürokratie bedeuten, sondern auch die Vernichtung der neuen Besitzformen. Das Scheitern des ersten Versuches einer Planwirtschaft und die Umwandlung des ganzen Landes in eine Kolonie, d. h. Auslieferung von riesigen natürlichen Reichtümern an den Imperialismus, die ihm eine Atempause bis zum Dritten Weltkrieg gewähren würden. Weder die Völker der UdSSR noch die Weltarbeiterklasse als Ganzes haben Interesse an einem solchen Ausgang.

Finnlands Widerstand gegen die UdSSR war mit seinem ganzen Heroismus nicht weniger ein Akt der unabhängigen nationalen Verteidigung wie der spätere Widerstand Norwegens gegen Deutschland. Die Regierung in Helsinki selbst verstand das, als sie es vorzog, eher vor der UdSSR zu kapitulieren, als Finnland in einen Militärstützpunkt für England und Frankreich zu verwandeln. Unsere aufrichtige Anerkennung des Rechts jeder Nation auf Selbstbestimmung ändert nichts an der Tatsache, dass im Verlauf des jetzigen Krieges dieses Recht nicht mehr Gewicht als Distelwolle hat. Wir müssen die Grundlinien unserer Politik im Einklang mit Grundlegenden und nicht mit zehntklassigen Faktoren bestimmen. Die Thesen der IV. Internationale erklären:

Das Konzept der nationalen Verteidigung, besonders wenn es mit der Idee der Verteidigung der Demokratie zusammenfällt, kann ganz leicht die Arbeiter kleiner und neutraler Länder (Schweiz, teilweise Belgien, skandinavische Länder ...) täuschen ... Nur ein hoffnungslos dummer Bourgeois aus einem gottverlassenen Schweizer Dorf (wie Robert Grimm) kann ernsthaft denken, dass der Weltkrieg, in den er gezogen wurde, für die Verteidigung der Schweizer Unabhängigkeit geführt wird.

Diese Worte erlangen heute eine besondere Bedeutung. In keiner Weise dem Schweizer Sozialpatrioten Robert Grimm überlegen sind jene pseudorevolutionären Kleinbürger, die glauben, dass es möglich ist proletarische Strategie in Verbindung mit der Verteidigung der UdSSR zu bestimmen, indem man sich auf solche taktischen Episoden wie die Invasion der Roten Armee in Finnland verlässt.

Äußerst beredsam in ihrer Einmütigkeit und Heftigkeit war die Kampagne, die die Weltbourgeoisie zum sowjetisch-finnischen Krieg startete. Weder Tücke noch die vorangegangene Gewalttätigkeit des Kreml haben die Empörung der Bourgeoisie hervorgerufen, da die gesamte Geschichte der Weltpolitik mit Verrat und Tücke geschrieben ist. Ihre Angst und Entrüstung erhob sich bei der Aussicht auf einen gesellschaftlichen Umsturz in Finnland nach dem Vorbild des durch die Rote Armee in Ostpolen durchgeführten Umsturzes. Was miteinbezogen war, war eine neue Bedrohung des kapitalistischen Eigentums. Die antisowjetische Kampagne, die durch und durch einen Klassencharakter hatte, enthüllte wieder einmal, dass die UdSSR auf Grund der durch die Oktoberrevolution gelegten gesellschaftlichen Grundlagen, von denen in letzter Konsequenz die Existenz der Bürokratie selbst abhängig ist, immer noch ein Arbeiterstaat bleibt, ein Schrecken für die Bourgeoisie in der ganzen Welt. Gelegentliche Abkommen zwischen der Bourgeoisie und der UdSSR ändern nichts an der Tatsache, dass „im historischen Maßstab der Antagonismus zwischen dem Weltimperialismus und der Sowjetunion unendlich tiefer ist als die Antagonismen, die die einzelnen kapitalistischen Länder in Gegensatz zueinander bringen.“

Viele kleinbürgerliche Radikale, die eben noch bereit waren, die Sowjetunion als eine Achse für die Sammlung der „demokratischen“ Kräfte gegen den Faschismus zu betrachten, haben plötzlich, als ihre eigenen Vaterländer von Hitler bedroht wurden, entdeckt, dass Moskau, das ihnen nicht zu Hilfe kam, eine imperialistische Politik verfolgt und dass es keinen Unterschied zwischen der UdSSR und den faschistischen Ländern gibt.

Lüge! Wird jeder klassenbewusste Arbeiter entgegnen – es besteht ein Unterschied. Die Bourgeoisie bewertet diesen gesellschaftlichen Unterschiede besser und gründlicher, als es die radikalen Windbeutel tun. Sicherlich, die Nationalisierung der Produktionsmittel in einem Land und einem rückständigen obendrein sichert noch nicht den Aufbau des Sozialismus. Aber sie ist fähig, die Grundvoraussetzung des Sozialismus nämlich die geplante Entwicklung der Produktivkräfte voranzutreiben. Der Nationalisierung der Produktionsmittel den Rücken aufgrund der Tatsache zu kehren, dass durch sie und von ihr selbst nicht das Wohlergehen der Maßen geschaffen wird, ist gleichbedeutend mit der Verurteilung eines Granitfundaments zum Abbruch, weil es unmöglich ist, ohne Mauern und einem Dach zu leben. Der klassenbewusste Arbeiter weiß, dass ein erfolgreicher Kampf für die vollständige Befreiung undenkbar ist ohne die Verteidigung der bereits erreichten Errungenschaften, so bescheiden sie auch sein mögen. Um so notwendiger ist deshalb die Verteidigung einer so kolossalen Errungenschaft wie der Planwirtschaft gegen die Restauration kapitalistischer Verhältnisse. Diejenigen, die keine alten Positionen verteidigen können, werden nie neue erringen.

Die IV. Internationale kann die UdSSR nur durch die Methoden des revolutionären Klassenkampfes verteidigen. Die Arbeiter zu lehren, den Klassencharakter des Staates – imperialistischer, Kolonial- oder Arbeiterstaat – und die wechselseitigen Beziehungen zwischen ihnen, wie auch die inneren Widersprüche in jedem einzelnen korrekt zu begreifen, ermöglicht es ihnen, in jeder gegebenen Situation die richtigen praktischen Schlussfolgerungen zu ziehen. Obwohl die IV. Internationale einen unermüdlichen Kampf gegen die Moskauer Oligarchie führt, lehnt sie entschieden jegliche Politik ab, die dem Imperialismus gegen die UdSSR helfen wurde.

Die Verteidigung der Sowjetunion fällt im Prinzip zusammen mit der Vorbereitung der proletarischen Weltrevolution. Wir lehnen die Theorie vom Sozialismus in einem Land, jenes Hirngespinst des ignoranten und reaktionären Stalinismus, kategorisch ab. Nur die Weltrevolution kann die UdSSR für den Sozialismus retten. Aber die Weltrevolution bringt die unausweichliche Auslöschung der Kreml-Oligarchie mit sich.

 

 

Für den revolutionären Sturz der bonapartistischen Stalinclique

Nach fünf Jahren des Kriechens vor den „Demokratien“ stellte der Kreml eine zynische Verachtung des Weltproletariats zur Schau, indem er ein Bündnis mit Hitler schloss und ihm das polnische Volk zu unterdrücken half; am Vorabend der Invasion in Finnland prahlte er mit schändlichem Chauvinismus und offenbarte eine nicht weniger schändliche militärische Unfähigkeit im folgenden Kampf; er machte lauthals Versprechungen, das finnische Volk von den Kapitalisten zu „befreien“ und kapitulierte dann feige vor Hitler – das war die Darbietung des stalinistischen Regimes in den kritischen Stunden der Geschichte.

Bereits die Moskauer Prozesse hatten enthüllt, dass die totalitäre Oligarchie zu einem absoluten Hindernis auf dem Weg der Entwicklung des Landes geworden war. Das steigende Niveau der wachsenden komplexen Bedürfnisse des Wirtschaftslebens kann die bürokratische Knebelung nicht länger dulden. Die Bande der Parasiten ist jedoch nicht bereit, irgendwelche Konzessionen zu machen. Im Kampf um ihre Stellung zerstört sie alles, was im Land am besten ist. Man darf nicht denken, dass die Leute, die in zwölf Jahren drei Revolutionen durchgeführt haben, plötzlich dumm geworden sind. Sie sind unterdrückt und verwirrt, aber sie beobachten und denken. Die Bürokratie erinnert sie jeden Tag durch ihre Willkürherrschaft, durch Unterdrückung, Habgier und blutige Rachsucht an ihre Existenz. Halbverhungerte Arbeiter und Kollektivbauern flüstern untereinander mit Hass über die verschwenderischen Launen von übereifrigen Kommissaren. Für Stalins 60sten Geburtstag wurden die Arbeiter im Ural gezwungen, eineinhalb Jahre an einem aus wertvollen Steinen hergestellten gigantischen Bildnis des verhassten „Vaters der Völker“ zu arbeiten – ein Projekt, das einem persischen Xerxes oder einer ägyptischen Kleopatra würdig gewesen waren. Ein Regime das fähig ist sich solche Scheußlichkeiten zu erlauben, muss einfach den Hass der Massen erregen.

Die Außenpolitik entspricht der Innenpolitik. Hätte die Kremlregierung die realen Interessen des Arbeiterstaates zum Ausdruck gebracht, hätte die Komintern der Sache der Weltrevolution gedient, dann hätten die Volksmassen des kleinen Finnlands unvermeidlich zur UdSSR gestrebt, und die Invasion der Roten Armee wäre überhaupt nicht notwendig gewesen oder sie wäre sofort vom finnischen Volk als ein revolutionärer Akt der Befreiung akzeptiert worden. In Wirklichkeit hat die gesamte vorhergehende Politik des Kreml die finnischen Arbeiter und Bauern von der UdSSR weggestoßen. Während Hitler in der Lage war, in den neutralen Ländern, in die er einmarschierte, auf die Hilfe der sogenannten „Fünften Kolonne“ zu zählen, fand Stalin in Finnland trotz der Tradition des Aufstandes von 1918 und des langen Bestehens der finnischen Kommunistischen Partei keinerlei Unterstützung. Unter diesen Bedingungen erhielt der Einmarsch der Roten Armee den Charakter eines direkten und offenen militärischen Gewaltaktes. Die Verantwortung für diesen Gewaltakt trifft ganz und gar die Moskau-Oligarchie.

Krieg ist die Feuerprobe eines Regimes. Als eine Folge der ersten Periode des Krieges hat sich die internationale Stellung er UdSSR trotz der zur Schau gestellten Erfolge offensichtlich verschlechtert. Die Außenpolitik des Kreml hat weite Kreise der Weltarbeiterklasse und der unterdrückten Völker von der UdSSR weggestoßen. Die von Moskau besetzten strategischen Nachschubbasen werden in der Auseinandersetzung der Weltmächte einen drittklassigen Faktor darstellen. Unterdessen bat sich Deutschland das wichtigste und am weitesten industrialisierte Gebiet Polens beschafft und eine gemeinsame Grenze mit der UdSSR, d. h. ein Tor zum Osten, erreicht. Mittels Skandinaviens beherrscht Deutschland die Ostsee und macht damit den Finnischen Meerbusen zu einer fest verkorkten Flasche. Das verbitterte Finnland gerät unter die direkte Kontrolle von Hitler. Statt einem schwachen neutralen steht die UdSSR nun einem mächtigen Deutschland jenseits seiner Leningrader Grenze gegenüber. Die Schwäche der von Stalin enthaupteten Roten Armee wurde offen vor der ganzen Welt demonstriert. Die zentrifugalen nationalistischen Tendenzen innerhalb der UdSSR haben sich verstärkt. Das Prestige der Kremlführung ist gesunken. Deutschland im Westen und Japan im Osten fühlen sich jetzt weitaus sicherer als vor dem finnischen Abenteuer des Kremls.

In seinem dürftigen Arsenal konnte Stalin nur eine einzige Antwort auf die unheilverkündende Warnung der Ereignisse finden: Er ersetzte Woroschilow durch eine noch größere Null, Timoschenko. Wie immer in diesen Fällen ist es das Ziel eines solchen Manövers, die Wut des Volkes und der Armee von dem für das Unglück verantwortlichen Hauptschuldigen abzulenken und an die Spitze der Armee ein Individuum zu setzen, dessen Verlässlichkeit durch seine Bedeutungslosigkeit garantiert ist. Der Kreml hat sich wieder einmal als Hauptbrutstätte des Defätismus gezeigt. Nur durch die Zerstörung dieser Brutstätte kann die Sicherheit der UdSSR gewährleistet sein.

Die Vorbereitung des revolutionären Sturzes der Moskauer Herrscherkaste ist eine der Hauptaufgaben der IV. Internationale. Diese Aufgabe ist nicht simpel oder leicht. Sie verlangt Heldentum und Opfer. Die Epoche der großen Erschütterungen, in die die Menschheit eingetreten ist, wird jedoch der Kreml-Oligarchie Schlag auf Schlag versetzen, ihren totalitären Apparat sprengen, das Selbstvertrauen der arbeitenden Massen stärken und dadurch den Aufbau der sowjetischen Sektion der IV. Internationale erleichtern. Die Ereignisse werden für uns arbeiten, wenn wir in der Lage sind, sie zu unterstützen!

 

 

Fußnote von Trotzki

1. Lenin, Lage und Aufgaben der sozialistischen Internationale, in: Lenin/Sinowjew, Gegen den Strom. Hamburg 1921, S. 2–6, hier S. 6 und Lenin, Werke, Band 21, S. 22–28, hier S. 27.

 


Zuletzt aktualiziert am 20 März 2020