Bismarck u. Lassalle: Briefwechsel

 

Punktationen

(Abschrift aus der Hand der Gräfin Hatzfeldt)

 

1. Das allgemeine und direkte Wahlrecht ist eingeführt.

2. Das Land wird in Wahlbezirke zu 100.000 Seelen eingeteilt. Jeder Wahlbezirk wählt zwei Abgeordnete. Die Festsetzung der Wahlbezirke wird durch Ausführungsdekret bekannt gemacht werden.

3. Jeder Wahlbezirk wird wieder in Wahlbezirksabteilungen zerlegt mit der Maaßgabe, daß jede Wahlbezirksabteilung mindestens 500 eingeschriebene Wähler umfaßt. Die Wahlbezirksabteilungen werden durch eine Verordnung des Ministers des Innern festgesetzt werden.

4. Wähler ist jeder nach seinen Landesgesetzen majorenne Preuße, welcher sich im Vollbesitz der bürgerlichen Rechte befindet in der Gemeinde, in welcher er seinen Wohnsitz oder seit drei Monaten seinen Aufenthalt hat.

5. Wählbar ist jeder Deutsche, welcher sich im Vollbesitz der bürgerlichen Rechte befindet und das 25te Lebensjahr erreicht hat.

6. Jeder muß, um in einem Wahlbezirk gewählt werden zu können, selbst als Kandidat für denselben aufgetreten sein. Dies geschieht dadurch, daß der Betreffende spätestens zehn Tage vor dem Wahlakt den Regierungspräsidenten des Wahlbezirks schriftlich von seiner Kandidatur benachrichtigt.

7. Spätestens acht Tage vor der Wahl hat der Regierungspräsident sowohl die von der Regierung aufgestellten> als alle in eigenem Namen aufgetretenen Kandidaten zur öffentlichen Kenntnis zu bringen.

8. Die Abstimmung ist geheim. Sie findet in der bevölkertsten Gemeinde jeder Wahlbezirksabteilung statt und geht dadurch vor sich, daß jeder Wähler dem Vorsitzenden des Wahlvorstandes einen zusammengefalteten Zettel übergibt, auf den er, ehe er sich zum Wahlakt begibt, die Namen zweier Kandidaten geschrieben hat, welchen der Vorsitzende vor seinen Augen in die Wahlurne wirft. Der Vorsitzende hat sich hierbei nur zu überzeugen, daß in dem Zettel kein zweiter Zettel eingeschlagen ist.

9. Die Wähler werden von dem Protokollführer des Wahlvorstandes und zwar in alphabetischer Ordnung aufgerufen. So wie ein Wähler seiner Wahlpflicht genügt hat, hat der Protokollführer Vermerk hiervon in die Wahlliste einzutragen.

Jedem Wähler steht frei, sich sofort davon zu überzeugen, daß dieser Vermerk eingetragen ist.

10. Unmittelbar nachdem sämmtliche erschienenen Wähler ihrer Wahlpflicht genügt haben, wird zur Entleerung der Wahlurne und zur Feststellung des Befundes geschritten.

11. Alle Stimmzettel insoweit sie auf einen Kandidaten laden, welcher nicht direkt als Kandidat aufgetreten ist (§ 6), sind nichtig.

12. Dadurch, daß die Kandidatur eines solchen, welcher als Kandidat aufgetreten ist von der Behörde (§ 7) bekannt zu machen verabsäumt wurde, wird seine Wahl nicht ungültig.

13. Über den Befund wird sofort ein Protokoll aufgenommen, dasselbe wird vom Vorsitzenden laut verlesen, von ihm wie von sämmtlichen Mitgliedern des Wahlvorstandes unterschrieben und an den von der Regierung ernannten und zur öffentlichen Kenntnis gebrachten Vorsitzenden des Wahlvorstandes am Hauptort des Wahlbezirkes eingesandt.

14. Spätestens zwei Tage nach Empfang sämmtlicher Wahlprotokolle der Wahlbezirksabteilungen hat der Vorsitzende des Wahlbezirks in einer von ihm zuvor bekannt zu machenden öffentlichen Versammlung und in Gegenwart des Wahlvorstandes an dem betreffenden Hauptort des Wahlbezirks sämmtliche Wahlprotokolle vorzulegen, die Zahlen der auf die einzelnen Kandidaten gefallenen Stimmen laut zusammen zu addieren und das Resultat zu verkünden.

15. jeder Wahltag ist für den ganzen Umfang des betreffenden Wahlbezirks gesetzlicher Feiertag.

16. Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf den sub 14 erwähnten Tag der Feststellung des Wahlresultates am Hauptort des Wahlbezirks.

17. Jeder Wähler, welcher in zwei auf einander folgenden Wahlakten seine gesetzliche Wahlpflicht nicht erfüllt hat, ohne durch Krankheit, oder durch eine mindestens zwei Tage vor dem Wahlakt angetretene Reise, oder durch eine am Wahltage selbst angetretene, dann aber durch zwingende Gründe veranlaßte Reise gehindert gewesen zu sein, wird mit dem zehnjährigen Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte bestraft.

18. Es ist Sache des nach den allgemeinen Rechtsregeln kompetenten Strafrichters, hierüber zu erkennen.

19. Keiner ist zum Abgeordneten erwählt und wird als solcher verkündet, welcher nicht die absolute Majorität aller abgegebenen Stimmen, und zwar unter Einrechnung der nichtigen Stimmen auf sich vereinigt hat.

20. Wenn keiner oder nur einer der Kandidaten die absolute Majorität der Stimmen auf sich vereinigt hat, wird von dem Vorsitzenden des Wahlbezirks ein neuer binnen acht Tagen stattfindender Wahltag in bezug auf die noch nicht erledigte Abgeordnetenwahl ausgeschrieben.

21. Bei diesem zweiten Wahlgang kann niemand als Kandidat auftreten, der nicht schon beim ersten Wahlgang als Kandidat aufgetreten ist.

22. Dagegen ist keiner dieser Kandidaten wegen relativer Minorität als ausgeschieden zu betrachten.

23. Kommt es auch beim zweiten Wahlgang zu keiner absoluten Majorität für beide oder einen der zu erwählenden Abgeordneten, so findet unter denselben Bestimmungen ein dritter Wahlgang statt.

24. Kommt es beim dritten Wahlgang auch zu keiner absoluten Majorität, so ruht für die Dauer der Legislaturperiode das Wahlrecht des Wahlbezirkes für die nicht erledigte Abgeordnetenstelle.

25. Die Dauer der Legislaturperiode ist zweijährig. Zu flankieren [1] ist das Wahlgesetz:

  1. durch eine Proklamation über die Bedeutung etc.
  2. durch das Preßgesetz [2]
    Hierbei ist zu bemerken
    1. daß die Staatsanwaltschaft und seine (sic!) Organe kein Recht zur vorläufigen Beschlagnahme einer Zeitung oder einer Flugschrift vor rechtskräftigem Urteil haben darf, außer in den Fällen direkter Aufforderung zu Hoch- und Landesverrat oder gewaltsamen Widerstandes gegen die Anordnungen der Regierung.
    2. Aufhebung der Erforderlichkeit von Konzessionen für die Herausgeber und Verleger von Zeitungen.
  3. Telegraphenmaßregel.

NB!! Zwischen der Publikation und der Wahl selbst müssen volle sechs Monate liegen.

 

Anmerkungen

1. Im Original zweimal unterstrichen.

2. Von Lassalle unterstrichen.

 


Zuletzt aktualisiert am 16.10.2004