Bismarck u. Lassalle: Briefwechsel

 

Lassalle an Bismarck

(Originalkonzept)

 

Ohne Datum.
[Berlin, nach 20. Februar 1864.]

Excellenz!

Da die Zeit zu mündlicher Unterredung fehlt, so wird es wenigstens nützlich sein, die beiden Hauptpunkte zu bezeichnen, welche den Gegenstand [1] derselben gebildet haben würden.

Es ist natürlich, daß die auswärtige Politik gegenwärtig von ganz überwiegender Wichtigkeit ist. Wenn Ew. Excellenz, wie es scheint, an dem Programm einer Allianz mit Österreich gegenwärtig festhalten, so ließe sich auch eine solche höchst gesunde und nationale [2] vollkommen denken. Es kömmt mir auf die Basen [3] an, welche dieser Allianz zu Grunde gelegt werden.

Es ließe sich sogar eine Allianz mit Österreich denken, welche im höchsten Grade welthistorisch und national wäre. Zu dieser aber Österreich gegenwärtig zu bewegen, ist [4] noch völlig undenkbar und somit ist [4] es auch, wenn sie auch vielleicht einst das notwendige Programm der Zukunft sein wird, völlig überflüssig von ihr zu sprechen.

Es ließe sich aber auch eine andere Allianz mit Österreich denken, welche schon lebt möglich und, ohne die Größe der vorigen zu haben, immer noch immer [5] eminent national wäre. Eine Allianz, welche, zumal sowie Napoleon eine uns feindliche Politik einschlägt, Deutschland die vollkommenste Überlegenheit gegen ihn sichern und die Nation hinreißen würde.

Es läßt sich aber auch drittens eine Allianz mit Österreich denken, die uns leicht eine völlig conterrevolutionäre Stellung und Napoleon gewonnenes Spiel geben würde, eine Allianz, welche die größten Katastrophen für uns im (>folge haben könnte!

Alles hängt also von den Basen der Allianz ab.

Den letzten Fall zu vermeiden, den zweiten Fall herbeizuführen, die Ansichten Ew. Excellenz über diese beiden verschiedenen Allianzbasen zu hören und die meinige mit Ihnen auszutauschen, war der wichtigste Zweck der gewünschten Unterredung.

Der zweite war, mich zu erkundigen, welche Begründung die kursierenden Gerüchte von der Wiedereinberufung der Fortschrittler haben. Dieselbe würde der Nation nur den Eindruck einer namenlosen Schwäche machen können, und auf jeden Anspruch auf eine imposante Haltung müßte die Regierung dann verzichten.

Ich [6] kann übrigens nicht umhin, mein Befremden auszudrücken, daß ich von [7] der Hand eines mir völlig fremden Regierungsrates eine Antwort erhalten habe. Meine Übersendung des Werks war eine persönliche [8], nicht offizielle, und die Benachrichtigung, daß Ew. Excellenz keine Zeit haben, hätte mir durch zwei Worte oder Herrn Regierungsrat Zitelmann zukommen [9] können, den ich, seit ihn Ew. Excellenz zuerst zu mir schickte, als aushelfendes Organ [10] Ew. Excellenz akzeptiert habe.

Selbstredend daß ich, ehe ich Excellenz wieder incommodiere, die Initiative derselben abwarte. [11]

 

 

Anmerkungen

1. Erst hatte Lassalle geschrieben: „über welche Ich das Motiv“.

2. Hier strich Lassalle das Wort: „jetzt“.

3. Von Lassalle unterstrichen.

4. Ursprünglich stand: „scheint“.

5. Zuerst stand: „ganz“.

6. Von hier an sind Handschrift und wohl auch die Tinte etwas verändert, so daß man annehmen möchte, daß der Briefentwurf vielleicht nicht an dem gleichen Tage vollendet wie begonnen wurde.

7. Zuerst stand: „von völlig fremder Hand“.

8. Dies hatte Lassalle anfangs geschrieben und den wiederhergestellt nachdem er dazwischen übergeschrieben hatte: „an Exzellenz na Bhsmarck. nicht an“.

9. Zuerst schrieb Lassalle: „zugeschickt werden“.

10. Vorher stand: „Vermittler“.

11. Unterschrift fehlt.

 


Zuletzt aktualisiert am 17.10.2004