J.W. Stalin

 

Über die Grundlagen des Leninismus

 

IX
Der Arbeitsstil

Es ist hier nicht vom literarischen Stil die Rede. Ich meine den Stil in der Arbeit, jenes Besondere und Eigenartige in der Praxis des Leninismus, das den besonderen Typus des leninistischen Funktionärs schafft. Der Leninismus ist die theoretische und praktische Schule, die einen besonderen Typus des Partei- und Staatsfunktionärs herausbildet, die einen besonderen, den Leninschen Arbeitsstil schafft.

Worin bestehen die charakteristischen Merkmale dieses Stils? Welches sind seine Besonderheiten?

Es sind zwei Besonderheiten:

  1. der russische revolutionäre Schwung und
  2. die amerikanische Sachlichkeit.

Der Stil des Leninismus besteht in der Vereinigung dieser beiden Besonderheiten in der Partei- und Staatsarbeit.

Der russische revolutionäre Schwung ist das Gegengift gegen Trägheit, Routine, Konservatismus, Denkfaulheit, sklavisches Festhalten an den Traditionen der Großväter. Der russische revolutionäre Schwung ist jene belebende Kraft, die das Denken weckt und vorwärts treibt, das Alte zerstört, Perspektiven eröffnet. Ohne diesen Schwung ist kein Fortschritt möglich.

Aber der russische revolutionäre Schwung hat alle Aussichten, in der Praxis in hohle „revolutionäre“ Manilowerei auszuarten, wenn er nicht verbunden wird mit amerikanischer Sachlichkeit in der Arbeit. Beispiele einer solchen Entartung gibt es noch und noch. Wer kennt nicht die Krankheit der „revolutionären“ Projektemacherei und des „revolutionären“ Pläneschmiedens, deren Quelle der Glaube an die Macht des Dekrets ist, das imstande sei, alles zuwege zu bringen und alles umzugestalten? Ein russischer Schriftsteller, I. Ehrenburg, hat in der Erzählung V.K.M. (Vervollkommneter kommunistischer Mensch) den Typus eines von dieser Krankheit befallenen „Bolschewiks“ geschildert, der sich zum Ziel gesetzt hat, das Schema eines ideal vervollkommneten Menschen zu entwerfen, und... in dieser „Arbeit“ „ersoff“. Die Erzählung enthält zwar große Übertreibungen, dass sie aber die Krankheit richtig erfasst hat, unterliegt keinem Zweifel. Niemand jedoch dürfte solche Kranke so ätzend und schonungslos verspottet haben wie Lenin. „Kommunistische Hoffart“ – so nannte er diesen krankhaften Glauben an Projektemacherei und Dekretiererei.

„Kommunistische Hoffart heißt“, sagt Lenin, „dass ein Mensch, der der Kommunistischen Partei angehört und aus ihr noch nicht hinausgereinigt worden ist, sich einbildet, alle seine Aufgaben durch kommunistisches Dekretieren erledigen zu können.“ (Siehe 4. Ausgabe, Bd.33, S.54, russ.)

Dem „revolutionären“ Wortgeklingel stellte Lenin gewöhnlich die einfachen und alltäglichen Taten gegenüber und unterstrich damit, dass „revolutionäre“ Projektemacherei sowohl dem Geist wie dem Buchstaben des wahren Leninismus widerspricht.

„Weniger schwülstige Phrasen“, sagt Lenin, „und mehr einfache, alltägliche Arbeit ...“

„Weniger politisches Wortgeprassel und mehr Aufmerksamkeit für die einfachsten, aber lebendigen ... Tatsachen des kommunistischen Aufbaus ...“ (Siehe 4. Ausgabe, Bd.29, S.395 und 386 [deutsch in Ausgewählte Werke“ in zwei Bänden, Bd.II, S.577 und 568].)

Die amerikanische Sachlichkeit ist wiederum das Gegengift gegen „revolutionäre“ Manilowerei und phantastische Projektemacherei. Die amerikanische Sachlichkeit ist jene unbändige Kraft, die keinerlei Schranken kennt noch anerkennt, die mit ihrer sachlichen Beharrlichkeit alle wie immer gearteten Hindernisse hinwegfegt, die jede einmal begonnene Sache unbedingt bis zu Ende durchführt, selbst wenn es eine kleine Sache ist, und ohne die eine ernste aufbauende Arbeit undenkbar ist.

Doch hat die amerikanische Sachlichkeit alle Aussicht, in engen und prinzipienlosen Praktizismus auszuarten, wenn sie nicht mit dem russischen revolutionären Schwung verbunden wird. Wer kennt nicht die Krankheit des engen Praktizismus und der prinzipienlosen Geschäftigkeit, die nicht selten manche „Bolschewiki“ zur Entartung und zur Abkehr von der Sache der Revolution fährt? Diese eigenartige Krankheit fand ihre Widerspiegelung in der Erzählung „Das nackte Jahr“ von B. Pilnjak, wo Typen russischer „Bolschewiki“ geschildert werden, die zwar von Willen und praktischer Entschlossenheit erfüllt sind und sehr „energisch“ „fungieren“, denen aber die Perspektive fehlt, die nicht wissen, „wie die Dinge zusammenhängen“, und deshalb vom Wege der revolutionären Arbeit abirren. Niemand verspottete diese krankhafte Geschäftigkeit so ätzend wie Lenin. „Engstirniger Praktizismus“, „kopflose Geschäftigkeit“ – so titulierte Lenin diese Krankheit. Er stellte ihr gewöhnlich die lebendige revolutionäre Tat und die Notwendigkeit revolutionärer Perspektiven auf allen Gebieten unserer Alltagsarbeit entgegen und betonte damit, dass prinzipienloser Praktizismus dem wahren Leninismus ebenso widerspricht wie „revolutionäre“ Projektemacherei.

Vereinigung des russischen revolutionären Schwungs mit amerikanischer Sachlichkeit – darin liegt das Wesen des Leninismus in der Partei- und in der Staatsarbeit.

Nur eine solche Vereinigung gibt uns den vollendeten Typus des leninistischen Funktionärs, den Arbeitsstil des Leninismus.

 


Zuletzt aktualisiert am 15.9.2004