Ernst Thälmann

 

Gegen den Mord an Sacco und Vanzetti

Rede im Berliner Lustgarten

(24. August 1927)


Die Rote Fahne vom 25. August 1927.
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Wir demonstrieren heute gegen die Ermordung Saccos und Vanzettis durch die weiße Blutjustiz der amerikanischen Bourgeoisie. Diese Demonstration richtet sich gleichzeitig gegen das blutbesudelte kapitalistische System, das der wirklich Schuldige des Mordes an Sacco und Vanzetti ist. Die Abschlachtung Saccos und Vanzettis ist kein Einzelfall, sondern in allen kapitalistischen Ländern wütet die Klassenjustiz gegen die Kämpfer des revolutionären Proletariats. Wir alle denken noch an die viehische Ermordung von Rosa und Karl, von Jogiches und Levine, von Sylt und vielen anderen, die dem weißen Terror des deutschen Kapitalismus zum Opfer gefallen sind. Dieser Terror wütet nach wie vor in der gesamten kapitalistischen Welt, in Ungarn, Polen, Italien, Bulgarien, in Rumänien, Litauen, in Österreich und auch in Deutschland.

Justizmord und heimtückische Abschlachtung von Proletariern sind in allen kapitalistischen Ländern an der Tagesordnung. Gleichzeitig werden Tausende von Kämpfern für das Proletariat hinter Kerkermauern gequält und oft zu Tode gefoltert. Hunderte von Arbeitern schmachten in Deutschland in den Gefängnissen, die nichts anderes begangen haben, als daß sie die Interessen der Unterdrückten und Ausgebeuteten verteidigt haben.

Millionen von Arbeitern sind zum Protest gegen die geplante Ermordung von Sacco und Vanzetti auf die Straße gegangen. Aber die amerikanische Bourgeoisie fühlte sich noch stark genug, um vor der Ermordung nicht zurückzuschrecken. Freilich, der Kampf des Weltproletariats gegen das brutale Verbrechen der amerikanischen Bourgeoisie war nicht einheitlich. Die sozialdemokratischen Parteien, die II. Internationale und die Amsterdamer Gewerkschaftsinternationale haben von Anfang an diesen Kampf sabotiert. Was in ihren Kräften stand, haben sie getan, um die Arbeiterschaft in ihrer Protestaktion zu schwächen und zu hindern. Am schamlosesten hat sich die deutsche Sozialdemokratische Partei benommen. Der Vorwärts übertraf sogar einen Teil der kapitalistischen Presse, indem er die Abschlachtung Saccos und Vanzettis mit den Erschießungen konterrevolutionärer Banditen in der Sowjetunion gleichstellte.

In Deutschland hat die Klassenjustiz unter der Bürgerblockregierung einen verschärften Kurs eingeschlagen. Vor kurzem hat die Niedner-Justiz in Stuttgart eine Anzahl Arbeiter zu 45 Jahren Zuchthaus verurteilt, weil sie es gewagt hatten, die württembergische Arbeiterschaft zum Kampfe gegen den Faschismus zu organisieren. Derselbe Niedner hat gegen die Zentrale der KPD einen Prozeß eingeleitet, der im Oktober stattfinden soll.

Während ein Teil der Bourgeoisie und die sozialdemokratischen Führer einen Abscheu gegen die Ermordung von Sacco und Vanzetti heucheln, sind sie gleichzeitig in vielen Städten mit den brutalsten Mitteln gegen die demonstrierenden Arbeiter vorgegangen. In Paris und in Genf, in London und in Amsterdam, in Leipzig und in Halle wurden Arbeiter niedergeknüppelt und erschlagen, weil sie es wagten, nicht nur gegen die amerikanische Verbrecherjustiz, sondern gegen die Klassenjustiz im eignen Lande aufzumarschieren. In Deutschland waren es gerade sozialdemokratische Polizeipräsidenten, die sich bei dieser Niederknüppelung der Arbeiter durch schamlose Anbiederung an die kapitalistische Gesellschaft ausgezeichnet haben.

Mit uns schwören heute Millionen Arbeiter in der ganzen Welt Rache für Sacco und Vanzetti! Das Mittel dazu besteht in der Organisierung des verstärkten Kampfes gegen die weiße Justiz im eigenen Lande, in der Verstärkung des Kampfes für die Befreiung aller proletarischen politischen Gefangenen, in Deutschland insbesondere in der Zusammenfassung aller Kräfte zum Sturz der reaktionären Bürgerblockregierung.

 


Zuletzt aktualisiert am 16.10.2003