Ernst Thälmann

 

Entfaltet das rote Banner des Weltoktobers!

(7. November 1930)


Die Rote Fahne (Berlin), Nr.261 vom 7. November 1930.
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Heute begehen die Arbeiter und Bauern der Sowjetunion das dreizehnte Jahr der Sowjetmacht. 13 Jahre Diktatur des Proletariats im Bündnis mit den werktätigen Bauern auf einem Sechstel der Erdkugel - das sind 15 Jahre lebendiger Anschauungsunterricht für das Weltproletarlat, daß nur der Kommunismus den arbeitenden Massen Rettung und Aufstieg aus dem Chaos und Massenelend des Kapitalismus bringen kann. 13 Jahre Sowjetmacht - das ist Aufbau des Sozialismus, Liquidierung der Arbeitslosigkeit, stürmischer Vormarsch bei der Industrialisierung und Kollektivierung der Landwirtschaft, unaufhaltsame Offensive gegen das Kulakentum, gegen die letzten Überreste des Kapitalismus. Und zugleich, auf der anderen Seite, Krise in allen kapitalistischen Ländern, Bankrott der bürgerlichen Demokratie und faschistischer Terror, Massenelend, Millionenerwerbslosigkeit und Hungersnot auf den fünf Sechsteln der bürgerlich-kapitalistischen Welt.

Das dreizehnte Jahr der proletarischen Diktatur stand im Zeichen der heroischen und unermüdlichen Anstrengungen des siegreichen Proletariats der Sowjetunion bei der Durchführung des Fünfjahrplans, bei der Verwirklichung des sozialistischen Aufbaus. Während in allen kapitalistischen Ländern, vor allem in Deutschland, unter den Schlägen der Weltwirtschaftskrise das morsche System der niedergehenden kapitalistischen Welt erzittert, während die Fabriken stillgelegt werden, in jeder Woche neue Zehntausende und Hunderttausende von Arbeitern aufs Straßenpflaster fliegen, wachsen in der Sowjetunion gigantische Werke der sozialistischen Wirtschaft empor, drehen sich die Räder, rauchen die Schlote, dehnen sich die riesigen Getreidefabriken, die sozialistischen Sowjetgüter, auf dem urbar gemachten Land.

In Deutschland versucht die regierende Kapitalistenklasse, ihre Hungeroffensive gegen die werktätigen Massen mit allen Methoden der brutalsten Diktatur durchzusetzen. Zu der Theorie des Brüning-Ministers Bredt, der 20 Millionen »über Nacht krepieren« lassen will, damit »Deutschland das reichste Land der Erde« werde, liefert die Brüning-Regierung mit ihren sozialdemokratischen und faschistischen Helfershelfern die Praxis: Den Erwerbslosen wird der letzte Bissen Brot gestohlen, die Kranken werden ausgeplündert, den Arbeitern in den Betrieben raubt man den Lohn, den Beamten und Angestellten werden ihre Hungergehälter abermals gekürzt. Der notleidende Mittelstand und das schaffende Landvolk werden mit Wuchersteuern bis aufs Mark ausgesaugt. Der Gerichtsvollzieher und Steuereintreiber holt den Bauern die letzte Kuh aus dem Stall, pfändet das Korn vom Halm. Das sind die Segnungen der kapitalistischen Ordnung.

Die bürgerliche Demokratie reicht als Herrschaftsmethode für die Kapitalisten zur Durchsetzung ihrer räuberischen Politik, gegen den wachsenden Widerstand der Massen nicht mehr aus. Der Faschismus, erhebt sein blutrünstiges Haupt. In Deutschland geht die faschistische Saat der Hitler und Goebbels auf, die die Severing und Hermann Müller mit ihrer sozialfaschistischen Politik [1] gesät haben. In Österreich, dem »Musterland« der II. Internationale, wütet die offene und brutale Militärgewalt der faschistischen Diktatur [2] gegen die Arbeiterklasse, nachdem die Sozialdemokratie ihre Rolle als Wegbereiterin des Faschismus mit der Auslieferung der Waffen des Proletariats gekrönt hat. Hunger und Faschismus - das sind die »Erfolge« der sozialdemokratischen Politik für die werktätigen Massen in allen kapitalistischen Ländern! Hunger und Faschismus - das sind die Ergebnisse jenes Weges, auf den die deutsche Sozialdemokratie die Massen nach dem 9. November 1918 verlockte, die Ergebnisse ihres angeblichen »demokratischen Weges zum Sozialismus«.

Unter der Sowjetmacht, im Lande der proletarischen Diktatur, gibt es keinen Lohnraub, keine Wuchersteuern, keinen Faschismus. Der eiserne Besen der proletarischen Diktatur hat das konterrevolutionäre Gesindel, das in den kapitalistischen Ländern den Faschismus kommandiert, auf einem Sechstel der Erde erbarmungslos vernichtet. Unter der Losung »Fünfahrplan in vier Jahren!« bricht sich die Offensive des Sozialismus gegen alle Feinde der Arbeiterklasse, gegen alle Agenten des Kapitalismus Bahn.

Im kapitalistischen Deutschland schmachten die werktätigen Volksmassen unter der doppelten Sklavenfron durch die deutsche Bourgeoisie und das internationale Finanzkapital, als dessen Fronvögte die deutschen Kapitalisten den räuberischen Young-Plan auf Kosten der Werktätigen vollstrecken. Milliardentribute werden neben dem Profit der deutschen Kapitalisten aus dem Schweiß und [dem] Hunger der deutschen Arbeiter herausgepreßt.

Das Proletariat der Sowjetunion kennt keine Young-Sklaverei, keinen Dawes-Plan, keinen Versailler Friedensvertrag. Die siegreiche proletarische Revolution hat die imperialistischen Raubverträge zerrissen und die zaristischen Schulden für null und nichtig erklärt. Die proletarische Diktatur hat den Massen Arbeit, Brot und Freiheit gegeben. Die Rote Armee, das Schwert der Arbeiter-und-Bauern-Macht, hat in der Vergangenheit alle Anschläge der imperialistischen Banditen auf das Land des Sozialismus abgewehrt und wird auch in Zukunft die räuberischen Gelüste der Imperialisten zurückzuschlagen wissen.

Mit dem Takt der Maschinen in den Fabriken der sozialistischen Industrie, mit dem Knattern der Traktoren auf den Feldern der Sowjetgüter und Kollektivwirtschaften, mit dem Sturmschritt der Bataillone der Roten Armee entfacht das Land des Roten Oktobers in den Herzen der Arbeiter aller Länder die Flamme des proletarischen Kampfwillens für den Sozialismus. Das Beispiel der russischen Revolution, das Beispiel des siegreichen sozialistischen Aufbaus, der erfolgreichen Durchführung des Fünfjahrplans wird zum Hebel für den revolutionären Klassenkampf in allen kapitalistischen Staaten. Der rote Oktober 1917 entfaltete zugleich das Sturmbanner des kommenden Weltoktobers!

Die deutsche Arbeiterklasse, die das kapitalistische Massenelend der Young-Sklaverei erduldet, blickt mit glühender Begeisterung auf die Sowjetunion. Die Millionen Erwerbslosen in Deutschland, denen der Kapitalismus den Hungertod für Männer, Frauen und Kinder beschert, begreifen aus dem Beispiel der Sowjetunion, daß ein kommendes Sowjetdeutschland auch ihnen Arbeit und Brot durch den Siebenstundentag mit vollem Lohnausgleich und die Fünftagewoche schaffen wird.(3) Die Hunderttausende von Obdachlosen in Deutschland, die Millionen kinderreichen Proletarierfamilien, die in ungesunden Wohnhöhlen zusammengepfercht hausen müssen, während die Kapitalisten Luxuswohnungen, Villen und Paläste bewohnen, sehen, daß der Sieg der proletarischen Revolution ihnen mit einem Schlage menschenwürdige Lebensverhältnisse bringen wird. Die Arbeiterinnen und die proletarische Jugend, die heute in den kapitalistischen Betrieben ein besonderes Ausbeutungsobjekt für die Profitgier der Unternehmer darstellen, erkennen, daß nur ein Sowjetdeutschland ihnen gleichen Lohn für gleiche Arbeit und jenen Schutz für die Jungarbeiter, jene umfassende Fürsorge für Mutter und Kind geben kann, die in der Sowjetunion verwirklicht sind. Sowjetdeutschland ist für alle Schaffenden der Ausweg aus der Katastrophe!

Der dreizehnte Jahrestag des Roten Oktobers, der an die Stelle des blutbefleckten Zarismus, an die Stelle der kapitalistischen Kerenskiregierung den Staat der proletarischen Diktatur setzte - das ist zugleich gerade für das deutsche Proletariat von neuem die Bestätigung und Erhärtung jener Lehre, daß die Arbeiterklasse nicht siegen kann ohne die Führerin der proletarischen Revolution, ohne bolschewistische Partei! In den 12 Jahren seit dem 9. November 1918, seit dem Ende des Wilhelminischen Deutschlands, haben sich die revolutionären Arbeiter Deutschlands diese eiserne Avantgarde, diese Führerin ihres Freiheitskampfes, die Kommunistische Partei, geschaffen. Heute, am dreizehnten Jahrestag der Sowjetunion, verfügt das deutsche Proletariat über eine revolutionäre Partei, die gerüstet und entschlossen ist, das rote Banner des Sozialismus auch in Deutschland zu entfalten.

Der dreizehnte Jahrestag des Roten Oktobers fällt in eine Zeit der schwersten Weltwirtschaftskrise, die in Deutschland in raschem Tempo in die politische Krise des kapitalistischen Systems umschlägt - in eine Situation, in der der neue revolutionäre Aufschwung eingesetzt hat, angesichts der wiederaufflammenden chinesischen Revolution, angesichts des Freiheitskampfes der indischen Arbeiter und Bauern, wenige Tage nach dem machtvollen Streik der Berliner Metallarbeiter, am Vorabend erbitterter Klassenkämpfe, die der kommende Hungerwinter im kapitalistischen Deutschland bringen muß.

Nicht umsonst verstärkt die Weltbourgeoisie gerade jetzt, da die kapitalistische Klassenherrschaft in einer Reihe von Ländern ernst bedroht wird, ihre Hetze gegen die Sowjetunion. Die Arbeiter aller Länder werden das sozialistische Vaterland des Weltproletariats, die Sowjetmacht, gemeinsam mit der Roten Armee in jeder Stunde und bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen und zu schützen wissen!

Gegen die Kriegspläne des Imperialismus, gegen den Hungerkurs des Kapitalismus, gegen den Terror des Faschismus gibt es nur einen Weg für das Proletariat: den Weg, den die Oktoberrevolution der russischen Arbeiter und Bauern uns gewiesen hat. Darum heißt unsere Losung am 7. November: Empor das Banner der proletarischen Revolution! Entfaltet das Sturmbanner des Weltoktobers!

 

Anmerkung:

1. Ernst Thälmann bezieht sich auf die These, daß sich die Politik der rechten sozialdemokratischen Führer zum »Sozialfaschismus« entwickelt. Diese These wurde später revidiert.

2. Im Oktober 1930 trat der Führer der klerikalfaschistischen »Heimwehr« in die österreichische Regierung Seipel ein. Dadurch verschärfte sich deren reaktionäre Politik.

3. Die Worte »für Männer, Frauen und Kinder beschert, begreifen aus dem« wurden an Hand der Hamburger Volkszeitung ergänzt, die den Artikel gleichzeitig mit der Roten Fahne veröffentlicht hat. In der Roten Fahne war an dieser Stelle eine falsche Druckzeile gesetzt.

 


Zuletzt aktualisiert am 9.11.2003