Max Adler

Kausalität und Teleologie

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XVII. Metaphysik oder
Erkenntnistheorie?


Waren wir also ausserstande, solange wir nur konsequent auf theoretischem Gebiete verblieben, auch nur eine entfernte Analogie konstatieren zu können, auf welche stützend die Gesetzlichkeit des Bewusstseins überhaupt für sich den Charakter eines Sollens annehmen hätte können, so gestattet uns diese Erkenntnis nun noch einmal die Unstichhältigkeit desjenigen Argumentes in neuem Lichte bestätigt zu finden, mit welchem wir uns zuerst auseinanderzusetzen suchten und das tatsächlich das Hauptargument der teleologischen Auffassung war, dass nämlich die Allgemeingültigkeit der Axiome und Normen nur aus ihrer unentbehrlichen Bedeutung bewiesen werden kann, die sie als Mittel zum Zweck eines allgemein gültigen Erkennens oder einer ebensolchen Beurteilung haben. Eine solche Anschauung stellt sich nun als geradezu unvereinbar heraus mit allen jenen Merkmalen, die allein den Begrifif vom Bewusstsein überhaupt als einen nicht transzendenten, sondern bloss transzendentalen denken lassen. In der Tat erwächst auch die grossartige Kraft des teleologischen Grundgedankens, durch welchen die Philosophie Fichtes fortzeugend geworden ist, ihm keineswegs, wie Windelband und wohl auch Rickert meinen, als kritische Methode, sondern nur dort, wo er im Zusammenhange einer Metaphysik auftritt, wie es eben die Fichtes war. Denn nur, wenn der oberste Zweck des Erkennens, des Handelns, des Geniessens, kurz, wenn das Ich (das Bewusstsein überhaupt) nicht als blosser Charakter unseres Erkenntnisvermögens, sondern als absolutes Wesen gesetzt ist, welches seine obersten Zwecke sich kraft eigener Freiheit und Vernünftigkeit setzt, dann erscheint durch den Nachweis der teleologischen Natur der Axiome und Normen freilich ihre allgemeine Geltung als notwendig erwiesen, weil bei der ausgemachten Existenz und Natur des metaphysischen Wesens seine obersten Zwecke nicht im mindesten angezweifelt werden können. Die teleologische Durchführung der Kantschen transzendentalen Erkenntnistheorie ist daher jedenfalls nicht die Krönung der kritischen Methode, sondern ihre Umbeugung in Metaphysik. Auf kritischem Boden muss man vielmehr bei der Erkenntnis verbleiben, dass nicht nur, wie gerade Windelband so trefflich gezeigt hat, die Gültigkeit der Axiome und Normen beweisen zu wollen, ein barer Widersinn ist, sondern, dass, hat man dies einmal eingesehen, es überhaupt eine Inkonsequenz und eine Frage, die sich selbst nicht versteht, ist, wenn man nach irgend einer anderen Begründung dieser formalen Grundlagen unseres geistigen Wesens sucht.

Alles Erklären, Beweisen und Begründen bezieht sich allemal nur auf das, was den Inhalt unseres Bewusstseins ausmacht, was uns also irgendwie gegeben und von uns in einen besonderen Zusammenhang gebracht wird, und macht so das Gebiet der Wissenschaft aus. Dagegen hat die Erkenntnistheorie es ganz und gar nur damit zu tun, wie uns der Inhalt des Erkennens gegeben ist, beziehungsweise wie er in den besonderen Geltungsansprüchen, in denen er an uns herantritt, möglich ist. Das hat, wie man sofort sieht, mit Begründen überhaupt nichts zu tun, sondern ist ein ein- faches, möglichst genaues Aufzeigen. Man wäre versucht zu sagen, dass der vielumstrittene Begriff der Beschreibung viel richtiger die Aufgabe der Erkenntnistheorie als die der Wissenschaft bezeichne, wenn nicht dieser Ausdruck die grosse Gefahr bei sich führte, dass er rein positiv verstanden würde, also so, wie etwa ein Reisender ein fremdes Land beschreibt, und darüber ausser acht gelassen würde, wie der Lebensnerv der Erkenntnistheorie die Kritik ist. Sie ist also Beschreibung, insofern sich in ihr nur das Bewusstsein selbst beschreibt, aber nicht etwa in seinem konkreten Bestände als Objekt des Erkennens – das wäre Sache der Psychologie – sondern, was eben ihren kritischen Geist ausmacht, in seiner formalen Beschaffenheit als Mittel des Erkennens. Diese Art Beschreibung geht also nicht auf die Kenntlichmachung von Eigenschaften, sondern auf die Darlegung einer Relation, nämlich der Möglichkeit allgemein gültiger Erfahrung vermittelst des reinen Denkens. Mit Recht betont daher Hermann Cohen gegenüber einer rein psychologischen Auffassung, nach welcher die einfachsten Vorbedingungen aller Erfahrung und die Gesetze alles Denkens bloss geschildert und beschrieben werden könnten: „Die Konfrontation des Wissens seinem Inhalte nach mit seinen methodischen Grundlagen unterscheidet die Philosophie (sc. die kritische, von der die Rede ist) von Schildern und Beschreiben. Diese Schilderung ist vielmehr Musterung, und diese Beschreibung vielmehr Untersuchung, Prüfung und Abschätzung. Die Worte haben keinen Sinn mehr, wenn das Schildern und Beschreiben des epischen Dichters oder gar des Malers gleichgemacht werden darf mit der Auswahl und der schöpferischen Kritik, in denen die Logik, als die Logik der Wissenschaft, operiert. [1]

Wenn wir nun gleichwohl den Begriff der Beschreibung für die Aufgabe der Erkenntnistheorie herangezogen haben, so deshalb, weil, sobald einmal ihr fundamentaler Unterschied von der epischen Beschreibung eingesehen wurde, er wenigstens das eine sehr deutlich zum Ausdruck bringt, wie verkehrt es ist, von einem ihrer Resultate einen Beweis oder eine Begründung zu verlangen. In der Tat: diese Beschreibung und Schilderung ist mehr Musterung und Prüfung; aber auch Musterung und Prüfung beweisen nicht und begründen nicht, sondern konstatieren und setzen ihr Objekt ins richtige Verhältnis zu ihrem Ausgangspunkt. Das also ist der eigentliche Unterschied der kritischen zur epischen Beschreibung: letztere steht ihrem Gegenstande rein aufnehmend gegenüber; ihr Ideal ist die Leistung der photographischen Platte, sofern nicht künstlerische Absichten mitspielen, von denen hier abgesehen wird. Die kritische Beschreibung der Erkenntnistheorie aber will kein blosses Abbild geben, sondern den Funktionszusammenhang aufdecken, in welchem das Faktum unserer Erfahrung überhaupt und speziell der wissenschaftlichen mit der formalen Beschaffenheit unseres Erkenntnisvermögens zusammenhängt. Sie ist also Beschreibung, insofern sie niemals mehr leisten kann als die Formen aufzeigen, in welcher alles Bewusstsein tätig ist; sie kann diese Formen nicht selbst wieder irgendwoher ableiten, erklären oder in ihrer Eigenart begründen. Sie ist aber mehr als Beschreibung, weil sie durch diese Zurückführung unseres Denkens auf seine formale Gesetzlichkeit zugleich eine Sonderung in seinem inhaltlichen Bestände vollzieht, derzufolge nunmehr ein Teil desselben, das sogenannte reine Denken einen auszeichnenden Charakter erhält, den der Denknotwendigkeit, der Allgemeingültigkeit. Was in allem Urteilen und Beurteilen der Selbstmusterung sich als das ergeben hat, was formal all dieses Urteilen und Beurteilen erst möglich macht, das ist deshalb auch in allen Urteilen und Beurteilen gültig. Die Allgemeingültigkeit der Axiome und Normen ist also nicht weiter zu erweisen oder zu begründen, sobald sie als die Tatsächlichkeit der formalen Aktionsbeschaffenheit des Bewusstseins in den verschiedenen Arten seines Verhaltens aufgefunden wurden. Nur dass freilich eine derartige Auffindung sich nicht demjenigen ergibt, der an das Bewusstsein herantritt wie' der Schneider an seine Kunde beim Massnehmen, sondern wie der Baumeister, der den Bau, den er im Plan beschrieben, selbst im Geiste errichtet hat. Und so haben denn allerdings die Axiome und Normen einen unbestreitbaren Bezug auf die Allgemeingültigkeit, zu der sie gehören, aber nicht als deren Mittel, sondern als deren Ausdruck. Wenn ihre notwendige Geltung uns erst durch ihre Einfügung in das System der Gesetzmässigkeit des Erkennens oder des Wollens ganz unumstösslich wird, so nicht, weil sie nun etwa in einem neuen Lichte sich zeigen, in welchem sie als Himmelsleitern erscheinen, die uns mit dem hehren Reiche höchster Zwecke verbinden, sondern nur, weil sie jetzt ganz zusammenfallen mit dem Charakter der formalen Aktionsbeschaffenheit unseres Bewusstseins, den uns die kritische Beschreibung hat kennen lernen. Um dieses Momentes willen möchten wir den Begriff der Beschreibung nicht völlig missen, wo es gilt, sich das Wesen der erkenntnistheoretischen Aufgabe nach allen Seiten klar zu machen. Man wird dann auch erkennen, dass uns die Notwendigkeit der Geltung der Axiome so feststehen kann als wäre sie bewiesen, aus einem sehr einfachen Grunde, demselben, durch den jede genaue Beschreibung die grösste Sicherheit verschafft: weil man nun den Gegenstand selbst kennt.

Aber entgeht auf diese Weise, indem die Erkenntnistheorie auf eine blosse Tatsächlichkeit in der formalen Aktionsbeschaffenheit des Bewusstseins überhaupt hinausführt, ihr nicht zuletzt gerade der logische Charakter des Erkennens, der doch ihr eigentliches Problem war? Ja, wenn eben ihr Werk nichts anderes gewesen wäre, als diese Tatsächlichkeit im Einzelbewusstsein selbst aufzuzeigen. Dann wäre sie auch nicht mehr als blosse ungeschminkte Beschreibung gewesen, vor welchem Missverständnis nicht entschieden genug gewarnt werden kann. So aber wissen wir, dass es die Tatsächlichkeit des Bewusstsein überhaupt ist, in welcher alle logische Funktion im Einzelbewusstsein befasst ist. Das heisst der logische Charakter der Allgemeingültigkeit und Notwendigkeit der Grundformen und Begriffe sowie der Axiome des Erkennens ergibt sich daraus, weil sich das Bewusstsein überhaupt nur als Einzelbewusstsein in einem Erkenntnissubjekt unter und im Verkehre mit anderen ebensolchen Subjekten kennen lernt. Der Charakter der Tatsächlichkeit der formalen Bewusstseinsaktion fällt also gänzlich aus dem Bereiche jedes Einzelbewusstseins heraus, begründet aber gerade dadurch, dass er sie alle transzendental umfasst, ihre notwendige Geltung für jedes Einzelbewusstsein. Nicht also in dem Bezüge eines Mittels zum transzendenten Zweck, sondern in dem Verhältnis einer Gemeinschaft mit einem (transzendentalen) Ganzen, ähnlich wie das chemische Atom alle Eigenschaften des Elementes an sich hat, zu dem es gehört, stellt sich jener besondere Charakter der Formen unseres Denkens im Einzelbewusstsein her, welchen die Logik, deren Gebiet ganz und gar mit dem Bereiche des Einzelbewusstseins zusammenfällt, hier als ihren Gegenstand aufgreifen kann.

Auf diese Weise zeigt sich neuerlich, worauf schon seinerzeit aufmerksam gemacht wurde, dass der Begriff vom „Bewusstsein überhaupt“ auch nicht das geringste mit irgendwelchen metaphysischen Vorstellungen zu schaffen hat, ja für die Erkenntniskritik, die in ihrer Betrachtungsweise nirgends über das Denken hinaus auf ein Sein zurück geht, sofort allen Sinn verliert, sobald er auch nur die leiseste transzendente Beimischung erfährt. Weder bedeutet er ein unfassbares geistiges Urwesen, so dass also alles Einzelbewusstsein durch eine Art Panpsychismus in einer Wolke von Bewusstsein suspendiert gehalten würde, aus welcher es dann tropfenweise in die Welt einflösse, noch auch nur eine sachliche Voraussetzung von der Art eines Bewusstseinskeimes, der sich überall in den Menschenköpfen entfaltete. Der Begriff vom Bewusstsein überhaupt ist eben – was nicht oft genug wiederholt werden kann und im vorausgegangenen stets festzuhalten war – ein transzendentaler Begriff, das heisst also ein Begriff, der überhaupt nie auf den Gegenstand selbst, sondern nur auf die Möglichkeit der Erkenntnis von einem Gegenstande bezogen werden darf. Er bedeutet also nicht eine Seinsweise des Bewusstseins, sondern eine Erkenntnisweise desselben, das heisst nur die Art, wie das Einzelbewusstsein sich einem Denken notwendig zuletzt darstellen muss, das auf die Möglichkeit aller Erkenntnis geht, die doch nur im Einzelbewusstsein für uns gewonnen wird, dem also dieses selbst Problem in seiner Erkenntnisfunktion geworden. Kurz: das Bewusstsein überhaupt ist schlechterdings gar nichts anderes als das Einzelbewusstsein selbst, nur nach der kritischen Selbstbesinnung, dass alle Ichbeziehung, in welcher das Einzelbewusstsein als solches doch erst konstituiert ist, eben auch noch zu den Formen des Erkennens in ihm gehört. Aber so wenig der köstliche Stoß, der allen Wert der ökonomischen Welt herstellt, die Arbeitsgallerte, je irgendwo anders angetroffen werden könnte als in den konkreten, gegenständlichen Menschenwerken, so wenig existiert Bewusstsein überhaupt ausser oder über, sondern nur in den Menschenköpfen. Freilich wieder nicht so, wie das Gehirn in allen Menschenköpfen existiert; aber auch die Arbeitsgallerte wird in keiner Ware aufgestöbert werden können, wenn man sie auch um und um kehrte oder, in ihre feinsten Atome zerfällt, durch noch feinere Siebe ablaufen Hesse. Es ist jedesmal ein Denkverhältnis, in welchem die konkrete Gegenständlichkeit, dort des Warenwertes, hier des Einzelbewusstseins, befasst ist und wodurch sie in Bezug gesetzt wird, nicht zu einer Grundsubstanz, aus der sie ihrem Dasein nach hervorgebracht, sondern aus einer Grundbeziehung des Denkens, aus der sie ihrer Möglichkeit nach verstanden werden. Nur dass im Bereiche des immanenten Denkens, das ist desjenigen, welches es nur mit seinem Inhalte zu tun hat und weder nach der Möglichkeit noch nach dem Grunde der Gewissheit unserer Urteile darüber fragt – und zu ihm gehört die ökonomische Kritik von Karl Marx – diese Grundbeziehung für ein bestimmtes Gebiet inhaltlichen Denkens aus seinen Daten abgeleitet werden kann, während sie im Bereiche des reinen Denkens – und zu ihm gehört die transzendentale Kritik – bloss noch an ihm selbst vorgefunden und aufgezeigt werden kann. Wir wissen aber nun schon, dass dieses Aufzeigen kein blosses Beschreiben ist, sondern ein In-Beziehung-Setzen des Erkenntnisvorganges zum Ganzen der durch ihn vermittelten Erfahrung und damit zu letzten ihn für das Denken selbst konstituierenden Formen. Und deshalb sind die so aufgezeigten transzendentalen Charaktere des Erkennens ebensowenig, als sie metaphysischen Wesens waren, nun andererseits vielleicht blosse Abstraktionen oder, was noch missverständlicher wäre, wohl gar nur psychologische Beschaffenheiten. Sie sind sehr reale Ergebnisse des Denkens, deren ganze so wesensverschiedene Natur gegenüber seinen anderen Resultaten daher rührt, dass eben ein anderes in ihm wirksam ist, als sonst bei seinem gewöhnlichen Gebrauche. „Dieses andere ist das reine Denken, welches das Handwerk der Philosophie bildet. Und dieses Handwerk ist eine eigene, eigentümliche, von keiner anderen Arbeitsrichtung zu ersetzende Arbeitsrichtung der menschlichen Kultur. Ihr Problem ist die Einheit des Bewusstseins.“ [2]

In diesem Sinne also, das heisst mit dem steten Bezug ihrer Einsichten auf dieses Problem vor Augen, das ja nur ein anderer Ausdruck für das Problem der Möglichkeit einer einheitlichen Erfahrung ist, kann es nun auch keiner falschen Auffassung mehr begegnen, wenn wir vorhin sagten, dass die Erkenntnistheorie in letzter Linie nichts anderes tun kann, als konstatieren, und dass es ihre Methode gänzlich verkennen heisst, wenn man ihr vorwirft, ihre letzten Erkenntnisse hätten keine Begründung. Wie sollten auch ihre tiefsten Ergebnisse, da sie immer nur darlegen können, wie alle logische Evidenz, alle Notwendigkeit des Denkens begründet ist, etwas anderes sein als eben der Nachweis der Funktionsbeschaffenheit des Bewusstseins überhaupt als eines transzendentalen Begriffes in direkten Behauptungen, in bezeichnenden Aussagen. Gleichwohl könnte nur jemand, der überhaupt unvermögend ist, ihrem kritischen Gedankengang zu folgen, dies so verstehen, als ob also hier alles Beliebige behauptet werden kann. Hat es denn irgend einen Sinn, zu verlangen, dass ich die Beschreibung einer Pflanze begründe, die vor aller Augen ist oder deren Anblick sich doch Jeder beschaffen kann? Aber darf ich deshalb schon beliebige Eigenschaften von ihr aussagen, etwa dass ihre Blätter mit Stimme begabt sind oder dass ihre Früchte aus purem Golde bestehen? Der einfache Hinblick auf die Pflanze, welche beschrieben wird, genügt, um jede derartige Extravaganz bündiger zurückzuweisen, als es durch einen Beweis der Unmöglichkeit geschehen könnte. Eben das ist auch die Art, in der allein die Irrtümer der Erkenntnistheorie sich berichtigen. Ihre jeweiligen Resultate werden an das Faktum der Erkenntnis herangebracht und, indem dabei die peinlichste Aufmerksamkeit dahin gerichtet sein muss, sowohl jede metaphysische Betrachtungsweise abzuhalten – über deren Wert oder Unwert damit natürlich noch gar nicht geurteilt ist – als auch konsequent in dem gleichen Bereich der Untersuchung zu bleiben, das allerdings nur durch eine mühsame Abstraktion gegenüber der Totalität des psychischen Seins gewonnen ist, werden die entdeckten Uebereinstimmungen mit diesem Faktum der Bewusstseinstätigkeit verzeichnet, die Divergenzen aufgedeckt und übereinstimmend zu machen gesucht. Dies war auch die Methode, welche die vorliegende Arbeit gegenüber der teleologischen Auffassung des Erkennens zu verfolgen wenigstens bemüht war und woraus, wenn ihr dies gelungen sein sollte, ihr wohl zweierlei als Resultat zugebilligt werden darf:

Erstens: dass auch der Aufzeigung der Denknotwendigkeit als eines Nicht-anders-denken-Könnens nicht etwa wie ein Fehler vorgeworfen werden darf, sie enthalte eine blosse Behauptung, oder dass sie gar mit psychologischer Analyse verwechselt werde. Denn weil die Denknotwendigkeit gleichfalls nur in der blossen Form der denkmöglichen Erfassung des jeweiligen Denkinhaltes gegründet ist, kann sie eben auch nur dargelegt werden. Diese Darlegung ist selbstverständlich nirgend anderswo möglich als am inhaltlich erfüllten, psychologisch verfolgbaren Denkverlauf selbst. Daraus mag dann einer nicht genug auf den Unterschied der Methoden achtsamen Betrachtung erscheinen, als wäre die am konkreten Denken gerade seinem wechselnden Inhalt gegenüber in ihrer formal stets gleichen Beschaffenheit auftretende, Ja diesen Inhalt erst ermöglichende Denknotwendigkeit ein Ergebnis psychologischer Untersuchung.

Zweitens: dass die Beziehung des Erkennens auf einen Zweck durch die Begründung der Geltung seiner Axiome in ihrer teleologischen Eignung für die Herstellung einer Allgemeingültigkeit geradezu einen Bruch der kritischen Methode bedeutet, deren Grundfrage, wie Erkenntnis möglich sei, sie in die ontologische verkehrt: was Erkenntnis an sich ist, und dahin beantwortet, dass sie absolute Setzung eines Wahrheitszweckes sei.

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Fussnoten

1. Hermann Cohen, Einleitung zu Fr. A, Lange etc. (2. Auflage), Seite 473.

2. Herm. Cohen, a. a. O., Seite 473.


Zuletzt aktualisiert am 16 December 2020