Rosa Luxemburg


Die Akkumulation des Kapitals

Erster Abschnitt
Das Problem der Reproduktion


Achtes Kapitel
Der Versuch der Lösung der Schwierigkeit bei Marx

Wir finden daß das völlige Absehen von der Geldzirkulation im Schema der erweiterten Reproduktion, das uns den Akkumulationsprozeß so glatt erscheinen ließ, zu großen Unzuträglichkeiten führt. Bei der Analyse der einfachen Reproduktion war dieses Verfahren vollkommen gerechtfertigt. Dort, wo die Produktion ausschließlich für die Konsumtion stattfand und auf sie berechnet war, diente das Geld nur als verschwindender Vermittler der Verteilung des gesellschaftlichen Produkts unter die verschiedenen Konsumentengruppen und der Erneuerung des Kapitals. Hier bei der Akkumulation spielt die Geldform eine wesentliche Funktion: Sie dient nicht mehr bloß als Vermittler in der Warenzirkulation, sondern als Erscheinungsform des Kapitals, als Moment in der Kapitalzirkulation. Die Verwandlung des Mehrwertes in Geldgestist die wesentliche ökonomische Voraussetzung der kapitalistischen Akkumulation, wenn auch kein wesentliches Moment der wirklichen Reproduktion. Zwischen der Produktion und der Reproduktion liegen also hier zwei Metamorphosen des Mehrprodukts: die Abstoßung der Gebrauchsform und dann die Annahme der den Zwecken der Akkumulation entsprechenden Naturalform. Es kommt nicht darauf an, daß es sich etwa um Jahresabschnitte handelt, die zwischen den einzelnen Produktionsperioden lägen. Es seien unseretwegen Monate, oder die Metamorphosen einzelner Portionen des Mehrwertes in I und II mögen sich zeitlich in ihrer Reihenfolge kreuzen. Was diese Jahresfolgen in Wirklichkeit bedeuten, sind nicht Zeitabschnitte, sondern Reihenfolge ökonomischer Verwandlungen. Diese Reihenfolge muß aber eingehalten werden, ob sie kürzere oder längere Zeit beansprucht, soll der kapitalistische Charakter der Akkumulation eingehalten werden.

Wir kommen damit wieder auf die Frage: Wer realisiert den akkumulierten Mehrwert?

Marx fühlt selbst die Lücke in seinem äußerlich lückenlosen Schema der Akkumulation und faßt das Problem mehrfach von verschiedenen Seiten an. Hören wir zu:

„Es wurde in Buch I gezeigt, wie die Akkumulation für den einzelnen Kapitalisten verläuft. Durch die Versilberung des Warenkapitals wird auch das Mehrprodukt versilbert, in dem sich der Mehrwert darstellt. Diesen so in Geld verwandelten Mehrwert rückverwandelt der Kapitalist in zuschüssige Naturalelemente seines produktiven Kapitals. Im nächsten Kreislauf der Produktion liefert das vergrößerte Kapital ein vergrößertes Produkt. Was aber beim individuellen Kapital, muß auch erscheinen in der jährlichen Gesamtreproduktion, ganz wie wir gesehn bei Betrachtung der einfachen Reproduktion, daß der sukzessive Niederschlag – beim individuellen Kapital – seiner verbrauchten fixen Bestandteile in Geld, das aufgeschatzt wird, sich auch in der jährlichen gesellschaftlichen Reproduktion ausdrückt.“ (1) [Hervorhebung – R.L.]

Weiter untersucht Marx den Mechanismus der Akkumulation gerade von diesem Standpunkt. d. h. unter dem Gesichtswinkel, daß der Mehrwert, bevor er akkumuliert wird, die Geldform passieren muß:

„Wenn Kapitalist A z. B. während eines Jahrs oder einer größren Anzahl von Jahren die sukzessive von ihm produzierten Mengen von Warenprodukt verkauft, so verwandelt er auch damit den Teil des Warenprodukts, der Träger des Mehrwerts ist – das Mehrprodukt –, also den von ihm in Warenform produzierten Mehrwert selbst sukzessive in Geld, speichert dies nach und nach auf und bildet sich so potentielles neues Geldkapital; potentiell wegen seiner Fähigkeit und Bestimmung, in Elemente von produktivem Kapital umgesetzt zu werden. Tatsächlich aber vollzieht er nur einfache Schatzbildung, die kein Element der wirklichen Reproduktion ist. Seine Tätigkeit besteht dabei zunächst nur im sukzessiven Entziehn von zirkulierendem Geld aus der Zirkulation, wobei natürlich nicht ausgeschlossen ist, daß das zirkulierende Geld, das er so unter Schloß und Riegel sperrt, eben selbst noch – vor seinem Eintritt in die Zirkulation – Teil eines andern Schatzes war ...

Geld wird der Zirkulation entzogen und als Schatz aufgespeichert durch Verkauf der Ware ohne nachfolgenden Kauf. Wird diese Operation also als allgemein vorsichgehend aufgefaßt, so scheint nicht abzusehn, wo die Käufer herkommen sollen, da in diesem Prozeß – und er muß allgemein aufgefaßt werden, indem jedes individuelle Kapital sich in Akkumulationsprozedur befinden kann – jeder verkaufen will, um aufzuschatzen, keiner kaufen.

Stellte man sich den Zirkulationsprozeß zwischen den verschiednen Teilen der jährlichen Reproduktion als in gerader Linie verlaufend vor – was falsch, da er mit wenigen Ausnahmen allzumal aus gegeneinander rückläufigen Bewegungen besteht –, so müßte man mit dem Gold- (resp. Silber-) Produzenten beginnen, der kauft, ohne zu verkaufen, und voraussetzen, daß alle andren an ihn verkaufen. Dann ginge das gesamte jährliche gesellschaftliche Mehrprodukt (der Träger des gesamten Mehrwerts) an ihn über, und sämtliche andre Kapitalisten verteilen pro rata unter sich sein von Natur in Geld existierendes Mehrprodukt, die Naturalvergoldung seines Mehrwerts; denn der Teil des Produkts des Goldproduzenten, der sein fungierendes Kapital zu ersetzen hat, ist schon gebunden und darüber verfügt. Der in Gold produzierte Mehrwert des Goldproduzenten wäre dann der einzige Fonds, aus dem alle übrigen Kapitalisten die Materie für Vergoldung ihres jährlichen Mehrprodukts ziehn. Er müßte also der Wertgröße nach gleich sein dem ganzen gesellschaftlichen jährlichen Mehrwert, der erst in die Form von Schatz sich verpuppen muß. So abgeschmackt diese Voraussetzungen, so hülfen sie zu weiter nichts, als die Möglichkeit einer allgemeinen gleichzeitigen Schatzbildung zu erklären, womit die Reproduktion selbst, außer auf Seite der Goldproduzenten, um keinen Schritt weiter wäre.

Bevor wir diese scheinbare Schwierigkeit lösen, ist zu unterscheiden“ usw. (2) [Hervorhebung – R.L.]

Hier nennt Marx die Schwierigkeit in der Realisierung des Mehrwertes eine scheinbare. Die ganze weitere Untersuchung bis zu Ende des zweiten Bandes des Kapitals dient aber der Überwindung dieser Schwierigkeit. Zuerst versucht Marx die Frage zu lösen durch den Hinweis auf die Schatzbildung, die sich bei der kapitalistischen Produktion unvermeidlich ergibt aus dem Auseinanderfallen in dem Zirkulationsprozeß verschiedener konstanter Kapitale. Da sich verschiedene individuelle Kapitalanlagen in verschiedenem Alter befinden, ein Teil der Anlagen aber immer erst nach einer längeren Periode erneuert wird, so sehen wir, daß zu jedem Zeitpunkt irgendwelche Einzelkapitalisten bereits ihre Anlagen erneuern, während andere dafür nur aus dem Verkauf ihrer Waren Rücklagen machen, bis diese die nötige Höhe zur Erneuerung des fixen Kapitals erreicht haben. So geht auf kapitalistischer Basis die Schatzbildung stets parallel mit dem gesellschaftlichen Reproduktionsprozeß als Äußerung und Bedingung des eigenartigen Umschlags des fixen Kapitals.

„A verkaufe z. B. 600 (= 400 c + 100 v + 100 m) an B (der mehr als einen Käufer repräsentieren mag). Er hat für 600 Waren verkauft, gegen 600 in Geld, wovon 100 Mehrwert darstellen. die er der Zirkulation entzieht, sie aufschatzt als Geld; aber diese 100 Geld sind nur die Geldform des Mehrprodukts, das der Träger eines Werts von 100 war. (Um das Problem rein aufzufassen, nimmt Marx hier an, der gesamte Mehrwert werde kapitalisiert, sieht also von dem zur persönlichen Konsumtion des Kapitalisten verwendeten Teil des Mehrwertes ganz ab; zugleich gehören hier sowohl die A', A'', A''' wie die B', B'', B''' der Abteilung I an. – R.L.) Die Schatzbildung ist überhaupt keine Produktion, also von vornherein auch kein Inkrement der Produktion. Die Aktion des Kapitalisten dabei besteht nur darin, daß er das durch Verkauf des Mehrprodukts von 100 ergatterte Geld der Zirkulation entzieht, festhält und mit Beschlag belegt. Diese Operation findet nicht nur statt auf seiten des A, sondern auf zahlreichen Punkten der Zirkulationsperipherie von andren A', A'', A''' ...

A vollbringt diese Schatzbildung aber nur, sofern er – mit Bezug auf sein Mehrprodukt – nur als Verkäufer, nicht hintennach als Käufer auftritt. Seine sukzessive Produktion von Mehrprodukt – dem Träger seines zu vergoldenden Mehrwerts – ist also die Voraussetzung seiner Schatzbildung. Im gegebnen Fall, wo die Zirkulation nur innerhalb Kategorie I betrachtet wird, ist die Naturalform des Mehrprodukts, wie die des Gesamtprodukts, von dem es einen Teil bildet, Naturalform eines Elements des konstanten Kapitals I, d. h. gehört in die Kategorie der Produktionsmittel von Produktionsmitteln. Was daraus wird, d. h. zu welcher Funktion es dient, in der Hand der Käufer B, B', B'' etc., werden wir gleich sehn.

Was aber hier zunächst festzuhalten, ist dies: Obgleich A Geld für seinen Mehrwert der Zirkulation entzieht und es aufschatzt, wirft er andrerseits Ware in sie hinein, ohne ihr andre Ware dafür zu entziehn, wodurch B, B' B'' etc. ihrerseits befähigt werden, Geld hineinzuwerfen und dafür nur Ware ihr zu entziehn. Im gegebnen Fall geht diese Ware, ihrer Naturalform wie ihrer Bestimmung nach, als fixes oder flüssiges Element in das konstante Kapital von B, B' etc. ein.“ (3)

Der ganze hier geschilderte Vorgang ist uns nicht neu. Marx hat ihn bereits eingehend bei der einfachen Reproduktion dargestellt, denn er ist unerläßlich zur Erklärung, wie das konstante Kapital der Gesellschaft unter den Bedingungen der kapitalistischen Reproduktion erneuert wird. Es ist deshalb vorerst gar nicht ersichtlich, wie uns dieser Vorgang über die besondere Schwierigkeit hinweghelfen soll, die uns bei der Analyse der erweiterten Reproduktion aufgestoßen ist. Die Schwierigkeit war ja die folgende: Für Zwecke der Akkumulation wird ein Teil des Mehrwertes nicht von den Kapitalisten verzehrt, sondern zum Kapital geschlagen behufs Erweiterung der Produktion. Es fragt sich nun: Wo sind die Käufer für dieses zuschüssige Produkt, das die Kapitalisten selbst nicht verzehren und das die Arbeiter noch weniger verzehren können, da ihre Konsumtion durch den Betrag des jeweiligen variablen Kapitals total gedeckt ist? Wo ist die Nachfrage für den akkumulierten Mehrwert, oder, wie Marx formuliert: Wo kommt das Geld her, um den akkumulierten Mehrwert zu bezahlen? Wenn wir als Antwort darauf auf den Vorgang der Schatzbildung verwiesen werden, der sich aus der stufenweisen und zeitlich auseinanderfallenden Erneuerung des konstanten Kapitals bei den einzelnen Kapitalisten ergibt, so ist der Zusammenhang dieser Dinge miteinander nicht einzusehen. Kaufen die B, B', B'' usw. Produktionsmittel von ihren Kollegen A, A', A'' zum Zwecke der Erneuerung ihres tatsächlich verbrauchten konstanten Kapitals, dann befinden wir uns in den Grenzen der einfachen Reproduktion, und die Sache hat mit unserer Schwierigkeit gar nichts zu tun. Wird aber unterstellt, daß der Ankauf der Produktionsmittel durch B, B', B'' usw. der Erweiterung ihres konstanten Kapitals für Zwecke der Akkumulation dient, so knüpfen sich daran sofort mehrere Fragen. Vor allem: Woher haben denn B, B', B'' das Geld, um zuschüssiges Mehrprodukt den A, A', A'' usw. abzukaufen? Sie können doch ihrerseits auch nur durch Verkauf des eigenen Mehrprodukts zu Geld gekommen sein. Bevor sie neue Produktionsmittel zur Erweiterung ihrer Unternehmungen anschaffen, d. h. als Käufer des zu akkumulierenden Mehrprodukts auftreten, müssen sie ihr eigenes Mehrprodukt erst losgeworden, d. h. als Verkäufer aufgetreten sein. An wen haben nun die B, B', B'' usw. ihr Mehrprodukt verkauft? Man sieht, die Schwierigkeit ist nur von den A, A', A'' auf die B, B', B'' abgewälzt, nicht aber beseitigt worden.

Einen Moment lang scheint es während der Analyse, als sei die Schwierigkeit doch gelöst. Nach einer kleinen Abschweifung nimmt Marx den Faden der Untersuchung folgendermaßen auf:

„Im hier betrachteten Fall besteht dies Mehrprodukt von vornherein aus Produktionsmitteln von Produktionsmitteln. Erst in der Hand von B, B', B'' etc. (I) fungiert dies Mehrprodukt als zuschüssiges konstantes Kapital; aber es ist dies virtualiter schon, bevor es verkauft wird, schon in der Hand der Schatzbildner A, A', A'' (I). Wenn wir bloß den Wertumfang der Reproduktion seitens I betrachten, so befinden wir uns noch innerhalb der Grenzen der einfachen Reproduktion, denn kein zusätzliches Kapital ist in Bewegung gesetzt worden, um dies virtualiter zuschüssige konstante Kapital (das Mehrprodukt) zu schaffen, auch keine größre Mehrarbeit als die auf Grundlage der einfachen Reproduktion verausgabte. Der Unterschied liegt hier nur in der Form der angewandten Mehrarbeit, der konkreten Natur ihrer besondren nützlichen Weise. Sie ist verausgabt worden in Produktionsmitteln für I c statt für II c, in Produktionsmitteln für Produktionsmittel statt in Produktionsmitteln für Konsumtionsmittel. Bei der einfachen Reproduktion wurde vorausgesetzt, daß der ganze Mehrwert I verausgabt wird als Revenue, also in Waren II; er bestand also nur aus solchen Produktionsmitteln, die das konstante Kapital II c in seiner Naturalform wieder zu ersetzen haben. Damit also der Übergang von der einfachen zur erweiterten Reproduktion vor sich gehe, muß die Produktion in Abteilung I im Stand sein, weniger Elemente des konstanten Kapitals für II, aber um ebensoviel mehr für I herzustellen ...

Es folgt also, daß – bloß dem Wertumfang nach betrachtet – innerhalb der einfachen Reproduktion das materielle Substrat der erweiterten Reproduktion produziert wird. Es ist einfach direkt in Produktion von Produktionsmitteln, in Schöpfung von virtuellem zuschüssigem Kapital I verausgabte Mehrarbeit der Arbeiterklasse I. Die Bildung von virtuellem zusätzlichem Geldkapital seitens A, A', A'' (I) – durch sukzessiven Verkauf ihres Mehrprodukts, das ohne alle kapitalistische Geldausgabe gebildet – ist also hier die bloße Geldform von zuschüssig produzierten Produktionsmitteln I.“ (4)

Hier scheint sich die Schwierigkeit unter unseren Händen in Dunst aufgelöst zu haben. Die Akkumulation erfordert gar keine neuen Geldquellen: Früher verzehrten die Kapitalisten ihren Mehrwert selbst, mußten also einen entsprechenden Geldvorrat in den Händen haben, denn wir wissen schon aus der Analyse der einfachen Reproduktion, daß die Kapitalistenklasse selbst das Geld in die Zirkulation werfen muß, das zur Realisierung ihres Mehrwerts erforderlich ist. Nun kauft die Kapitalistenklasse für einen Teil dieses Geldvorrats (nämlich B, B', B'' usw.) statt Konsumtionsmittel zum gleichen Wertbetrage neue, zuschüssige Produktionsmittel, um ihre Produktion zu erweitern. Dadurch sammelt sich Geld im gleichen Betrage in den Händen des anderen Teils der Kapitalisten (nämlich der A, A', A'' usw.). „Diese Schatzbildung ... unterstellt in keiner Weise zusätzlichen Edelmetallreichtum, sondern nur veränderte Funktion von bisher umlaufendem Geld. Eben fungierte es als Zirkulationsmittel, jetzt fungiert es als Schatz, als sich bildendes, virtuell neues Geldkapital.“ [1*]

So wären wir aus der Schwierigkeit heraus. Allein, es ist unschwer herauszufinden, welcher Umstand uns hier die Lösung leicht gemacht hat: Marx faßt hier die Akkumulation bei ihrer ersten Regung, in statu nascendi, wo sie gerade aus der einfachen Reproduktion als Knospe hervorsprießt. Dem Wertumfang nach ist die Produktion hier noch nicht erweitert, nur ihr Arrangement und ihre sachlichen Elemente sind anders geordnet. Und da ist es kein Wunder, daß dann auch die Geldquellen als ausreichend erscheinen. Die Lösung, die wir gefunden, hält aber auch nur einen Moment lang an: nur für den Übergang von der einfachen zur erweiterten Reproduktion, d. h. gerade für einen nur theoretisch gedachten, für die Wirklichkeit gar nicht in Betracht kommenden Fall. Ist aber die Akkumulation schon längst eingebürgert und wirft jede Produktionsperiode eine größere Wertmasse auf den Markt als die frühere, dann fragt es sich: Wo sind die Käufer für diese zuschüssigen Werte? Die Lösung, die wir gefunden, läßt uns da vollkommen im Stich. Außerdem ist sie auch selbst nur scheinbar. Bei näherem Zusehen schlägt sie uns gerade in demselben Augenblick, wo sie uns anscheinend aus der Patsche geholfen hat. Wenn wir nämlich die Akkumulation gerade in dem Moment fassen, wo sie auf dem Sprung ist, aus dem Schoße der einfachen Reproduktion hervorzugehen, so ist ihre erste Voraussetzung eine Verminderung in der Konsumtion der Kapitalistenklasse. Im selben Moment, wo wir die Möglichkeit finden, mit den früheren Zirkulationsmitteln eine Erweiterung der Produktion vorzunehmen, verlieren wir im gleichen Maße alte Konsumenten. Für wen soll denn da die Erweiterung der Produktion vorgenommen werden, d. h., wer kauft morgen von den B, B', B'' (I) die vergrößerte Produktenmenge, die sie dadurch hergestellt haben, daß sie sich das Geld „vom Munde absparten“, um damit den A, A', A'' (I) neue Produktionsmittel abzukaufen?

Man sieht, die Lösung, nicht die Schwierigkeit, war hier eine scheinbare, und Marx kehrt selbst im nächsten Augenblick zu der Frage zurück, wo denn die B, B', B'' das Geld hernehmen, um den A, A', A'' ihr Mehrprodukt abzukaufen:

„Soweit die Produkte, die B, B', B'' etc. (I) produzieren, selbst wieder in natura in ihren Prozeß eingehn, versteht es sich von selbst, daß pro tanto ein Teil ihres eignen Mehrprodukts direkt (ohne Zirkulationsvermittlung) übertragen wird in ihr produktives Kapital und hier eingeht als zuschüssiges Element des konstanten Kapitals. Pro tanto sind sie aber auch keine Vergolder des Mehrprodukts von A, A' etc. (I). Hiervon abgesehn, wo kommt das Geld her? Wir wissen, daß sie ihren Schatz gebildet wie A, A' etc., durch Verkauf ihrer respektiven Mehrprodukte, und nun ans Ziel gelangt sind, wo ihr als Schatz aufgehäuftes, nur virtuelles Geldkapital nun effektiv als zusätzliches Geldkapital fungieren soll. Aber damit drehn wir uns nur im Zirkel. Die Frage ist immer noch, wo das Geld herkomme, das die B's (I) früher der Zirkulation entzogen und aufgehäuft?“ (5)

Die Antwort, die Marx sogleich gibt, scheint wieder von überraschender Einfachheit zu sein. „Wir wissen jedoch schon aus der Betrachtung der einfachen Reproduktion, daß sich eine gewisse Geldmasse in den Händen der Kapitalisten I und II befinden muß, um ihr Mehrprodukt umzusetzen. Dort kehrte das Geld, das nur zur Verausgabung als Revenue in Konsumtionsmitteln diente, zu den Kapitalisten zurück, im Maß, wie sie es vorgeschossen zum Umsatz ihrer respektiven Waren; hier erscheint dasselbe Geld wieder, aber mit veränderter Funktion. Die A's und die B's (I) liefern sich abwechselnd das Geld zur Verwandlung von Mehrprodukt in zusätzliches virtuelles Geldkapital und werfen abwechselnd das neugebildete Geldkapital als Kaufmittel in die Zirkulation zurück.“ (6)

Hier sind wir wieder in die einfache Reproduktion zurückgefallen. Es stimmt vollkommen, daß die Kapitalisten A und die Kapitalisten B stets einen Geldschatz allmählich anhäufen, um von Zeit zu Zeit ihr konstantes (fixes) Kapital zu erneuern, und so einander zur Realisierung ihres Produkts gegenseitig verhelfen. Aber dieser sich ansammelnde Schatz fällt nicht vom Himmel. Er ist nur der allmählich herabrieselnde Niederschlag des stufenweise auf die Produkte übertragenen Wertes des fixen Kapitals, der mit dem Verkauf der Produkte stückweise realisiert wird. Auf diese Weise kann der angesammelte Schatz immer nur ausreichen zur Erneuerung des alten Kapitals, er kann unmöglich darüber hinaus zum Ankauf eines zuschüssigen konstanten Kapitals dienen. Damit wären wir immer noch nicht über die Schranken der einfachen Reproduktion hinaus. Oder aber es kommt als neue, zuschüssige Geldquelle ein Teil der Zirkulationsmittel hinzu, die bisher Kapitalisten zu ihrer persönlichen Konsumtion dienten und die nun kapitalisiert werden sollen. Damit kommen wir aber wieder auf den nur theoretisch denkbaren kurzen Ausnahmemoment: den Übergang von der einfachen Reproduktion zur erweiterten. Weiter als bis zu diesem Sprung kommt die Akkumulation nicht vom Fleck, wir drehen uns in der Tat nur im Zirkel.

Die kapitalistische Schatzbildung kann uns also aus der Schwierigkeit nicht heraushelfen. Und das war vorauszusehen, denn die Fragestellung selbst ist hier eine schiefe. Es handelt sich bei dem Problem der Akkumulation nicht darum: Wo kommt das Geld her?, sondern darum: Wo kommt die Nachfrage für das zuschüssige Produkt her, das aus dem kapitalisierten Mehrwert entspringt? Es ist nicht eine technische Frage der Geldzirkulation, sondern eine ökonomische Frage der Reproduktion des gesellschaftlichen Gesamtkapitals. Denn sogar, wenn wir von der Frage absehen, mit der sich Marx bis jetzt allein befaßt hat: Wo hatten die B, B' usw. (I) Geld her, um zuschüssige Produktionsmittel von den A, A' usw. (I) zu kaufen?, so ersteht nach der vollzogenen Akkumulation die viel wichtigere Frage: An wen wollen denn die B, B' usw. (I) ihr gewachsenes Mehrprodukt jetzt verkaufen? Marx läßt sie schließlich ihre Produkte aneinander verkaufen!

„Es können die verschiednen B, B', B'' etc. (I), deren virtuelles neues Geldkapital als aktives in Operation tritt, wechselseitig ihre Produkte (Teile ihres Mehrprodukts) voneinander zu kaufen und aneinander zu verkaufen haben. Pro tanto fließt das der Zirkulation des Mehrprodukts vorgeschoßne Geld – bei normalem Verlauf – an die verschiednen B's zurück, in derselben Proportion, worin sie solches zur Zirkulation ihrer respektiven Waren vorgeschossen haben.“ (7)

„Pro tanto“ ist das keine Lösung der Frage, denn schließlich haben die B, B', B'' usw. (I) wohl nicht deshalb auf einen Teil der Konsumtion verzichtet und ihre Produktion erweitert, um nachher ihr vermehrtes Produkt – nämlich Produktionsmittel – einander abzukaufen. Übrigens ist dies auch nur in sehr beschränktem Maße möglich. Nach der Marxschen Annahme besteht nämlich eine gewisse Arbeitsteilung innerhalb I, wobei die A, A', A'' usw. (I) Produktionsmittel von Produktionsmitteln herstellen, die B, B', B'' usw. (I) hingegen Produktionsmittel von Konsumtionsmitteln herstellen. Wenn also das Produkt der A, A' usw. innerhalb der Abteilung I verbleiben konnte, so ist das Produkt der B, B', B'' usw. von vornherein seiner Naturalgestwegen für die Abteilung II (Herstellung von Lebensmitteln) bestimmt. Die Akkumulation bei den B, B' usw. führt uns also bereits zur Zirkulation zwischen I und II. Damit bestätigt der Gang der Marxschen Analyse selbst, daß, wenn innerhalb der Abteilung I Akkumulation stattfinden soll, schließlich – direkt oder indirekt – eine vergrößerte Nachfrage nach Produktionsmitteln in der Abteilung der Lebensmittel vorhanden sein muß. Hier also, bei den Kapitalisten II, haben wir die Abnehmer für das zuschüssige Produkt der Abteilung I zu suchen.

In der Tat richtet sich der zweite Versuch von Marx, das Problem zu lösen, auf die Nachfrage der Kapitalisten II. Ihre Nachfrage nach zuschüssigen Produktionsmitteln kann nur den Sinn haben, daß sie ihr konstantes Kapital II c vergrößern. Hier springt aber die ganze Schwierigkeit deutlich in die Augen:

„Gesetzt aber, A (I) vergolde sein Mehrprodukt durch Verkauf an einen B aus Abteilung II. Dies kann nur dadurch geschehn, daß, nachdem A (I) an B (II) Produktionsmittel verkauft, er nicht hinterher Konsumtionsmittel kauft; also nur durch einseitigen Verkauf seinerseits. Sofern nun II c aus Form von Warenkapital in die Naturalform von produktivem, konstantem Kapital nur umsetzbar dadurch, daß nicht nur I v, sondern auch wenigstens ein Teil von I m sich umsetzt gegen einen Teil von II c, welches II c in Form von Konsumtionsmitteln existiert; nun aber A sein I m dadurch vergoldet, daß dieser Umsatz nicht vollzogen wird, unser A vielmehr das im Verkauf seines I m von II gelöste Geld der Zirkulation entzieht, statt es in Kauf von Konsumtionsmitteln II c umzusetzen – so findet zwar auf Seite des A (I) Bildung von zusätzlichem virtuellem Geldkapital statt; aber auf der andren Seite liegt ein dem Wertumfang nach gleicher Teil des konstanten Kapitals von B (II) fest in der Form von Warenkapital, ohne sich in die Naturalform von produktivem, konstantem Kapital umsetzen zu können. In andern Worten: Ein Teil der Waren des B (II), und zwar prima facie ein Teil, ohne dessen Verkauf er sein konstantes Kapital nicht ganz in produktive Form rückverwandeln kann, ist unverkäuflich geworden; mit Bezug auf ihn findet daher Überproduktion statt, welche ebenfalls mit Bezug auf ihn die Reproduktion – selbst auf gleichbleibender Stufenleiter hemmt.“ (8)

Der Versuch der Akkumulation auf seiten der Abteilung I durch Verkauf des zuschüssigen Mehrprodukts an die Abteilung II hat hier ein ganz unerwartetes Ergebnis gezeitigt: ein Defizit auf seiten der Kapitalisten II, die nicht einmal die einfache Reproduktion wieder aufnehmen können. An diesem Knotenpunkt angelangt, vertieft sich Marx ganz eingehend in die Analyse, um der Sache auf den Sprung zu kommen:

„Betrachten wir nun die Akkumulation in Abteilung II etwas näher.

Die erste Schwierigkeit mit Bezug auf II c, d. h. seine Rückverwandlung aus einem Bestandteil des Warenkapitals II in die Naturalform von konstantem Kapital II, betrifft die einfache Reproduktion. Nehmen wir das frühere Schema:

(1.000 v + 1.000 m) I setzen sich um gegen
2.000 II c.

Wird nun z. B. die Hälfte des Mehrprodukts I, also 1.000/2 m oder 500 I m wieder selbst als konstantes Kapital der Abteilung I einverleibt, so kann dieser in I rückbehaltne Teil des Mehrprodukts keinen Teil von II c ersetzen. Statt in Konsumtionsmittel umgesetzt zu werden ..., soll es als zusätzliches Produktionsmittel in I selbst dienen. Es kann diese Funktion nicht gleichzeitig in I und II verrichten. Der Kapitalist kann den Wert seines Mehrprodukts nicht in Konsumtionsmitteln verausgaben und gleichzeitig das Mehrprodukt selbst produktiv konsumieren, d. h. seinem produktiven Kapital einverleiben. Statt 2.000 I (v + m) sind also nur 1.500, nämlich (1.000 v + 500 m) I umsetzbar in 2.000 II c; es sind also 500 II c aus ihrer Warenform nicht rückverwandelbar in produktives (konstantes) Kapital II.“ (9)

Bis jetzt haben wir uns noch klarer von dem Bestehen der Schwierigkeit überzeugt, keinen Schritt aber zu ihrer Lösung vorwärts getan. Übrigens rächt sich hier an der Analyse, daß Marx zur Aufklärung des Problems der Akkumulation immer wieder als Grundlage die Fiktion eines anfänglichen Übergangs von der einfachen zur erweiterten Reproduktion, also die Geburtsstunde der Akkumulation gebraucht, statt die Akkumulation mitten in ihrem Fluß zu packen. Diese Fiktion nun, die uns, solange wir die Akkumulation nur innerhalb der Abteilung I betrachteten, wenigstens für einen Augenblick eine scheinbare Lösung bot – die Kapitalisten I hatten plötzlich, da sie auf einen Teil ihrer gestrigen Privatkonsumtion verzichteten, einen neuen Geldschatz in der Hand, mit dem sie die Kapitalisierung beginnen konnten –, selbe Fiktion vergrößert jetzt, wo wir uns an die Abteilung II wenden, nur noch mehr die Schwierigkeit. Denn hier äußert sich die „Entsagung“ auf seiten der Kapitalisten I in einem schmerzlichen Verlust von Konsumenten, auf deren Nachfrage die Produktion berechnet war. Die Kapitalisten der Abteilung II, mit denen wir das Experiment anstellen wollten, ob sie nicht die lange gesuchten Abnehmer für das zuschüssige Produkt der Akkumulation in Abteilung I darstellen, können uns um so weniger aus der Schwierigkeit heraushelfen, als sie selbst in der Klemme sitzen und vorerst noch nicht wissen, wo sie mit ihrem eigenen unverkauften Produkt hin sollen. Man sieht, zu welchen Unzuträglichkeiten der Versuch führt, die Akkumulation bei den einen Kapitalisten auf Kosten anderer Kapitalisten vollziehen zu lassen.

Marx führt dann einen Versuch an, die Schwierigkeit zu umgehen, um ihn alsbald selbst als eine Ausflucht abzuweisen. Man könnte nämlich den aus der Akkumulation in I sich ergebenden unverkäuflichen Überschuß in II als einen notwendigen Warenvorrat der Gesellschaft für das nächste Jahr betrachten. Darauf erwidert Marx mit seiner gewohnten Gründlichkeit: „1. solche Vorratbildung und ihre Notwendigkeit gilt für alle Kapitalisten, sowohl I wie II. Als bloße Warenverkäufer betrachtet, unterscheiden sie sich nur dadurch, daß sie Waren verschiedner Sorten verkaufen. Der Vorrat in Waren II unterstellt einen frühern Vorrat in Waren I. Vernachlässigen wir diesen Vorrat auf der einen Seite, so müssen wir es auch auf der andern. Ziehn wir ihn aber auf beiden Seiten in Betracht, so wird am Problem nichts geändert. – 2. Wie dies Jahr auf Seite II mit einem Warenvorrat für nächstes abschließt, so hat es begonnen mit einem Warenvorrat auf derselben Seite, überliefert vom vorigen Jahr. Bei Analyse der jährlichen Reproduktion – auf ihren abstraktesten Ausdruck reduziert – müssen wir ihn also beidemal streichen. Indem wir diesem Jahr seine ganze Produktion lassen, also auch das, was es als Warenvorrat an nächstes Jahr abgibt, nehmen wir ihm aber auch andrerseits den Warenvorrat, den es vom vorigen Jahr bekommen, und haben damit in der Tat das Gesamtprodukt eines Durchschnittsjahrs als Gegenstand der Analyse vor uns. – 3. Der einfache Umstand, daß die Schwierigkeit, die umgangen werden soll, uns nicht aufstieß bei Betrachtung der einfachen Reproduktion, beweist, daß es sich um ein spezifisches Phänomen handelt, das nur der verschiednen Gruppierung (mit Bezug auf Reproduktion) der Elemente I geschuldet ist, einer veränderten Gruppierung, ohne welche überhaupt keine Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter stattfinden könnte.“ (10)

Die letztere Bemerkung richtet sich aber gegen die bisherigen Versuche von Marx selbst, die spezifische Schwierigkeit der Akkumulation durch Momente auflösen zu wollen, die schon der einfachen Reproduktion gehören, nämlich jene mit dem allmählichen Umschlag des fixen Kapitals verbundene Schatzbildung in den Händen der Kapitalisten, die uns früher, innerhalb der Abteilung I, die Akkumulation erklären sollte.

Marx geht weiter zur schematischen Darstellung der erweiterten Reproduktion über, stößt aber im nächsten Augenblick, bei der Analyse seines Schemas, wieder auf dieselbe Schwierigkeit unter einer etwas anderen Form. Er unterstellt, daß die Kapitalisten der Abteilung I 500 m akkumulieren, die der Abteilung II aber ihrerseits 140 m in konstantes Kapital verwandeln müssen, um jenen die Akkumulation zu ermöglichen, und fragt:

„II muß 140 I m also mit barem Geld kaufen, ohne daß dies Geld zu ihm zurückflösse durch nachfolgenden Verkauf seiner Ware an I. Und zwar ist dies ein beständig, bei jeder jährlichen Neuproduktion, soweit sie Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter, sich wiederholender Prozeß. Wo springt dafür die Geldquelle in II?“ (11)

Marx versucht im weiteren Verlauf diese Quelle von verschiedenen Seiten ausfindig zu machen. Zunächst betrachtet er näher die Ausgabe der Kapitalisten II für variables Kapital. Dieses ist freilich in Geldform vorhanden. Es kann aber auch unmöglich seinem Zweck, dem Ankauf der Arbeitskraft, entzogen werden, um etwa zum Ankauf jener zuschüssigen Produktionsmittel zu dienen. „Diese beständig sich wiederholende Entfernung (des variablen Kapitals – R.L.) vom und Rückkehr zum Ausgangspunkt – der Tusche des Kapitalisten – vermehrt das in diesem Kreislauf sich herumtreibende Geld in keiner Weise. Dies ist also keine Quelle von Geldakkumulation.“ Marx zieht sodann selbst alle denkbaren Ausflüchte in Erwägung, um sie als solche abzulehnen. „Aber halt! ist hier nicht ein Profitchen zu machen?“ ruft er, und untersucht, ob die Kapitalisten nicht durch Herabdrückung der Löhne ihrer Arbeiter unter die normale Durchschnittshöhe zur Ersparnis des variablen Kapitals und so zu einer neuen Geldquelle für Zwecke der Akkumulation gelangen können. Diesen Einfall schiebt er natürlich mit einer Handbewegung auf die Seite: „Es darf aber nicht vergessen werden, daß der wirklich gezahlte normale Arbeitslohn (der ceteris paribus die Größe des variablen Kapitals bestimmt) keineswegs aus Güte der Kapitalisten gezahlt wird, sondern unter gegebnen Verhältnissen gezahlt werden muß. Damit ist diese Erklärungsweise beseitigt.“ (12) Selbst auf versteckte Methoden der „Ersparnisse“ beim variablen Kapital – Trucksystem, Fälschungen usw. – geht er ein, um zum Schluß zu bemerken: „Es ist dies dieselbe Operation wie sub 1, nur verkleidet und auf einem Umweg exekutiert. Sie ist also hier ebensosehr zurückzuweisen wie jene.“ (13) Auf diese Weise sind alle Versuche, aus dem variablen Kapital eine neue Geldquelle für Zwecke der Akkumulation herauszuschlagen, resultatlos: „Mit 376 II v ist also zu dem erwähnten Zweck nichts anzustellen.“ [2*]

Marx wendet sich dann an den Geldvorrat der Kapitalisten II, den sie zur Zirkulation ihrer eigenen Konsumtion in der Tasche haben, um nachzusehen, ob sich hier nicht ein Geldquantum für Zwecke der Kapitalisierung erübrigen ließe. Er nennt aber diesen Versuch selbst „noch bedenklicher“ als den früheren: „Hier stehn sich nur Kapitalisten derselben Klasse gegenüber, die die von ihnen produzierten Konsumtionsmittel wechselseitig aneinander verkaufen und voneinander kaufen. Das zu diesem Umsatz nötige Geld fungiert nur als Zirkulationsmittel und muß bei normalem Verlauf zu den Beteiligten zurückfließen, in dem Maß, wie sie es der Zirkulation vorgeschossen haben, um stets von neuem dieselbe Bahn zu durchlaufen.“ Dann folgt noch ein Versuch, der natürlich in die Kategorie jener „Ausflüchte“ gehört, die Marx rücksichtslos zurückweist: die Bildung von Geldkapital in den Händen der einen Kapitalisten II durch Beschwindelung der anderen Kapitalisten derselben Abteilung zu erklären, nämlich beim gegenseitigen Verkauf von Konsummitteln. Es erübrigt sich, auf diesen Versuch einzugeben.

Darauf noch ein ernstgemeinter Versuch:

„Oder aber, ein in notwendigen Lebensmitteln sich darstellender Teil von II m wird direkt in neues variables Kapital innerhalb Abteilung II verwandelt.“ (14)

Wie uns dieser Versuch aus der Schwierigkeit heraushelfen, d. h. die Akkumulation in Fluß bringen soll, ist nicht ganz klar. Denn 1. hilft uns die Bildung von zusätzlichem variablem Kapital in der Abteilung II noch nicht weiter, da wir ja noch nicht das zuschüssige konstante Kapital II zustande gebracht haben und gerade dabei waren, es erst zu ermöglichen; 2. handelte es sich diesmal bei der Untersuchung um die Aufdeckung einer Geldquelle in II zum Ankauf zuschüssiger Produktionsmittel von I nicht darum, das eigene überschüssige Produkt von II irgendwie in der eigenen Produktion unterzubringen; 3. soll der Versuch bedeuten, daß die betreffenden Lebensmittel „direkt“, d. h. ohne Vermittelung des Geldes, in der Produktion von II wieder als variables Kapital verwendet werden können, wodurch die entsprechende Geldmenge aus dem variablen Kapital frei würde für Akkumulationszwecke, so müßten wir den Versuch ablehnen. Die kapitalistische Produktion schließt unter normalen Bedingungen die direkte Entlohnung der Arbeiter in Lebensmitteln aus; die Geldform des variablen Kapitals, die selbständige Transaktion zwischen dem Arbeiter als Warenkäufer und den Produzenten der Konsummittel ist eine der wesentlichsten Grundlagen der kapitalistischen Wirtschaft. Marx betont selbst in einem anderen Zusammenhang: „Wir wissen: das wirkliche variable Kapital besteht aus Arbeitskraft, also auch das zusätzliche. Es ist nicht der Kapitalist I, der etwa von II notwendige Lebensmittel auf Vorrat kauft oder aufhäuft für die von ihm zu verwendende zusätzliche Arbeitskraft, wie es der Sklavenhalter tun mußte. Es sind die Arbeiter selbst, die mit II handeln.“ (15) Das Gesagte trifft auf die Kapitalisten II genauso zu wie auf die Kapitalisten I. Damit ist der obige Versuch von Marx erschöpft.

Zum Schluß verweist er uns auf den letzten Teil des Kapitals, 21. Kapitel im Band II, den Engels sub IV. als „Nachträgliches“ gesetzt hat. Hier finden wir die kürze Erklärung:

„Die ursprüngliche Geldquelle für II ist v + m der Goldproduktion I, ausgetauscht gegen einen Teil von II c; nur soweit der Goldproduzent Mehrwert aufhäuft oder in Produktionsmittel I verwandelt, also seine Produktion ausdehnt, geht sein v + m nicht in II ein; andrerseits, soweit Akkumulation von Geld, seitens des Goldproduzenten selbst, schließlich zur erweiterten Reproduktion führt, geht ein nicht als Revenue ausgegebner Teil des Mehrwerts der Goldproduktion für zuschüssiges variables Kapital des Goldproduzenten in II ein, fördert hier neue Schatzbildung oder gibt neue Mittel von I zu kaufen, ohne direkt wieder an es zu verkaufen.“ (16)

So sind wir, nachdem alle möglichen Versuche zur Erklärung der Akkumulation fehlgeschlagen sind, nachdem wir von Pontius zu Pilatus, von A I zu B I, von B I zu B II herumgeschickt worden sind, schließlich bei demselben Goldproduzenten angelangt, dessen Heranziehung Marx gleich zu Beginn seiner Analyse als „abgeschmackt“ bezeichnet hatte. Damit endet die Analyse des Reproduktionsprozesses und der zweite Band des „Kapitals“, ohne uns die lange gesuchte Lösung der Schwierigkeit gebracht zu haben.

Fußnoten von Rosa Luxemburg

1. Das Kapital, Bd. II, S. 465. [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 24, S. 485.]

2. Das Kapital, Bd. II, S. 466–468. [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 24, S. 486–487.]

3. Das Kapital, Bd. II, S. 469. [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 24, S. 488–489.]

4.Das Kapital, Bd. II, S. 473. [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 24, S. 492–493.]

5. l. c., S. 476. [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 24, S. 495.]

6. l. c., S. 476. [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 24, S. 495.]

7. Das Kapital, Bd. II, S. 477. [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 24, S. 496.]

8. Das Kapital, Bd. II, S. 478. [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 24, S. 497/498.]

9. Das Kapital, Bd. II, S. 480. [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 24, S. 499.]

10. Das Kapital, Bd. II, S. 482. [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 24, S. 500/501.]

11. Das Kapital, Bd. II, S. 484. [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 24, S. 503.]

12. Das Kapital, Bd. II, S. 485. [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 24, S. 503/504.]

13. Das Kapital, Bd. II, S. 486. [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 24, S. 504.]

14. Das Kapital, Bd. II, S. 487. [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 24, S. 505.]

15. Das Kapital, Bd. II, S. 492. [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 24, S. 510.]

16. Das Kapital, Bd. II, S. 499. [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 24, S. 517.]



Anmerkungen der Redaktion

1*. Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 24, S. 493.

2*. Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 24, S. 504/505.


Zuletzt aktualisiert am 14.1.2012