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Nach: Karl Marx, Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, Zweite Ausgabe, Hamburg 1869.
Karl Marx u. Friedrich Engels: Werke, Bd.16, S.358-360, Berlin/DDR, 1960.
Mein zu früh verstorbener Freund Joseph Weydemeyer [A] beabsichtigte vom 1. Januar 1852 an eine politische Wochenschrift in New York herauszugeben. Er forderte mich auf, für dieselbe die Geschichte des coup d’état <Staatstreichs> zu liefern. Ich schrieb ihm daher wöchentlich bis Mitte Februar Artikel unter dem Titel: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. Unterdes war Weydemeyers ursprünglicher Plan gescheitert. Dagegen veröffentlichte er im Frühling 1852 eine Monatsschrift: Die Revolution, deren erstes Heft aus meinem Achtzehnten Brumaire besteht. Einige hundert Exemplare davon fanden damals den Weg nach Deutschland, ohne jedoch in den eigentlichen Buchhandel zu kommen. Ein äußerst radikal tuender deutscher Buchhändler, dem ich den Vertrieb anbot, antwortete mit wahrhaft sittlichem Entsetzen über solch „zeitwidrige Zumutung“.
Man ersieht aus diesen Angaben, daß die vorliegende Schrift unter dem unmittelbaren Druck der Ereignisse entstand und ihr historisches Material nicht über den Monat Februar (1852) hinausreicht. Ihre jetzige Wiederveröffentlichung ist teils buchhändlerischer Nachfrage, teils dem Andringen meiner Freunde in Deutschland geschuldet.
Von den Schriften, welche ungefähr gleichzeitig mit der meinigen denselben Gegenstand behandelten, sind nur zwei bemerkenswert: Victor Hugos Napoléon le petit und Proudhons Coup d’état.
Victor Hugo beschränkt sich auf bittere und geistreiche Invektive gegen den verantwortlichen Herausgeber des Staatsstreichs. Das Ereignis selbst erscheint bei ihm wie ein Blitz aus heitrer Luft. Er sieht darin nur die Gewalttat eines einzelnen Individuums. Er merkt nicht, daß er dies Individuum groß statt klein macht, indem er ihm eine persönliche Gewalt der Initiative zuschreibt, wie sie beispiellos in der Weltgeschichte dastehen würde. Proudhon seinerseits sucht den Staatsstreich als Resultat einer vorhergegangenen geschichtlichen Entwicklung darzustellen. Unter der Hand verwandelt sich ihm jedoch die geschichtliche Konstruktion des Staatsstreichs in eine geschichtliche Apologie des Staatsstreichshelden. Er verfällt so in den Fehler unserer sogenannten objektiven Geschichtsschreiber. Ich weise dagegen nach, wie der Klassenkampf in Frankreich Umstände und Verhältnisse schuf, welche einer mittelmäßigen und grotesken Personage das Spiel der Heldenrolle ermöglichen.
Eine Umarbeitung der vorliegenden Schrift hätte sie ihrer eigentümlichen Färbung beraubt. Ich habe mich daher auf bloße Korrektur von Druckfehlern beschränkt und auf Wegstreichung jetzt nicht mehr verständlicher Anspielungen.
Der Schlußsatz meiner Schrift: „Aber wenn der Kaisermantel endlich auf die Schultern Louis Bonapartes fällt, wird das eherne Standbild Napoleons von der Höhe der Vendôme-Säule herabstürzen“, hat sich bereits erfüllt.
Oberst Charras eröffnete den Angriff auf den Napoleon-Kultus in seinem Werke über den Feldzug von 1815. Seitdem, und namentlich in den letzten Jahren, hat die französische Literatur mit den Waffen der Geschichtsforschung, der Kritik, der Satire und des Witzes der Napoleon-Legende den Garaus gemacht. Außerhalb Frankreichs ward dieser gewaltsame Bruch mit dem traditionellen Volksglauben, diese ungeheure geistige Revolution, wenig beachtet und noch weniger begriffen.
Schließlich hoffe ich, daß meine Schrift zur Beseitigung der jetzt namentlich in Deutschland landläufigen Schulphrase vom sogenannten Cäsarismus beitragen wird. Bei dieser oberflächlichen geschichtlichen Analogie vergißt man die Hauptsache, daß nämlich im alten Rom der Klassenkampf nur innerhalb einer privilegierten Minorität spielte, zwischen den freien Reichen und den freien Armen, während die große produktive Masse der Bevölkerung, die Sklaven, das bloß passive Piedestal für jene Kämpfer bildete. Man vergißt Sismondis bedeutenden Ausspruch: Das römische Proletariat lebte auf Kosten der Gesellschaft, während die moderne Gesellschaft auf Kosten des Proletariats lebt. Bei so gänzlicher Verschiedenheit zwischen den materiellen, ökonomischen Bedingungen des antiken und des modernen Klassenkampfs können auch seine politischen Ausgeburten nicht mehr miteinander gemein haben als der Erzbischof von Canterbury mit dem Hohenpriester Samuel.
A. Während des amerikanischen Bürgerkriegs Militärkommandant des Distrikts von St. Louis.
Zuletzt aktualisiert am 12.10.2003