Max Stirner

 

Der Einzige und
sein Eigentum

 

Zweite Abteilung
Ich

4. Der Eigner

B – Mein Verkehr
(Fortsetzung)

Die Eigentumsfrage birgt einen weiteren Sinn in sich, als die beschränkte Fragstellung herauszubringen erlaubt. Auf das, was man unsere Habe nennt, allein bezogen, ist sie keiner Lösung fähig; die Entscheidung findet sich erst bei dem, „von welchem Wir Alles haben“. Vom Eigner hängt das Eigentum ab.

Die Revolution richtete ihre Waffen gegen Alles, was „von Gottes Gnaden“ kam, z. B. gegen das göttliche Recht, an dessen Statt das menschliche befestigt wurde. Dem von Gottes Gnaden Verliehenen wird das „aus dem Wesen des Menschen“ Hergeleitete entgegengestellt.

Wie nun das Verhältnis der Menschen zueinander im Gegensatz zum religiösen Dogma, welches ein „Liebet Euch untereinander um Gottes willen“ gebietet, seine menschliche Stellung durch ein „Liebet einander um des Menschen willen“ erhalten mußte, so konnte die revolutionäre Lehre nicht anders, als, was zunächst die Beziehung der Menschen auf die Dinge dieser Welt betrifft, feststellen, daß die Welt, die bisher nach Gottes Ordnung eingerichtet war, hinfort „dem Menschen“ gehöre.

Die Welt gehört „dem Menschen“, und soll von Mir als sein Eigentum respektiert werden.

Eigentum ist das Meinige!

Eigentum im bürgerlichen Sinne bedeutet heiliges Eigentum, der Art, daß Ich dein Eigentum respektieren muß. „Respekt vor dem Eigentum!“ Daher möchten die Politiker, daß Jeder sein Stückchen Eigentum besäße, und haben durch dies Bestreben zum Teil eine unglaubliche Parzellierung herbeigeführt. Jeder muß seinen Knochen haben, daran er was zu beißen finde.

Anders verhält sich die Sache im egoistischen Sinne. Von deinem und eurem Eigentum trete Ich nicht scheu zurück, sondern sehe es stets als mein Eigentum an, woran Ich nichts zu „respektieren“ brauche. Tuet doch desgleichen mit dem, was Ihr mein Eigentum nennt!

Bei dieser Ansicht werden Wir Uns am leichtesten miteinander verständigen.

Die politischen Liberalen tragen Sorge, daß womöglich alle Servituten [13*] abgelöst werden, und Jeder freier Herr auf seinem Grunde sei, wenn dieser Grund auch nur so viel Bodengehalt hat, als von dem Dünger Eines Menschen sich hinlänglich sättigen läßt. (Jener Bauer heiratete noch im Alter, „damit er vom Kote seiner Frau profitiere.“) Sei es auch noch so klein, wenn man nur Eigenes, nämlich ein respektiertes Eigentum hat! Je mehr solcher Eigener, solcher Kotsassen [14*], desto mehr „freie Leute und gute Patrioten“ hat der Staat.

Es rechnet der politische Liberalismus, wie alles Religiöse, auf den Respekt, die Humanität, die Liebestugenden. Darum lebt er auch in unaufhörlichem Ärger. Denn in der Praxis respektieren eben die Leute nichts, und alle Tage werden die kleinen Besitzungen wieder von größeren Eigentümern aufgekauft, und aus den „freien Leuten“ werden Tagelöhner.

Hätten dagegen die „kleinen Eigentümer“ bedacht, daß auch das große Eigentum das ihrige sei, so hätten sie sich nicht selber respektvoll davon ausgeschlossen, und würden nicht ausgeschlossen worden sein.

Das Eigentum, wie die bürgerlichen Liberalen es verstehen, verdient die Angriffe der Kommunisten und Proudhons: es ist unhaltbar, weil der bürgerliche Eigentümer wahrhaft nichts als ein Eigentumsloser, ein überall Ausgeschlossener ist. Statt daß ihm die Welt gehören könnte, gehört ihm nicht einmal der armselige Punkt, auf welchem er sich herumdreht.

Proudhon will nicht den propriétaire [15*], sondern den possesseur [16*] oder usufruitier [17*]. [83] Was heißt das? Er will, daß der Boden nicht Einem gehöre; aber der Nutzen desselben – und gestände man ihm auch nur den hundertsten Teil dieses Nutzens, dieser Frucht, zu – der ist ja doch sein Eigentum, mit welchem er nach Belieben schalten kann. Wer nur den Nutzen eines Ackers hat, ist allerdings nicht der Eigentümer desselben; noch weniger, wer, wie Proudhon will, von diesem Nutzen so viel abgeben muß, als zu seinem Bedarf nicht notwendig erfordert wird; allein er ist der Eigentümer des ihm verbleibenden AnteilS.  Also negiert Proudhon nur dies und jenes Eigentum, nicht das Eigentum. Wenn Wir den Grundeigentümern den Grund nicht länger lassen, sondern Uns zueignen wollen, so vereinigen Wir Uns zu diesem Zwecke, bilden einen Verein, eine société, die sich zur Eigentümerin macht; glückt es Uns, so hören jene auf, Grundeigentümer zu sein. Und wie von Grund und Boden, so können Wir sie noch aus manchem andern Eigentum hinausjagen, um es zu unserm Eigentum zu machen, zum Eigentum der – Erobernden. Die Erobernden bilden eine Sozietät, die man sich so groß denken kann, daß sie nach und nach die ganze Menschheit umfaßt; aber auch die sogenannte Menschheit ist als solche nur ein Gedanke (Spuk); ihre Wirklichkeit sind die Einzelnen. Und diese Einzelnen werden als eine Gesamtmasse nicht weniger willkürlich mit Grund und Boden umgehen, als ein vereinzelter Einzelner, oder sogenannter propriétaire. Auch so bleibt also das Eigentum bestehen, und zwar auch als „ausschließlich“, indem die Menschheit, diese große Sozietät, den Einzelnen von ihrem Eigentum ausschließt (ihm vielleicht nur ein Stück davon verpachtet, zu Lehn gibt), wie sie ohnehin alles, was nicht Menschheit ist, ausschließt, z. B. die Tierwelt nicht zum Eigentum kommen läßt. – So wird’s auch bleiben und werden. Dasjenige, woran Alle Anteil haben wollen, wird demjenigen Einzelnen entzogen werden, der es für sich allein haben will, es wird zu einem Gemeingut gemacht. Als an einem Gemeingut hat Jeder daran seinen Anteil, und dieser Anteil ist sein Eigentum. So ist ja auch in unseren alten Verhältnissen ein Haus, welches fünf Erben gehört, ihr Gemeingut; der fünfte Teil des Ertrages aber ist eines Jeden Eigentum. Proudhon konnte sein weitläufiges Pathos sparen, wenn er sagte: Es gibt einige Dinge, die nur Wenigen gehören, und auf die Wir übrigen von nun an Anspruch oder – Jagd machen wollen. Laßt sie Uns nehmen, weil man durch’s Nehmen zum Eigentum kommt, und das für jetzt noch uns entzogene Eigentum auch nur durch’s Nehmen an die Eigentümer gekommen ist. Es wird sich besser nutzen lassen, wenn es in Unser Aller Händen ist, als wenn die Wenigen darüber verfügen. Assoziieren wir Uns daher zu dem Zwecke dieses Raubes (vol). – Dafür schwindelt er Uns vor, die Sozietät sei die ursprüngliche Besitzerin und die einzige Eigentümerin von unverjährbarem Rechte; an ihr sei der sogenannte Eigentümer zum Diebe geworden. (La propriété c’est le vol [18*]); wenn sie nun dem dermaligen Eigentümer sein Eigentum entziehe, so raube sie ihm nichts, da sie nur ihr unverjährbares Recht geltend mache. – So weit kommt man mit dem Spuk der Sozietät als einer moralischen Person. Im Gegenteil gehört dem Menschen, was er erlangen kann: Mir gehört die Welt. Sagt Ihr etwas anderes mit dem entgegengesetzten Satze: „Allen gehört die Welt“? Alle sind Ich und wieder Ich usw. Aber Ihr macht aus den „Allen“ einen Spuk, und macht ihn heilig, so daß dann die „Alle“ zum fürchterlichen Herrn des Einzelnen werden. Auf ihre Seite stellt sich dann das Gespenst des „Rechtes“.

Proudhon, wie die Kommunisten, kämpfen gegen den Egoismus. Darum sind sie Fortsetzungen und Konsequenzen des christlichen Prinzips, des Prinzips der Liebe, der Aufopferung für ein Allgemeines, ein Fremde. Sie vollenden z. B. im Eigentum nur, was längst der Sache nach vorhanden ist, nämlich die Eigentumslosigkeit des Einzelnen. Wenn es im Gesetze heißt: Ad reges potestas omnium pertinet, ad singulos proprietas; omnia rex imperio possidet, singuli dominio [19*], so heißt dies: Der König ist Eigentümer, denn Er allein kann über „Alles“ verfügen, schalten, er hat potestas und imperium darüber. Die Kommunisten machen dies klarer, indem sie jenes imperium der „Gesellschaft Aller“ übertragen. Also: Weil Feinde des Egoismus, darum sind sie – Christen, oder allgemeiner: religiöse Menschen, Gespenstergläubige, Abhängige, Diener irgend eines Allgemeinen (Gottes, der Gesellschaft usw.). Auch darin gleicht Proudhon den Christen, daß er dasjenige, was er den Menschen abspricht, Gott beilegt. Ihn nennt er (z. B. Seite 90) den Propriétaire der Erde. [84] Hiermit beweist er, daß er den Eigentümer als solchen nicht wegdenken kann; er kommt zuletzt auf einen Eigentümer, verlegt ihn aber ins Jenseits.

Eigentümer ist weder Gott noch der Mensch (die „menschliche Gesellschaft“), sondern der Einzelne.

Proudhon (auch Weitling) glaubt das Schlimmste vom Eigentum auszusagen, wenn er es einen Diebstahl (vol) nennt. Ganz abgesehen von der verfänglichen Frage, was gegen den Diebstahl Gegründetes einzuwenden wäre, fragen Wir nur: Ist der Begriff „Diebstahl“ überhaupt anders möglich, als wenn man den Begriff „Eigentum“ gelten läßt. Wie kann man stehlen, wenn nicht schon Eigentum vorhanden ist? Was Keinem gehört, kann nicht gestohlen werden: das Wasser, welches Einer aus dem Meere schöpft, stiehlt er nicht. Mithin ist nicht das Eigentum Diebstahl, sondern durch das Eigentum erst wird ein Diebstahl möglich. Auch muß Weitling darauf hinauskommen, da er ja Alles als Eigentum Aller betrachtet: ist Etwas „Eigentum Aller“, so stiehlt freilich der Einzelne, der sich’s zueignet.

Das Privateigentum lebt von der Gnade des Rechts. Nur im Rechte hat es seine Gewähr – Besitz ist ja noch nicht Eigentum, er wird erst „das Meinige“ durch Zustimmung des Rechts –; es ist keine Tatsache, nicht un fait [20*], wie Proudhon meint, sondern eine Fiktion, ein Gedanke. Das ist das Rechtseigentum, rechtliches Eigentum, garantiertes Eigentum. Nicht durch Mich ist es mein, sondern durch’s – Recht.

Dennoch ist Eigentum der Ausdruck für die unumschränkte Herrschaft über Etwas (Ding, Tier, Mensch), womit „Ich schalten und walten kann nach Gutdünken“. Nach römischem Rechte freilich ius utendi et abutendi re sua, quatenus iuris ratio patitur [21*], ein ausschließliches und unumschränktes Recht; aber Eigentum wird durch Gewalt bedingt. Was Ich in der Gewalt habe, das ist mein eigen. Solange Ich Mich als Inhaber behaupte, bin Ich der Eigentümer der Sache; entgeht Mir’s wieder, gleichviel durch welche Macht, z. B. durch mein Anerkenntnis eines Anrechts Anderer an die Sache –, so ist das Eigentum erloschen. So fällt Eigentum und Besitz in Eins zusammen. Nicht ein außerhalb meiner Gewalt liegendes Recht legitimiert Mich, sondern lediglich meine Gewalt; habe Ich die nicht mehr, so entschwindet mir die Sache. Als die Römer keine Gewalt mehr gegen die Germanen hatten, gehörte diesen das Weltreich Rom, und es klänge lächerlich, wollte man darauf bestehen, die Römer seien dennoch die eigentlichen Eigentümer geblieben. Wer die Sache zu nehmen und zu behaupten weiß, dem gehört sie, bis sie ihm wieder genommen wird, wie die Freiheit Dem gehört, der sie sich nimmt.

Über das Eigentum entscheidet nur die Gewalt, und da der Staat, gleichviel ob Staat der Bürger oder der Lumpe oder der Menschen schlechthin, der allein Gewaltige ist, so ist er allein Eigentümer; Ich, der Einzige, habe nichts, und werde nur belehnt, bin Lehnsmann und als solcher Dienstmann. Unter der Herrschaft des Staates gibt es kein Eigentum Meiner.

Ich will den Wert Meiner heben, den Wert der Eigenheit, und sollte das Eigentum herabsetzen? Nein, wie Ich seither nicht geachtet wurde, weil man Volk, Menschheit und tausend andere Allgemeinheiten darüber setzte, so ist auch bis auf diesen Tag das Eigentum noch nicht in seinem vollen Werte anerkannt worden. Auch das Eigentum war nur Eigentum eines Gespenstes, z. B. Volkseigentum; meine ganze Existenz „gehörte dem Vaterlande“: Ich gehörte dem Vaterlande, dem Volke, dem Staate an, darum auch Alles, was Ich mein eigen nannte. Man fordert von den Staaten, sie sollen den Pauperismus beseitigen. Mir scheint, das heißt verlangen, der Staat solle sich selbst den Kopf abschneiden und vor die Füße legen; denn solange der Staat das Ich ist, muß das einzelne Ich ein armer Teufel, ein Nicht-Ich sein. Der Staat hat nur ein Interesse daran, selbst reich zu sein; ob Michel reich und Peter arm ist, gilt ihm gleich; es könnte auch Peter reich und Michel arm sein. Er sieht gleichgültig zu, wie der Eine verarmt, der Andere reich wird, unbekümmert um dies Wechselspiel. Als Einzelne sind sie vor seinem Angesichte wirklich gleich, darin ist er gerecht: sie sind beide vor ihm – Nichts, wie Wir „vor Gott allzumal Sünder sind“; dagegen hat er ein sehr großes Interesse daran, daß diejenigen Einzelnen, welche Ihn zu ihrem Ich machen, an seinem Reichtum Teil haben: er macht sie zu Teilnehmern an seinem Eigentum. Durch Eigentum, womit er die Einzelnen belohnt, kirrt [22*] er sie; es bleibt aber sein Eigentum, und Jeder hat nur so lange den Nießbrauch davon, als er das Ich des Staates in sich trägt, oder ein „loyales Glied der Gesellschaft“ ist; im Gegenfalle wird das Eigentum konfisziert oder durch peinliche Prozesse zu Wasser gemacht. Das Eigentum ist und bleibt sonach Staatseigentum, nicht Eigentum des Ichs. Daß der Staat nicht willkürlich dem Einzelnen entzieht, was er vom Staate hat, ist nur dasselbe, wie dies, daß der Staat sich selbst nicht beraubt. Wer ein Staats-Ich, d. h. ein guter Bürger oder Untertan ist, der trägt als solches Ich, nicht als eigenes, das Lehen ungestört. Dies nennt der Kodex dann so: Eigentum ist, was ich „von Gottes und Rechts wegen“ mein nenne. Von Gottes und Rechts wegen ist es aber nur mein, solange – der Staat nichts dagegen hat.

In den Expropriationen, Waffenablieferungen und Ähnlichem (wie denn z. B. der Fiskus Erbschaften einzieht, wenn die Erben sich nicht zeitig genug melden) springt ja das sonst verdeckte Prinzip, daß nur das Volk, „der Staat“, Eigentümer sei, der Einzelne hingegen Lehnsträger, deutlich in die Augen.

Der Staat, dies wollte Ich sagen, kann nicht beabsichtigen, daß Jemand um sein[er] selbst willen Eigentum habe, oder gar reich, ja nur wohlhabend sei, er kann Mir als Mir nichts zuerkennen, zukommen lassen, nichts gewähren. Der Staat kann dem Pauperismus nicht steuern, weil die Pauvretät des Besitzes eine Pauvretät Meiner ist. Wer nichts ist, als was der Zufall oder ein Anderer, nämlich der Staat, aus ihm macht, der hat ganz mit Recht auch nichts, als was ein Anderer ihm gibt. Und dieser Andere wird ihm nur geben, was jener verdient, d. h. was er durch Dienen wert ist. Nicht Er verwertet sich, sondern der Staat verwertet ihn.

Die Nationalökonomie beschäftigt sich viel mit diesem Gegenstande. Er liegt indes weit über das „Nationale“ hinaus und geht über die Begriffe und den Horizont des Staats, der nur Staatseigentum kennt und nur dieses verteilen kann. Deshalb knüpft er den Besitz des Eigentums an Bedingungen, wie er Alles daran knüpft, z. B. die Ehe, indem er nur die von ihm sanktionierte Ehe gelten läßt, und sie meiner Gewalt entreißt. Eigentum ist aber nur mein Eigentum, wenn Ich dasselbe unbedingt inne habe: nur Ich, als unbedingtes Ich, habe Eigentum, schließe ein Liebesverhältnis, treibe freien Handel.

Der Staat bekümmert sich nicht um Mich und das Meine, sondern um Sich und das Seine: Ich gelte ihm nur als sein Kind etwas, als „Landeskind“, als Ich bin Ich gar nichts für ihn. Was Mir als Ich begegnet, ist für den Verstand des Staates etwas Zufälliges: mein Reichtum wie meine Verarmung. Bin Ich aber mit allem Meinigen für ihn ein Zufall, so beweist dies, daß er Mich nicht begreifen kann: Ich gehe über seine Begriffe, oder sein Verstand ist zu kurz, um Mich zu begreifen. Darum kann er auch nichts für Mich tun.

Der Pauperismus ist die Wertlosigkeit Meiner, die Erscheinung, daß Ich Mich nicht verwerten kann. Deshalb ist Staat und Pauperismus Ein und dasselbe. Der Staat läßt Mich nicht zu meinem Werte kommen und besteht nur durch meine Wertlosigkeit: er geht allezeit darauf aus, von Mir Nutzen zu ziehen, d. h. Mich zu exploitieren, auszubeuten, zu verbrauchen, bestände dieser Verbrauch auch nur darin, daß Ich für eine proles sorge (Proletariat); er will, Ich soll „seine Kreatur“ sein.

Nur dann kann der Pauperismus gehoben werden, wenn Ich als Ich Mich verwerte, wenn Ich Mir selber Wert gebe, und meinen Preis selber mache. Ich muß Mich empören, um emporzukommen.

Was Ich schaffe, Mehl, Leinwand oder Eisen und Kohlen, die Ich der Erde mühsam abgewinne, usw., es ist meine Arbeit, die Ich verwerten will. Da kann Ich aber lange klagen, meine Arbeit werde Mir nicht nach ihrem Werte bezahlt; es wird der Bezahlende Mich nicht hören und der Staat gleichfalls so lange apathisch sich verhalten, bis er glaubt, Mich „beschwichtigen“ zu müssen, damit Ich nicht mit meiner gefürchteten Gewalt hervorbreche. Bei dieser „Beschwichtigung“ aber wird es sein Bewenden haben, und fällt Mir mehr zu verlangen ein, so wendet sich der Staat wider Mich mit aller Kraft seiner Löwentatzen und Adlerklauen: denn er ist der König der Tiere, ist Löwe und Adler. Lasse Ich Mir nicht genügen an dem Preise, den er für meine Ware und Arbeit festsetzt, trachte Ich vielmehr, den Preis meiner Ware selbst zu bestimmen, d. h. „Mich bezahlt zu machen“, so gerate Ich zunächst mit den Abnehmern der Ware in einen Konflikt. Löste sich dieser durch ein Übereinkommen von beiden Seiten, so würde der Staat nicht leicht Einwendungen machen; denn wie die Einzelnen miteinander fertig werden, kümmert ihn wenig, so fern sie ihm dabei nur nicht in den Weg kommen. Sein Schaden und seine Gefahr beginnt erst da, wo sie nicht miteinander auskommen, sondern, weil keine Ausgleichung stattfindet, sich bei den Köpfen fassen. Der Staat kann es nicht dulden, daß der Mensch zum Menschen in einem direkten Verhältnisse stehe; er muß dazwischentreten als – Mittler, muß – intervenieren. Was Christus war, was die Heiligen, die Kirche, das ist der Staat geworden, nämlich „Mittler“. Er reißt den Menschen vom Menschen, um sich als „Geist“ in die Mitte zu stellen. Die Arbeiter, welche höheren Lohn verlangen, werden als Verbrecher behandelt, sobald sie ihn erzwingen wollen. Was sollen sie tun? Ohne Zwang bekommen sie ihn nicht, und im Zwange sieht der Staat eine Selbsthilfe, eine vom Ich gesetzte Preisbestimmung, eine wirkliche, freie Verwertung seines Eigentums, die er nicht zulassen kann. Was sollen also die Arbeiter anfangen? Auf sich halten und nach dem Staate nichts fragen? ——

Wie es sich aber mit meiner gegenständlichen Arbeit verhält, so auch mit meiner geistigen. Es erlaubt Mir der Staat alle meine Gedanken zu verwerten und an den Mann zu bringen (Ich verwerte sie ja z. B. schon dadurch, daß sie Mir von den Zuhörern Ehre einbringen u. dergl.); allein nur so lange als meine Gedanken – seine Gedanken sind. Hege Ich dagegen Gedanken, welche er nicht approbieren [23*], d. h. zu den seinigen machen kann, so erlaubt er Mir durchaus nicht, sie zu verwerten, sie in den Austausch, den Verkehr zu bringen. Meine Gedanken sind nur frei, wenn sie Mir durch die Gnade des Staats vergönnt sind, d. h. wenn sie Gedanken des Staats sind. Frei philosophieren läßt er Mich nur, sofern Ich Mich als „Staatsphilosoph“ bewähre; gegen den Staat darf Ich nicht philosophieren, so gerne er’s auch nachsieht, daß Ich ihm von seinen „Mängeln“ helfe, ihn „fördere“. – Also wie Ich Mich nur als ein vom Staate gnädigst verstattetes, als ein mit seinem Legitimitätszeugnis und Polizeipasse versehenes Ich betragen darf, so ist es Mir auch nicht vergönnt, das Meinige zu verwerten, es sei denn, daß es sich als das Seinige ausweise, welches Ich von ihm zu Lehen trage. Meine Wege müssen seine Wege sein, sonst pfändet er Mich; meine Gedanken seine Gedanken, sonst stopft er Mir den Mund.

Vor nichts hat der Staat sich mehr zu fürchten, als vor dem Werte Meiner, und nichts muß er sorgfältiger zu verhüten suchen, als jede Mir entgegenkommende Gelegenheit, Mich selbst zu verwerten. Ich bin der Todfeind des Staates, der stets in der Alternative schwebt: Er oder Ich. Darum hält er strenge darauf, nicht nur Mich nicht gelten zu lassen, sondern auch das Meinige zu hintertreiben. Im Staate gibt es kein – Eigentum, d. h. kein Eigentum des Einzelnen, sondern nur Staatseigentum. Nur durch den Staat habe Ich, was Ich habe, wie Ich nur durch ihn bin, was Ich bin. Mein Privateigentum ist nur dasjenige, was der Staat Mir von dem Seinigen überläßt, indem er andere Staatsglieder darum verkürzt (priviert): es ist Staatseigentum.

Im Gegensatze aber zum Staate, fühle Ich immer deutlicher, daß Mir noch eine große Gewalt übrigbleibt, die Gewalt über Mich selbst, d. h. über alles, was nur Mir eignet und nur ist, indem es mein eigen ist.

Was fange Ich an, wenn meine Wege nicht mehr seine Wege, meine Gedanken nicht mehr seine Gedanken sind? Ich halte auf Mich, und frage nichts nach ihm! An meinen Gedanken, die Ich durch keine Beistimmung, Gewährung oder Gnade sanktionieren lasse, habe Ich mein wirkliches Eigentum, ein Eigentum, mit dem Ich Handel treiben kann. Denn als das Meine sind sie meine Geschöpfe, und Ich bin im Stande, sie wegzugeben gegen andere Gedanken: Ich gebe sie auf und tausche andere für sie ein, die dann mein neues erkauftes Eigentum sind.

Was ist also mein Eigentum? Nichts als was in meiner Gewalt ist! Zu welchem Eigentum bin Ich berechtigt? Zu jedem, zu welchem Ich Mich – ermächtige. Das Eigentums-Recht gebe Ich Mir, indem Ich Mir Eigentum nehme, oder Mir die Macht des Eigentümers, die Vollmacht, die Ermächtigung gebe.

Worüber man Mir die Gewalt nicht zu entreißen vermag, das bleibt mein Eigentum; wohlan so entscheide die Gewalt über das Eigentum, und Ich will Alles von meiner Gewalt erwarten! Fremde Gewalt, Gewalt, die Ich einem Andern lasse, macht Mich zum Leibeigenen; so möge eigene Gewalt Mich zum Eigner machen. Ziehe Ich denn die Gewalt zurück, welche Ich Andern aus Unkunde über die Stärke meiner eigenen Gewalt eingeräumt habe! Sage Ich Mir, wohin meine Gewalt langt, das ist mein Eigentum, und nehme Ich alles als Eigentum in Anspruch, was zu erreichen Ich Mich stark genug fühle, und lasse Ich mein wirkliches Eigentum so weit reichen, als Ich zu nehmen Mich berechtige, d. h. – ermächtige.

Hier muß der Egoismus, der Eigennutz entscheiden, nicht das Prinzip der Liebe, nicht die Liebesmotive, wie Barmherzigkeit, Mildtätigkeit, Gutmütigkeit oder selbst Gerechtigkeit und Billigkeit (denn auch die iustitia ist ein Phänomen der – Liebe, ein Liebesprodukt): die Liebe kennt nur Opfer und fordert „Aufopferung“.

Der Egoismus denkt nicht daran etwas aufzuopfern, sich etwas zu vergeben; er entscheidet einfach: Was Ich brauche, muß Ich haben und will Ich Mir verschaffen.

Alle Versuche, über das Eigentum vernünftige Gesetze zu geben, liefen vom Busen der Liebe in ein wüstes Meer von Bestimmungen aus. Auch den Sozialismus und Kommunismus kann man hiervon nicht ausnehmen. Es soll jeder mit hinreichenden Mitteln versorgt werden, wobei wenig darauf ankommt, ob man sozialistisch sie noch in einem persönlichen Eigentum findet, oder kommunistisch aus der Gütergemeinschaft schöpft. Der Sinn der Einzelnen bleibt dabei derselbe, er bleibt Abhängigkeitssinn. Die verteilende Billigkeitsbehörde läßt Mir nur zukommen, was ihr der Billigkeitssinn, ihre liebevolle Sorge für Alle, vorschreibt. Für Mich, den Einzelnen, liegt ein nicht minderer Anstoß in dem Gesamtvermögen, als in dem der einzelnen Andern; weder jenes ist das meinige, noch dieses: ob das Vermögen der Gesamtheit gehört, die Mir davon einen Teil zufließen läßt, oder einzelnen Besitzern, ist für Mich derselbe Zwang, da Ich über keins von beiden bestimmen kann. Im Gegenteil, der Kommunismus drückt Mich durch Aufhebung alles persönlichen Eigentums nur noch mehr in die Abhängigkeit von einem Andern, nämlich von der Allgemeinheit oder Gesamtheit, zurück, und so laut er immer auch den „Staat“ angreife, was er beabsichtigt, ist selbst wieder ein Staat, ein status, ein meine freie Bewegung hemmender Zustand, eine Oberherrlichkeit über Mich. Gegen den Druck, welchen Ich von den einzelnen Eigentümern erfahre, lehnt sich der Kommunismus mit Recht auf; aber grauenvoller noch ist die Gewalt, die er der Gesamtheit einhändigt.

Der Egoismus schlägt einen andern Weg ein, um den besitzlosen Pöbel auszurotten. Er sagt nicht: Warte ab, was Dir die Billigkeitsbehörde im Namen der Gesamtheit – schenken wird (denn solche Schenkung geschah von jeher in den „Staaten“, indem „nach Verdienst“, also nach dem Maße, als sich’s jeder zu verdienen, zu erdienen wußte, Jedem gegeben wurde), sondern: Greife zu und nimm, was Du brauchst! Damit ist der Krieg Aller gegen Alle erklärt. Ich allein bestimme darüber, was Ich haben will.

„Nun, das ist wahrlich keine neue Weisheit, denn so haben’s die Selbstsüchtigen zu allen Zeiten gehalten!“ Ist auch gar nicht nötig, daß die Sache neu sei, wenn nur das Bewußtsein darüber vorhanden ist. Dieses aber wird eben nicht auf hohes Alter Anspruch machen können, wenn man nicht etwa das ägyptische und spartanische Gesetz hierher rechnet; denn wie wenig geläufig es sei, geht schon aus obigem Vorwurf hervor, der mit Verachtung von dem „Selbstsüchtigen“ spricht. Wissen soll man’s eben, daß jenes Verfahren des Zugreifens nicht verächtlich sei, sondern die reine Tat des mit sich einigen Egoisten bekunde.

Erst wenn Ich weder von Einzelnen, noch von einer Gesamtheit erwarte, was Ich Mir selbst geben kann, erst dann entschlüpfe Ich den Stricken der – Liebe; erst dann hört der Pöbel auf, Pöbel zu sein, wenn er zugreift. Nur die Scheu des Zugreifens und die entsprechende Bestrafung desselben macht ihn zum Pöbel. Nur daß das Zugreifen Sünde, Verbrechen ist, nur diese Satzung schafft einen Pöbel, und daß dieser bleibt, was er ist, daran ist sowohl er schuld, weil er jene Satzung gelten läßt, als besonders diejenigen, welche „selbstsüchtig“ (um ihnen ihr beliebtes Wort zurückzugeben) fordern, daß sie respektiert werde. Kurz der Mangel an Bewußtsein über jene „neue Weisheit“, das alte Sündenbewußtsein trägt allein die Schuld.

Gelangen die Menschen dahin, daß sie den Respekt vor dem Eigentum verlieren, so wird jeder Eigentum haben, wie alle Sklaven freie Menschen werden, sobald sie den Herrn als Herrn nicht mehr achten. Vereine werden dann auch in dieser Sache die Mittel des Einzelnen multiplizieren und sein angefochtenes Eigentum sicherstellen.

Nach der Meinung der Kommunisten soll die Gemeinde Eigentümerin sein. Umgekehrt Ich bin Eigentümer, und verständige Mich nur mit Andern über mein Eigentum. Macht Mir’s die Gemeinde nicht recht, so empöre Ich Mich gegen sie und verteidige mein Eigentum. Ich bin Eigentümer, aber das Eigentum ist nicht heilig. Ich wäre bloß Besitzer? Nein, bisher war man nur Besitzer, gesichert im Besitz einer Parzelle, dadurch, daß man Andere auch im Besitz einer Parzelle ließ; jetzt aber gehört Alles Mir, Ich bin Eigentümer von Allem, dessen Ich brauche und habhaft werden kann. Heißt es sozialistisch: die Gesellschaft gibt Mir, was Ich brauche, – so sagt der Egoist: Ich nehme Mir, was ich brauche. Gebärden sich die Kommunisten als Lumpe, so benimmt sich der Egoist als Eigentümer.

Alle Pöbelbeglückungs-Versuche und Schwanenverbrüderungen müssen scheitern, die aus dem Prinzipe der Liebe entspringen. Nur aus dem Egoismus kann dem Pöbel Hilfe werden, und diese Hilfe muß er sich selbst leisten und – wird sie sich leisten. Läßt er sich nicht zur Furcht zwingen, so ist er eine Macht. „Die Leute würden allen Respekt verlieren, wenn man sie nicht so zur Furcht zwänge“ sagt der Popanz Gesetz im gestiefelten Kater.

Also das Eigentum soll und kann nicht aufgehoben, es muß vielmehr gespenstischen Händen entrissen und mein Eigentum werden; dann wird das irrige Bewußtsein verschwinden, daß Ich nicht zu so viel, als Ich brauche, Mich berechtigen könne. –

„Was kann aber der Mensch nicht Alles brauchen!“ Je nun, wer viel braucht und es zu bekommen versteht, hat sich’s noch zu jeder Zeit geholt, wie Napoleon den Kontinent und die Franzosen Algier. Es kommt daher eben nur darauf an, daß der respektvolle „Pöbel“ endlich lerne, sich zu holen, was er braucht. Langt er Euch zu weit, ei, so wehrt Euch. Ihr habt gar nicht nötig, ihm gutwillig etwas zu – schenken, und wenn er sich kennenlernt, oder vielmehr wer aus dem Pöbel sich kennenlernt, der streift die Pöbelhaftigkeit ab, indem er sich für eure Almosen bedankt. Lächerlich aber bleibt’s, daß Ihr ihn für „sündig und verbrecherisch“ erklärt, wenn er nicht von euren Guttaten leben mag, weil er sich etwas zu Gute tun kann. Eure Schenkungen betrügen ihn, und halten ihn hin. Verteidigt euer Eigentum, so werdet Ihr stark sein; wollt Ihr hingegen eure Schenkungsfähigkeit erhalten und etwa gar um so mehr politische Rechte haben, je mehr Ihr Almosen (Armensteuer) geben könnt, so geht das ebenso lange, als Euch die Beschenkten so gehen lassen. [85]

Genug, die Eigentumsfrage läßt sich nicht so gütlich lösen, als die Sozialisten, ja selbst die Kommunisten träumen. Sie wird nur gelöst durch den Krieg Aller gegen Alle. Die Armen werden nur frei und Eigentümer, wenn sie sich – empören, emporbringen, erheben. Schenkt ihnen noch so viel, sie werden doch immer mehr haben wollen; denn sie wollen nichts Geringeres, als daß endlich – nichts mehr geschenkt werde.

Man wird fragen: Wie wird’s denn aber werden, wenn die Besitzlosen sich ermannen? Welcher Art soll denn die Ausgleichung werden? Ebensogut könnte man verlangen, daß Ich einem Kinde die Nativität [24*] stellen solle. Was ein Sklave tun wird, sobald er die Fesseln zerbrochen, das muß man – erwarten.

Kaiser hofft in seiner der Form- wie der Gehaltlosigkeit wegen wertlosen Broschüre (Die Persönlichkeit des Eigentümers in Bezug auf den Sozialismus und Kommunismus usw.) vom Staate, daß er eine Vermögensausgleichung bewirken werde. [86] Immer der Staat! der Herr Papa! Wie die Kirche für die „Mutter“ der Gläubigen ausgegeben und angesehen wurde, so hat der Staat ganz das Gesicht des vorsorglichen Vaters.

Aufs genaueste mit dem Prinzip der Bürgerlichkeit verbunden zeigt sich die Konkurrenz. Ist sie etwas Anderes als die Gleichheit (égalité)? Und ist die Egalität nicht eben ein Erzeugnis derselben Revolution, welche vom Bürgertum oder den Mittelklassen hervorgebracht wurde? Da es Keinem verwehrt ist, mit Allen im Staate (den Fürsten, weil er den Staat selbst vorstellt, ausgenommen) zu wetteifern und zu ihrer Höhe sich hinaufzuarbeiten, ja sie zu eigenem Vorteil zu stürzen oder auszubeuten, sie zu überflügeln und durch stärkere Anstrengung um ihren Wohlstand zu bringen, so dient dies zum deutlichen Beweise, daß vor dem Richterstuhl des Staats Jeder nur den Wert eines „simplen Individuums“ hat und auf keine Begünstigung rechnen darf. Überrennt und überbietet Euch, so viel Ihr mögt und könnt, das soll mich, den Staat, nicht kümmern! Untereinander seid Ihr frei im Konkurrieren, seid Konkurrenten; das ist eure gesellschaftliche Stellung. Vor mir, dem Staate, aber seid Ihr nichts als „simple Individuen“! [87]

Was in prinzipieller oder theoretischer Form als die Gleichheit Aller aufgestellt wurde, das hat eben in der Konkurrenz seine Verwirklichung und praktische Ausführung gefunden; denn die égalité ist die – freie Konkurrenz. Alle sind vor dem Staate – simple Individuen, in der Gesellschaft oder im Verhältnis zueinander – Konkurrenten.

Ich brauche nichts weiter als ein simples Individuum zu sein, um mit jedem Andern, außer dem Fürsten und seiner Familie, konkurrieren zu können, eine Freiheit, welche früher dadurch unmöglich war, daß man nur mittelst seiner Korporation und innerhalb derselben einer Freiheit des Strebens genoß.

In der Zunft und Feudalität verhält sich der Staat intolerant und wählerisch, indem er privilegiert; in der Konkurrenz und dem Liberalismus verhält er sich tolerant und gewähren lassend, indem er nur patentiert (dem Bewerber verbrieft, daß ihm das Gewerbe offen patent stehe) oder „konzessioniert“. Da nun so der Staat alles den Bewerbern überlassen hat, muß er in Konflikt mit Allen kommen, weil ja alle und jeder zur Bewerbung berechtigt sind. Er wird „bestürmt“ werden und in diesem Sturme zu Grunde gehen.

Ist die „freie Konkurrenz“ denn wirklich „frei“, ja ist sie wirklich eine „Konkurrenz“, nämlich der Personen, wofür sie sich ausgibt, weil sie auf diesen Titel ihr Recht gründet? Sie ging ja daraus hervor, daß die Personen gegen alle persönliche Herrschaft frei wurden. Ist eine Konkurrenz „frei“, welche der Staat, dieser Herrscher im bürgerlichen Prinzip, in tausend Schranken einengt? Da macht ein reicher Fabrikant glänzende Geschäfte, und Ich möchte mit ihm konkurrieren. „Immerhin, sagt der Staat, ich habe gegen deine Person als Konkurrenten nichts einzuwenden.“ Ja, erwidere Ich, dazu brauche Ich aber einen Raum zu Gebäuden, brauche Geld! „Das ist schlimm, aber wenn Du kein Geld hast, kannst Du nicht konkurrieren. Nehmen darfst Du Keinem etwas, denn ich schütze und privilegiere das Eigentum.“ Die freie Konkurrenz ist nicht „frei“, weil Mir die Sache zur Konkurrenz fehlt. Gegen meine Person läßt sich nichts einwenden, aber weil Ich die Sache nicht habe, so muß auch meine Person zurücktreten. Und wer hat die nötige Sache? Etwa jener Fabrikant? Dem könnte Ich sie ja abnehmen! Nein, der Staat hat sie als Eigentum, der Fabrikant nur als Lehen, als Besitztum.

Weil es aber mit dem Fabrikanten nicht geht, so will Ich mit jenem Professor der Rechte konkurrieren; der Mann ist ein Gimpel, und Ich, der Ich hundertmal mehr weiß, als er, werde sein Auditorium leer machen. „Hast Du studiert und promoviert, Freund?“ Nein, aber was tut das? Ich verstehe, was zu dem Lehrfache nötig ist, reichlich. „Tut mir leid, aber die Konkurrenz ist hier nicht „frei“. Gegen deine Person ist nichts zu sagen, aber die Sache fehlt, das Doktordiplom. Und dies Diplom verlange ich, der Staat. Bitte mich erst schönstens darum, dann wollen wir zusehen, was zu tun ist.“

Dies also ist die „Freiheit“ der Konkurrenz. Der Staat, mein Herr, befähigt Mich erst zum Konkurrieren.

Konkurrieren aber wirklich die Personen? Nein, wiederum nur die Sachen! Die Gelder in erster Reihe usw.

In dem Wettstreit wird immer Einer hinter dem Andern zurückbleiben (z. B. ein Dichterling hinter einem Dichter). Allein es macht einen Unterschied, ob die fehlenden Mittel des unglücklichen Konkurrierenden persönliche oder sächliche sind, und ebenso, ob die sächlichen Mittel durch persönliche Kraft gewonnen werden können oder nur durch Gnade zu erhalten sind, nur als Geschenk, und zwar, indem z. B. der Ärmere dem Reichen seinen Reichtum lassen, d. h. schenken muß. Muß Ich aber überhaupt auf die Genehmigung des Staates warten, um die Mittel zu erhalten oder zu gebrauchen (z. B. bei der Promotion), so habe Ich die Mittel durch die Gnade des Staates. [88]

Freie Konkurrenz hat also nur folgenden Sinn: Alle gelten dem Staate als seine gleichen Kinder, und jeder kann laufen und rennen, um sich die Güter und Gnadenspenden des Staates zu verdienen. Darum jagen auch alle nach der Habe, dem Haben, dem Besitz (sei es von Geld oder Ämtern, Ehrentiteln usw.), nach der Sache.

Nach dem Sinne des Bürgertums ist Jeder Inhaber oder „Eigentümer“. Woher kommt es nun, daß doch die Meisten soviel wie nichts haben? Es kommt daher, weil die Meisten sich schon darüber freuen, nur überhaupt Inhaber, sei’s auch von einigen Lappen, zu sein, wie Kinder sich ihrer ersten Höschen oder gar des ersten geschenkten Pfennigs freuen. Genauer indes ist die Sache folgendermaßen zu fassen. Der Liberalismus trat sogleich mit der Erklärung auf, daß es zum Wesen des Menschen gehöre, nicht Eigentum, sondern Eigentümer zu sein. Da es hierbei um „den Menschen, nicht um den Einzelnen zu tun war, so blieb das Wieviel, welches gerade das spezielle Interesse des Einzelnen ausmachte, diesem überlassen. Daher behielt der Egoismus des Einzelnen in diesem Wieviel den freiesten Spielraum, und trieb eine unermüdliche Konkurrenz.

Indes mußte der glückliche Egoismus dem minder beglückten zum Anstoß werden, und dieser, immer noch auf dem Prinzipe des Menschentums fußend, stellte die Frage nach dem Wieviel des Innehabens auf und beantwortete sie dahin, daß „der Mensch so viel haben müsse als er brauche“.

Wird sich mein Egoismus damit genügen lassen können? Was „der Mensch“ braucht, das gibt keineswegs für Mich und mein Bedürfnis einen Maßstab her; denn Ich kann weniger oder mehr gebrauchen. Ich muß vielmehr so viel haben, als ich Mir anzueignen vermögend bin.

Die Konkurrenz leidet an dem Übelstande, daß nicht Jedem die Mittel zum Konkurrieren zu Gebote stehen, weil sie nicht aus der Persönlichkeit entnommen sind, sondern aus der Zufälligkeit. Die meisten sind unbemittelt und deshalb unbegütert.

Die Sozialen fordern daher für Alle die Mittel und erzielen eine Mittel bietende Gesellschaft. Deinen Geldwert, sagen sie, erkennen Wir nicht ferner als dein Vermöge an, Du mußt ein anderes Vermögen aufzeigen, nämlich deine Arbeitskräfte. Im Besitze einer Habe oder als „Inhaber“ zeigt sich der Mensch allerdings als Mensch, darum ließen Wir auch den Inhaber, den Wir „Eigentümer“ nannten, so lange gelten. Allein Du hast doch die Dinge nur so lange inne, als Du nicht „aus diesem Eigentum hinausgesetzt wirst“.

Der Inhaber ist vermögend, aber nur so weit, als die Andern unvermögend sind. Da deine Ware nur so lange dein Vermögen bildet, als Du sie zu behaupten vermagst, d. h. als Wir nichts über sie vermögen, so sieh’ Dich nach einem anderen Vermögen um, denn Wir überbieten jetzt durch unsere Gewalt dein angebliches Vermögen.

Es war außerordentlich viel gewonnen, als man es durchsetzte, als Inhaber betrachtet zu werden. Die Leibeigenschaft wurde damit aufgehoben und Jeder, der bis dahin dem Herrn gefrondet hatte, und mehr oder weniger dessen Eigentum gewesen war, ward nun ein „Herr“. Allein forthin reicht dein Haben und deine Habe nicht mehr aus und wird nicht mehr anerkannt; dagegen steigt dein Arbeiten und deine Arbeit im Werte. Wir achten nun deine Bewältigung der Dinge, wie vorher dein Innehaben derselben. Deine Arbeit ist dein Vermögen! Du bist nur Herr oder Inhaber des Erarbeiteten, nicht des Ererbten. Da aber derzeit Alles ein Ererbtes ist und jeder Groschen, den Du besitzest, nicht ein Arbeits-, sondern ein Erbgepräge trägt, so muß alles umgeschmolzen werden.

Ist denn aber wirklich, wie die Kommunisten meinen, meine Arbeit mein einziges Vermögen, oder besteht dies nicht vielmehr in allem, was Ich vermag? Und muß nicht die Arbeitergesellschaft selbst dies einräumen, indem sie z. B. auch die Kranken, Kinder, Greise, kurz die Arbeitsunfähigen unterhält? Diese vermögen noch immer gar manches z. B. ihr Leben zu erhalten, statt es sich zu nehmen. Vermögen sie es über Euch, daß Ihr ihren Fortbestand begehrt, so haben sie eine Gewalt über Euch. Wer platterdings keine Macht über Euch übte, dem würdet Ihr nichts gewähren; er könnte verkommen.

Also was Du vermagst, ist dein Vermögen! Vermagst Du Tausenden Lust zu bereiten, so werden Tausende Dich dafür honorieren, es stände ja in deiner Gewalt, es zu unterlassen, daher müssen sie deine Tat erkaufen. Vermagst Du keinen für Dich einzunehmen, so magst Du eben verhungern.

Soll Ich nun etwa, der Vielvermögende, vor den Unvermögenderen nichts voraus haben?

Wir sitzen Alle im Vollen; soll Ich nun nicht zulangen, so gut Ich kann, und nur abwarten, wieviel Mir bei einer gleichen Teilung bleibt?

Gegen die Konkurrenz erhebt sich das Prinzip der Lumpengesellschaft, die – Verteilung.

Für einen bloßen Teil, Teil der Gesellschaft, angesehen zu werden, erträgt der Einzelne nicht, weil er mehr ist; seine Einzigkeit wehrt diese beschränkte Auffassung ab.

Daher erwartet er sein Vermögen nicht von der Zuteilung Anderer, und schon in der Arbeitergesellschaft entsteht das Bedenken, daß bei einer gleichen Verteilung der Starke durch den Schwachen ausgebeutet werde; er erwartet sein Vermögen vielmehr von sich und sagt nun: was Ich zu haben vermag, das ist mein Vermögen. Welch’ Vermögen besitzt nicht das Kind in seinem Lächeln, seinem Spielen, seinem Geschrei, kurz in seinem bloßen Dasein. Bist Du im Stande, seinem Verlangen zu widerstehen oder reichst Du ihm als Mutter nicht die Brust, als Vater so viel von deiner Habe, als es bedarf? Es zwingt Euch, darum besitzt es das, was Ihr das Eure nennt.

Ist Mir an deiner Person gelegen, so zahlst Du Mir schon mit deiner Existenz; ist’s Mir nur um eine deiner Eigenschaften zu tun, so hat etwa deine Willfährigkeit oder dein Beistand einen Wert (Geldwert) für Mich, und Ich erkaufe ihn.

Weißt Du Dir keinen andern, als einen Geldwert in meiner Schätzung zu geben, so kann der Fall eintreten, von dem Uns die Geschichte erzählt, daß nämlich deutsche Landeskinder nach Amerika verkauft wurden. Sollten sie, die sich verhandeln ließen, dem Verkäufer mehr wert sein? Ihm war das bare Geld lieber, als diese lebendige Ware, die sich ihm nicht kostbar zu machen verstand. Daß er in ihr nichts Wertvolleres entdeckte, war allerdings ein Mangel seines Vermögens; aber ein Schelm gibt mehr als er hat. Wie sollte er Achtung zeigen, da er sie nicht hatte, ja kaum für solches Pack haben konnte!

Egoistisch verfahrt Ihr, wenn Ihr einander weder als Inhaber noch als Lumpe oder Arbeiter achtet, sondern als einen Teil eures Vermögens, als „brauchbare Subjekte“. Dann werdet Ihr weder dem Inhaber („Eigentümer“) für seine Habe etwas geben, noch dem, der arbeitet, sondern allein dem, den Ihr braucht. Brauchen Wir einen König? fragen sich die Nordamerikaner, und antworten: Nicht einen Heller ist er und seine Arbeit Uns wert.

Sagt man, die Konkurrenz stelle Alles Allen offen, so ist der Ausdruck nicht genau, und man faßt es besser so: sie macht Alles käuflich. Indem sie es ihnen preisgibt, überläßt sie es ihrem Preise oder ihrer Schätzung und fordert einen Preis dafür.

Allein die Kauflustigen ermangeln meistens der Mittel, sich zu Käufern zu machen: sie haben kein Geld. Für Geld sind also zwar die käuflichen Sachen zu haben („Für Geld ist Alles zu haben!“), aber gerade am Geld fehlt’s. Wo Geld, dies gangbare oder kursierende Eigentum, hernehmen? Wisse denn, Du hast so viel Geld als Du – Gewalt hast; denn Du giltst so viel, als Du Dir Geltung verschaffst.

Man bezahlt nicht mit Geld, woran Mangel eintreten kann, sondern mit seinem Vermögen, durch welches allein Wir „vermögend“ sind; denn man ist nur so weit Eigentümer, als der Arm unserer Macht reicht.

Weitling hat ein neues Zahlmittel erdacht, die Arbeit. Das wahre Zahlmittel bleibt aber, wie immer, das Vermögen. Mit dem, was Du „im Vermögen“ hast, bezahlst Du. Darum denke auf die Vergrößerung deines Vermögens.

Indem man dies zugibt, ist man jedoch gleich wieder mit dem Wahlspruch bei der Hand: „Einem Jeden nach seinem Vermögen!“ Wer soll Mir nach meinem Vermögen geben? Die Gesellschaft? Da müßte Ich Mir die Schätzung gefallen lassen. Vielmehr werde Ich Mir nach meinem Vermögen nehmen.

„Allen gehört Alles!“ Dieser Satz stammt aus derselben gehaltlosen Theorie. Jedem gehört nur, was er vermag. Sage Ich: Mir gehört die Welt, so ist das eigentlich auch leeres Gerede, das nur insofern Sinn hat, als Ich kein fremdes Eigentum respektiere. Mir gehört aber nur so viel, als Ich vermag oder im Vermögen habe.

Man ist nicht wert zu haben, was man sich aus Schwachheit nehmen läßt; man ist’s nicht wert, weil man’s nicht fähig ist.

Gewaltigen Lärm erhebt man über das „tausendjährige Unrecht“, welches von den Reichen gegen die Armen begangen werde. Als hätten die Reichen die Armut verschuldet, und verschuldeten nicht gleicherweise die Armen den Reichtum! Ist zwischen beiden ein anderer Unterschied als der des Vermögens und Unvermögens, der Vermögenden und Unvermögenden? Worin besteht denn das Verbrechen der Reichen? „In ihrer Hartherzigkeit.“ Aber wer hat denn die Armen erhalten, wer hat für ihre Ernährung gesorgt, wenn sie nichts mehr arbeiten konnten, wer hat Almosen gespendet, jene Almosen, die sogar ihren Namen von der Barmherzigkeit (Eleemosyne) haben? Sind die Reichen nicht allezeit „barmherzig“ gewesen, sind sie nicht bis auf den heutigen Tag „mildtätig“, wie Armentaxen, Spitäler, Stiftungen aller Art usw. beweisen?

Aber das alles genügt Euch nicht! Sie sollen also wohl mit den Armen teilen? Da fordert Ihr, daß sie die Armut aufheben sollen. Abgesehen davon, daß kaum Einer unter Euch so handeln möchte, und daß dieser Eine eben ein Tor wäre, so fragt Euch doch: warum sollen die Reichen Haar lassen und sich aufgeben, während den Armen dieselbe Handlung viel nützlicher wäre? Du, der Du täglich deinen Taler hast, bist reich vor Tausenden, die von vier Groschen leben. Liegt es in deinem Interesse, mit den Tausenden zu teilen, oder liegt es nicht vielmehr in dem ihrigen? –

Mit der Konkurrenz ist weniger die Absicht verbunden, die Sache am besten zu machen, als die andere, sie möglichst einträglich, ergiebig zu machen. Man studiert daher auf ein Amt los (Brotstudium), studiert Katzenbuckel und Schmeicheleien, Routine und „Geschäftskenntnis“, man arbeitet „auf den Schein.“ Während es daher scheinbar um eine „gute Leistung“ zu tun ist, wird in Wahrheit nur auf ein „gutes Geschäft“ und Geldverdienst gesehen. Man verrichtet die Sache nur vorgeblich um der Sache willen, in der Tat aber wegen des Gewinnes, den sie abwirft. Man möchte zwar nicht gerne Zensor sein, aber man will – befördert werden; man möchte nach bester Überzeugung richten, administrieren usw., aber man fürchtet Versetzung oder gar Absetzung: man muß ja doch vor allen Dingen – leben.

So ist dies Treiben ein Kampf ums liebe Leben, und in stufenweiser Steigerung um mehr oder weniger „Wohlleben“.

Und dabei trägt doch den Meisten all ihr Mühen und Sorgen nichts als das „bittere Leben“ und „bittere Armut“ ein. Dafür all der bittere Ernst!

Das rastlose Werben läßt Uns nicht zu Atem, zu einem ruhigen Genusse kommen: Wir werden unsers Besitzes nicht froh.

Die Organisation der Arbeit aber betrifft nur solche Arbeiten, welche Andere für Uns machen können, z. B. Schlachten, Ackern usw.; die übrigen bleiben egoistisch, weil z. B. Niemand an deiner Statt deine musikalischen Kompositionen anfertigen, deine Malerentwürfe ausführen usw. kann: Raphaels Arbeiten kann Niemand ersetzen. Die letzteren sind Arbeiten eines Einzigen, die nur dieser Einzige zu vollbringen vermag, während jene „menschliche“ genannt zu werden verdienten, da das Eigene daran von geringem Belang ist, und so ziemlich „jeder Mensch“ dazu abgerichtet werden kann.

Da nun die Gesellschaft nur die gemeinnützigen oder menschlichen Arbeiten berücksichtigen kann, so bleibt, wer Einziges leistet, ohne ihre Fürsorge, ja er kann sich durch ihre Dazwischenkunft gestört finden. Der Einzige wird sich wohl aus der Gesellschaft hervorarbeiten, aber die Gesellschaft bringt keinen Einzigen hervor.

Es ist daher immer fördersam, daß Wir Uns über die menschlichen Arbeiten einigen, damit sie nicht, wie unter der Konkurrenz, alle unsere Zeit und Mühe in Anspruch nehmen. Insoweit wird der Kommunismus seine Früchte tragen. Selbst dasjenige nämlich, wozu alle Menschen befähigt sind oder befähigt werden können, wurde vor der Herrschaft des Bürgertums an Wenige geknüpft und den Übrigen entzogen: es war ein Privilegium. Dem Bürgertum dünkte es gerecht, freizugeben Alles, was für jeden „Menschen“ dazusein schien. Aber, weil freigegeben, war es doch Keinem gegeben, sondern vielmehr Jedem überlassen, es durch seine menschlichen Kräfte zu erhaschen. Dadurch ward der Sinn auf den Erwerb des Menschlichen, das fortan Jedem winkte, gewendet, und es entstand eine Richtung, welche man unter dem Namen des „Materialismus“ so laut beklagen hört.

Ihrem Laufe sucht der Kommunismus Einhalt zu tun, indem er den Glauben verbreitet, daß das Menschliche so vieler Plage nicht wert sei und bei einer gescheiten Einrichtung ohne den großen Aufwand von Zeit und Kräften, wie es seither erforderlich schien, gewonnen werden könne.

Für wen soll aber Zeit gewonnen werden? Wozu braucht der Mensch mehr Zeit, als nötig ist, seine abgespannten Arbeitskräfte zu erfrischen? Hier schweigt der Kommunismus.

Wozu? Um seiner als des Einzigen froh zu werden, nachdem er als Mensch das Seinige getan hat!

In der ersten Freude darüber, nach allem Menschlichen die Hand ausstrecken zu dürfen, vergaß man, noch sonst etwas zu wollen, und konkurrierte frisch drauf los, als wäre der Besitz des Menschlichen das Ziel aller unserer Wünsche.

Man hat sich aber müde gerannt und merkt nachgerade, daß „der Besitz nicht glücklich macht“. Darum denkt man darauf, das Nötige leichteren Kaufes zu erhalten und nur so viel Zeit und Mühe darauf zu verwenden, als seine Unentbehrlichkeit erheischt. Der Reichtum sinkt im Preise und die zufriedene Armut, der sorglose Lump, wird zum verführerischen Ideal.

Solche menschliche Tätigkeiten, die sich Jeder zutraut, sollten teuer honoriert und mit Mühe und Aufwand aller Lebenskräfte gesucht werden? Schon in der alltäglichen Redensart: „Wenn Ich nur Minister oder gar der ... wäre, da sollte es ganz anders hergehen“ drückt sich jene Zuversicht aus, daß man sich für fähig halte, einen solchen Würdenträger vorzustellen; man spürt wohl, daß zu dergleichen nicht die Einzigkeit, sondern nur eine, wenn auch nicht gerade Allen, so doch Vielen erreichbare Bildung gehöre, d. h. daß man zu so etwas nur ein gewöhnlicher Mensch zu sein brauche.

Nehmen wir an, daß, wie die Ordnung zum Wesen des Staates gehört, so auch die Unterordnung in seiner Natur gegründet ist, so sehen Wir, daß von den Untergeordneten oder Bevorzugten die Zurückgesetzten unverhältnismäßig überteuert und übervorteilt werden. Doch die Letztern ermannen sich, zunächst vom sozialistischen Standpunkte aus, später aber gewiß mit egoistischem Bewußtsein, von dem Wir ihrer Rede darum gleich einige Färbung geben wollen, zu der Frage: wodurch ist denn euer Eigentum sicher, Ihr Bevorzugten? – und geben sich die Antwort: dadurch, daß Wir Uns des Eingriffes enthalten! Mithin durch unsern Schutz! Und was gebt Ihr Uns dafür? Fußtritte und Geringschätzung gebt Ihr dem „gemeinen Volke“; eine polizeiliche Überwachung und einen Katechismus mit dem Hauptsatze: Respektiere, was nicht dein ist, was Andern gehört! respektiere die Andern und besonders die Obern! Wir aber erwidern: Wollt Ihr unsern Respekt, so kauft ihn für den Uns genehmen Preis. Wir wollen euer Eigentum Euch lassen, wenn Ihr dieses Lassen gehörig aufwiegt. Womit wiegt denn der General in Friedenszeiten die vielen Tausende seiner Jahreseinnahme auf, womit ein Anderer gar die jährlichen Hunderttausende und Millionen? Womit wiegt Ihr’s auf, daß Wir Kartoffeln kauen und eurem Austernschlürfen ruhig zusehen? Kauft uns die Austern nur so teuer ab, als Wir Euch die Kartoffeln abkaufen müssen, so sollt Ihr sie ferner essen dürfen. Oder meint Ihr, die Austern gehörten Uns nicht so gut als Euch? Ihr werdet über Gewalt schreien, wenn Wir zulangen und sie mit verzehren, und Ihr habt Recht. Ohne Gewalt bekommen Wir sie nicht, wie Ihr nicht minder sie dadurch habt, daß Ihr Uns Gewalt antut.

Doch nehmt einmal die Austern und laßt Uns an unser näheres Eigentum (denn jenes ist nur Besitztum), an die Arbeit kommen. Wir plagen Uns zwölf Stunden im Schweiße unseres Angesichts, und Ihr bietet Uns dafür ein paar Groschen. So nehmt denn auch für eure Arbeit ein Gleiches. Mögt Ihr das nicht? Ihr wähnt, unsere Arbeit sei reichlich mit jenem Lohne bezahlt, die eure dagegen eines Lohnes von vielen Tausenden wert. Schlüget Ihr aber die eurige nicht so hoch an, und ließet Uns die unsere besser verwerten, so würden Wir erforderlichen Falls wohl noch wichtigere Dinge zu Stande bringen, als Ihr für die vielen tausend Taler, und bekämet Ihr nur einen Lohn wie Wir, Ihr würdet bald fleißiger werden, um mehr zu erhalten. Leistet Ihr aber etwas, was Uns zehn und hundert Mal mehr wert scheint, als unsere eigene Arbeit, ei, da sollt Ihr auch hundert Mal mehr dafür bekommen; Wir denken Euch dagegen auch Dinge herzustellen, die Ihr Uns höher als mit dem gewöhnlichen Tagelohn verwerten werdet. Wir wollen schon miteinander fertig werden, wenn Wir nur erst dahin übereingekommen sind, daß Keiner mehr dem Andern etwas zu – schenken braucht. Dann gehen Wir wohl gar so weit, daß Wir selbst den Krüppeln und Kranken und Alten einen angemessenen Preis dafür bezahlen, daß sie nicht aus Hunger und Not von Uns scheiden; denn wollen Wir, daß sie leben, so geziemt sich’s auch, daß Wir die Erfüllung unseres Willens – erkaufen. Ich sage „erkaufen“, meine also kein elendes „Almosen“. Ihr Leben ist ja das Eigentum auch derer, welche nicht arbeiten können; wollen Wir (gleichviel aus welchem Grunde), daß sie Uns dies Leben nicht entziehen, so können Wir das allein durch Kauf bewirken wollen; ja Wir werden vielleicht, etwa weil Wir gern freundliche Gesichter um Uns haben, sogar ihr Wohlleben wollen. Kurz, Wir wollen von Euch nichts geschenkt, aber Wir wollen Euch auch nichts schenken. Jahrhunderte haben Wir Euch Almosen gereicht aus gutwilliger – Dummheit, haben das Scherflein [25*] der Armen gespendet und den Herren gegeben, was der Herren – nicht ist; nun tut einmal euren Säckel auf, denn von jetzt an steigt unsere Ware ganz enorm im Preise. Wir wollen Euch nichts, gar nichts nehmen, nur bezahlen sollt Ihr besser für das, was Ihr haben wollt. Was hast Du denn? „Ich habe ein Gut von tausend Morgen.“ Und Ich bin dein Ackerknecht und werde Dir deinen Acker fortan nur für 1 Taler Tagelohn bestellen. „Da nehme Ich einen andern.“ Du findest keinen, denn Wir Ackersknechte tun’s nicht mehr anders, und wenn einer sich meldet, der weniger nimmt, so hüte er sich vor Uns. Da ist die Hausmagd, die fordert jetzt auch so viel, und Du findest keine mehr unter diesem Preise. „Ei so muß ich zu Grunde gehen.“ Nicht so hastig! So viel wie Wir wirst Du wohl einnehmen, und wäre es nicht so, so lassen Wir so viel ab, daß Du wie Wir zu leben hast. „Ich bin aber besser zu leben gewohnt.“ Dagegen haben Wir nichts, aber es ist nicht unsere Sorge; kannst Du mehr erübrigen, immerhin. Sollen Wir Uns unterm Preise vermieten, damit Du wohlleben kannst? Der Reiche speist immer den Armen mit den Worten ab: „Was geht Mich deine Not an? Sieh, wie Du Dich durch die Welt schlägst; das ist nicht meine, sondern deine Sache.“ Nun, so lassen Wir’s denn unsere Sache sein, und lassen Uns von den Reichen nicht die Mittel bemausen, die Wir haben, um Uns zu verwerten. „Aber Ihr ungebildeten Leute braucht doch nicht so viel.“ Nun, Wir nehmen etwas mehr, damit Wir dafür die Bildung, die Wir etwa brauchen, Uns verschaffen können. „Aber, wenn Ihr so die Reichen herunterbringt, wer soll dann noch die Künste und Wissenschaften unterstützen?“ I nun, die Menge muß es bringen; Wir schießen zusammen, das gibt ein artiges Sümmchen, Ihr Reichen kauft ohnehin jetzt nur die abgeschmacktesten Bücher und die weinerlichen Muttergottesbilder oder ein Paar flinke Tänzerbeine. „O die unselige Gleichheit!“ Nein, mein bester alter Herr, nichts von Gleichheit. Wir wollen nur gelten, was Wir wert sind, und wenn Ihr mehr wert seid, da sollt Ihr immerhin auch mehr gelten. Wir wollen nur Preiswürdigkeit und denken des Preises, den Ihr zahlen werdet, Uns würdig zu zeigen.

Kann einen so sicheren Mut und so kräftiges Selbstgefühl des Hausknechts wohl der Staat erwecken? Kann er machen, daß der Mensch sich selbst fühlt, ja darf er auch nur solch Ziel sich stecken? Kann er wollen, daß der Einzelne seinen Wert erkenne und verwerte? Halten Wir die Doppelfrage auseinander und sehen Wir zuerst, ob der Staat so etwas herbeiführen kann. Da die Einmütigkeit der Ackerknechte erfordert wird, so kann nur diese Einmütigkeit es bewirken, und ein Staatsgesetz würde tausendfach umgangen werden durch die Konkurrenz und insgeheim. Kann er es aber dulden? Unmöglich kann er dulden, daß die Leute von Andern, als von ihm, einen Zwang erleiden; er könnte also die Selbsthilfe der einmütigen Ackerknechte gegen diejenigen, welche sich um geringeren Lohn verdingen wollen, nicht zugeben. Setzen Wir indes, der Staat gäbe das Gesetz, und alle Ackerknechte wären damit einverstanden, könnte er’s dann dulden?

Im vereinzelten Falle – ja; allein der vereinzelte Fall ist mehr als das, er ist ein prinzipieller. Es handelt sich dabei um den ganzen Inbegriff der Selbstverwertung des Ichs, also auch seines Selbstgefühls gegen den Staat. So weit gehen die Kommunisten mit; aber die Selbstverwertung richtet sich notwendig, wie gegen den Staat, so auch gegen die Gesellschaft, und greift damit über das Kommune und Kommunistische hinaus – aus Egoismus.

Der Kommunismus macht den Grundsatz des Bürgertums, daß Jeder ein Inhaber („Eigentümer“) sei, zu einer unumstößlichen Wahrheit, zu einer Wirklichkeit, indem nun die Sorge um’s Erlangen aufhört und Jeder von Haus aus hat, was er braucht. In seiner Arbeitskraft hat er sein Vermögen, und wenn er davon keinen Gebrauch macht, so ist das seine Schuld. Das Haschen und Hetzen hat ein Ende, und keine Konkurrenz bleibt, wie jetzt so oft, ohne Erfolg, weil mit jeder Arbeitsregung ein zureichender Bedarf in’s Haus gebracht wird. Jetzt erst ist man wirklicher Inhaber, weil Einem, was man in seiner Arbeitskraft hat, nicht mehr so entgehen kann, wie es unter der Konkurrenzwirtschaft jeden Augenblick zu entwischen drohte. Man ist sorgloser und gesicherter Inhaber. Und man ist dies gerade dadurch, daß man sein Vermögen nicht mehr in einer Ware, sondern in der eigenen Arbeit, dem Arbeitsvermögen, sucht, also dadurch, daß man ein Lump, ein Mensch von nur idealem Reichtum ist. Ich indes kann Mir an dem Wenigen nicht genügen lassen, was Ich durch mein Arbeitsvermögen erschwinge, weil mein Vermögen nicht bloß in meiner Arbeit besteht.

Durch Arbeit kann Ich die Amtsfunktionen eines Präsidenten, Ministers usw. versehen; es erfordern diese Ämter nur eine allgemeine Bildung, nämlich eine solche, die allgemein erreichbar ist (denn allgemeine Bildung ist nicht bloß die, welche Jeder erreicht hat, sondern überhaupt die, welche Jeder erreichen kann, also jede spezielle, z. B. medizinische, militärische, philologische Bildung, von der kein „gebildeter Mensch“ glaubt, daß sie seine Kräfte übersteige), oder überhaupt nur eine Allen mögliche Geschicklichkeit.

Kann aber auch Jeder diese Ämter bekleiden, so gibt doch erst die einzige, ihm allein eigene Kraft des Einzelnen ihnen sozusagen Leben und Bedeutung. Daß er sein Amt nicht wie ein „gewöhnlicher Mensch“ führt, sondern das Vermögen seiner Einzigkeit hineinlegt, das bezahlt man ihm noch nicht, wenn man ihn überhaupt nur als Beamten oder Minister bezahlt. Hat er’s Euch zu Dank gemacht und wollt Ihr diese dankenswerte Kraft des Einzigen Euch erhalten, so werdet Ihr ihn nicht wie einen bloßen Menschen bezahlen dürfen, der nur Menschliches verrichtete, sondern als Einen, der Einziges vollbringt. Tut mit eurer Arbeit doch desgleichen!

Über meine Einzigkeit läßt sich keine allgemeine Taxe feststellen, wie für das, was Ich als Mensch tue. Nur über das Letztere kann eine Taxe bestimmt werden.

Setzt also immerhin eine allgemeine Schätzung für menschliche Arbeiten auf, bringt aber eure Einzigkeit nicht um ihren Verdienst.

Menschliche oder allgemeine Bedürfnisse können durch die Gesellschaft befriedigt werden; für einzige Bedürfnisse mußt Du Befriedigung erst suchen. Einen Freund und einen Freundschaftsdienst, selbst einen Dienst des Einzelnen kann Dir die Gesellschaft nicht verschaffen. Und doch wirst Du alle Augenblicke eines solchen Dienstes bedürftig sein und bei den geringfügigsten Gelegenheiten Jemand brauchen, der Dir behilflich ist. Darum verlaß Dich nicht auf die Gesellschaft, sondern sieh’ zu, daß Du habest, um die Erfüllung deiner Wünsche zu – erkaufen.

Ob das Geld unter Egoisten beizubehalten sei? – Am alten Gepräge klebt ein ererbter Besitz. Laßt Ihr Euch nicht mehr damit bezahlen, so ist es ruiniert, tut Ihr nichts für dieses Geld, so kommt es um alle Macht. Streicht das Erbe und Ihr habt das Gerichtssiegel des Exekutors abgebrochen. Jetzt ist ja Alles ein Erbe, sei es schon geerbt oder erwarte es seinen Erben. Ist es das Eure, was laßt Ihr’s Euch versiegeln, warum achtet Ihr das Siegel?

Warum aber sollt Ihr kein neues Geld kreieren? Vernichtet Ihr denn die Ware, indem Ihr das Erbgepräge von ihr nehmt? Nun, das Geld ist eine Ware, und zwar ein wesentliches Mittel oder Vermögen. Denn es schützt vor der Verknöcherung des Vermögens, hält es im Fluß und bewirkt seinen Umsatz. Wißt Ihr ein besseres Tauschmittel, immerhin; doch wird es wieder ein „Geld“ sein. Nicht das Geld tut Euch Schaden, sondern euer Unvermögen, es zu nehmen. Laßt euer Vermögen wirken, nehmt Euch zusammen, und es wird an Geld – an eurem Gelde, dem Gelde eures Gepräges – nicht fehlen. Arbeiten aber, das nenne Ich nicht „euer Vermögen wirken lassen“. Die nur „Arbeit suchen“ und „tüchtig arbeiten wollen“, bereiten sich selbst die unausbleibliche – Arbeitslosigkeit.

Vom Gelde hängt Glück und Unglück ab. Es ist darum in der Bürgerperiode eine Macht, weil es nur wie ein Mädchen umworben, von Niemand unauflöslich geehelicht wird. Alle Romantik und Ritterlichkeit des Werbens um einen teuren Gegenstand lebt in der Konkurrenz wieder auf. Das Geld, ein Gegenstand der Sehnsucht, wird von den kühnen „Industrierittern“ entführt.

Wer das Glück hat, führt die Braut heim. Der Lump hat das Glück; er führt sie in sein Hauswesen, die „Gesellschaft“, ein und vernichtet die Jungfrau. In seinem Hause ist sie nicht mehr Braut, sondern Frau, und mit der Jungfräulichkeit geht auch der Geschlechtsname verloren. Als Hausfrau heißt die Geldjungfer „Arbeit“, denn „Arbeit“ ist der Name des Mannes. Sie ist ein Besitz des Mannes.

Um dies Bild zu Ende zu bringen, so ist das Kind von Arbeit und Geld wieder ein Mädchen, ein unverehelichtes, also Geld, aber mit der gewissen Abstammung von der Arbeit, seinem Vater. Die Gesichtsform, das „Bild“, trägt ein anderes Gepräge.

Was schließlich noch einmal die Konkurrenz betrifft, so hat sie gerade dadurch Bestand, daß nicht Alle sich ihrer Sache annehmen und sich über sie miteinander verständigen. Brot ist z. B. das Bedürfnis aller Einwohner einer Stadt; deshalb könnten sie leicht übereinkommen, eine öffentliche Bäckerei einzurichten. Statt dessen überlassen sie die Lieferung des Bedarfs den konkurrierenden Bäckern. Ebenso Fleisch den Fleischern, Wein den Weinhändlern usw.

Die Konkurrenz aufheben heißt nicht soviel als die Zunft begünstigen. Der Unterschied ist dieser: In der Zunft ist das Backen usw. Sache der Zünftigen; in der Konkurrenz Sache der beliebig Wetteifernden; im Verein Derer, welche Gebackenes brauchen, also meine, deine Sache, weder Sache des zünftigen noch des konzessionierten Bäckers, sondern Sache der Vereinten.

Wenn Ich Mich nicht um meine Sache bekümmere, so muß Ich mit dem vorlieb nehmen, was Andern Mir zu gewähren beliebt. Brot zu haben, ist meine Sache, mein Wunsch und Begehren, und doch überläßt man das den Bäckern, und hofft höchstens durch ihren Hader, ihr Rangablaufen, ihren Wetteifer, kurz ihre Konkurrenz einen Vorteil zu erlangen, auf welchen man bei den Zünftigen, die gänzlich und allein im Eigentum der Backgerechtigkeit saßen, nicht rechnen konnte. – Was Jeder braucht, an dessen Herbeischaffung und Hervorbringung sollte sich auch Jeder beteiligen; es ist seine Sache, sein Eigentum, nicht Eigentum des zünftigen oder konzessionierten Meisters.

Blicken Wir nochmals zurück. Den Kindern dieser Welt, den Menschenkindern, gehört die Welt; sie ist nicht mehr Gottes, sondern des Menschen Welt. So viel jeder Mensch von ihr sich verschaffen kann, nenne er das Seinige; nur wird der wahre Mensch, der Staat, die menschliche Gesellschaft oder die Menschheit darauf sehen, daß Jeder nichts anderes zum Seinigen mache, als was er als Mensch, d. h. auf menschliche Weise sich aneignet. Die unmenschliche Aneignung ist die vom Menschen nicht bewilligte, d. h. sie ist eine „verbrecherische“, wie umgekehrt die menschliche eine „rechtliche“, eine auf dem „Rechtswege“ erworbene ist.

So spricht man seit der Revolution.

Mein Eigentum aber ist kein Ding, da dieses eine von Mir unabhängige Existenz hat; mein eigen ist nur meine Gewalt. Nicht dieser Baum, sondern meine Gewalt oder Verfügung über ihn ist die meinige.

Wie drückt man diese Gewalt nun verkehrterweise aus? Man sagt, Ich habe ein Recht auf diesen Baum, oder er sei mein rechtliches Eigentum. Erworben also habe Ich ihn durch Gewalt. Daß die Gewalt fortdauern müsse, damit er auch behauptet werde, oder besser: daß die Gewalt nicht ein für sich Existierendes sei, sondern lediglich im gewaltigen Ich, in Mir, dem Gewaltigen, Existenz habe, das wird vergessen. Die Gewalt wird, wie andere meiner Eigenschaften, z. B. die Menschlichkeit, Majestät usw., zu einem Fürsichseienden erhoben, so daß sie noch existiert, wenn sie längst nicht mehr meine Gewalt ist. Derart in ein Gespenst verwandelt, ist die Gewalt das – Recht. Diese verewigte Gewalt erlischt selbst mit meinem Tode nicht, sondern wird übertragen oder „vererbt“.

Die Dinge gehören nun wirklich nicht Mir, sondern dem Rechte.

Andererseits ist dies weiter nichts, als eine Verblendung. Denn die Gewalt des Einzelnen wird allein dadurch permanent und ein Recht, daß Andere ihre Gewalt mit der seinigen verbinden. Der Wahn besteht darin, daß sie ihre Gewalt nicht wieder zurückziehen zu können glauben. Wiederum dieselbe Erscheinung, daß die Gewalt von Mir getrennt wird. Ich kann die Gewalt, welche Ich dem Besitzer gab, nicht wieder nehmen. Man hat „bevollmächtigt“, hat die Macht weggegeben, hat dem entsagt, sich eines Besseren zu besinnen.

Der Eigentümer kann seine Gewalt und sein Recht an eine Sache aufgeben, indem er sie verschenkt, verschleudert u. dergl. Und Wir könnten die Gewalt, welche Wir jenem liehen, nicht gleichfalls fahren lassen?

Der rechtliche Mensch, der Gerechte, begehrt nichts sein eigen zu nennen, was er nicht „mit Recht“ oder wozu er nicht das Recht hat, also nur rechtmäßiges Eigentum.

Wer soll nun Richter sein und ihm sein Recht zusprechen? Zuletzt doch der Mensch, der ihm die Menschenrechte erteilt: dann kann er in einem unendlich weiteren Sinne als Terenz sagen: humani nihil a me alienum puto [26*], d. h. das Menschliche ist mein Eigentum. Er mag es anstellen, wie er will, von einem Richter kommt er auf diesem Standpunkte nicht los, und in unserer Zeit sind die mancherlei Richter, welche man sich erwählt hatte, in zwei todfeindliche Personen gegeneinander getreten, nämlich in den Gott und den Menschen. Die Einen berufen sich auf das göttliche, die Andern auf das menschliche Recht oder die Menschenrechte.

Soviel ist klar, daß in beiden Fällen sich der Einzelne nicht selbst berechtigt.

Sucht Mir heute einmal eine Handlung, die nicht eine Rechtsverletzung wäre! Alle Augenblicke werden von der einen Seite die Menschenrechte mit Füßen getreten, während die Gegner den Mund nicht auftun können, ohne eine Blasphemie gegen das göttliche Recht hervorzubringen. Gebt ein Almosen, so verhöhnt Ihr ein Menschenrecht, weil das Verhältnis von Bettler und Wohltäter ein unmenschliches ist; sprecht einen Zweifel aus, so sündigt Ihr wider ein göttliches Recht. Esset trockenes Brot mit Zufriedenheit, so verletzt Ihr das Menschenrecht durch euren Gleichmut; esset es mit Unzufriedenheit, so schmäht Ihr das göttliche Recht durch euren Widerwillen. Es ist nicht Einer unter Euch, der nicht in jedem Augenblicke ein Verbrechen beginge: eure Reden sind Verbrechen, und jede Hemmung eurer Redefreiheit ist nicht minder ein Verbrechen. Ihr seid allzumal Verbrecher!

Doch Ihr seid es nur, indem Ihr Alle auf dem Rechtsboden steht, d. h. indem Ihr es nicht einmal wißt und zu schätzen versteht, daß Ihr Verbrecher seid.

Das unverletzliche oder heilige Eigentum ist auf eben diesem Boden gewachsen: es ist ein Rechtsbegriff.

Ein Hund sieht den Knochen in eines andern Gewalt und steht nur ab, wenn er sich zu schwach fühlt. Der Mensch aber respektiert das Recht des Andern an seinem Knochen. Dies also gilt für menschlich, jenes für brutal oder „egoistisch“.

Und wie hier, so heißt überhaupt dies „menschlich“, wenn man in Allem etwas Geistiges sieht (hier das Recht), d. h. alles zu einem Gespenste macht, und sich dazu als zu einem Gespenste verhält, welches man zwar in seiner Erscheinung verscheuchen, aber nicht töten kann. Menschlich ist es, das Einzelne nicht als Einzelnes, sondern als ein Allgemeines anzuschauen.

An der Natur als solcher, respektiere Ich nichts mehr, sondern weiß Mich gegen sie zu Allem berechtigt; dagegen an dem Baume in jenem Garten muß Ich die Fremdheit respektieren (einseitigerweise sagt man: „das Eigentum“), muß meine Hand von ihm lassen. Das nimmt ein Ende nur dann, wenn Ich jenen Baum zwar einem Andern überlassen kann, wie Ich meinen Stock usw. einem Andern überlasse, aber nicht von vornherein ihn als Mir fremd, d. h. heilig, betrachte. Vielmehr mache Ich Mir kein Verbrechen daraus, ihn zu fällen, wenn Ich will, und er bleibt mein Eigentum, auf so lange Ich ihn auch Andern abtrete: er ist und bleibt mein. In dem Vermögen des Bankiers sehe Ich so wenig etwas Fremdes, als Napoleon in den Ländern der Könige: Wir tragen keine Scheu, es zu „erobern“, und sehen Uns auch nach den Mitteln dazu um. Wir streifen ihm also den Geist der Fremdheit ab, vor dem Wir Uns gefürchtet hatten.

Darum ist es notwendig, daß Ich nichts mehr als Mensch in Anspruch nehme, sondern alles als Ich, dieser Ich, mithin nichts Menschliches, sondern das Meinige, d. h. nichts, was Mir als Mensch zukommt, sondern – was Ich will und weil Ich’s will.

Rechtliches oder rechtmäßiges Eigentum eines Andern wird nur dasjenige sein, wovon Dir’s recht ist, daß es sein Eigentum sei. Hört es auf, Dir recht zu sein, so hat es für Dich die Rechtmäßigkeit eingebüßt und das absolute Recht daran wirst Du verlachen.

Außer dem bisher besprochenen Eigentum im beschränkten Sinne wird unserem ehrfürchtigen Gemüte ein anderes Eigentum vorgehalten, an welchem Wir Uns noch weit weniger „versündigen sollen“. Dies Eigentum besteht in den geistigen Gütern, in dem „Heiligtume des Innern“. Was ein Mensch heilig hält, damit soll kein anderer sein Gespötte treiben, weil, so unwahr es immer sein und so eifrig man den daran Hängenden und Glaubenden „auf liebevolle und bescheidene Art“ von einem wahren Heiligen zu überzeugen suchen mag, doch das Heilige selbst allezeit daran zu ehren ist: der Irrende glaubt doch an das Heilige, wenn auch an ein unrichtiges, und so muß sein Glaube an das Heilige wenigstens geachtet werden.

In roheren Zeiten, als die unseren sind, pflegte man einen bestimmten Glauben und die Hingebung an ein bestimmtes Heiliges zu verlangen und ging mit den Andersgläubigen nicht auf’s sanfteste um; seit jedoch die „Glaubensfreiheit“ sich mehr und mehr ausbreitete, zerfloß der „eifrige Gott und alleinige Herr“ allgemach in ein ziemlich allgemeines „höchstes Wesen“, und es genügte der humanen Toleranz, wenn nur Jeder „ein Heiliges“ verehrte.

Auf den menschlichsten Ausdruck gebracht, ist dies Heilige „der Mensch selbst“ und „das Menschliche“. Bei dem trügerischen Scheine, als wäre das Menschliche ganz und gar unser Eigenes und frei von aller Jenseitigkeit, womit das Göttliche behaftet ist, ja als wäre der Mensch so viel als Ich oder Du, kann sogar der stolze Wahn entstehen, daß von einem „Heiligen“ nicht länger die Rede sei, und daß Wir Uns nun überall heimisch und nicht mehr im Unheimlichen, d. h. im Heiligen und in heiligen Schauern fühlten: im Entzücken über den „endlich gefundenen Menschen“ wird der egoistische Schmerzensruf überhört und der so traulich gewordene Spuk für unser wahres Ich genommen.

Aber „Humanus heißt der Heilige“ (s. Goethe), und das Humane ist nur das geläutertste Heilige.

Umgekehrt spricht sich der Egoist aus. Darum gerade, weil Du etwas heilig hältst, treibe Ich mit Dir mein Gespötte und, achtete Ich auch Alles an Dir, gerade dein Heiligtum achte Ich nicht.

Bei diesen entgegengesetzten Ansichten muß auch ein widersprechendes Verhalten zu den geistigen Gütern angenommen werden: der Egoist insultiert [27*] sie, der Religiöse (d. h. jeder, der über sich sein „Wesen“ setzt) muß sie konsequenterweise – schützen. Welcherlei geistige Güter aber geschützt und welche ungeschützt gelassen werden sollen, das hängt ganz von dem Begriffe ab, den man sich vom „höchsten Wesen“ macht, und der Gottesfürchtige z. B. hat mehr zu schirmen, als der Menschenfürchtige (der Liberale).

An den geistigen Gütern werden Wir im Unterschiede von den sinnlichen auf eine geistige Weise verletzt, und die Sünde gegen dieselbe besteht in einer direkten Entheiligung, während gegen die sinnliche eine Entwendung oder Entfremdung stattfindet: die Güter selbst werden entwertet und entweiht, nicht bloß entzogen, das Heilige wird unmittelbar gefährdet. Mit dem Worte „Unehrerbietigkeit“ oder „Frechheit“ ist Alles bezeichnet, was gegen die geistigen Güter, d. h. gegen Alles, was Uns heilig ist, verbrochen werden kann, und Spott, Schmähung, Verachtung, Bezweiflung u. dergl. sind nur verschiedene Schattierungen der verbrecherischen Frechheit.

Daß die Entheiligung in der mannigfachsten Art verübt werden kann, soll hier übergangen und vorzugsweise nur an jene Entheiligung erinnert werden, welche durch eine unbeschränkte Presse das Heilige mit Gefahr bedroht.

Solange auch nur für Ein geistiges Wesen noch Respekt gefordert wird, muß die Rede und Presse im Namen dieses Wesens geknechtet werden; denn ebenso lange könnte der Egoist durch seine Äußerungen sich gegen dasselbe „vergehen“, woran er eben wenigstens durch die „gebührende Strafe“ verhindert werden muß, wenn man nicht lieber das richtigere Mittel dagegen ergreifen will, die vorbeugende Polizeigewalt, z. B. der Zensur.

Welch ein Seufzen nach Freiheit der Presse! Wovon soll die Presse denn befreit werden? Doch wohl von einer Abhängigkeit, Angehörigkeit und Dienstbarkeit! Davon aber sich zu befreien, ist eben die Sache eines Jeden, und es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß wenn Du Dich aus der Dienstbarkeit erlöst hast, auch das, was Du verfassest und schreibst, Dir eigen gehören werde, statt im Dienste irgend einer Macht gedacht und aufgesetzt worden zu sein. Was kann ein Christgläubiger sagen und drucken lassen, das freier wäre von jener Christgläubigkeit, als er selbst es ist? Wenn Ich etwas nicht schreiben kann und darf, so liegt die nächste Schuld vielleicht an Mir. So wenig dies die Sache zu treffen scheint, so nahe findet sich dennoch die Anwendung. Durch ein Preßgesetz ziehe oder lasse Ich meinen Veröffentlichungen eine Grenze ziehen, über welche hinaus das Unrecht und dessen Strafe folgt. Ich selbst beschränke Mich.

Sollte die Presse frei sein, so wäre gerade nichts so wichtig, als ihre Befreiung von jedem Zwange, der ihr im Namen eines Gesetzes angetan werden könnte. Und daß es dazu komme, müßte eben Ich selbst vom Gehorsam gegen das Gesetz Mich entbunden haben.

Freilich, die absolute Freiheit der Presse ist wie jede absolute Freiheit ein Unding. Von gar Vielem kann sie frei werden, aber immer nur von dem, wovon auch Ich frei bin. Machen Wir Uns vom Heiligen frei, sind Wir heillos und gesetzlos geworden, so werden’s auch unsere Worte werden.

So wenig Wir in der Welt von jedem Zwange losgesprochen werden können, so wenig läßt sich unsere Schrift demselben entziehen. Aber so frei als Wir sind, so frei können Wir auch jene machen.

Sie muß also Unser eigen werden, statt, wie bisher, einem Spuk zu dienen.

Man bleibt sich unklar bei dem Rufe nach Preßfreiheit. Was man angeblich verlangt, ist dies, daß der Staat die Presse freigeben solle; was man aber eigentlich, und ohne es selbst zu wissen, haben will, ist dies, daß die Presse vom Staate frei oder den Staat los werde. Jenes ist eine Petition an den Staat, dieses eine Empörung gegen den Staat. Als eine „Bitte um Recht“, selbst als ein ernstes Fordern des Preßfreiheitsrechtes setzt sie den Staat als den Geber voraus und kann nur auf ein Geschenk, eine Zulassung, ein Oktroyieren hoffen. Wohl möglich, daß ein Staat so unsinnig handelt, das geforderte Geschenk zu gewähren; es ist aber Alles zu wetten, daß die Beschenkten das Geschenk nicht zu gebrauchen wissen werden, solange sie den Staat als eine Wahrheit betrachten: sie werden sich an diesem „Heiligen“ nicht vergehen und gegen Jeden, der dies wagen wollte, ein strafendes Preßgesetz aufrufen.

Mit Einem Worte, die Presse wird von dem nicht frei, wovon Ich nicht frei bin.

Weise Ich Mich hierdurch etwa als einen Gegner der Preßfreiheit aus? Im Gegenteil, Ich behaupte nur, daß man sie nie bekommen wird, wenn man nur sie, die Preßfreiheit, will, d. h. wenn man nur auf eine unbeschränkte Erlaubnis ausgeht. Bettelt nur immerfort um diese Erlaubnis: Ihr werdet ewig darauf warten können, denn es ist Keiner in der Welt, der sie Euch geben könnte. Solange Ihr für den Gebrauch der Presse Euch durch eine Erlaubnis, d. h. Preßfreiheit, „berechtigen“ lassen wollt, lebt Ihr in eitler Hoffnung und Klage.

„Unsinn! Du, der Du solche Gedanken, wie sie in deinem Buche stehen, hegst, kannst sie ja selbst leider nur durch einen glücklichen Zufall oder auf Schleichwegen zur Öffentlichkeit bringen; gleichwohl willst Du dagegen eifern, daß man den eigenen Staat so lange dränge und überlaufe, bis er die verweigerte Druckerlaubnis gibt?“ Ein also angeredeter Schriftsteller würde aber vielleicht – denn die Frechheit solcher Leute geht weit – Folgendes erwidern: „Erwägt eure Rede genau! Was tue Ich denn, um Mir für mein Buch Preßfreiheit zu verschaffen? Frage Ich nach der Erlaubnis, oder suche Ich nicht vielmehr ohne alle Frage nach Gesetzlichkeit eine günstige Gelegenheit, und ergreife sie in völliger Rücksichtslosigkeit gegen den Staat und seine Wünsche? Ich – es muß das schreckenerregende Wort ausgesprochen werden – Ich betrüge den Staat. Unbewußt tut Ihr dasselbe. Ihr redet ihm von euren Tribünen aus ein, er müsse seine Heiligkeit und Unverletzlichkeit aufgeben, er müsse den Angriffen der Schreibenden sich preisgeben, ohne daß er deshalb Gefahr zu fürchten brauche. Aber Ihr hintergeht ihn; denn es ist um seine Existenz getan, sobald er seine Unnahbarkeit einbüßt. Euch freilich könnte er die Schreibefreiheit wohl gestatten, so wie England es getan hat; Ihr seid Staatsgläubige und unvermögend, gegen den Staat zu schreiben, so viel Ihr immer auch an ihm zu reformieren und seinen „Mängeln abzuhelfen“ haben mögt. Aber wie, wenn Staatsgegner das freie Wort sich zu Nutze machten, und gegen Kirche, Staat, Sitte und alles „Heilige“ mit unerbittlichen Gründen losstürmten? Ihr wäret dann die Ersten, welche unter schrecklichen Ängsten die Septembergesetze ins Leben riefen. Zu spät gereute Euch dann die Dummheit, welche Euch früher so bereit machte, den Staat oder die Staatsregierung zu beschwatzen und zu betören. – Ich aber beweise durch meine Tat nur zweierlei. Einmal dies, daß die Preßfreiheit immer an „günstige Gelegenheiten“ gebunden, mithin niemals eine absolute Freiheit sein werde; zweitens aber dies, daß, wer sie genießen will, die günstige Gelegenheit aufsuchen und womöglich erschaffen muß, indem er gegen den Staat seinen eigenen Vorteil geltend macht, und sich und seinen Willen für mehr hält als den Staat und jede „höhere Macht“. Nicht im, sondern allein gegen den Staat kann die Preßfreiheit durchgesetzt werden; sie ist, soll sie hergestellt werden, nicht als Folge einer Bitte, sondern als das Werk einer Empörung zu erlangen. Jede Bitte und jeder Antrag auf Preßfreiheit ist schon eine, sei es bewußte oder unbewußte, Empörung, was nur die philisterhafte Halbheit sich nicht gestehen will und kann, bis sie zusammenschauernd es am Erfolge deutlich und unwiderleglich sehen wird. Denn die erbetene Preßfreiheit hat freilich im Anfange ein freundliches und wohlmeinendes Gesicht, da sie nicht im entferntesten gesonnen ist, jemals die „Preßfrechheit“ aufkommen zu lassen; nach und nach wird aber ihr Herz verhärteter, und die Folgerung schmeichelt sich bei ihr ein, daß ja doch eine Freiheit keine Freiheit sei, wenn sie im Dienste des Staates, der Sitte oder des Gesetzes steht. Zwar eine Freiheit vom Zensurzwange, ist sie doch keine Freiheit vom Gesetzeszwange. Es will die Presse, einmal vom Freiheitsgelüste ergriffen, immer freier werden, bis der Schreibende sich endlich sagt: Ich bin doch dann erst gänzlich frei, wenn Ich nach Nichts frage; das Schreiben aber ist nur frei, wenn es mein eigenes ist, das Mir durch keine Macht oder Autorität, durch keinen Glauben, keine Scheu diktiert wird; die Presse muß nicht frei sein – das ist zuwenig –, sie muß mein sein: – Preßeigenheit oder Preßeigentum, das ist’s, was Ich Mir nehmen will.“

„Preßfreiheit ist ja nur Preßerlaubnis, und der Staat wird und kann Mir freiwillig nie erlauben, daß Ich ihn durch die Presse zermalme.“

„Fassen Wir es nun schließlich, indem Wir die obige, durch das Wort „Preßfreiheit“ noch schwankende Rede verbessern, lieber so: Preßfreiheit, die laute Forderung der Liberalen, ist allerdings möglich im Staate, ja sie ist nur im Staate möglich, weil sie eine Erlaubnis ist, der Erlaubende folglich, der Staat, nicht fehlen darf. Als Erlaubnis hat sie aber ihre Grenze an eben diesem Staate, der doch billigerweise nicht mehr wird erlauben sollen, als sich mit ihm und seiner Wohlfahrt verträgt: er schreibt ihr diese Grenze als das Gesetz ihres Daseins und ihrer Ausdehnung vor. Daß ein Staat mehr als ein anderer verträgt, ist nur ein quantitativer Unterschied, der jedoch allein den politischen Liberalen am Herzen liegt: sie wollen in Deutschland z. B. nur eine „ausgedehntere, weitere Gestattung des freien Wortes“. Die Preßfreiheit, welche man nachsucht, ist eine Sache des Volkes, und ehe das Volk (der Staat) sie nicht besitzt, eher darf Ich davon keinen Gebrauch machen. Vom Gesichtspunkte des Preßeigentums aus verhält sich’s anders. Mag mein Volk der Preßfreiheit entbehren, Ich suche Mir eine List oder Gewalt aus, um zu drucken – die Druckerlaubnis hole Ich Mir nur von – Mir und meiner Kraft.“

„Ist die Presse mein eigen, so bedarf Ich für ihre Anwendung sowenig einer Erlaubnis des Staates, als Ich diese nachsuche, um meine Nase zu schneuzen. Mein Eigentum ist die Presse von dem Augenblicke an, wo Mir nichts mehr über Mich geht: denn von diesem Moment an hört Staat, Kirche, Volk, Gesellschaft u. dergl. auf, weil sie nur der Mißachtung, welche Ich vor Mir habe, ihre Existenz verdanken, und mit dem Verschwinden dieser Geringschätzung selbst erlöschen: sie sind nur, wenn sie über Mir sind, sind nur als Mächte und Mächtige. Oder könnt Ihr Euch einen Staat denken, dessen Einwohner allesamt sich nichts aus ihm machen? der wäre so gewiß ein Traum, eine Scheinexistenz, als das „einige Deutschland“.

„Die Presse ist mein eigen, sobald Ich selbst mein eigen, ein Eigener bin: dem Egoisten gehört die Welt, weil er keiner Macht der Welt gehört.“

„Dabei könnte meine Presse immer noch sehr unfrei sein, wie z. B. in diesem Augenblick. Die Welt ist aber groß, und man hilft sich eben, so gut es geht. Wollte Ich vom Eigentum meiner Presse ablassen, so könnte Ich’s leicht erreichen, daß Ich überall so viel drucken lassen dürfte, als meine Finger produzierten. Da Ich aber mein Eigentum behaupten will, so muß Ich notwendig meine Feinde übers Ohr hauen. „Würdest Du ihre Erlaubnis nicht annehmen, wenn sie Dir gegeben würde?““ Gewiß, mit Freuden; denn ihre Erlaubnis wäre Mir ein Beweis, daß Ich sie betört und auf den Weg des Verderbens gebracht habe. Um ihre Erlaubnis ist Mir’s nicht zu tun, desto mehr aber um ihre Torheit und ihre Niederlage. Ich werbe nicht um ihre Erlaubnis, als schmeichelte Ich Mir, gleich den politischen Liberalen, daß Wir beide, sie und Ich, neben- und miteinander friedlich auskommen, ja wohl gar einer den andern heben und unterstützen können, sondern Ich werbe darum, um sie an derselben verbluten zu lassen, damit endlich die Erlaubenden selbst aufhören. Ich handle als bewußter Feind, indem Ich sie übervorteile und ihre Unbedachtsamkeit benutze.

Mein ist die Presse, wenn Ich über ihre Benutzung durchaus keinen Richter außer Mir anerkenne, d. h. wenn Ich nicht mehr durch die Sittlichkeit oder die Religion oder den Respekt vor den Staatsgesetzen u. dergl. bestimmt werde zu schreiben, sondern durch Mich und meinen Egoismus!“ –

Was habt Ihr nun ihm, der Euch eine so freche Antwort gibt, zu erwidern? – Wir bringen die Frage am sprechendsten vielleicht in folgende Stellung: Wessen ist die Presse, des Volkes (Staates) oder mein? Die Politischen ihrerseits beabsichtigen nichts weiter, als die Presse von persönlichen und willkürlichen Eingriffen der Machthaber zu befreien, ohne daran zu denken, daß sie, um wirklich für Jedermann offen zu sein, auch von den Gesetzen, d. h. vom Volkswillen (Staatswillen) frei sein müßte. Sie wollen aus ihr eine „Volkssache“ machen.

Anmerkungen

83. Pierre-Joseph Proudhon: Qu’est-ce que la propriété? Ou Recherches sur le principe du droit et du gouvernement. Premier mémoire, Paris 1841, z. B. S. 83.

84. [Qu’est-ce que la propriété? (1841) Proudhon nennt Gott hier nicht den „propriétaire“, sondern den „producteur“.]

85. In einer Registrationsbill für Irland stellte die Regierung den Antrag, Wähler diejenigen sein zu lassen, welche 5 Pfund Sterling Armensteuer entrichten. Also wer Almosen gibt, der erwirbt politische Rechte, oder wird anderwärts Schwanenritter.

86. [Heinrich Wilhelm Kaiser: Die Persönlichkeit des Eigentums (!) in Bezug auf den Sozialismus und Kommunismus im heutigen Frankreich. Bremen 1843, S. 63–64.]

87. Diesen Ausdruck gebrauchte der Minister Stein vom Grafen von Reisach, als er diesen der bayrischen Regierung kaltherzig preisgab, weil ihm, wie er sagte, „ein Gouvernement wie Bayern mehr wert sein müsse, als ein simples Individuum“. Reisach hatte im Auftrage Steins gegen Montgelas geschrieben, und Stein willigte später in die von Montgelas gerade dieses Buchs wegen geforderte Auslieferung ReisachS.  Siehe Hermann Friedrich Wilhelm Hinrichs: Politische Vorlesungen. Unser Zeitalter und wie es geworden, nach seinen politischen, kirchlichen und wissenschaftlichen Zuständen, mit besonderm Bezug auf Deutschland und namentlich Preußen. Bd. 1. Halle 1843, S. 280.

88. Auf Gymnasien und Universitäten usw. konkurrieren Arme mit Reichen. Aber sie vermögens meist nur durch Stipendien, die – was bedeutend – fast alle aus einer Zeit stammen, wo die freie Konkurrenz noch weit davon entfernt war, als Prinzip zu walten. Das Prinzip der Konkurrenz stiftet keine Stipendien, sondern meint: Hilf Dir selbst, d. h. verschaff Dir die Mittel. Was der Staat zu solchem Zwecke hergibt, das legt er auf Interessen an, um sich „Diener“ heranzubilden.

Fußnoten
(der Redaktion)

13*. in der Rechtswissenschaft: Dienstbarkeit, Grundlast

14*. svw. Kötner bzw. Kätner: norddeutsch für Häusler, Besitzer einer Kate

15*. Eigentümer

16*. Besitzer

17*. Nießbraucher [Besitzer einer Sache, der diese völlig nach seinem Gutdünken nutzt.]

18*. Eigentum ist Diebstahl [oder: Raub].

19*. Den Königen steht die Gewalt über alles zu, den Einzelnen das Eigentum; der König besitzt alle Dinge kraft seines Herrscheramtes [oder: seiner Herrschergewalt], die Einzelnen [besitzen es] kraft ihres Besitzrechtes.

20*. ein Tatsache

21*. Das Recht, seine Sache zu gebrauchen und zu mißbrauchen [oder: zu verbrauchen], soweit das Recht das zuläßt.

22*. zutraulich, zahm

23*. genehmigen, billigen, bestätigen, bewilligen

24*. Astrologie: Stand der Sterne bei der Geburt eines Menschen

25*. kleiner Geldbetrag, Spende

26*. Ich glaube, daß mir nichts Menschliches fremd ist.

27*. beleidigen


Zuletzt aktualisiert am 5. April 2020