Rudolf Hilferding

 

Probleme der Bankpolitik

(1. November 1909)


Der Kampf, Jg. 3 Heft 2, 1. November 1909, S. 75–84.
Transkription u. HTML-Markierung: Einde O’Callaghan für das Marxists’ Internet Archive.


Am 31. Dezember 1910 erlischt das Privilegium der Oesterreichisch-ungarischen Bank auf das ausschliessliche Recht der Notenausgabe in der Monarchie. Die Bank hat an die Regierungen das Ersuchen um Erneuerung des Privilegs gestellt, findet aber dabei den Widerstand der ungarischen Parteien, die mit der Forderung der Banktrennung hervortreten. So verflechten sich hier zwei Probleme, eines der staatlichen Machtpolitik mit einem anderen der Valutapolitik. Die theoretische Untersuchung muss natürlich beide Probleme zunächst isoliert betrachten.

Wir wollen heute die Papiergeldwährung und ihre Gesetze erörtern. So gewinnen wir die theoretische Grundlage für die Besprechung der Fragen der Banktrennung und der Aufnahme der Barzahlungen.

Die österreichische Währung ist nach dem Gesetz Goldwährung wie die Deutschlands oder Englands. Aber sie unterscheidet sich in einer kleinen Bestimmung von der dieser Länder. Die Verpflichtung der Bank, ihre Noten auf Verlangen jederzeit in Gold einzulösen, ist – suspendiert. Da es aber das Wesen einer Goldwährung ausmacht, dass jeder, der Geldforderungen hat, auf deren Begleichung durch Goldgeld bestehen kann, hebt diese Bestimmung die Goldwährung wieder auf und da die Noten gesetzliche Zahlungsmittel sind, so herrscht in Oesterreich Papierwährung. Die Forderung der Barzahlung besteht in nichts anderem, als dass die Bank verpflichtet wird, ihre Noten auf Verlangen bar, das heisst in Goldgeld auszuzahlen. Damit entsteht die Frage nach der Bedeutung dieser Forderung, die übereinstimmt mit der Frage nach dem Unterschied zwischen Papier- und Goldwährung. Sollen aber diese Fragen beantwortet werden, so müssen wir die ökonomischen Gesetze kennen, die einerseits die Papierwährung, andererseits die Goldwährung beherrschen. Unsere erste Frage lautet also: Wie ist Papierwährung möglich? [1]

Die Waren tauschen sich aus nach ihrem Wert, der bestimmt ist durch die in den Waren enthaltene gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit. Die Dazwischenkunft des Geldes ändert nichts an diesem Gesetz. Denn der Wert des Goldgeldes ist bestimmt durch die zur Produktion des Goldes notwendige Arbeitszeit. Aber offensichtlich gilt diese Bestimmung nicht für den Austausch zwischen Ware und Papiergeld. Denn es ist klar, dass die Kaufkraft einer Zwanzigkronennote in keiner Weise bestimmt ist durch die minimalen Druckkosten des Stückchens Papier. Ist die Banknote nur ein Schuldschein auf Gold, so dass jeder jederzeit bei Vorweisung der Note an den Schaltern der Bank ein goldenes Zwanzigkronenstück erhält, so ist an der Sache nichts Wunderliches. Woher stammt aber die Kaufkraft der Note, wenn die Bank ausdrücklich von der Verpflichtung entbunden ist, sie einzulösen?

Schuster A kauft um 20 K einen Rock vom Schneider B. Der kauft um die 20 K von A ein Paar Stiefel. A hat seine 20 K wieder und hat ausserdem seine Stiefel gegen einen Rock vertauscht. Das Geld hat die Hände gewechselt, ist von A zu B gegangen und von B zu A zurückgekehrt – ein nutzloser Weg. Das Geld hat als Wertmesser fungiert und weder A noch B hätte den Preis ihrer Waren angeben können, wenn sie nicht den Wert des Geldes gekannt hätten. Aber diese Wissenschaft hätten sie auch haben können, wenn sie beide keinen Pfennig besessen hätten. Geld wäre für sie blosses Ideal, aber schon das Ideal hätte genügt, um als Wertmesser fungieren zu können. Man sieht also, in Geldsachen hört zwar die Gemütlichkeit, nicht aber der Idealismus auf, wenn er nur kritischer Idealismus bleibt. Worauf es ankam, war der Tausch von Rock und Stiefel, und in diesem spielt das Gold nur die verschwindende Rolle als Repräsentant von Wert. Wenn A dem B mit einem Zahlungsversprechen von 20 K, einem Wechsel, den Rock gezahlt und B dem A den Wechsel zurückgegeben, als er die Stiefel erhielt, wäre das Geld erspart geblieben. Solche Austauschakte aber gehen in der kapitalistischen Gesellschaft unaufhörlich vor sich; sie müssen vor sich gehen, weil nur dadurch die Bedarfsdeckung der Gesellschaft erfolgt. Soweit aber hier unmittelbar Ware durch Ware ersetzt wird, ist das Geld für den Prozess selbst überflüssig; es kann also durch bewusste Uebereinkunft ausgeschaltet und ersetzt werden durch Geldzeichen. Indem der Staat, das einzig bewusste Organ, über das die kapitalistische Gesellschaft verfügt, diese Ersetzung vollzieht, schafft er ein Staatspapiergeld, dem er, da das Gold überflüssig geworden, gesetzliche Zahlkraft verleihen kann. Solange das Staatspapiergeld in seiner Menge nur auf das Minimum von Gold, das unter allen Umständen für die Warenzirkulation nötig wäre, beschränkt bleibt, ist es klar, dass es nichts anderes ist als Goldzeichen. Das Gold zirkuliert neben diesem Zeichen, um jedes Bedürfnis über das Minimum hinaus befriedigen zu können. Gesetzt die Waren, die zirkulieren, erforderten eine Summe von 600 Millionen Gulden zu ihrer Zirkulation und es wären für etwa 300 Millionen Gulden Papiergeld zur Verfügung, so müssten ausserdem 300 Millionen in Gold zirkulieren. Es ist klar, dass der Papiergulden in seinem Wert nicht abweichen kann vom Goldgulden, da zur Zirkulation ja 600 Gulden nötig, 300 Gulden in Papier also unbedingt gebraucht werden, Papier und Gold hier dieselben Funktionen erfüllen. Hier hat das Papier dieselbe Geltung wie das Gold, weil es innerhalb der Warenzirkulation dieselbe Funktion erfüllt. Es ist Repräsentant von Gold.

Die Sache kann aber auch ganz anders verlaufen. Ein Staat führt einen kostspieligen Auslandskrieg, für den grosse Zahlungen zu leisten sind, die, da sie ins Ausland gehen, in Gold geleistet werden müssen. Die Regierung kennt das probate Mittel, Gold aus der Zirkulation hinauszuwerfen, indem man Papiergeld in sie hineinwirft. Der Not gehorchend, sucht sie alles Gold aus der Zirkulation herauszuziehen und überschreitet dabei weit das Minimum. Gesetzt den Fall, sie triebe es so weit, dass das Gold ganz aus der Zirkulation verschwindet. Was wird die Folge sein? Wir haben eine auf- und abebbende Warenflut, der aber nun einmal eine weit über das Mindestmass hinausgehende Zirkulationsmittelmenge gegenübertritt. Das Papiergeld aber hat keine andere Funktion als die des Zirkulationsmittels; es muss ganz in die Zirkulation eingehen; Gold, das es repräsentieren könnte, ist überhaupt nicht vorhanden; wodurch bestimmt sich jetzt der Wert des Papierguldens? Gesetzt den Fall, die Warensumme, die zu zirkulieren hätte, beträgt 600 Millionen Gulden. Wir nehmen zugleich an, dass jeder Gulden nur einmal als Zirkulationsmittel dient. Sind Papiergulden im Betrag von 600 Millionen ausgegeben, so wird der Papiergulden noch immer gleich sein einem Goldgulden. Fällt aber jetzt die Warensumme, so dass nur 500 Millionen Goldgulden zur Zirkulation nötig wären, so ändert sich jetzt auch die Kaufkraft des Papierguldens. Das Papiergeld bleibt in der Zirkulation; aber die 600 Millionen Gulden können jetzt nur Waren im Werte von 500 Millionen Goldgulden zirkulieren; die Kaufkraft des Papierguldens ist gefallen; statt der früheren Kaufkraft, der des Goldguldens, besitzt er jetzt nur mehr die Kaufkraft von ⅚ Goldgulden. Zugleich hat sich der Bestimmungsgrund des Wertes des Papierguldens radikal geändert. Früher war sein Wert als Repräsentant des Goldes unmittelbar von diesem bestimmt; dies währte so lange, als das Papiergeld nur einen Teil des in der Zirkulation nötigen Goldes vertrat; jetzt aber wird das Papier zum Alleinherrscher; aber dieser Alleinherrscher hat mit anderen das gemein, dass sein Wert nur der reflektierte Wert seiner Umgebung ist; das Papier hat keinen in Betracht kommenden Eigenwert; es gilt nur etwas in dem gesellschaftlichen Verhältnis zu den Waren, wie der Despot nur in seinem Verhältnis zu Bureaukratie und Militär; die Kaufkraft des Papiergeldes wird jetzt bestimmt durch die Preissumme der Waren, die es zirkulieren muss; was immer auf den Papierzetteln gedruckt ist, sie gelten nur so viel, dass ihre Gesamtsumme gleich ist der Preissumme der in die Zirkulation eingehenden Waren, die selbst in letzter Instanz bestimmt ist durch die zu ihrer Erzeugung gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit. Warum aber wird nicht die Zirkulation, wie es auf den ersten Blick möglich erscheinen würde, ausschliesslich durch das fast kostenlose Papiergeld statt des so teuren und dabei unnützen Goldes besorgt? Der Grund ist der: die für die Zirkulation eintretende Preissumme der Waren ist stets schwankend; damit schwankt aber auch die Geltung des Papiergeldes. Statt eines fast stabilen Massstabes, der nur geringen und über längere Zeit sich verteilenden Schwankungen unterworfen ist, hätten wir ein fortwährendes Oszillieren, das jede Kalkulation, jede Berechnung unmöglich machen würde. Die Konstanz des Geldwertes wäre also nicht möglich, und so ist die Papierwährung mit den ökonomischen Bedürfnissen nicht in Uebereinstimmung zu bringen.

Ist so die Ersetzung des Goldes durch Staatspapiergeld mit Zwangskurs nur in dem Umfang des gesellschaftlichen Minimums der Warenzirkulation rationell, so ist vom Standpunkt der Ersparung des kostbaren Metalls dieser Ersatz ungenügend. Die Warenzirkulation unterliegt ausserordentlichen Schwankungen sowohl innerhalb eines Jahres – man denke an die Vermehrung der Warenbewegung nach der Ernte – als innerhalb der Konjunkturperiode; man denke an den Unterschied der zu realisierenden Warenpreissumme in der Zeit der Depression und der Hochkonjunktur. [2] Zudem wäre es für die entwickelte kapitalistische Produktion eine unerträgliche Fessel, wäre die Ausdehnung der Produktion über die erreichte Norm stets abhängig von der Ausdehnung der Goldproduktion. Diese Schranke muss überwunden werden und sie wird überwunden durch das Kreditgeld. A verkauft eine Ware an B. Aber B hat momentan kein Geld zur Verfügung, sondern zahlt mit dem Zahlungsversprechen, einem Dreimonatwechsel. A kauft von C und C nimmt an Zahlungsstatt den Wechsel des B und gibt ihn weiter an D, von dem er Ware gekauft hat. D hat eine Schuld an B zu zahlen, von dem er Ware gekauft und zahlt sie mit dem Wechsel des B, zu dem so sein eigener Wechsel zurückkehrt, nachdem er die Waren des A, B und C zirkuliert hat. Hier ist Geld erspart worden, weil sich schliesslich die Warenumsätze, aus denen der Wechsel hervorgegangen, gegenseitig aufgehoben haben. Wäre dies nicht der Fall gewesen, hätte D nichts von B gekauft, so hätte B den Wechsel schliesslich einlösen müssen. Aber auch dann hätten die Waren von A, B und C zirkuliert ohne Dazwischenkunft des Geldes und nur die Ware des D wäre schliesslich bar bezahlt worden. Die Voraussetzung des Wechselumlaufs bildet die Sicherheit, dass der Wechsel am Verfallstag auch wirklich eingelöst wird. Er muss also stets in Bargeld einlösbar sein zum Unterschied von der Staatsnote. Das Wissen um die Einlösbarkeit aber ist beschränkt und so findet der Umlauf solcher Wechsel seine Grenze an der kleinen Zahl der Wissenden, die die Zahlungsfähigkeit der Unterschrift beurteilen können. Ganz anders, wenn der Wechsel die Unterschrift eines trägt, dessen Zahlungsfähigkeit unbezweifelbar und einem grossen Kreise bekannt ist. Er wird dann innerhalb dieses grösseren Kreises anstandslos genommen werden und Zirkulationsdienste leisten können. Es muss also der unbekannte Name des Wechselausstellers durch einen als zahlungsfähig in weitesten Kreisen bekannten ersetzt werden und diesen Dienst leistet die Banknote. Die Banknote ist nichts anderes als ein Wechsel der Bank, den diese an Stelle des Wechsels der Händler und Industriellen setzt. Sie gibt an Stelle dieser kommerziellen Wechsel ihre eigenen, die Banknoten, aus. Da ihre Zahlungsfähigkeit bekannt ist, so werden ihre Wechsel von jedermann genommen. Um die Umlaufsfähigkeit zu erhöhen, stellt sie ihre Wechsel auf runde Summen aus, und da sie sich verpflichtet, sie auf Verlangen jederzeit einzulösen, braucht sie keinen Zins zu zahlen wie der Kaufmann, der erst nach drei Monaten zahlt. Die Bank also diskontiert dem A den Wechsel des Kaufmanns B, das heisst, sie gibt ihm den gleichen Betrag in Noten nach Abzug des Zinses oder Diskonts für drei Monate. A zahlt jetzt den C in Noten statt in dem Wechsel, ebenso C den D und D schliesslich den B. B muss nach drei Monaten der Bank den Wechsel einlösen und zahlt ihr mit dem eigenen Noten, die so zur Bank zurückkehren. Die Zirkulationsfähigkeit dieser privaten Schuldtitel beruht also ausschliesslich darauf, dass sie auf Verlangen jederzeit in bar eingelöst werden können. Diese Einlösung wird sich zu einem grossen Teil erübrigen, da sich die Wechsel gegenseitig kompensieren. Doch muss die Bank stets bereit sein, die Wechsel in Gold einzulösen, und dafür eine Reserve in Gold halten.

Es ist bekannt, dass der Staat die Möglichkeit, Gold durch Staatspapier zu ersetzen, sehr oft missbraucht hat. Als Reaktion gegen diese Missbräuche wurden Grundsätze der Bankpolitik aufgestellt, die das Kind mit dem Bade ausschütten wollten. Es wurde erklärt, dass jedes Papiergeld mit Zwangskurs schlecht und gefährlich sei. Aus der Geldzirkulation müsse jedes uneinlösbare Papiergeld ausgemerzt werden; jede Note müsse auf Verlangen in Gold verwandelbar sein. Da man aber doch an der Notwendigkeit, Gold zu ersparen, nicht vorbei konnte, so fand man den Ausweg in einem Kompromiss, wie es zunächst in England verwirklicht wurde. Man wusste nämlich aus Erfahrung, dass ein Minimum von Noten immer in der Zirkulation festgehalten wurde; man brauchte also nicht zu fürchten, dass für diesen Betrag je Gold verlangt wurde; aus Aoneigung gegen die Staatsnote wurde aber diese überhaupt nicht zugelassen; man erlaubte aber der Bank von England, für diesen Betrag Banknoten ohne Golddeckung auszugeben, während jede Note über diesen Betrag hinaus mit Gold voll gedeckt sein musste. Das heisst aber nichts anderes, als dass die Funktion der Staatsnote der Banknote übertragen wurde, während die eigentliche Funktion der Banknote, das über das Minimum notwendige Zirkulationsbedürfnis zu befriedigen, ihr genommen wurde und einerseits auf das Gold übertragen, das mit jeder stärkeren Ausdehnung des Warenumsatzes in die (innere) Zirkulation strömen muss, andererseits ersetzt wurde durch andere Formen des Kreditgeldes und eine Organisation des Zahlungsverkehrs (Scheck-und Clearingsystem), vor denen, obgleich sie genau dieselbe Funktion wie die Banknote erfüllen, die Oekonomen nicht jene Scheu hatten, wie vor der Notenzirkulation. Die Folge ist die mangelnde Elastizität des englischen Geldwesens, die unerträglich wäre, wenn die Banknote die einzige Form des Kreditgeldes wäre und nicht durch andere Formen ersetzt wäre, denen die Banknotengesetzgebung nichts anhaben kann. Dagegen wurden die kontinentalen Notenbanken vernünftiger organisiert. Man suchte allerdings auch hier gesetzlich für die Notendeckung zu sorgen. Man bestimmte, dass die ausgegebenen Noten zu einem Drittel oder wie in Oesterreich zu zwei Fünftel durch Metall gedeckt sein müssten, und trug der Sorge, dass die Banknoten im Uebermass ausgegeben und dadurch entwertet werden könnten – eine ganz ungerechtfertigte Befürchtung, solange die Konvertibilität der Note statuiert ist und die Leitung der Bank keine betrügerische und leichtsinnige ist – dadurch Rechnung, dass man bei einem Ueberschreiten einer bestimmten Notenmenge die Notenbank zu einer Steuer verpflichtete, die sie zwingen sollte, den Zinsfuss zu erhöhen und damit die Kreditgewährung einzuschränken.

So wurde der Banknote aus Furcht vor Uebergriffen des Staates die Funktion der Staatsnote aufgebürdet. Folgenschwerer aber war der entgegengesetzte Vorgang, die Verwandlung der Banknote in Staatsnote. Ob Bank- oder Staatsnote, Papier ist Papier, und Papier ist geduldig, sehr im Gegensatz zu einem Kriegsminister, der in Geldnöten steckt. Schuf sich der Staat einst Gold, indem er es durch Ausgabe von Staatsnoten aus der Zirkulation herausfischte, so machte er später Zwangsanleihen bei dem grossen Goldreservoir, der Notenbank. Da aber diese dann darauf verwies, dass, wenn ihr das Gold genommen, kein Mensch freiwillig mehr ihre Noten annehmen werde, so brauchte der Staat Gewalt und erklärte die Bank der Verpflichtung ledig, ihre Noten in Gold einzulösen; um aber trotzdem die Annahme der Banknoten zu erzwingen, erklärte der Staat gleichzeitig, sie müssten genommen werden, denn sie seien gesetzliches Zahlungsmittel. Damit war die Verwandlung gelungen, die Banknote, mochte sie auch ihren weniger bemakelten Namen behalten haben, war zur Staatsnote, zu Staatspapiergeld mit Zwangskurs, geworden. Die Barzahlungen waren eingestellt, nämlich im Inland, weil der Kriegsminister im Ausland nur mit barem Gold zahlen konnte.

Hier ist also der Zustand der Papierwährung entstanden, weil das Metall abgeflossen ist und alsbald zeigen sich die Folgen. Die Geltung des Geldes wird schwanken je nach den Schwankungen der in die Zirkulation eingehenden Preissumme der Waren, wenn seine Menge gleich (konstant) bleibt und je nach der Menge des ausgegebenen Geldes, wenn die Preissumme der Waren gleich bleibt. In Wirklichkeit werden sich die Schwankungen aus beiden Komponenten zusammensetzen, sich gegenseitig verstärken oder abschwächen. Diese Schwankungen werden am leichtesten zu erkennen sein, indem man die Geltung des Geldes vergleicht mit dem Goldgeld eines anderen Landes. Gesetzt in 100 Mk. deutscher und 118 K österreichischer Währung sei gleich viel Gold; dann sind 100 Mk. = 118 K. Kann ich jederzeit meine Kronennoten in Goldkronen verwandeln, so werden auch 118 K in Noten = 100 Mk. Anders aber, wenn zu viel (oder was theoretisch unter bestimmten Voraussetzungen ebenso möglich, zu wenig) Noten ausgegeben wurden, zu viel im Verhältnis zu der für die Zirkulation nötigen Menge: dann werde ich für die 100 Mk. Vielleicht 120 K statt 118 geben müssen. Die Papierkrone ist entwertet und dies erscheint, indem ich für die 100 Mk. um 2 Papierkronen mehr geben muss, als wenn ich sie gegen Goldkronen auswechselte. Der Wechselkurs, der mir anzeigt, wie viel die Währung des einen Landes in der des anderen Landes gilt, hat sich für Oesterreich um 2 K verschlechtert, oder die österreichische Währung zeigt statt der Parität, der Gleichheit von 100 Mk. Zu 118 K, die durch die in ihnen enthaltene gleiche Gewichtsmenge Gold bedingt, ein Disagio. Die Grösse dieses Abschlages, der auf dem österreichischen Geld lastet, zeigt zugleich die Schwankungen im österreichischen Geldwert an.

Diese Schwankungen aber müssen beseitigt werden, da sie die Kalkulation der Preise zunächst für den Import und Export, dann aber in verlangsamter Rückwirkung auch für den Inlandsmarkt jeder Sicherheit berauben. Wie ist die Beseitigung möglich? Die herrschende Geldtheorie stellte dafür drei Bedingungen: Das Staatspapiergeld müsse aus der Zirkulation verschwinden, die Banknoten jederzeit in Gold einlösbar sein und daher die Bank über einen genügend grossen Vorrat von Gold zur Einlösung verfügen. Dazu kam noch die selbstverständliche Forderung, dass die Bank verpflichtet war, jederzeit das Gold, das ihr von Privaten übergeben wurde, in Goldmünze umzuprägen (die sogenannte freie Prägung). Die österreichische Valutareform suchte nun diesen Anforderungen nachzukommen. Die Regierungen nahmen im Ausland eine Anleihe auf, benützten den Erlös zum Ankauf von Gold und stellten dieses der Bank zur Verfügung, indem sie gleichzeitig die Staatsnoten aus dem Verkehr zurückzogen. Dagegen blieb die zweite Bedingung unerfüllt; die Verpflichtung der Bank, ihre Noten auf Verlangen jederzeit in Gold einzulösen, blieb suspendiert, die Barzahlungen wurden nicht aufgenommen. Trotzdem aber sind die Schwankungen unserer Währung verschwunden; der Vergleich mit den Goldwährungsländern zeigt, dass die österreichische Währung, trotzdem sie gesetzlich (durch die Suspension der Barzahlung) eine Papierwährung ist, keine anderen Schwankungen kennt als jene normalen, die auch die reinen Goldwährungen durchmachen. Hier war die herrschende Theorie, die die Aufnahme der Barzahlungen als Notwendigkeit forderte, durch die Praxis schlagend widerlegt. In der Tat liegt hier ein neues Problem vor, das älteren Erfahrungen widerstreitet.

Die Lösung des Problems beantwortet die Praxis selbst. Wir haben gesehen, dass die Mängel der Papierwährung in den fortwährenden Schwankungen der Geltung, der Kaufkraft des Papiergeldes bestehen. Da das Papiergeld keinen Eigenwert hat, so erhält es diesen nur als Repräsentant der jeweilig in Zirkulation befindlichen Warensumme und macht deren Schwankungen mit. Das kann vermieden werden, wenn die Papiergeldmenge stets so reguliert wird, dass sie genau gleich ist der Goldgeldmenge, die die in Zirkulation befindliche Warenmenge erforderte. Die Aufgabe wäre unerfüllbar, wenn sie gelöst werden müsste für das gesamte Weltwirtschaftsgebiet überhaupt. Denn niemand kann in jedem Moment die in Zirkulation befindliche Gesamtwarenmenge, ihren Preis und die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes exakt berechnen. Anders aber stellt sich die Aufgabe, wenn ein vergleichender Massstab gefunden werden kann, der jede Abweichung des Papiergeldkurses von dem des Goldgeldes sofort anzeigt. Und eben dieser Massstab ist der Wechselkurs mit den Goldwährungsländern.

Oesterreich steht zu Goldwährungsländern in regen Handelsbeziehungen, aus denen fortwährend Zahlungsverpflichtungen und Zahlungsforderungen entspringen. Gesetzt zum Beispiel, Oesterreich hätte um 110 Millionen Kronen Waren nach Deutschland verkauft und um 100 Millionen Kronen Waren von Deutschland gekauft. Die deutschen Importeure geben zunächst als Zahlung den Oesterreichern Wechsel im Belauf von 110 Millionen Kronen, die sie in Mark zahlen. 100 K enthalten aber gleichviel Gold wie 85 Mk. Die Oesterreicher erhalten also für ihre Waren 93,5 (85 + 8,5) Millionen in Markwechseln, also in Zahlungsanweisungen, die in deutschem Goldgeld einzulösen sind. Andererseits erhalten die deutschen Exporteure für ihre Waren österreichische Wechsel im Betrage von 100 Millionen Kronen, zahlbar in österreichischem Geld. Die Wechsel verfallen; die deutschen Importeure haben nun 110 Millionen Kronen an Oesterreich zu zahlen; sie werden sich auf dem deutschen Geldmarkt nach österreichischen Zahlungsmitteln umsehen. Dort finden sie 100 Millionen Kronen in Wechseln, die sie zur Zahlung benützen werden, da dabei die Zahlung keine weiteren Kosten macht; würden sie in Gold zahlen, so entstünden verhältnismässig beträchtliche Unkosten durch Versendung des Goldes, das versichert werden muss und während der Versendungszeit natürlich brach liegt, also keine Zinsen trägt. Die Deutschen brauchen aber nicht bloss 100, sondern 110 Millionen Kronen. Da das Angebot geringer ist als die Nachfrage, werden die österreichischen Wechsel im Kurse steigen, das heisst für 100 K werden etwas mehr als 85 Mk. gegeben werden. Aber diese Steigerung kann nicht über einen gewissen Punkt hinausgehen. Gesetzt den Fall, die Kosten der Versendung von Gold betrügen bei 100 Mk. 1 Mk., dann würde niemand für einen Hundertkronenwechsel mehr bezahlen als 85 Mk. 85 Pfg. Denn wenn der Wechselkurs diesen Stand erreicht hat, wird es billiger mit Gold zu zahlen, als mit Wechsel. Der Wechselkurs kann in unserem Falle nicht über Mk. 85,85 steigen; dieser Kurs wäre der obere Goldpunkt, das heisst der Funkt, über den der Wechselkurs nicht steigen kann, weil, wenn er erreicht ist, die Nachfrage nach Wechseln als Mittel der Bezahlung aufhört und jetzt mit Gold bezahlt wird. Die Bilanz, die also von Deutschland an Oesterreich aus dem Handelsverkehr zu begleichen ist, wird in der Weise gezahlt, dass die Deutschen auf ihrem Geldmarkt die österreichischen Wechsel im Preis von Mk. 85,85 für 100 K aufkaufen und so 100 Millionen Kronen in österreichischen Wechseln zahlen; den Rest von 10 Millionen Kronen zahlen sie in deutschem Gold, wozu sie 8,5 Millionen Mark brauchen, deren Versendung sie 85.000 Mk. kostete. Der Wechselkurs ist also in diesem Falle für Deutschland ungünstig, weil die österreichischen Wechsel auf dem deutschen Geldmarkt hoch stehen.

Umgekehrt liegen die Verhältnisse in Oesterreich. Oesterreich hat an Deutschland 85 Millionen Mark = 100 Millionen Kronen zu zahlen. Auf dem österreichischen Geldmarkt sind aber 93,5 Millionen Mark = 110 Millionen Kronen deutsche Wechsel. Die österreichischen Exporteure, die diese Wechsel für nach Deutschland verkaufte Waren erhalten haben, bieten sie den österreichischen Importeuren an, die damit die aus Deutschland empfangenen Waren bezahlen können. Hier aber übersteigt das Angebot die Nachfrage. Der Wechselkurs wird also sinken. Die Besitzer der Wechsel brauchen österreichisches Geld. Sie könnten ihre Wechsel nach Deutschland schicken und sie dort in Gold einlösen lassen, dieses Gold dann nach Oesterreich bringen und hier in österreichische Münze umschmelzen lassen. Dies verursacht aber Kosten, sie werden deshalb vorziehen, ihre Wechsel an die Importeure zu verkaufen, auch wenn der Erlös geringer ist, als es der Parität 100 K = 85 Mk. entspricht, und zwar werden sie ihre Wechsel so lange verkaufen, als sie für je 100 Mk. ihrer Markwechsel 85 Mk. Weniger 85 Pf., den Kosten der Geldversendung, erhalten, also Mk. 84,15 = K 99,15. Billiger werden sie den Wechsel nicht hergeben, weil es für sie dann vorteilhafter wäre, ihre Wechsel nach Deutschland zur Zahlung einzusenden und sich das Gold schicken zu lassen. Der Kurs von Mk. 84,15 für einen Hundertkronenwechsel in Wien wäre der untere Goldpunkt; unter diesen Kurs kann der deutsche Wechsel nicht fallen, weil bei diesem Kurs das Angebot von deutschen Wechseln in Wien aufhören und deutsches Gold importiert würde. Der Wechselkurs zwischen Goldwährungsländern hat so für seine Schwankungen feste Grenzen, die durch den oberen und unteren Goldpunkt gegeben sind, deren Entfernung in Wirklichkeit natürlich weitaus geringer ist als in unserem Beispiel. [3]

Der Wechselkurs zwischen Goldwährungsländern schwankt also nur in den Grenzen, die die Kosten der effektiven Goldzahlung bedingen. Darüber können die Schwankungen nicht hinausgehen, da sonst an Stelle des Kreditgeldes das Goldgeld tritt. Anders, wenn das eine Land keine Goldwährung, sondern Papierwährung besitzt.

Die Verhältnisse sind leicht abzuleiten. Gesetzt, Oesterreich hätte an Deutschland für 200 Millionen Kronen Zahlungen zu leisten, Deutschland an Oesterreich für 100 Millionen Kronen, die bei Goldwährung in beiden Ländern, wie wir wissen, gleich wäre 85 Millionen Mark. Auf dem deutschen Geldmarkt ist also Nachfrage nach 100 Millionen Kronen, denen ein Angebot von 200 Millionen Kronen österreichischer Zahlungsmittel (Wechsel) gegenübersteht. Die Folge wäre ein Sinken des Wechselkurses. 100 K würden in Berlin nicht 85 Mk. erzielen, sondern nur Mk. 84,15. Zu diesem Preise würden 100 Millionen Kronen Wechsel verkauft und damit die Nachfrage befriedigt. Die übrigen 100 Millionen Kronen würden nach Oesterreich zur Einlösung geschickt und dafür Geld nach Deutschland gesandt werden. Aber die Oesterreicher zahlen nicht in Gold, sondern in ihrem Papiergeld. Dieses ist aber in Deutschland als Zahlungsmittel nicht zu verwenden, sondern nur in Oesterreich. Soll es also nicht völlig wertlos werden, so muss es wieder in die österreichische Zirkulation geworfen werden. Die deutschen Importeure brauchten aber nur für 100 Millionen Kronen Zahlungsmittel; das ist der Betrag, den Deutschland in die österreichische Zirkulation werfen kann, weil es aus ihr um den gleichen Betrag Waren bezogen hat; aber die deutschen Exporteure wollen ihre 200 Millionen Kronen los werden, da sie sonst befürchten müssen, für sie wertlose Papierzettel in der Hand zu behalten. Infolgedessen wird das Angebot von Wechseln durchaus nicht aufhören, wenn der Wechselkurs Mk. 84,15 beträgt. Die Konkurrenz der Exporteure wird fortdauern und den Kurs weiter senken. Da aber nur für 100 Millionen Kronen = 85 Millionen Mark Nachfrage nach österreichischen Zahlungsmitteln besteht, werden sie für ihre 200 Millionen Kronenwechsel nur 85 Millionen Mark erhalten. Der Wechselkurs wird auf Mk. 42,50 gefallen sein. Die österreichische Valuta ist also, wie der Wechselkurs mit dem Goldwährungsland zeigt, um die Hälfte entwertet. Die Schwankungen des Wechselkurses in diesem Falle sind also unbegrenzt und nur reguliert durch das wechselnde Verhältnis von Nachfrage und Angebot der Zahlungsmittel des Papierwährungslandes auf den ausländischen Geldmärkten. Die Folge dieser Schwankungen, die jede kaufmännische Kalkulation ausserordentlich erschweren, auf Handel und Industrie im einzelnen aufzuzählen, ist hier nicht nötig. Uns interessiert hier nur das eine, dass die Entwertung der Valuta, wie sie auf dem Geldmarkt des Auslandes erscheint, zugleich natürlich eine Entwertung der Valuta im Inland bedeuten muss, also ein Sinken der Kaufkraft des Papiergeldes. Hätte Oesterreich Metallgeldzirkulation gehabt, so wären für 100 Millionen Kronen Gold ins Ausland abgeflossen, um die Schuld an Deutschland abzutragen. Jetzt fliessen der inländischen Zirkulation statt dessen 100 Millionen Kronen aus Deutschland zu, wir wissen aber bereits, dass die Vermehrung des uneinlösbaren Papiergeldes über das von der Zirkulation jeweils bestimmte Mass die Entwertung des Papiergeldes nach sich ziehen muss. [4]

Zugleich erkennen wir auch das einzige Mittel, diese Entwertung zu hindern. Es wäre ja dazu nur nötig gewesen, dass 100 Millionen Gold nach Deutschland geschickt worden wären; diese Notwendigkeit wurde durch das Sinken des österreichischen Wechselkurses in Berlin auf den unteren Goldpunkt angezeigt. Und in der Tat besteht das ganze Kunststück, die Papierwährung in ihrem Kurs im Ausland wie im Inland zu stabilisieren, darin, die nötigen Zahlungsmittel für das Ausland zur Verfügung zu stellen. Die inländische Zirkulation kann prinzipiell ganz ohne Goldgeld auskommen; erweitert sich die Zirkulation, so erweitert sich der Wechselumlauf und damit der Banknotenumlauf; kontrahiert sich die Zirkulation, so nimmt der Wechselumlauf ab und die Banknoten strömen zurück. Solange der Kredit der Notenbank unerschüttert ist, ihre Leitung die Noten nur gegen streng bankmässige Deckung ausgibt, ist das Gold unnötig; dagegen muss im ausländischen Verkehr, wo die Note nicht Zahlungsmittel, sondern nur Goldanweisung sein kann, stets das nötige Gold zur Verfügung gestellt werden, um den Wechselkurs vor grösseren Schwankungen zu bewahren.

Wir haben gesehen, dass die Entwertung der österreichischen Valuta in Deutschland erfolgt ist, weil die Deutschen 100 Millionen Kronenwechsel mehr hatten, als sie zur Zahlung in Oesterreich bedurften. Diese 100 Millionen Kronen wollten sie in deutsche Zahlungsmittel verwandeln; es macht für sie keinen Unterschied, in weicher Form sie diese deutschen Zahlungsmitteln erhalten, ob in Gold oder in deutschen Banknoten oder in Wechseln, die in Deutschland in deutscher Währung einzulösen sind. Ihnen handelt es sich ja nur darum, statt österreichischer Zahlungsmittel deutsche zu erhalten. Darauf beruht die sogenannte Devisenpolitik der Oesterreichisch-ungarischen Bank. Wenn in Berlin zu viel österreichische Wechsel vorhanden sind, so in Wien natürlich gleichzeitig zu wenig deutsche. In unserem Beispiel werden in Wien nur 100 Millionen Kronen = 85 Millionen Mark deutscher Wechsel vorhanden sein, die Oesterreicher müssen aber 200 Millionen Kronen für die bezogenen Waren zahlen; die Folge wird sein, da diese 85 Millionen Mark das einzige Zahlungsmittel für Deutschland ist, dass für diese 85 Millionen Markwechsel die 200 Millionen Kronen gezahlt werden müssen. Stellt aber die Bank für die fehlenden 100 Millionen Kronen 85 Millionen Devisen, also Markwechsel aus ihrem Portefeuille zur Verfügung, so wird der Wechselkurs der Marknoten in Wien nicht steigen, der Wechselkurs der Kronenwechsel in Berlin nicht sinken, sondern die Parität erhalten bleiben.

Statt Gold kann also auch Kreditgeld, wenn es in Deutschland in gesetzliches Geld verwandelbar ist, benützt werden. Es ist klar, dass diese Devisenpolitik grosse Vorteile bietet. Einmal werden dadurch die Kosten der Geldsendung erspart. Zweitens tragen die Devisen Zinsen, während das Gold in den Kellern brach liegt.

Diese Politik besteht also in nichts anderem, als dass die Bank in Zeiten, wo auf dem österreichischen Geldmarkt auf das Ausland lautende, in Gold einzulösende Zahlungsmittel über die momentane Nachfrage hinaus vorhanden sind, diese ankauft und sich so allmählich einen Vorrat von Auslandswechseln schafft. Uebersteigt aber umgekehrt die Nachfrage nach ausländischen Zahlungsmitteln auf dem österreichischen Geldmarkt das Angebot, so gibt die Bank aus ihrem Vorrat diese her und verhindert dadurch, dass der Wechselkurs über den Goldpunkt steigt. Theoretisch kann man sich vorstellen, dass auf diese Weise auch das Hin- und Hersenden des Goldes im internationalen Verkehr beseitigt wird, und praktisch lässt es sich sicher erreichen, dass die Goldsendungen stark eingeschränkt werden, um so mehr, da die hier schematisch gezeichnete Devisenpolitik noch durch andere Massregeln wirksam ergänzt werden kann; die Bank kann zum Beispiel einen Teil ihres Goldschatzes oder Goldguthabens im Ausland halten, zum Beispiel als Depot bei der englischen, französischen oder deutschen Nationalbank. Es hat dies den Vorteil, dass sie dadurch jederzeit über Zahlungsmittel auf diese Länder auch, abgesehen von ihrem Devisenvorrat, im Betrage dieser Guthaben verfügt. Zahlt sie mit solchen Anweisungen, so vermindert sich zwar ihr Goldguthaben, aber die Versendungskosten von effektivem Gold werden gespart.

Dass dieses System, das zuerst systematisch in der Praxis durchgeführt zu haben ein unleugbares Verdienst der österreichischen Bankpolitik ist, noch sehr entwicklungsfähig ist, wenn auch die anderen grossen Notenbanken es akzeptieren – in Deutschland wird dieser Frage bereits erhöhte Aufmerksamkeit gelenkt – ist unzweifelhaft. Die Vermeidung der Goldsendungen wäre natürlich eine nicht unbedeutende Ersparnis von faux frais, von Unkosten der kapitalistischen Zirkulation. [5]

Aber all diese Bemühungen sind begrenzt einmal durch eine politische, sodann durch eine ökonomische Schranke. Die politische besteht darin, dass die ausländischen Goldguthaben der Zentralbanken, die ja in Wirklichkeit mehr minder Staatsanstalten sind und an deren ungestörter Funktion die Zirkulation und damit der Kredit des Staates gebunden ist, im Kriegsfälle gefährdet wären. Zwischen England und Frankreich finden zum Beispiel bedeutende Goldsendungen statt; sie könnten leicht vermieden werden, wenn die Bank von England bei der von Frankreich ein genügend grosses Golddepot hielte und umgekehrt. Da aus verschiedenen Gründen die Bilanz Englands zugunsten Frankreichs überwiegt, müsste das englische Guthaben wahrscheinlich bedeutend höher sein. Bei einem Krieg Frankreichs gegen England wäre es aber fraglich, ob die Bank von Frankreich dieses Golddepot auf Verlangen auch wirklich auszahlen würde, wenn etwa die Weigerung den englischen Kredit und damit die Beschaffung von Kriegsmitteln erschweren würde. Zwar widerspräche solchem Vorgehen das Völkerrecht. Aber der Krieg nimmt auf die Spinnfäden des Rechts keine Rücksicht. Trotzdem kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die Mittel zur Ersparung von Goldsendungen noch lange nicht erschöpft sind und dass daher auch die Rolle, die das Goldgeld als Weltgeld spielt, erheblich eingeschränkt werden kann.

Die ökonomische Schranke aber besteht darin, dass das Kreditgeld jederzeit in Gold verwandelbar sein muss, weil nur dies in letzter Instanz die Garantie der Gleichheit seines Kurses mit dem Wert des Goldes ist. Nur für ein Land, das im ausländischen Wechselkurs jederzeit den Prüfstein für das Bestehen dieser Gleichheit besitzt, ist es möglich, das Gold aus seiner Zirkulation scheinbar zu entfernen. Scheinbar: denn der internationale Ausgleich wird auch für dieses Land in Goldgeld vollzogen, wenn auch zum Teil in Form von Zahlung durch Goldforderungen. Das Gold liegt zwar nicht in den Kellern der österreichischen Bank, aber dafür besitzt diese Forderungen, die schliesslich mit dem Gold in den Kellern der deutschen, englischen, französischen Bank eingelöst werden müssten.

Die Vorteile der Devisenpolitik werden für die Bank durch die Gesetzgebung insofern beschränkt, als die Bank nur 60 Millionen Kronen Devisen in die Banknotendeckung einrechnen darf. Das heisst, sie darf für diese Devisen nur 150 Millionen Kronen Banknoten ausgeben, da 60 Millionen ⅖ von 150 sind; diese Noten also damit nach Vorschrift zu ⅖ gedeckt sind. Für die 60 Millionen Kronen übersteigende Devisensumme darf sie nur gleichviel Noten in Verkehr setzen. Kann die Zirkulation aber mehr Noten aufnehmen, wird für das Ausleihen dieser Noten höherer Zins bezahlt, als die Devisen tragen, so wird es für die Bank vorteilhafter, ihre Mittel in Gold als in Devisen, den Goldforderungen, anzulegen. Diese gesetzliche Bestimmung hat den Zweck, das Interesse der Bank an der Anschaffung von Gold wachzuerhalten.

An der Eigentümlichkeit unserer Währungsverhältnisse ändert dieser Umstand nichts. Das Gold spielt in unserer inneren Zirkulation keine beträchtliche Rolle und die Bank bemüht sich durch ihre Devisenpolitik, die Goldzahlungen auch für den internationalen Verkehr einzuschränken. Ob dieser Zustand allen Bedürfnissen unserer Volkswirtschaft entspricht, ob er der Reform durch die Aufnahme der Barzahlungen bedarf, wird in einem zweiten Artikel erörtert werden.

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Fussnoten

1. Innerhalb des engen Rahmens eines Revueartikels kann es sich natürlich nur um eine Behandlung in den allgemeinsten Umrissen handeln. Eine eingehendere theoretische Erörterung der Probleme, welche die neueste Entwicklung der Währungssysteme stellt, muss einer umfassenderen Studie Vorbehalten bleiben. (Die vorliegende Arbeit befindet sich schon seit längerer Zeit in unseren Händen, musste aber wegen Raummangel zurückgestellt werden. – Anmerkung der Redaktion.)

2. Nach einer Berechnung der Frankfurter Zeitung war bei nur sechs, allerdings wichtigen Artikeln (Roheisen, Steinkohle, Kupfer, Baumwolle, Weizen, Roggen) der Geldbedarf auf die Mengen von 1905 zu den Preisen vom Herbst 1906 um nicht weniger als 1.400 Millionen Mark gestiegen gegen die Mengen und Preise von 1901.

3. Seit dem Jahre 1901 sind in Wien die Devisenkurse niemals mehr als um 0,2 Prozent über die Parität gestiegen.

4. Wie sich eine solche Entwertung, die sich in Preissteigerung der Waren ausdrücken würde, in der Praxis durch Vermittlung des auswärtigen Handels durchsetzen würde, kann hier nicht weiter verfolgt werden.

5. Bekanntlich hat der Schatzsekretär der Vereinigten Staaten, Cortelyon, einen Vorschlag zur Einberufung einer internationalen Konferenz zur Vermeidung der internationalen Goldsendungen angeregt.


Zuletzt aktualisiert am 15. Mai 2023