L. Sedov

Rotbuch über den Moskauer Prozess


Zwei Prozesse

(Januar 1935–August 1936)


Der Moskauer Prozess war faktisch, oder sollte es jedenfalls sein, eine Revision des ersten Prozesses vom 15.–16. Januar 1935, wo Sinowjew, Kamenew, Jewdokimow, Bakajew und andere zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Im Urteil, das vom Gericht im Januar 1935 gefällt wurde, hieß es, „die Untersuchung hat keine Tatsachen erbracht, die eine Grundlage abgeben würden, um die Mitglieder des ‚Moskauer Zentrums‘ direkt anzuklagen, dass sie zur Organisierung des gegen Gen. Kirow gerichteten Terrorakts ihre Zustimmung oder irgendwelche Anweisungen gaben“.

Diese „Tatsachen“ sind angeblich nunmehr erbracht. Daher der neue Prozess. So die offizielle Version. Die „Affäre“ Sinowjew u.a. wird revidiert.

Man sollte meinen, das Gericht müsste also von den Unterlagen des ersten Prozesses ausgehen, von dessen gesamter „Struktur“, erweitern und ergänzen, was bisher nicht „erbracht“ worden war, offen – mit Darlegung der Gründe – den „Fehler“ des ersten Prozesses richtigstellen.

Nichts von alledem! Das Gericht hat nicht einmal versucht, den Zusammenhang – eine hoffnungslose Sache! – zwischen dem ersten und dem zweiten Prozess herzustellen, von der Materie des ersten Prozesses auszugehen usw. Es wirft ihn einfach in die Ecke wie unnützen Trödelkram und entlarvt damit schon den ersten Prozess als das, was er ist, eine Polizeimachination, die man damals gebrauchen konnte, jetzt aber nicht mehr. Ein Vergleich der beiden Prozesse ist ungemein lehrreich. Er entlarvt die ganze Verlogenheit der stalinistischen Prozess“konstruktionen“.
 

Das „Moskauer Zentrum“ und das „vereinigte Zentrum“

Im ersten Prozess drehte sich die gesamte Anklage um das sog. „Moskauer Zentrum“ (der Sinowjewisten), an dem nach den Worten der Anklage beteiligt waren: Scharow, Kuklin, Gertik, Fjodorow, Gorschenin, Sinowjew, Kamenew, Jewdokimow und Bakajew, d. h. ausschließlich Sinowjewisten. Von „Trotzkisten“, nicht nur echten, sondern auch Kapitulanten wie Smirnow, Mratschkowski (Pseudotrotzkisten), war in dieser Affäre mit keinem Wort die Rede.

Im jüngsten Moskauer Prozess war das Moskauer Zentrum fast ganz vergessen, und die Anklage wurde ausschließlich auf die Tätigkeit des sogenannten „Vereinigten Zentrums“ (ganz anderer Zusammensetzung) aufgebaut. Im ersten Prozess wurde dies „Vereinigte Zentrum“ überhaupt nicht erwähnt, aus dem einfachen Grunde, weil ... die GPU damals noch keine Zeit gehabt hat, dies Zentrum zu erfinden.

Weder das Gericht, noch der Staatsanwalt machen irgendeinen Versuch zu erklären, welches die politischen und organisatorischen Beziehungen zwischen dem sog. Moskauer [1] und dem Vereinigten Zentrum gewesen sind. Indes, diese Frage müsste für die Anklage von gewaltigem Interesse sein, umso mehr, als dem ersteren eine Reihe von Leuten angehörten, die im zweiten nicht vertreten waren, und andere, wie Sinowjew, Kamenew, Bakajew und Jewdokimow, beiden Zentren angehörten.

Den Erklärungen des Staatsanwalts zufolge haben Sinowjew, Kamenew usw. (im ganzen 19 Angeklagte, wohinzu noch die 14 in der Nikolajewaffäre Erschossenen gerechnet werden müssen) im Dezember 1934–Januar 1935 einfach die Existenz des Vereinigten Zentrums verheimlicht, im übrigen aber alles zugegeben, was man damals von ihnen verlangte. Unvorstellbar! Sinowjew, Kamenew usw. haben weder sich noch ihre Nächsten geschont, warum sollen sie wohl gerade die Rolle der „Trotzkisten“ verheimlichen, denen gegenüber sie niemals besonders zarte Gefühle hegten, und deren Belastung damals wirklich Sinowjews-Kamenews Schicksal hätte erleichtern können, denn der Hauptschlag der GPU hätte natürlich den Trotzkismus getroffen.
 

Neunzehn und Vier

Im ersten Prozess gegen Sinowjew usw. wurden 19 Mann verurteilt. Hier ihre Liste: 1. Sinowjew, 10 Jahre Gefängnis, als „Hauptorganisator und Leiter des Moskauer Zentrums“, 2. Gertik, A. N., 3. Kuklin, A. S. und 4. Sachow, B. N., als die „aktivsten Beteiligten“, zu zehn Jahren Gefängnis jeder, 5. Scharow, J. W., 6. Jewdokimow, G. E., 7. Bakajew, I. P., 8. Gorschenin, I. S. und 9. Zarkow, A. N., zu 8 Jahren Gefängnis, 10. Fedorow, G. W., 11, Herzberg, A .W., 12. Hessen, S. M., 13. Tarassow, I. I., 14. Perimow, A. W., 15. Anischew, A. I., und 16. Faiwilowitsch, L. J., zu 6 Jahren jeder, 17. Kamenew, L. B., 18. Baschkirow, A. S. und 19 Brawo, B. L. „als weniger aktiv Beteiligte“ zu fünf Jahren Gefängnis.

Im Zusammenhang mit derselben Affäre wurden zu Konzentrationslager von 4 bis 5 Jahren verurteilt Saluzki, Wardin usw. – im ganzen 49 Personen, und zu Verbannung von 2 bis 5 Jahren 29 Personen. Im ganzen 97 Personen, ehemalige Leiter der ehemaligen sinowjewistischen Opposition.

Von den im ersten Prozess verurteilten neunzehn findet man im heutigen Prozess nur vier völlig willkürlich herausgegriffene Personen wieder. Warum nicht auch die übrigen 15, und sei es nur als Zeugen? Was ist aus diesen 15 geworden? Warum wurden nur vier Personen belangt und warum gerade diese? Erinnern wir nochmals: das Urteil nennt als die „aktivsten“ ausser Sinowjew Gertik, Kuldin und Sachow (zehn Jahre Isolator), während Jewdokimow und Bakajew der Kategorie der weniger aktiven angehörten, Kamenew gar der Kategorie der am wenigsten aktiven („bloß“ fünf Jahre Isolator).

Jetzt aber soll Kamenew neben Sinowjew, Bakajew und Jewdokimow einer der Haupträdelsführer gewesen sein. Ihrerseits sitzen Gertik, Kuklin und einige andere, obgleich sie in dem letzten Prozess mehrfach als Terroristenführer genannt worden sind, nicht auf der Anklagebank! Viele von den „19“ wurden in dem neuen Gerichtsverfahren überhaupt nicht erwähnt. Es muss somit angenommen werden, dass an ihnen 1935 ein Justizirrtum begangen wurde. Sie hätten also entweder auch belangt oder rehabilitiert werden – auf jeden Fall als Zeugen aufgerufen werden müssen.

Zuerst werden 19 alte Bolschewiki zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt wegen – wenn auch nicht „nachgewiesener“ – Beteiligung am Kirowmord, dann werden – nach Stalins Gutdünken – vier davon erneut vor Gericht gestellt und erschossen. Das Schicksal der Übrigen bleibt unbekannt. Und es fand sich ein Individuum von Advokat, der Engländer Pritt, der die Frechheit hatte, die „Prozedur“ dieses Prozesses „als Muster für die ganze Welt“ darzustellen!

Die vier willkürlich in den Prozess verwickelten Sinowjewisten – Sinowjew, Kamenew, Jewdokimow, Bakajew – sind es natürlich nicht im Interesse der Rechtsfindung, sondern aus politischen und polizeilichen Erwägungen. Sinowjew und Kamenew brauchte Stalin, um diesem Prozess all seine politische Bedeutung zu verleihen. Bakajew und Jewdokimow waren wahrscheinlich die, deren Rückgrat es zu brechen gelang, und ohne die die Belangung von Sinowjew und Kamenew allein schwierig gewesen wäre. Die Nichtbelangung vor allem von Kuklin und Gertik aber ist offenbar nur damit zu erklären, dass es nicht gelang, sie weich zu kneten. Aus demselben Grund kamen sie für Stalin auch als Zeugen vor diesem „mustergültigen“ Gericht nicht in Frage. Nicht ausgeschlossen ist auch, dass einige von ihnen Stalins Reserve für den Fall neuer Prozesse darstellen.
 

Der Wert der Geständnisse

Auf dem Moskauer Prozess wurde kein einziges Dokument, kein einziges Beweisstück beigebracht (Olbergs Honduraspass kann man ja doch nicht ernst nehmen!), noch ein einziger unbeteiligter Zeuge vorgeführt. Der letzte Prozess war, ebenso wie der erste von 1935, ausschließlich auf die (falschen) Aussagen der Angeklagten selbst aufgebaut, die zugleich (falsche) Belastungszeugen waren. Vier von ihnen – Sinowjew, Kamenew, Jewdokimow und Bakajew – hatten bereits im ersten Prozess Aussagen gemacht. Vergleichen wir:

Januar 1935

 

August 1936

Kamenew gestand, er habe „nicht aktiv und energisch genug die Zersetzung bekämpft, welche die Folge des Kampfes gegen die Partei war, und auf deren Boden eine Banditenbande (Nikolajew usw.) entstehen und ihr Verbrechen durchführen konnte“.

„Gestand ... dass er seine Beziehungen zu Sinowjew nicht endgültig abbrach“. (Welch grässliches Verbrechen!)

 

Wyschinski: Sie bestätigen also, dass Sie einen so ungeheuerlichen Plan hatten (Machtergreifung mittels Terrors)?

Kamenew: Ja, dieser ungeheuerliche Plan existierte.

Wyschinski: Die Ermordung Kirows ist unmittelbar das Werk Ihrer Hände?

Kamenew: Ja.

 

Bakajew sagt aus, „hier (bei den Sinowjewisten) gab es nur bösartige, feindselige Kritik an den wichtigsten Massnahmen der Partei“.

Von Attentaten, Terror, „vereinigtem Zentrum“ usw., kein Wort!

 

Wyschinski: 1932 erhielten Sie den Auftrag, die Ermordung des Genossen Stalin zu organisieren? ...

Bakajew: Ja ...

Wyschinski: Außerdem waren Sie am Mord an dem Genossen Kirow beteiligt?

Bakajew: Ja.

 

Sinowjew sagt (vom Revolver bedroht), „ ... die Partei hat ganz recht, von der Frage der politischen Verantwortung der ehemaligen parteifeindlichen ‚sinowjewistischen‘ Gruppe an dem soeben verübten Mord zu sprechen“.

 

Wyschinski: Diesem Zentrum gehörten Sie, Kamenew, ... an?

Sinowjew: (wieder vom Revolver bedroht) Ja.

Wyschinski: Also Sie alle haben den Mord an Genossen Kirow organisiert?

Sinowjew: Ja.

Wyschinski: Also Sie alle haben Genossen Kirow ermordet?

Sinowjew: Ja.

 

Jewdokimow: Wir müssen die Verantwortung (für den Kirowmord) übernehmen, denn das Gift, mit dem wir während eines Jahrzehnts die uns Nahestehenden vergifteten, ermöglichte die Ausführung des Verbrechens.

 

Wyschinski: Sie geben zu, dass der Mord an Genossen Kirow mit Ihrer Mithilfe vorbereitet wurde?

Jewdokimow: Ja, ich gebe es zu.

Nachdem Sinowjew usw. 1935 auf selbstverleumderische Weise die politische Verantwortung für den Kirowmord übernommen und so begonnen hatten, Stalins Erpressungen nachzugeben, akzeptierten sie 1936 die noch wahnwitzigere Beschuldigung. Kirow haben töten und andere Morde vorbereiten zu wollen. Diese Leute haben sowohl 1935 wie 1936 die Unwahrheit gesagt. Doch ihre Unwahrheit von 1935 – die Selbstbezichtigung der „politischen Verantwortung“ für Kirows Tod – ist nichts im Vergleich mit der furchtbaren Lüge von 1936! Dies ständige „Ja“, „Ja“ auf alle Fragen des Staatsanwalts, entlarvt das allein nicht schon die ganze Falschheit der Aussagen? Wyschinski seinerseits bezeichnet die Aussagen der Angeklagten als „Verrat, Lüge ... Maskierung“, und verlangt, man solle ihnen „nicht das geringste Vertrauen“ schenken.

Wir fragen: welches ist der Wert der Geständnisse von Angeklagten, die „bisher logen, wie sie jetzt lügen“ ... (Staatsanwalt Wyschinski)? Und welches ist der Wert des ganzen Prozesses, der ausschließlich auf diese Aussagen gegründet war, d. h. auf „Verrat, Lüge ... Maskierung“?
 

„Wiederherstellung des Kapitalismus“ oder „persönliche Rachegier“?

Im Zusammenhang mit dem ersten Prozess wurden Sinowjew und Kamenew beschuldigt, sie seien für die Rückkehr zum Kapitalismus, „für die kapitalistische Restauration“. Unter diesem Motto stand damals (Anfang 1936) die Hetze der Sowjetblätter gegen Sinowjew–Kamenew.

Gelang es damals zwar nicht, den Charakter der Tätigkeit Sinowjews–Kamenews (den Terror) festzustellen, so doch wenigstens eindeutig ihr Ziel: die Wiederherstellung des Kapitalismus.

Im zweiten Prozess ist die „kapitalistische Restauration“ gänzlich in Vergessenheit geraten. Dafür wird eine neue Version aufgetischt: „... unzweifelhaft ergeben, dass das einzige Motiv der Organisierung des trotzkistisch-sinowjewistischen Blocks das Bestreben war, um jeden Preis die Macht zu ergreifen“. [2] Der Staatsanwalt wiederholte das dutzende von Malen: „Um die Macht, die Macht um jeden Preis, die Gier nach persönlicher Macht – das ist die ganze Ideologie dieser Kumpanei“. [3]

Das Urteil wurde gefällt, die Angeklagten sind verurteilt und erschossen, weil sie im Bestreben nach persönlicher Macht Terror anwandten. Allein, plötzlich, einige Wochen nach dem Prozess befahl Stalin, zur ersten Version zurückzukehren, weil er sie offenbar für „gelungener“ hält. In der Prawda vom 12. September 1936 erschien ein ohrenbetäubender Artikel, wonach die Angeklagten „... versuchten, das wahre Ziel ihres Kampfes zu verbergen. Sie gaben die Version zum Besten, dass sie gar kein Programm gehabt hätten. In Wirklichkeit hatten sie doch ein Programm. Es ist das Programm der Zerstörung des Sozialismus und der Wiederherstellung des Kapitalismus“. Und sofort geht die gesamte Propaganda in dieser Richtung. Eine der wichtigsten Fragen, die Absicht der Angeklagten, wird durch Zeitungsartikel revidiert, unter völliger Missachtung all dessen, was vor Gericht gesagt wurde!

Wenn Stalin beweisen soll, dass die Angeklagten prinzipienlose Menschen seien, so erklärt er, sie hätten kein Programm, und nur „Machtdurst“ habe sie getrieben. Soll er aber ihr konterrevolutionäres Wesen beweisen, dann verkündet er unbedenklich, sie hätten nicht die Macht um der Macht willen angestrebt, sondern die Wiederherstellung des Kapitalismus. An welche Hemmungslosigkeit haben sich diese Leute in einer zehnjährigen unkontrollierten Herrschaft gewöhnt!
 

Ende der Legende vom Konsul

Als Stalin 1935 die Sinowjewgruppe in den Kirowmord verwickelte, wollte er über diese Gruppe vor allein den „Trotzkismus“ treffen. Das war sein Hauptziel. Zugleich wurde ein Versuch unternommen, Trotzkis Namen auch unmittelbar in die Nikolajewaffäre zu mengen.

Am zwanzigsten (!) Verhörtag (20. Dezember 1934) sagte Nikolajew endlich aus, ein anonymer Konsul, den er besuchte, habe ihm „gesagt, dass er eine Verbindung mit Trotzki herstellen könne, wenn er (Nikolajew) ihm einen Brief von der Gruppe an Trotzki geben würde“. Und das war alles.

Wie man sieht, ging die Initiative des Vorschlags von dem anonymen Konsul aus; im Nikolajew-Prozess befanden es die Anklage und der Gerichtshof nicht einmal für nötig klarzustellen, ob denn nun an Trotzki ein Brief geschrieben und übermittelt worden war, ob Trotzki antwortete, usw. Die GPU zog es vor, Einzelheiten zu vermeiden, da sie mit Recht befürchtete, sich selbst und ihr Amalgam zu kompromittieren.

Am 29. Dezember 1934 teilte der französische Temps mit, „die ausländischen Kreise in Moskau ... ergehen sich in Rätseln bezüglich der Nationalität dieses Diplomaten“. Am 30. Dezember teilte eine Telegraphenagentur mit, „eine Konsularversammlung hat stattgefunden, auf der beschlossen wurde ..., von den Sowjetbehörden öffentliche Nennung des Namens des verdächtigten Konsuls zu verlangen“.

Stalin war damals gezwungen, am 2. Januar 1935, den Konsul zu nennen. „Der in der Anklageschrift zur Kirowmordaffäre erwähnte ausländische Konsul ist der lettische Konsul, Herr Bissinieks“, und einen Tag später, am 3. Januar, teilte die TASS mit, der erwähnte Konsul sei „von seiner Regierung abberufen worden“.

Der Konsul hielt es nicht für nötig, zu dementieren oder sonstige Erklärungen abzugeben. Er hielt es auch nicht für erforderlich anzugeben, wozu er einen Brief vom Terroristen Nikolajew an Trotzki brauchte. Zweifelsohne hatte er gewichtige Gründe, das GPU-Amalgam nicht nur zu decken, sondern auch daran teilzunehmen.

In Moskau hat man sehr bald gemerkt, dass das Amalgam mit dem Konsul gescheitert war, und dass es besser sei, davon zu schweigen. Mit umso größerem Nachdruck befahl Moskau seinen französischen Lakaien, auf Trotzki zu hetzen, vor allem, um ihm in Frankreich, wo er damals wohnte, Polizeischwierigkeiten wegen des Aufenthalts zu schaffen. (Was damals in Frankreich nicht gelang, ist heute in Norwegen gelungen.) Mit noch nicht dagewesener Unverschämtheit schrieb Duclos am 29. Dezember 1934 in der Humanité: „Es ist jetzt erwiesen (wo? wie? wann?), dass Beziehungen (??) bestanden zwischen dem Mörder Nikolajew, seinen Helfershelfern, Trotzki und dem diplomatischen Vertreter einer imperialistischen Macht (Lettland!), die es gestatteten, Trotzkis Verantwortung an der Ermordung Kirows festzustellen“; „der Konsul“, fuhr die Humanité fort, „diente als Verbindungsglied zwischen Trotzki und der Mördergruppe in Leningrad“.

Der Konsul war 1935 die einzige „Grundlage“ für die Anklage Trotzkis, am Kirowmord mitgewirkt zu haben. „Trotzkis Hände sind Rot vom Blut eines proletarischen Führers (Kirow)“!, heulte die Humanité. Beweis? Der Konsul!

Auf dem Moskauer Prozess jedoch war dieser Konsul ganz einfach vergessen. Er, der das „Verbindungsglied“ gewesen war, der bewiesen hatte, dass zwischen Trotzki und Nikolajew „eine Verbindung existierte“ usw. – und plötzlich kein Sterbenswörtchen mehr von ihm zu hören! Das missratene Amalgam wurde unbedenklich in den Müllkasten geworfen und… durch ein neues ersetzt.

Kann man sich denn mehr kompromittieren? Welches Vertrauen können diese Herrschaften beanspruchen, wenn sie sich selbst als Verleumder und Fälscher entlarven?


Anmerkungen

1. Wir zweifeln nicht daran, dass es auch das Moskauer (sinowjewistische) Zentrum niemals gegeben hat. Menschen, die durch langjährige Zusammenarbeit verbunden waren, trafen sich, sprachen miteinander, kritisierten ..., das war alles. Wyschinski, z.B. teilt mit, „Kamenew sagte (im Januar 1935) er habe nicht gewusst, dass es ein ‚Moskauer Zentrum‘ gab ...: er (Kamenew) sagt, da (?) dieses Zentrum existiert hat (??) und dies bewiesen ist (???), trage er dafür auch die Verantwortung“! (Prozessbericht, S. 150.)

2. Anklageschrift, Prozessbericht ..., S. 12.

3. Ebendort, S. 126, unter anderen.




Zuletzt aktualisiert am 8. Februar 2020